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 ===== etymologisch ===== ===== etymologisch =====
 - von //theudô// (Stammes- und Blutsverband) → daraus wurde das Adjektiv //theudiskaz// (zum [[Stamm]] gehörig) abgeleitet → das Wort findet sich schon bei [[Wulfila]] als //thiudisko//\\ - von //theudô// (Stammes- und Blutsverband) → daraus wurde das Adjektiv //theudiskaz// (zum [[Stamm]] gehörig) abgeleitet → das Wort findet sich schon bei [[Wulfila]] als //thiudisko//\\
-- Wandlung innerhalb politischer Auseinandersetzungen im fränkischen [[Reich]]: der Aspekt des Beamtenstaats westfränkischer [[Prägung]] kämpft gegen das freiheitliche Selbstverständnis des austrischen Grundadels -, so daß aus einem Begriffswort ein Eigenname wurde;\\- zum eigenen [[Volk]]  gehörig ([[Lamprecht]])+- Wandlung innerhalb politischer Auseinandersetzungen im fränkischen [[Reich]]: der Aspekt des Beamtenstaats westfränkischer [[Prägung]] kämpft gegen das freiheitliche Selbstverständnis des austrischen Grundadels -, so daß aus einem Begriffswort ein Eigenname wurde;\\ 
 +- zum eigenen [[Volk]]  gehörig ([[Lamprecht]])
  
 ===== geschichtlich ===== ===== geschichtlich =====
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 ==== Begriffsentwicklung ==== ==== Begriffsentwicklung ====
 +-  ruhelos wühlendes [[Wesen]], das alle Tiefen durchforsten und Gipfel erklimmen will und rastlos nach dem tiefsten Ruhepol seines [[dasein|Daseins]] sucht; [[faust|faustisch]] ([[Kolbenheyer]])
 === Deutsch als Begriff === === Deutsch als Begriff ===
  
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 Begriffe zur Selbstbestimmung entstehen aus einer Not heraus. Die Not wird gewendet durch [[Hoffnung]]. Die Hoffnung bezieht sich aufs Wort, durch das [[Identität]] gestiftet werden soll. Ängstlich wird gefragt, ob der Begriff diese Identifikation stiften kann. Aber die Angst hält sich in Grenzen, denn leistet der [[Begriff]] nicht die gewünschte Leistung, wird er durch einen neuen ersetzt. Begriffe zur Selbstbestimmung entstehen aus einer Not heraus. Die Not wird gewendet durch [[Hoffnung]]. Die Hoffnung bezieht sich aufs Wort, durch das [[Identität]] gestiftet werden soll. Ängstlich wird gefragt, ob der Begriff diese Identifikation stiften kann. Aber die Angst hält sich in Grenzen, denn leistet der [[Begriff]] nicht die gewünschte Leistung, wird er durch einen neuen ersetzt.
  
-Das Wort taucht erstmals im 7.Jahrhundert als //theueiskaz// auf und gilt seither in der Sprachwissenschaft (Weisgerber) als westfranzösisches Erbwort. Von der Wortart her ist es ein Adjektiv mit dem Sinn einer Selbstbezeichnung der Franken gegen die walhisc, die Welschen, die anderen und bedeutet soviel wie "zum Stamme gehörig" bzw. "stammeszugehörig", um das Wort auch deutlich als Adjektiv zu übertragen, wobei das Adjektiv sowohl attributiven (Immanenz des Stammesbegriffes, das er Zugehörige besitzt), prädikativen (als Abhängigkeitsformel zu verstehen; eben als gehörig SEIN) als auch applikativen (mehr aufs HÖRIGsein als Adverbsapplikat zu beziehen; ein WIE mit Tiefenwirkung) Charakter besitzt. Die im Westfränkischen wohnenden Germanen benutzten es, um sich gegen die [[Kelten]] (Gallier) und Römer abzusetzen. Der Begriff entstand also aus dem Bedürfnis heraus, sich a) gegen etwas zu profilieren und b) für etwas Zugehörigkeit zu demonstrieren. //Ieueiskaz// bezeichnet ursprünglich alles, was das Eigene ist: Sprache, Religion, Verwandtschaft, Gewohnheiten in der Lebensalltäglichkeit. Es berührt nicht den wirtschaftlichen Bereich, auch nicht militärische oder persönliche Beziehungen zwischen