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DDR-LANDWIRTSCHAFT

Am 8. Mai 1945 kapitulierte Deutschland in Berlin. Nun lag es in den Händen der alliierten Mächte, was weiter mit Deutschland geschehen sollte. Die Nachkriegesordnung wurde auf der Konferenz von Jalta (4.2.- 11.2.1945) und im Potsdamer Abkommen (17.7.–2.8.1945) festgelegt. Auf der Konferenz von Jalta trafen sich ROOSEVELT, der die USA vertrat, CHURCHILL, der BRITANNIEN vertrat und STALIN, der die Sowjetunion vertrat. Frankreich kam erst in Potsdam hinzu. Das ZIEL dieser Mächte war es, Deutschland langfristig zu schwächen und das bedeutete, es in Besatzungszonen aufzuteilen. Jede dieser vier Mächte bekam eine bestimmte Zone in Deutschland, über die sie herrschen konnte. Da mein Schwerpunkt aber auf der sowjetischen Besatzungszone liegt, gehe ich auf die anderen jetzt nicht näher ein. Außerdem sollte Deutschland demokratisiert werden. Doch damit war Stalin nicht einverstanden, da „seine Zone“ auch sozialistisch sein sollte wie die Sowjetunion. Um Stalin zu besänftigen, gaben ihm die Westmächte mehr LAND und außerdem das VERSPRECHEN, alle in Europa auffindbaren Russen in die UdSSR zurückzuschicken (Operation KEELHAUL), und er war einverstanden.
Die alliierten Siegermächte, zunächst die USA, die Sowjetunion und Britannien, später auch FRANKREICH, bemühten sich anfangs noch um eine gemeinsame Besatzungspolitik. Einig war man sich über eine Demilitarisierung und die so genannte Entnazifizierung. Aber schon bei der Frage, was man unter einer Demokratie zu verstehen habe, zeigten sich erste Meinungsverschiedenheiten zwischen der Sowjetunion einerseits und den Westmächten andererseits.

Auf Betreiben STALINs, der Ostpolen annektiert und der Sowjetunion zugeschlagen hatte, wurden große Teile des deutschen Ostens als AUSGLEICH unter polnische VERWALTUNG gestellt, wobei Polen die Verwaltungsgebiete direkt als polnisches Staatsgebiet behandelte. So fielen Pommern, SCHLESIEN und das südliche Ostpreußen an Polen, das nördliche Ostpreußen als Gebiet Kaliningrad an die Sowjetunion – ein Vorgehen, das von den Westmächten auf der Konferenz von Potsdam nur widerstrebend gebilligt wurde. Die meisten deutschen Bewohner im neuen Einflußbereich der UdSSR wurden vertrieben, ebenso wie die polnische Bevölkerung aus den polnischen Ostgebieten. Im Kerngebiet des besiegten Deutschen Reiches entstanden die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) – wobei die Bundesrepublik sich gemäß eines Verfassungsgerichtsurteils völkerrechtlich als „identisch“ mit dem Deutschen Reich betrachtete. ÖSTERREICH wurde – abgesehen vom endgültigen Verlust Südtirols – in die Grenzen der Zwischenkriegszeit verwiesen. Die Grenzziehung der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland wurde teilweise durch die Grenzen der Besatzungszonen bestimmt, z.B. zwischen Niedersachsen und Mecklenburg bzw. SACHSEN-Anhalt sowie zwischen THÜRINGEN und Hessen.
Aus Protest gegen den Beschluß der Westalliierten, einen westdeutschen Bundesstaat zu gründen, verließ der Vertreter der UdSSR am 20. März 1948 die Sitzungen des Kontrollrates. Am 20. Juni machte eine auf die westlichen Besatzungszonen beschränkte Währungsreform die befürchtete Teilung Deutschlands zur GEWIßHEIT. Drei Tage später beschlossen die MACHTHABER der sowjetischen Besatzungszone eine eigene Währungsreform. Nachdem die westdeutsche Währung gegen den Willen des sowjetischen Oberbefehlshabers auch in den westlichen Sektoren von Berlin eingeführt worden war, versuchte die Sowjetunion durch die Berlin-Blockade ganz Berlin in ihre Hand zu bekommen. Die Westalliierten entschieden daraufhin, Berlin durch eine Luftbrücke zu versorgen. Insgesamt 11 Monate lang versorgten sie die Westberliner Bevölkerung mit Hilfsgütern, bis die Sowjetunion die Blockade am 12. Mai 1949 beendete.
Die DDR wurde auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetischen Sektor Berlins am 7. Oktober 1949 fünf Monate nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland errichtet. POLITISCH wurde sie von Anfang an durch die SED dominiert und war Teil des unter der HEGEMONIE der Sowjetunion stehenden Ostblocks. Von 1949 bis 1971 war Walter Ulbricht als Erster Sekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED der faktische Machthaber, von 1971 bis 1989 Erich Honecker (ab 1976 mit dem Titel Generalsekretär) und vom 18. Oktober 1989 bis zum Rücktritt des gesamten Politbüros der SED am 3.Dezember Egon Krenz. Die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Verstaatlichung der Betriebe wurden massiv vorangetrieben. Die Länder der DDR wurden 1952 aufgelöst und durch Bezirke ersetzt.
