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crane

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crane [2017/06/17 14:54] Robert-Christian Knorrcrane [2024/03/30 09:14] (aktuell) – [literaturhistorische Einordnung] Robert-Christian Knorr
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 amerikanischer [[Lyriker]] und Prosaiker\\ amerikanischer [[Lyriker]] und Prosaiker\\
 1871-1900\\ 1871-1900\\
-- erste vollständige Lyrikausgabe bei [[http://www.vonwolkenstein.de/buecherei/crane.php|Knorr von Wolkenstein]] 2011\\+- erste vollständige Lyrikausgabe bei [[http://www.vonwolkenstein.de/buecherei/crane.php|Knorr von Wolkenstein]] 2023\\
 Nach seiner Ausbildung an der [[Universität]] von Syracuse, die Crane nicht abschloß, ging er 1890 nach Neu York, wo er sich als Reporter in den Slums durchschlug. In der Bowery kam er mit Arbeitslosen, Enterbten und Bettlern, mit Rauschgiftsüchtigen, Dirnen, Luden, Säufern und Spielern in [[Berührung]]. Die beruflichen Erfahrungen und seine entbehrungsreiche [[Existenz]] bildeten die Grundlage für den [[Roman]] „Maggie, a girl of the streets“ („Maggie, das Straßenkind“), den er 1893 unter dem Pseudonym Johnston Smith veröffentlichte. Zwar fand sein selbstverlegtes Büchlein die Anerkennung der [[Schriftsteller]] Hamlin Garland und William Dean Howells, zu einem finanziellen [[Erfolg]] jedoch reichte diese nicht. Erst Cranes zweiter Roman „The red badge of courage“, 1895 („Das rote Siegel“, u.a. 1973 bei Reclam Leipzig), brachte ihm internationale Anerkennung, auch einen ganzen Haufen [[Geld]], den er mit Freunden und Kumpanen schnell zu schmälern wußte. 1896 erlitt Crane auf dem Weg nach Kuba Schiffbruch. Das dramatische [[Ereignis]] verarbeitete er in seiner [[Erzählung]] „The open boat“ („Im Rettungsboot“), die zusammen mit anderen Erzählungen 1898 erschien. 1897 übersiedelte Crane mit seiner mehrfach geschiedenen Lebensgefährtin Cora nach [[England]], wo er u.a. mit den Schriftstellern Joseph Conrad, [[Wells#H.G. Wells]], Ford Maddox Ford, dem späteren Förderer von [[Hemingway#Ernest Hemingway]], und Henry James regen Kontakt pflegte, sich allerdings auch in einem Hungerwinter eine Tuberkulose zuzog. Diese [[Krankheit]] verdrängte er und ging, obgleich er über keine [[Erfahrung#Erfahrungen]] im Kriegsdienst verfügte, als Korrespondent mehrerer Zeitungen in die Schützengräben beim 2. Griechisch-Türkischen Krieg (1897) und beim Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898). Erst 1900 ließ er in [[Deutschland]] (Badenweiler in Baden) seine Tuberkulose behandeln; doch nun war es zu spät. Den zweiten Blutsturz am 5.Juni 1900 überlebte er nicht. Crane hinterließ viele Schulden und zwölf Bände [[Literatur]]. \\ Nach seiner Ausbildung an der [[Universität]] von Syracuse, die Crane nicht abschloß, ging er 1890 nach Neu York, wo er sich als Reporter in den Slums durchschlug. In der Bowery kam er mit Arbeitslosen, Enterbten und Bettlern, mit Rauschgiftsüchtigen, Dirnen, Luden, Säufern und Spielern in [[Berührung]]. Die beruflichen Erfahrungen und seine entbehrungsreiche [[Existenz]] bildeten die Grundlage für den [[Roman]] „Maggie, a girl of the streets“ („Maggie, das Straßenkind“), den er 1893 unter dem Pseudonym Johnston Smith veröffentlichte. Zwar fand sein selbstverlegtes Büchlein die Anerkennung der [[Schriftsteller]] Hamlin Garland und William Dean Howells, zu einem finanziellen [[Erfolg]] jedoch reichte diese nicht. Erst Cranes zweiter Roman „The red badge of courage“, 1895 („Das rote Siegel“, u.a. 1973 bei Reclam Leipzig), brachte ihm internationale Anerkennung, auch einen ganzen Haufen [[Geld]], den er mit Freunden und Kumpanen schnell zu schmälern wußte. 