Einzelpersonen. Ieueiskaz markiert den Stallgeruch, mehr nicht. Und angesichts fehlender Profilierungsnotwendigkeit in anderen Gegenden germanischer Besiedlung existierte der Begriff nur im Westfränkischen, wanderte aber allmählich mit dem Vordringen der Gallier und Römer Richtung Osten in östlichere Gebiete. Wir müssen heute annehmen, daß sich in der Gegend um Amiens erstmals der Begriff bildete, um seine Reise Richtung Osten anzutreten. Gegen diese These spricht allerdings eine Quelle aus dem Jahre 786 (ca. 150 Jahre nach der eben gegebenen Beschreibung), in der ein päpstlicher Legat, daß in England zwei Synoden stattgefunden hätten, auf denen in zweierlei Sprache verkündigt wurde, was der Inhalt des Treffens gewesen, //tam latine quam theodisce//. Das verwirrt. Wer spricht zu dieser Zeit auf den britischen Inseln //theodisc//? Vielleicht die Angelsachsen? Dann müßten sich diese gegen die //walhisc// sprechende kirchliche Oberschicht (die romanisierten Nordmänner, die sich nach 1066 auf den Inseln breitmachten, waren noch weit weg) abgesetzt haben wollen. Subsumierten sie sich dem Stamme der Germanen? Muß wohl so gewesen sein. Doch daraus folgte dann, daß der Begriff Theueiskaz keine politische Grundierung, sondern nur eine ethnische Komponente besaß. Das meint übrigens ein moderner englischer Sprachforscher (Levison): "We may assume without hesitation [Unsicherheit], that it was among the Franks, that he [der Legat] had acquired [angeeignet] the use of the terme ‚//theodisc//'." Die Angelegenheit ist also erst später eine politische gewesen, war eine innerfränkische Entwicklung. Wie ging´s nun weiter? Um 650 teilte sich das Frankenreich in Austrien, den östlichen Teil und diesbezüglich die sogenannten Stammlande der Franken, und Neustrien, den neuen westlichen Teil, in dem die [[Franken]] romanische Volksteile aufnahmen. Während die Ostreichler vorwiegend im Mosel-Maas-Gebiet siedelten und keine gallischen bzw. römischen Bevölkerungsteile kannten, unternahm man im Westreich den erfolgreichen Versuch, Germanen und Romanen einem Staatskörper zu inkorporieren. Es spielte keine unerhebliche Rolle, daß ein Großteil des neustrischen Gebiets bereits seit Jahrhunderten römische Zivilisation kannte. Die germanische Oberschicht eignete sich die Prinzipien römisch strukturierter [[Herrschaft]] insofern an, als daß sie sich selbst als die neue, nichtrömische Oberschicht einsetzte. Offenbar jedoch nahmen die romanischen Bevölkerungsteile diese Politik an; wahrscheinlich ist in diesem Zusammenhang, daß die Romanen partizipiert wurden. Die neuen Westfranken nannten sich //franci// und setzten das staatliche Prinzip als identitätsstiftende [[Institution]], währenddessen man im Osten keinen Staat zur Identifikation benötigte. Man benötigte im Westen dieses Gebilde eines Staates, um eine Form des Umgangs in Streitfragen (wirtschaftliche, rechtliche, militärische, administrative) zu besitzen, die sich unabhängig von archaischen Stammesgegebenheiten artikulieren konnte. +Das Wort taucht erstmals im 7.Jahrhundert als //theueiskaz// auf und gilt seither in der Sprachwissenschaft (Weisgerber) als westfranzösisches Erbwort. Von der Wortart her ist es ein Adjektiv mit dem Sinn einer Selbstbezeichnung der Franken gegen die walhisc, die Welschen, die anderen und bedeutet soviel wie "zum Stamme gehörig" bzw. "stammeszugehörig", um das Wort auch deutlich als Adjektiv zu übertragen, wobei das Adjektiv sowohl attributiven (Immanenz des Stammesbegriffes, das er Zugehörige besitzt), prädikativen (als Abhängigkeitsformel zu verstehen; eben als gehörig SEIN) als auch applikativen (mehr