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BERNEY

Arnold Berney

1897
- SOHN eines jüdischen Weinhändlers
- nicht getauft und ließ sich nicht taufen
- Das JUDENTUM war ihm wichtig, aber er fühlte sich vorrangig als Deutscher. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil und beteiligte sich 1918 in Mainz kurz an der Gründung eines „Rats geistiger Arbeiter“. ZWEIFEL an der „Gesinnungsreinheit“ der Initiatoren ließen ihn sein Engagement einstellen. Seinem Vater zuliebe studierte er JURA. Er schloß dieses Studium Ende 1920 in Heidelberg mit einer Promotion ab, die stark HISTORISCH beziehungsweise wirtschaftsgeschichtlich ausgerichtet war. Gleichzeitig war sie ein politisches Manifest. Er plädierte darin für einen „Staatssozialismus“, der die „Anerkennung des rechtmäßig erworbenen Privateigentums“ umfasse, ja das Kleingewerbe vor der „dahinrasenden großgewerblichen ENTWICKLUNG“ schütze [Duchhardt S. 16f.].
Danach ging Berney endgültig zu einem seinen Neigungen entsprechenden Zweit-Studium der GESCHICHTE über. Noch in Heidelberg lernte er die Mitglieder des George-Kreises Friedrich Gundolf und Ernst Kantorowicz kennen. Nachhaltigen intellektuellen Einfluß übte auf ihn die „geistige BEWEGUNG“ dieses Kreises aus. Er scheint aber nicht den persönlichen Kontakt zu ihm - wenn er ihn überhaupt gesucht hat - gefunden zu haben. Denn Ende 1921 wechselte er nach Freiburg. Anfang 1922 war auch Hermann Heimpel von München dorthin gewechselt. Als 1901 Geborener hatte der nicht mehr am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Während des Kapp-Putsches im März 1920 hatte Heimpel aber ganz fraglos gemeint, mit seiner „Zeitfreiwilligenbatterie Brenner gegen die Roten im Ruhrgebiet kämpfen“ zu müssen [Heimpel: Die halbe Violine. Eine Jugend in der Residenzstadt München, Stuttgart 1949, S. 273]. Der PROTESTANT Heimpel und der deutsche Jude Berney befreundeten sich, doch spielte der Ältere nach dem Empfinden des Jüngeren ein wenig zu rigide den „Erzieher“ [Heimpel 1995, S. 156f.]. Ihrer beider große Musikalität glich aber manches aus: „Der vokal-instrumentale Zusammenklang mit ihm wog unangenehme Stunden auf“, wie sich Heimpel erinnerte [ebd. S. 160f.]. Beide wurden 1924 in Freiburg promoviert und habilitierten sich auch dort 1927.
Den Neuzeitler Berney wie den Wirtschafts- und Konzilshistoriker Heimpel interessierte die Entstehung eines nationalen Bewußtseins und die Geschichte des Reichsgedankens - allerdings zu jeweils sehr verschiedenen Zeiten. Berney publizierte über SCHLÖZER, über KÖNIG Friedrich I. von Preußen und 1929 in der Historischen Zeitschrift seinen bekanntesten Aufsatz: „Reichstradition und Nationalstaatsgedanke 1789-1815“.
Für seine Habilitation hatte Berney selbstfinanzierte, langwierige Archivstudien in WIEN, PARIS und Berlin unternommen, während Heimpel bei Heinrich Finke, dessen beide Söhne im Ersten Weltkrieg gefallen waren, als Mitarbeiter und „Sohn im Hause“ vier Jahre wohnte [Heimpel 1995, S.198]. 1925 kam als Ordinarius Gerhard Ritter nach Freiburg, der 1929 Rudolf Stadelmann nach Freiburg brachte. Seitdem hatte sich Heimpel „im Ertragen der GENIALITÄT des von Ritter geförderten und unablässig gerühmten Rudolf Stadelmann […] mit Berney zu teilen“. Kurz nach Heimpels Habilitation war Below am 21.10.1927 gestorben. Sein Nachfolger, Erich Caspar, kam 1928 aus Königsberg nach Freiburg, folgte aber schon 1930 einem Ruf nach Berlin. Den Violinisten Heimpel, den Pianisten und Baß Berney, den Cellisten Caspar und den Flötisten Ritter verbanden gemeinsame musikalische Interessen.