1896 erlitt Crane auf dem Weg nach Kuba Schiffbruch. Das dramatische [[Ereignis]] verarbeitete er in seiner [[Erzählung]] „The open boat“ („Im Rettungsboot“), die zusammen mit anderen Erzählungen 1898 erschien. 1897 übersiedelte Crane mit seiner mehrfach geschiedenen Lebensgefährtin Cora nach [[England]], wo er u.a. mit den Schriftstellern Joseph Conrad, [[Wells#H.G. Wells]], Ford Maddox Ford, dem späteren Förderer von [[Hemingway#Ernest Hemingway]], und Henry James regen Kontakt pflegte, sich allerdings auch in einem Hungerwinter eine Tuberkulose zuzog. Diese [[Krankheit]] verdrängte er und ging, obgleich er über keine [[Erfahrung#Erfahrungen]] im Kriegsdienst verfügte, als Korrespondent mehrerer Zeitungen in die Schützengräben beim 2. Griechisch-Türkischen Krieg (1897) und beim Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898). Erst 1900 ließ er in [[Deutschland]] (Badenweiler in Baden) seine Tuberkulose behandeln; doch nun war es zu spät. Den zweiten Blutsturz am 5.Juni 1900 überlebte er nicht. Crane hinterließ viele Schulden und zwölf Bände [[Literatur]]. \\
 Der ausgeprägte [[Realismus]] von Cranes schonungslosen und pessimistischen Porträts wird durch reizvolle poetische Elemente und seine einfühlsame Darstellung der Charaktere gemildert. Auch als [[Dichter]] suchte er neue Wege: Seine beiden Gedichtbände „The black riders and other lines“ (1895) und „War is kind and other poems“ (1899) sind frühe Beispiele experimenteller freier Versdichtung. Im Nachlaß fanden sich weitere 50 lyrische [[Text]]e, zum Teil nur einen [[Vers]] lang, dennoch verraten sie, daß Crane über einen Kernvers Texte konstruierte. Zu Cranes Werken [[zählen]] ferner der Roman „Active service“ (1899), der Kurzgeschichtenband „Whilomville stories“ (1900) und „Wounds in the rain“ (1900). Seine gesammelten Briefe wurden 1954 veröffentlicht.\\ Der ausgeprägte [[Realismus]] von Cranes schonungslosen und pessimistischen Porträts wird durch reizvolle poetische Elemente und seine einfühlsame Darstellung der Charaktere gemildert. Auch als [[Dichter]] suchte er neue Wege: Seine beiden Gedichtbände „The black riders and other lines“ (1895) und „War is kind and other poems“ (1899) sind frühe Beispiele experimenteller freier Versdichtung. Im Nachlaß fanden sich weitere 50 lyrische [[Text]]e, zum Teil nur einen [[Vers]] lang, dennoch verraten sie, daß Crane über einen Kernvers Texte konstruierte. Zu Cranes Werken [[zählen]] ferner der Roman „Active service“ (1899), der Kurzgeschichtenband „Whilomville stories“ (1900) und „Wounds in the rain“ (1900). Seine gesammelten Briefe wurden 1954 veröffentlicht.\\
 Crane war ein Trotzkopf, der den Zwiespalt zwischen verkündeter und erlebter Wirklichkeit in drastischer Antithetik wiedergab. Sein Darstellen erfolgte nicht spontan, nicht in plötzlich und unmittelbar hervorbrechender [[Wut]] über einen Mißstand, sondern war einem tiefen Unbehagen geschuldet. Dieses entsprach dem seines [[Zeitalter]]s. Das Nutzdiktat und der technische [[Fortschritt]] hatten Millionen Menschen überflüssig werden lassen. Sie suchten einen Platz in der arbeitsteiligen [[Gesellschaft]], und sie fanden ihn nicht. [[Sozialgesetzgebung]] war zumindest in Amerika ein [[Fremdwort]], der amerikanische Traum blieb Millionen Menschen vorenthalten. Crane strich als Reporter durch die Elendsviertel der amerikanischen Großstädte Neu York und Chikago, lebte mit Nutten, Missionaren und TBC-Kranken, schrieb und half, war Beichtbruder und Kunde, Suppenausteiler und Jäger nach dem letzten Schuß. Er suchte Unbehagen in