aufs HÖRIGsein als Adverbsapplikat zu beziehen; ein WIE mit Tiefenwirkung) Charakter besitzt. Die im Westfränkischen wohnenden Germanen benutzten es, um sich gegen die [[Kelten]] (Gallier) und Römer abzusetzen. Der Begriff entstand also aus dem Bedürfnis heraus, sich a) gegen etwas zu profilieren und b) für etwas Zugehörigkeit zu demonstrieren. //Ieueiskaz// bezeichnet ursprünglich alles, was das Eigene ist: Sprache, Religion, Verwandtschaft, Gewohnheiten in der Lebensalltäglichkeit. Es berührt nicht den wirtschaftlichen Bereich, auch nicht militärische oder persönliche Beziehungen zwischen Einzelpersonen. Ieueiskaz markiert den Stallgeruch, mehr nicht. Und angesichts fehlender Profilierungsnotwendigkeit in anderen Gegenden germanischer Besiedlung existierte der Begriff nur im Westfränkischen, wanderte aber allmählich mit dem Vordringen der Gallier und Römer Richtung Osten in östlichere Gebiete. Wir müssen heute annehmen, daß sich in der Gegend um Amiens erstmals der Begriff bildete, um seine Reise Richtung Osten anzutreten. Gegen diese These spricht allerdings eine Quelle aus dem Jahre 786 (ca. 150 Jahre nach der eben gegebenen Beschreibung), in der ein päpstlicher Legat, daß in England zwei Synoden stattgefunden hätten, auf denen in zweierlei Sprache verkündigt wurde, was der Inhalt des Treffens gewesen, //tam latine quam theodisce//. Das verwirrt. Wer spricht zu dieser Zeit auf den britischen Inseln //theodisc//? Vielleicht die Angelsachsen? Dann müßten sich diese gegen die //walhisc// sprechende kirchliche Oberschicht (die romanisierten Nordmänner, die sich nach 1066 auf den Inseln breitmachten, waren noch weit weg) abgesetzt haben wollen. Subsumierten sie sich dem Stamme der Germanen? Muß wohl so gewesen sein. Doch daraus folgte dann, daß der Begriff Theueiskaz keine politische Grundierung, sondern nur eine ethnische Komponente besaß. Das meint übrigens ein moderner englischer Sprachforscher (Levison): "We may assume without hesitation [Unsicherheit], that it was among the Franks, that he [der [[Legat]]] had acquired [angeeignet] the use of the terme ‚//theodisc//'." Die Angelegenheit ist also erst später eine politische gewesen, war eine innerfränkische Entwicklung. Wie ging´s nun weiter? Um 650 teilte sich das Frankenreich in Austrien, den östlichen Teil und diesbezüglich die sogenannten Stammlande der Franken, und Neustrien, den neuen westlichen Teil, in dem die [[Franken]] romanische Volksteile aufnahmen. Während die Ostreichler vorwiegend im Mosel-Maas-Gebiet siedelten und keine gallischen bzw. römischen Bevölkerungsteile kannten, unternahm man im Westreich den erfolgreichen Versuch, Germanen und Romanen einem Staatskörper zu inkorporieren. Es spielte keine unerhebliche Rolle, daß ein Großteil des neustrischen Gebiets bereits seit Jahrhunderten römische [[Zivilisation]] kannte. Die germanische Oberschicht eignete sich die Prinzipien römisch strukturierter [[Herrschaft]] insofern an, als daß sie sich selbst als die neue, nichtrömische Oberschicht einsetzte. Offenbar jedoch nahmen die romanischen Bevölkerungsteile diese Politik an; wahrscheinlich ist in diesem Zusammenhang, daß die Romanen partizipiert wurden. Die neuen Westfranken nannten sich //franci// und setzten das staatliche Prinzip als identitätsstiftende [[Institution]], währenddessen man im Osten keinen Staat zur Identifikation benötigte. Man benötigte im Westen dieses Gebilde eines Staates, um eine Form des Umgangs in Streitfragen (wirtschaftliche, rechtliche, militärische, administrative) zu besitzen, die sich unabhängig von archaischen Stammesgegebenheiten artikulieren konnte. 