Da die WIRTSCHAFT der DDR sich auch aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen (die DDR leistete umfangreiche Reparationszahlungen an die Sowjetunion), aber auch aufgrund der Kollektivierung langsamer entwickelte als die der Bundesrepublik Deutschland und wesentliche FREIHEITen nicht gewährt wurden, siedelten von 1945 bis 1961 etwa zwei Millionen Menschen aus freiem WILLEn, durch Abwerbung (meist durch attraktive ARBEITsplatzangebote) oder auf der Flucht vor Repressionen von der DDR in die Bundesrepublik Deutschland über.
Die Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone war der erste Schritt einer sozioökonomischen Umwälzung, die das gesamte bisherige ländliche Gefüge sprengen sollte. Initiatoren der „demokratischen Bodenreform“ in der Sowjetischen Besatzungszone im September 1945 waren die sowjetische Besatzungsmacht und die deutschen Kommunisten. Seit Juni 1945 führte die KPD unterstützt von sowjetischen Stellen eine umfangreiche Propagandakampagne zur „Liquidierung des Großgrundbesitzes“. Von der KPD organisierte „Kreisbauernkonferenzen“ wurden veranlaßt, die Aufteilung großer landwirtschaftlicher Betriebe zu fordern. Ihren Höhepunkt fand die Kampagne in der Kreisbauernversammlung des Kreises Ostprignitz am 2. September 1945 in Kyritz, auf der der KPD-Vorsitzende PIECK die Grundzüge der geplanten Bodenreform darlegte. Am 8. September 1945 folgte noch ein programmatischer Leitartikel mit dem Titel „Junkerland in Bauernhand“ in der kommunistisch beherrschten Presse.
Am 3. September 1945 erließ zunächst die Provinzialverwaltung der PROVINZ Sachsen eine „Verordnung über die demokratische Bodenreform“ (Verordnungsblatt für die Provinz Sachen 1945, S. 28 ff.), die auf einen von der KPD vorgelegten Entwurf zurückging, den ursprünglich sowjetische Besatzungsdienststellen erarbeitet hatten. Danach sollte sämtlicher Grundbesitz über 100 ha entschädigungslos enteignet werden, wobei nicht nur der über 100 ha hinaus gehende Teil, sondern die gesamte Fläche zu entziehen war. Zusätzlich wurde sämtlicher Besitz von Kriegs- und Naziverbrechern enteignet. In der Folge erließen auch die übrigen Provinzen und Länder der Sowjetischen Besatzungszone entsprechende Gesetze bzw. Verordnungen zur Durchführung der Bodenreform (Mecklenburg-Vorpommern am 5. September, Brandenburg am 6. September, Thüringen und Sachsen am 10. September). ZWECK der Bodenreform sollte nach den übereinstimmenden Festlegungen in den Präambeln der Bodenreformverordnungen die „Liquidierung des feudalen und junkerlichen Grundbesitzes“ sein. Durchgeführt wurde die Bodenreform von den auf GEMEINDE-, Kreis-, Bezirks- und Landes- bzw. Provinzebene errichteten fünfköpfigen Bodenreformkommissionen. Insgesamt 12.335 landwirtschaftliche Betriebe mit einer Gesamtbodenfläche von über 3 Mio. ha wurden enteignet. Das entzogene Land wurde zunächst in die „Bodenfonds“ der Länder und Provinzen übergeführt. Sämtliche auf den Flächen ruhende Lasten erloschen mit dem Übergang in den Bodenfonds, die bisher geführten Grundbücher wurden größtenteils verbrannt. Im Oktober 1945, mitten in der Hackfruchternte und damit zu einem landwirtschaftlich höchst ungünstigen Zeitpunkt teilten die Gemeindebodenkommissionen das Land auf und verteilten es. Etwa 2,1 Mio. ha Landes wurden in Parzellen zu jeweils 5 ha an insgesamt 544.079 als „Neubauern“ bezeichnete Bodenbewerber vergeben, bei denen es sich größtenteils um frühere Landarbeiter, Flüchtlinge und Industriearbeiter handelte. Die restlichen Flächen gingen in den BESITZ der öffentlichen Hand über.
Die „Neubauern“ mußten das Land bezahlen und erhielten es lastenfrei, sie erlangten aber entgegen der vom Obersten Gericht der DDR 1951 („Neue Justiz“ 1951, S. 508) vertretenen Auffassung kein volles EIGENTUM, sondern nur ein Nutzungsrecht. Die „Neubauern“ durften ihr Land weder verkaufen noch verpachten oder beleihen. Gaben sie die Landwirtschaft auf oder verhielten sich „pflichtwidrig“, so fielen die Flächen an die öffentliche Hand zurück. Der größte Teil der „Neubauern“ scheiterte als Landwirte, da es ihnen an landwirtschaftlicher ERFAHRUNG, an Saatgut, Gebäuden und Maschinen fehlte. Die landwirtschaftliche Erzeugung in der Sowjetischen Besatzungszone ging im Gefolge der Bodenreform dramatisch zurück.