vollkommenem [[Menschsein]] zu ersäufen. Sein Blick ins Bodenlose des [[Dasein#Daseins]] korrelierte mit dem Anspruch der postmodernen und kapitalistischen [[Demokratie]], das politische Menschheitsziel verwirklicht zu haben und dann dem Menschen ein Sosollen weismacht. Handlungsmuster: Letztlich erfuhr Crane hier eine der großen [[Lüge]]n, die bis in unsere heutige [[Zeit]] zum Tagesgeschäft gehören: Der [[einzelne]] kann sich nur bedingungslos der Allmacht des [[Universum#Universums]] unterwerfen, besitzt aber EIGENtlich eine nicht nur empfundene, sondern erlebte [[Selbständigkeit]] des [[Denken]]s. Dieser individuellen Selbstwahrnehmung steht die [[Notwendigkeit]] gegenüber, seine [[Individualität]] bestmöglich auf einem entindividualisierten Arbeitsmarkt anbieten und verkaufen zu müssen, bevor dem bewußt nicht entindividualisierten [[Individuum]] der Platz an der Tür gewiesen wird. Die [[Heuchelei]] erhält so eine bedeutsame [[Funktion]].\\ Crane war ein Trotzkopf, der den Zwiespalt zwischen verkündeter und erlebter Wirklichkeit in drastischer Antithetik wiedergab. Sein Darstellen erfolgte nicht spontan, nicht in plötzlich und unmittelbar hervorbrechender [[Wut]] über einen Mißstand, sondern war einem tiefen Unbehagen geschuldet. Dieses entsprach dem seines [[Zeitalter]]s. Das Nutzdiktat und der technische [[Fortschritt]] hatten Millionen Menschen überflüssig werden lassen. Sie suchten einen Platz in der arbeitsteiligen [[Gesellschaft]], und sie fanden ihn nicht. [[Sozialgesetzgebung]] war zumindest in Amerika ein [[Fremdwort]], der amerikanische Traum blieb Millionen Menschen vorenthalten. Crane strich als Reporter durch die Elendsviertel der amerikanischen Großstädte Neu York und Chikago, lebte mit Nutten, Missionaren und TBC-Kranken, schrieb und half, war Beichtbruder und Kunde, Suppenausteiler und Jäger nach dem letzten Schuß. Er suchte Unbehagen in vollkommenem [[Menschsein]] zu ersäufen. Sein Blick ins Bodenlose des [[Dasein#Daseins]] korrelierte mit dem Anspruch der postmodernen und kapitalistischen [[Demokratie]], das politische Menschheitsziel verwirklicht zu haben und dann dem Menschen ein Sosollen weismacht. Handlungsmuster: Letztlich erfuhr Crane hier eine der großen [[Lüge]]n, die bis in unsere heutige [[Zeit]] zum Tagesgeschäft gehören: Der [[einzelne]] kann sich nur bedingungslos der Allmacht des [[Universum#Universums]] unterwerfen, besitzt aber EIGENtlich eine nicht nur empfundene, sondern erlebte [[Selbständigkeit]] des [[Denken]]s. Dieser individuellen Selbstwahrnehmung steht die [[Notwendigkeit]] gegenüber, seine [[Individualität]] bestmöglich auf einem entindividualisierten Arbeitsmarkt anbieten und verkaufen zu müssen, bevor dem bewußt nicht entindividualisierten [[Individuum]] der Platz an der Tür gewiesen wird. Die [[Heuchelei]] erhält so eine bedeutsame [[Funktion]].\\
 Crane nun war kein Angepaßter, weder hinsichtlich seiner Lebensweise noch in Fragen des Glaubensbekenntnisses. Er war ein Trotzkopf, immer auf der Seite der Schwachen, immer darum bemüht, selbst die bösesten Seiten des Menschen hinsichtlich eines grundgütigen Kerns auszuwägen, immer in der Konstellation [[Welt]]-Mensch nach sich selbst und auch dem anderen suchend, weitergreifend als juvenile Rebellion gegen Vater, [[Staat]] und [[System]]. Crane war kein Frühvollendeter, auch kein Nachtschattenschwärmer, seine Sprache war drastisch und voller [[Kraft]], sie war jung und dynamisch, aber auch in einem verlorenen Substrat beheimatet, in einem [[Zustand]] des Nochsichlösenwollens, und sie war gleichsam von Halbwissen durchwölkt. Woher auch sollte ihm das [[Wissen]] und die Einsicht um Zusammenhänge kommen? Er schrieb, um zu überleben, [[Verdichtung]] und Versachlichung sollten (vielleicht) späteren Jahren vorbehalten bleiben. Doch der Mann starb mit 28 Jahren an Schwindsucht. Wann hätte er in seinen Schützengräben, seinen Straßenparaden mit Nutten, Schwindlern und Wanderpredigern in Newark, seinem Suchen in Europa oder auf Kuba inmitten des Alltagskampfes um den letzten Dollar für Analyse auch Zeit haben sollen? \\ Crane nun war kein Angepaßter, weder hinsichtlich seiner Lebensweise noch in Fragen des Glaubensbekenntnisses. Er war ein Trotzkopf, immer auf der Seite der Schwachen, immer darum bemüht, selbst die bösesten Seiten des Menschen hinsichtlich eines grundgütigen Kerns auszuwägen, immer in der Konstellation [[Welt]]-Mensch nach sich selbst und auch dem anderen suchend, weitergreifend als juvenile Rebellion gegen Vater, [[Staat]] und [[System]]. Crane war kein Frühvollendeter, auch kein Nachtschattenschwärmer, seine Sprache war drastisch und voller [[Kraft]], sie war jung und dynamisch, aber auch in einem verlorenen Substrat beheimatet, in einem [[Zustand]] des Nochsichlösenwollens, und sie war gleichsam von Halbwissen durchwölkt. Woher auch sollte ihm das [[Wissen]] und die Einsicht um Zusammenhänge kommen? Er schrieb, um zu überleben, [[Verdichtung]] und Versachlichung sollten (vielleicht) späteren Jahren vorbehalten bleiben. Doch der Mann starb mit 28 Jahren an Schwindsucht. Wann hätte er in seinen Schützengräben, seinen Straßenparaden mit Nutten, Schwindlern und Wanderpredigern in Newark, seinem Suchen in Europa oder auf Kuba inmitten des Alltagskampfes um den letzten Dollar für Analyse auch Zeit haben sollen? \\
-Also, Welt, Ich und DaSEIN werden unmittelbar, nicht in metaphysischer Verdichtung (wie bei [[Rilke]], [[Musil]], [[Hofmannsthal]], [[Hauptmann]], [[Mann]], [[Barres]]...) wahrgenommen und plausibel in antithetischer Verschränkung sprachlich manifestiert, ausgeworfen. Vielleicht läßt sich sein [[Naturell]] am besten mit [[Realist]] umschreiben, allerdings nicht auf dieser platten Abbildebene. Gemeint ist hier vielmehr ein Realismus mit Signalwirkung, ein eingeschränktes [[Ich]] schreit nach dem All-Vater, sucht das Verlorene seines Ichs im Allmaleins der Welt, aber verleugnet diese Welt nicht oder restringiert sie, wie's eben in den Kram ([[Ideal]]) passen könnte. Crane ist [[Skeptiker]], denn er wägt das [[Gute]] und Schlechte gleichermaßen tief ab, erfahren tief, um dann DOCH einen [[Satz]] von der Wirkung eines WAR IS KIND zu verfassen. Der Krieg als Vater eines Morgigen, als tragfähigste Wertkonstante, das [[Prinzip]] der Zerstörung ist das der Selbstzerstörung, aus dem immer wieder neue Perspektiven [[möglich]] sind.\\+Also, Welt, Ich und DaSEIN werden unmittelbar, nicht in metaphysischer Verdichtung (wie bei [[Rilke]], [[Musil]], [[Hofmannsthal]], [[Hauptmann]], [[Mann]], [[Barres]]...) wahrgenommen und plausibel in antithetischer Verschränkung sprachlich manifestiert, ausgeworfen. Vielleicht läßt sich sein [[Naturell]] am besten mit [[Realist]] umschreiben, allerdings nicht auf dieser platten Abbildebene. Gemeint ist hier vielmehr ein Realismus mit Signalwirkung, ein eingeschränktes [[Ich]] schreit nach dem All-Vater, sucht das Verlorene seines Ichs im Allmaleins der Welt, aber verleugnet diese Welt nicht oder restringiert sie, wie's eben in den Kram ([[Ideal]]) passen könnte. Crane ist [[Skeptiker]], denn er wägt das [[Gute]] und Schlechte gleichermaßen tief ab, erfahren tief, um dann DOCH einen [[Satz]] von der Wirkung eines WAR IS KIND zu verfassen. Der Krieg als Vater eines Morgigen, als tragfähigste Wertkonstante, das [[Prinzip]] der Zerstörung ist das der Selbstzerstörung, aus dem immer wieder neue [[Perspektive|Perspektiven]] [[möglich]] sind.\\