  
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-Vom 5./6.Jahrhundert - setzen wir diese Zeit unabhängig davon, daß die Goten in Italien noch herrschten, als die Zeit, in der die Franken unter den Deutschen allmählich eine Hegemoniestellung erreichten- bis zum 8.Jahrhundert gab es zwar Bemühungen zur Vereinigung der deutschen Festlandstämme (man denke hier nur an die Stillhalteabkommen im 6. JH. zwischen West- und Ostgoten oder zwischen Ostgoten und Franken, als Belisar Italien überfiel), doch ist es keinem Heerführer (das Heer ziehend; Herzog) gelungen, die mitteleuropäischen Deutschen in einem Staat zu konstituieren. Es gab lose Verbindungen zwischen den Stämmen, ein loses Band; es gab nicht einmal etwas Olympia Vergleichbares; nur in der Berührung, hervorgerufen durch die Wanderbewegungen, die sog. Völkerwanderung, seit dem 4.Jahrhundert, stellte man gegenseitig fest, sich ähnlich zu sein. Dann wurde, insofern man sich friedlich auf die Verteilung des Ackerbodens einigen konnte, was selten geschehen sein dürfte, angestoßen und gefeiert, mitunter auch ein Plan für die Zukunft geschmiedet; doch das Band blieb lose, die Eigenmächtigkeit der jeweiligen Stämme blieb konstituierend für die //theodiskaz//. Jeder Stamm war begierig darauf, seine Eigenmächtigkeit, seine eigene Stärke zu erweisen. Das Leben fand innerhalb des Stammes statt, weiter verengt, innerhalb des Hauses, im Heim, das Heimatsursprung ward. Ein Dringen nach dem Draußen konnte bestenfalls und auch nur in guten Jahren, wenn die Saat aufgegangen war, frühestmöglich im April beginnen und mußte spätestens im August beendet sein, wenn die Ernte eingefahren werden mußte, vielleicht auch, damit der Knecht nicht; Keuschheitsgürtel sind keine Erfindung des ungleich prüderen Mittelalters. Da war Ernst (der etymologische Sinnzusammenhang zwischen Ernst und Ernte wird hierin noch heute deutlich) gefragt, keine Eroberung ohne Sicherheit von Beute. Im Heim waltete die //frouwe//, sie gebot den Kindern, Knecht und Magd. Sklaven gab es nicht. Hinter der Bezeichnung //frouwe// verbirgt sich eine Stellung, es ist keine Geschlechtsbezeichnung, sondern ein Titel. Gelegentlich füllte auch der jüngere und im Haushalt lebende Bruder diese Funktion aus, doch in der Regel konnte der dieses Ambt nur einige Jahre wahrnehmen, ohne selbst eigenem Haushalt vorzustehen bzw. in den Krieg zu ziehen. Als Geschlechtsbezeichnung galten Formen wie wip, jungfer oder mägden, wobei jungfer auch eher sozial zu verstehen sein dürfte. Der Mann war nur dann ein Mann, wenn er in den Krieg ziehen konnte, um Beute zu machen, wenn er ernähren konnte, wodurch Mann die Bedeutung des Dienenden erhielt, des Dienenden an seinem Heim. Wir sehen auch hierin die soziale Strukturierung des Denkens der theodiskaz. Die Deutschen waren nur zu Kriegszügen aufzubringen, wenn die Ernte mager ausfiel; von sich aus waren sie passiv und erdverbunden. Um diese Dinge an unsere Ausgangsfrage zurückzubinden: Was sollten die Deutschen mit einem starken Staat? Würde der die Ernte verbessern? Was sollten sie mit den Sklaven, die die Römer allerorten benutzten, um selbst auf der faulen Haut zu liegen? Nein. Einen Fremdländer zu schlagen, das war [[Thor]] gefällig, ihn zu versklaven nicht. Einen Geschlagenen durfte man töten, versklaven nicht, denn der Geschlagene hatte sich als der Götter lose (frei) erwiesen, war also minderwertig. Einen solchen besiegten Gegner ins Haus zu bringen, käme eine Verminderung der eigenen Wertschätzung gleich.