Die meisten der „Neubauern“ schlossen sich später den „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG)“ an, da ihre Hofstellen für eine selbständige EXISTENZ zu klein waren. Die früheren Eigentümer verloren nicht nur ihr Land, auch sämtliches sonstiges Eigentum von Wohnhäusern und Geldvermögen bis hin zu Mobiliar und KLEIDUNG wurde ihnen entzogen. Die Enteigneten wurden aus ihren Heimatkreisen ausgewiesen und größtenteils in Lager (z.B. Coswig und Radeberg in Sachsen, auch auf Rügen existierten entsprechende Lager) verbracht. Herrenhäuser und Gutshöfe wurden trotz herrschender Wohnungsnot zumeist gesprengt oder abgebrochen, um jede ERINNERUNG an die früheren Eigentümer auszulöschen. Widerstand gegen die Bodenreform insbesondere von Seiten der KIRCHEn und der CDU blieb größtenteils erfolglos.
Mitte der fünfziger Jahre setzte die zweite große VERÄNDERUNG der landwirtschaftlichen Struktur ein: die Kollektivierung. Schon bevor die Kollektivierung als agrarpolitisches Ziel auf der 2. Parteikonferenz der SED verkündet wurde, entstanden die ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Der Kollektivierungsbeschluß des Politbüros unter Walter Ulbricht wollte den „SOZIALISMUS auf dem Lande“.
Die zentrale Steuerung des Modernisierungsprozesses erschien als Errungenschaft der kollektivierten Landwirtschaft. Die Kollektivierung war aber auch eine REAKTION auf die Probleme, die sich aus der abrupt durchgeführten Bodenreform sowie der VERDRÄNGUNG der „Großbauern“ ergeben hatten.
Der Eintritt in eine LPG sollte grundsätzlich auf der BASIS der Freiwilligkeit stattfinden. Die WIRKLICHKEIT sah jedoch in vielen Fällen anders aus. Durch wirtschaftliche Restriktionen der SED-FÜHRUNG gegen Landwirte mit jeweils mehr als 20 Hektar (sie galten als Großbauern), immer höher werdende Abgabepflichten, wirtschaftliche Benachteiligung gegenüber den LPGs und mangelnde Belieferung mit Produktionsmitteln und Baustoffen versuchte der STAAT, Landwirte zum Eintritt in die LPG zu bewegen.
Viele Landwirte entzogen sich dieser Zermürbungstaktik durch FLUCHT. Das verlassene Land wurde enteignet, ohne die Zustimmung der Besitzer einzuholen, und in die LPGs integriert. Bevor das Ziel der vollständigen Kollektivierung 1960 als erreicht erklärt werden konnte, schickten die Kreis- und Bezirksleitungen Agitationstrupps in die Dörfer, um den Eintritt der letzten nicht beitrittswilligen Bauern in LPGs zu erzwingen. Im „sozialistischen FRÜHLING“ traten von März bis Mai 1960 mehr als 498.000 Bauern den Produktionsgenossenschaften bei.

Die LANDFLUCHT und der damit einhergehende Mangel an Arbeitskräften war ein wichtiger Antrieb für die betriebliche Konzentration und RATIONALISIERUNG der Landwirtschaft in der DDR. Dennoch wurde der akute MANGEL insbesondere von Saisonarbeitskräften vor allem zur Erntezeit deutlich. Mit Aufrufen an Jugendliche, Hausfrauen und Rentner zum Ernteeinsatz sollte der Arbeitskräftemangel ausgeglichen werden. Jedoch hatten weder Werbekampagnen noch das 1951 vom Zentralkomitee (ZK) der SED beschlossene „Parteiaufgebot von Industriearbeitern zur Demokratisierung des Dorfes“ wirklichen ERFOLG. Der „Abfluß“ von Beschäftigten aus der Landwirtschaft konnte damit nicht aufgehalten werden.
Das Ende der Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft bedeutete jedoch nicht, daß die Ziele der Agrarpolitik bereits erreicht gewesen wären. Die weitere ENTWICKLUNG der Landwirtschaft sollte zwei unterschiedliche Wege verfolgen. Zum einen sollten durch Zusammenlegung einzelner Betriebe die Betriebsgrößen erhöht werden, zum anderen sollten spezialisierte, arbeitsteilig wirtschaftende Monoproduktbetriebe entstehen, vor allem durch die Trennung von TIER- und Pflanzenproduktion. Die forcierte Bildung von Groß-LPGs nach dem Abschluß der KOLLEKTIVIERUNG war weitestgehend durch Mißerfolge gekennzeichnet.

ddr-landwirtschaft.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/20 19:35 von Robert-Christian Knorr