 Gar vorschnell könnte man hier [[Ironie]], Distanzierung oder mangelnden Respekt konstruieren. Mitnichten. Ich glaube nicht an ironisierende [[Distanz]] bei Crane. Es muß Humor sein. Er steckt zu tief drin, als daß es Ironie genannt werden könnte. Ironie benötigt einen entsprechenden [[Abstand]], eine Unnahbarkeit, die es dem Ironisierenden leicht macht, sich spöttisch, verletzend, besserwisserisch oder gar gutmeinend zu einem Sachverhalt zu äußern. Ironie ist pubertär, so leicht zu gewinnen, so sehr zerstörend, daß darnach nur [[Zynismus]] bleibt. Vielleicht ist Crane zu jung gestorben, als daß nun behauptet werden könnte, das schleichende [[Gift]] des Ironisierens habe bei ihm noch nicht gewirkt. Vielleicht. Ich denke allerdings, daß aus dem Tatbestand der vorhandenen Texte nur [[Angst]], Versagen, [[Hoffnung]] und Wut gleichermaßen emporsteigen und unmittelbare Erlebnisse sind, die Abstand partout verringern und den Leser sattsam in die [[Not]] des Autoren hineinziehen.\\ Gar vorschnell könnte man hier [[Ironie]], Distanzierung oder mangelnden Respekt konstruieren. Mitnichten. Ich glaube nicht an ironisierende [[Distanz]] bei Crane. Es muß Humor sein. Er steckt zu tief drin, als daß es Ironie genannt werden könnte. Ironie benötigt einen entsprechenden [[Abstand]], eine Unnahbarkeit, die es dem Ironisierenden leicht macht, sich spöttisch, verletzend, besserwisserisch oder gar gutmeinend zu einem Sachverhalt zu äußern. Ironie ist pubertär, so leicht zu gewinnen, so sehr zerstörend, daß darnach nur [[Zynismus]] bleibt. Vielleicht ist Crane zu jung gestorben, als daß nun behauptet werden könnte, das schleichende [[Gift]] des Ironisierens habe bei ihm noch nicht gewirkt. Vielleicht. Ich denke allerdings, daß aus dem Tatbestand der vorhandenen Texte nur [[Angst]], Versagen, [[Hoffnung]] und Wut gleichermaßen emporsteigen und unmittelbare Erlebnisse sind, die Abstand partout verringern und den Leser sattsam in die [[Not]] des Autoren hineinziehen.\\
 Ein Wort zu Cranes [[Skepsis]]: Sie richtet sich an die Verhältnisse, die ihn umgeben. //The dream is over// nannte Lennon das siebzig Jahre später: Amerikas Traum einer auf [[Gleichheit]] und sozialem Fortschritt basierenden moralischen Führungsrolle war mit dem immer drastischer empfundenen Zwiespalt zwischen den Siegern in ihren Palästen und den vielen Verlierern in den Slams - dort, in Neu York, wo Crane seine soziale [[Prägung]] erfuhr, wohl aufs augenscheinlichste zu erfahren - diskreditiert. Aber Crane gab sich nicht einer depressiven oder gar selbstzerstörerischen Grundstimmung hin, wie sie vielerorts am Ende des 19. Jahrhunderts [[Mode]] war. Er bewahrt sich Humor, setzt eben das im Menschen verortbare Gute, und er ist traurig und zornig über die Nöte1. [[Humor]] hat diese wundervolle [[Wirkung]], daß er gelassen macht; selten wird sich bei Menschen mit zwanghaftem Naturell Humor finden. Crane war in diesem [[Sinn#Sinne]] selbstgewiß, gelassen. Er glaubte an das Gute im Menschen und vor allem an das Gute in sich selbst, das ihm jede [[Krisensituation]] zu meistern verhieß. Auf der anderen Seite aber - und Crane war ein Mensch zutiefst antithetischer Weltwahrnehmung - war Crane [[Künstler]]. Kunst ist ein Kind des Schmerzes, schrieb er.