Heimpels Frau hatte in Freiburg bei Martin HEIDEGGER und dem Psychologen Jonas Cohn sowie dem Historiker Heinrich Finke, in Göttingen dann bei dem Psychologen Narziss Ach, bei den HISTORIKERn Karl Brandi und A. O. Meyer, den Philosophen Moritz Geiger, Georg Misch und Leonard Nelson sowie den Pädagogen Erich Weniger und Hermann Nohl studiert. Hier wurde sie von Misch und Nohl, der als ‚Vater’ der modernen Sozialpädagogik galt und in dem Ruf stand, Sozialdemokrat zu sein [Heimpel 1995, S.200], Ende 1927 mit einer Arbeit des Titels „Die Aufklärung: Eine historisch-systematische UNTERSUCHUNG“ promoviert [Nohl war in einem Gesuch an HITLER 1934 sogar als „nichtjüdischer extremer Sozialdemokrat“ denunziert worden, dem er vor der Göttinger Philosophischen FAKULTÄT widersprach - Erwin Ratzke: Das Pädagogische Institut der Universität Göttingen. Ein Überblick über seine Entwicklung in den Jahren 1923-1949, in: Heinrich Becker, Hans-Joachim Dahms, Cornelia Wegeler: Die UNIVERSITÄT Göttingen unter dem NATIONALSOZIALISMUS, München usw. 1987, S.208f.].
Sehr eindrucksvoll schildert Duchhardt, in welchem Wettlauf mit der Zeit - bei respektgebietender LOYALITÄT seines Verlegers Oscar Siebeck - Berney 1933 den ersten Band seiner Biographie von Friedrich II. der Große zu Ende schrieb, der bis 1756 reichte. Er erschien 1934 und sollte Berney „an die Seite der damaligen Großen seines Faches stellen“ [Duchhardt S.65]. Die Bemühungen Ritters und Heimpels, Berney zu befördern oder wenigstens trotz der nationalsozialistischen „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ - GESETZ vom 7.4.1933 - dem Seminar zu erhalten, waren dagegen kontraproduktiv. Denn erst auf einen erneuten Antrag Heimpels stellte das Ministerium KLAR, daß Berneys VERTRAG nicht erst Ende 1934 auslaufe, sondern ihm schon längst gekündigt sei und ihm als „ehemaligen Frontkämpfer“ nur gewährt sei weiterzulesen. Das mußte er aber auch, wollte er seine venia nicht verlieren. Er tat es „bis zum Ende“, in dem „Willen, für mein Deutschtum einzutreten“ [Matthiesen S.62f.]. Ende 1935 wurde ihm dann die venia entzogen.
Der württembergische Landeshistoriker Erwin Hölzle wollte eine Rezension, die Berney 1935 über ein Buch Hölzles von 1931 geschrieben hatte, nicht unerwidert lassen. Gleichzeitig fühlte er sich weiterhin verletzt von der scharfen Ablehnung seiner Habilitation in Freiburg 1929 durch Ritter. Heimpel hatte in diesem ZUSAMMENHANG ihm gegenüber sogar erklärt, daß „mir persönlich alle weiteren Habilitationen hier besonders im Interesse meines Freundes Berney nicht gerade erwünscht sind“. So erwiderte Hölzle 1935 nicht nur Berney, sondern spielte unzweideutig auf dessen jüdische HERKUNFT an. Berney hatte nun den GLAUBEN verloren, „daß die ohnehin nicht mit allzu viel ZIVILCOURAGE gesegnete deutsche GESCHICHTSWISSENSCHAFT sich offen und ehrlich mit meiner Darstellung auseinandersetzt. Um so mehr wird sie benutzt und anonym verschlissen werden“ [ebd. S.76.]
Matthiesen schließt sich dieser eigenen DEUTUNG Berneys an und meint offenbar, daß erst durch diese Erwiderung Hölzles von 1935 in der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte das Judentum Berneys publik geworden und nun auch für den Verlag an einen zweiten abschließenden Band von Berneys „Entwicklungsgeschichte“.

berney.1368526778.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:11 (Externe Bearbeitung)