+Vom 5./6.Jahrhundert - setzen wir diese Zeit unabhängig davon, daß die Goten in Italien noch herrschten, als die Zeit, in der die Franken unter den Deutschen allmählich eine Hegemoniestellung erreichten- bis zum 8.Jahrhundert gab es zwar Bemühungen zur Vereinigung der deutschen Festlandstämme (man denke hier nur an die Stillhalteabkommen im 6. JH. zwischen West- und Ostgoten oder zwischen Ostgoten und Franken, als Belisar Italien überfiel), doch ist es keinem Heerführer (das Heer ziehend; Herzog) gelungen, die mitteleuropäischen Deutschen in einem Staat zu konstituieren. Es gab lose Verbindungen zwischen den Stämmen, ein loses Band; es gab nicht einmal etwas Olympia Vergleichbares; nur in der [[Berührung]], hervorgerufen durch die Wanderbewegungen, die sog. Völkerwanderung, seit dem 4.Jahrhundert, stellte man gegenseitig fest, sich ähnlich zu sein. Dann wurde, insofern man sich friedlich auf die Verteilung des Ackerbodens einigen konnte, was selten geschehen sein dürfte, angestoßen und gefeiert, mitunter auch ein Plan für die Zukunft geschmiedet; doch das Band blieb lose, die Eigenmächtigkeit der jeweiligen Stämme blieb konstituierend für die //theodiskaz//. Jeder Stamm war begierig darauf, seine Eigenmächtigkeit, seine eigene Stärke zu erweisen. Das Leben fand innerhalb des Stammes statt, weiter verengt, innerhalb des Hauses, im Heim, das Heimatsursprung ward. Ein Dringen nach dem Draußen konnte bestenfalls und auch nur in guten Jahren, wenn die Saat aufgegangen war, frühestmöglich im [[April]] mußte spätestens im August beendet sein, wenn die Ernte eingefahren werden mußte, vielleicht auch, damit der Knecht nicht; Keuschheitsgürtel sind keine [[Erfindung]] des ungleich prüderen Mittelalters. Da war Ernst (der etymologische Sinnzusammenhang zwischen Ernst und Ernte wird hierin noch heute deutlich) gefragt, keine Eroberung ohne Sicherheit von Beute. Im Heim waltete die //frouwe//, sie gebot den Kindern, Knecht und Magd. Sklaven gab es nicht. Hinter der Bezeichnung //frouwe// verbirgt sich eine Stellung, es ist keine Geschlechtsbezeichnung, sondern ein Titel. Gelegentlich füllte auch der jüngere und im Haushalt lebende Bruder diese Funktion aus, doch in der Regel konnte der dieses Ambt nur einige Jahre wahrnehmen, ohne selbst eigenem Haushalt vorzustehen bzw. in den Krieg zu ziehen. Als Geschlechtsbezeichnung galten Formen wie wip, jungfer oder mägden, wobei jungfer auch eher sozial zu verstehen sein dürfte. Der Mann war nur dann ein Mann, wenn er in den Krieg ziehen konnte, um Beute zu machen, wenn er ernähren konnte, wodurch Mann die Bedeutung des Dienenden erhielt, des Dienenden an seinem Heim. Wir sehen auch hierin die soziale Strukturierung des Denkens der theodiskaz. Die Deutschen waren nur zu Kriegszügen aufzubringen, wenn die Ernte mager ausfiel; von sich aus waren sie passiv und erdverbunden. Um diese Dinge an unsere Ausgangsfrage zurückzubinden: Was sollten die Deutschen mit einem starken Staat? Würde der die Ernte verbessern? Was sollten sie mit den Sklaven, die die Römer allerorten benutzten, um selbst auf der faulen Haut zu liegen? Nein. Einen Fremdländer zu schlagen, das war [[Thor]] gefällig, ihn zu versklaven nicht. Einen Geschlagenen durfte man töten, versklaven nicht, denn der Geschlagene hatte sich als der Götter lose (frei) erwiesen, war also minderwertig. Einen solchen besiegten Gegner ins Haus zu bringen, käme eine Verminderung der eigenen Wertschätzung gleich.