\\ Ein Wort zu Cranes [[Skepsis]]: Sie richtet sich an die Verhältnisse, die ihn umgeben. //The dream is over// nannte Lennon das siebzig Jahre später: Amerikas Traum einer auf [[Gleichheit]] und sozialem Fortschritt basierenden moralischen Führungsrolle war mit dem immer drastischer empfundenen Zwiespalt zwischen den Siegern in ihren Palästen und den vielen Verlierern in den Slams - dort, in Neu York, wo Crane seine soziale [[Prägung]] erfuhr, wohl aufs augenscheinlichste zu erfahren - diskreditiert. Aber Crane gab sich nicht einer depressiven oder gar selbstzerstörerischen Grundstimmung hin, wie sie vielerorts am Ende des 19. Jahrhunderts [[Mode]] war. Er bewahrt sich Humor, setzt eben das im Menschen verortbare Gute, und er ist traurig und zornig über die Nöte1. [[Humor]] hat diese wundervolle [[Wirkung]], daß er gelassen macht; selten wird sich bei Menschen mit zwanghaftem Naturell Humor finden. Crane war in diesem [[Sinn#Sinne]] selbstgewiß, gelassen. Er glaubte an das Gute im Menschen und vor allem an das Gute in sich selbst, das ihm jede [[Krisensituation]] zu meistern verhieß. Auf der anderen Seite aber - und Crane war ein Mensch zutiefst antithetischer Weltwahrnehmung - war Crane [[Künstler]]. Kunst ist ein Kind des Schmerzes, schrieb er.\\
  
-Kommen wir zur Leistungsbestimmung Cranes: Wüstenhagen, der [[Herausgeber]] einiger Gedichte Cranes, behauptet, Crane habe seine lyrischen Texte aus dem [[Stegreif]] heraus niedergeschrieben, so ähnlich wie [[Mozart]] seine Kompositionen, möchte ich ergänzen. Das ist nicht fragwürdig und soll die [[Leistung]] des Prätendenten, der hier auf den Stuhl gehievt werden muß, nicht schmälern. Manche schreiben so. Andere wuseln sehr lange an ihren Texten herum, heraus kommt Schlechteres. Es ist bei Crane vielmehr, denke ich, diese Fähigkeit der poetischen Verallgemeinerung einer individuell erfahrenen zerrißnen Wirklichkeit. Crane hat sein Wirklichkeitsgefühl auf den Punkt gebracht. Dazu tritt diese Antithetik, das Gegenteil quasi mitzudenken. Ich und Du, Welt dazu, einmal umrühren und auf den Kopf stellen. Die Sprache liegt auf der Straße, der Gedanke turnt im Himmel herum. Er findet alles und kann es zu einem Ganzen machen. Und jeder Mensch ist so, manche wissen es bloß nicht, [[ahnen]] aber längst. Und weil Crane hier zusammenbinden kann, was viele nur ahnen, so trifft er seine Leser an. Die sagen sich: 'So hätte ich das auch sagen können!' Cranes Metaphorik springt seinen Leser an; er wird gezwungen, sich zu positionieren. Himmelhochjauchzendzutodebetrübtes DaSeinserfassen. Das macht das Lesen seiner Gedichte anstrengend, aber glücklicherweise sind sie nicht sehr lang. Sympathisch sind seine jugendlichen Ausbrüche gegen Stutzertum und Heuchelei, warm nimmt mich seine [[Sorge]] um die Menschlichkeit in einer zerbröselnden [[Umwelt]] ein, stark sind seine Worte gegen das Unmenschliche; verbissen sein zuweilen auftretender Sarkasmus, aber ich denke, daß dieser nicht zwingend ausschlaggebend ist, die anderen Aspekte wiegen sehr viel schwerer.\\+==== literaturhistorische Einordnung ==== 
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 +Kommen wir zur Leistungsbestimmung Cranes: Wüstenhagen, der [[Herausgeber]] einiger Gedichte Cranes, behauptet, Crane habe seine lyrischen Texte aus dem [[Stegreif]] heraus niedergeschrieben, so ähnlich wie [[Mozart]] seine Kompositionen, möchte ich ergänzen. Das ist nicht fragwürdig und soll die [[Leistung]] des Prätendenten, der hier auf den Stuhl gehievt werden muß, nicht schmälern. Manche schreiben so. Andere wuseln sehr lange an ihren Texten herum, heraus kommt Schlechteres. Es ist bei Crane vielmehr, denke ich, diese Fähigkeit der poetischen Verallgemeinerung einer individuell erfahrenen zerrißnen Wirklichkeit. Crane hat sein Wirklichkeitsgefühl auf den Punkt gebracht. Dazu tritt diese Antithetik, das Gegenteil quasi mitzudenken. Ich und Du, Welt dazu, einmal umrühren und auf den Kopf stellen. Die Sprache liegt auf der Straße, der Gedanke turnt im Himmel herum. Er findet alles und kann es zu einem Ganzen machen. Und jeder Mensch ist so, manche wissen es bloß nicht, [[ahnen]] aber längst. Und weil Crane hier zusammenbinden kann, was viele nur ahnen, so trifft er seine Leser an. Die sagen sich: 'So hätte ich das auch sagen können!' Cranes Metaphorik springt seinen Leser an; er wird gezwungen, sich zu positionieren. Himmelhochjauchzendzutodebetrübtes [[Dasein|DaSeinserfassen]]. Das macht das Lesen seiner Gedichte anstrengend, aber glücklicherweise sind sie nicht sehr lang. Sympathisch sind seine jugendlichen Ausbrüche gegen Stutzertum und Heuchelei, warm nimmt mich seine [[Sorge]] um die Menschlichkeit in einer zerbröselnden [[Umwelt]] ein, stark sind seine Worte gegen das Unmenschliche; verbissen sein zuweilen auftretender [[Sarkasmus]], aber ich denke, daß dieser nicht zwingend ausschlaggebend ist, die anderen Aspekte wiegen sehr viel schwerer.\\ 
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 +==== Zur Sprache ====
  
-Zur Sprache:\\ 
 Crane hat den Hang, Einzahl zu schreiben, aber Mehrzahl zu meinen. Die Benutzung biblischer [[Begriff]]e wird an entscheidenden Stellen vermieden, ist aber immer gemeint. Der übermäßige Gebrauch der koordinierenden Konjunktion UND ist kein Anzeichen minderer Verdichtungsabsicht, sondern Ausdruck für die Stringenz, ja das apodiktische Zuweisen des Gedankens auf einen Vers. Nicht [[umsonst]] nannte Crane seine Gedichtbände jeweils „...AND OTHER LINES“. Ein Vers ist also vorwiegend ein in sich geschlossener Gedanke, der vom Leser als solcher wahrgenommen werden soll. So ergibt sich für den Übersetzer das [[Problem]], die bildreiche englische Sprache Vers für Vers und nicht in einem umschließenden Sinne ins Deutsche zu übertragen. Und so ganz nebenbei stellt sich dem Übersetzer auch die Frage, ob er Cranes [[Fehler]] tilgen soll. \\ Crane hat den Hang, Einzahl zu schreiben, aber Mehrzahl zu meinen. Die Benutzung biblischer [[Begriff]]e wird an entscheidenden Stellen vermieden, ist aber immer gemeint. Der übermäßige Gebrauch der koordinierenden Konjunktion UND ist kein Anzeichen minderer Verdichtungsabsicht, sondern Ausdruck für die Stringenz, ja das apodiktische Zuweisen des Gedankens auf einen Vers. Nicht [[umsonst]] nannte Crane seine Gedichtbände jeweils „...AND OTHER LINES“. Ein Vers ist also vorwiegend ein in sich geschlossener Gedanke, der vom Leser als solcher wahrgenommen werden soll. So ergibt sich für den Übersetzer das [[Problem]], die bildreiche englische Sprache Vers für Vers und nicht in einem umschließenden Sinne ins Deutsche zu übertragen. Und so ganz nebenbei stellt sich dem Übersetzer auch die Frage, ob er Cranes [[Fehler]] tilgen soll. \\
 Kann man seinen [[Prosa]]-Texten eine stilistische Nähe zum vor allem französischen [[Impressionismus]] zuweisen ([[Taine]]), dem naturalistische Drastischkeit beiseite gestellt wird ([[Zola]]), so sind seine lyrischen Versuche eher naturalistische Zuspitzungen mit einer beinahe expressionistischen Attitüde.\\ Kann man seinen [[Prosa]]-Texten eine stilistische Nähe zum vor allem französischen [[Impressionismus]] zuweisen ([[Taine]]), dem naturalistische Drastischkeit beiseite gestellt wird ([[Zola]]), so sind seine lyrischen Versuche eher naturalistische Zuspitzungen mit einer beinahe expressionistischen Attitüde.\\
crane.1497704043.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:19 (Externe Bearbeitung)