  
 Die Deutschen befanden sich nach der Teilung Frankens in Austrien und Neustrien in einer Verteidigungsstellung. Dieser Rückzug aus der Offensive aus den Zeiten der Völkerwanderung erklärt sich auf zweierlei Art: Die Deutschen befanden sich nach der Teilung Frankens in Austrien und Neustrien in einer Verteidigungsstellung. Dieser Rückzug aus der Offensive aus den Zeiten der Völkerwanderung erklärt sich auf zweierlei Art:
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 In dem bewußten Akt der Selbstbezeichnung als einem zusammengehörigen Volkskörper bleibt die historische Idee des Deutschtums lebendig. Der Namen ist eine Aufgabe, über die Grenzen des Individuums hinaus soziales Miteinander zu leben. Benötigt der moderne Staat eben diesen, um Verantwortung von außen an die Einzelbestandteile des Staatskörpers heranzutragen, so liegt in dem Akt der Selbstbenennung als einem zueiander gehörenden Ganzen ein diametral entäußernder Akt des Geistes.  In dem bewußten Akt der Selbstbezeichnung als einem zusammengehörigen Volkskörper bleibt die historische Idee des Deutschtums lebendig. Der Namen ist eine Aufgabe, über die Grenzen des Individuums hinaus soziales Miteinander zu leben. Benötigt der moderne Staat eben diesen, um Verantwortung von außen an die Einzelbestandteile des Staatskörpers heranzutragen, so liegt in dem Akt der Selbstbenennung als einem zueiander gehörenden Ganzen ein diametral entäußernder Akt des Geistes. 
-Genauer: Briten, Franzosen oder Italiener, um vergleichbare europäische Völker zu nennen, wurden aufgrund ihrer Peripherielage erst zu Staaten, bevor sie zu Nationen wurden; der Gedanke der Staatsnation ist nicht von ungefähr in diesen Ländern entstanden. Die Deutschen waren in ihrem Selbstverständnis einander zugehörig, benötigten also die strenge Bindung eines Staates nicht so unmittelbar wie die anderen. Erst, als die arbeitsteilige Gesellschaft der Neuzeit die Nationen in einen schärferen wirtschaftlichen Wettbewerb führte, wurden in Deutschland auch die Kräfte stärker, die eine straffere staatliche Organisation für unumgänglich ansahen, um den Wettbewerb mit den umliegenden Staatsnationen aufnehmen zu können. Doch diese Entwicklung war gegen die den Deutschen zugrundeliegende Lebenswahrnehmung gerichtet. Kompensationen wie ein übersteigerter [[Nationalismus]] oder die Überbetonung des Staates sind uns als Folgen bekannt. Sie konnten über einen kurzen Zeitraum den Deutschen selbst den Eindruck vermitteln, immer noch beieinander zu sein, letztlich jedoch führte dieser Weg zur Selbstzersetzung der Gemeinschaft. Am augenscheinlichsten ist dies für die Zeit des Nationalsozialismus, als Worte wie Gemeinschaft und Volk dazu dienen sollten, eine Art von scheinbarer Harmonie zu stiften, letztlich allerdings nur den Interessen einiger weniger Machtgieriger dienten und die Gemeinschaft der Deutschen auf absehbare Zeit zerstörte. Heute ist jedermann ersichtlich, daß dieser Weg für die Deutschen der falsche war, denn die Vereinzelung in unserer Gesellschaft ist unübersehbar und nur durch ein Aufbrechen des Staatsüberhangs, d.i. eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, überwindbar. Und diese Leistung können Völker für die Welt nicht leisten, deren Gründung, deren Grund sich auf die Bildung eines Staatswesens zurückführt. Die Franzosen hatten die Westfranken als dem stärksten Stamm, dem die anderen in dem Frankenreich, die eben nicht Franken waren, sich unterordnen mußten. Noch heute herrscht in Frankreich Zentralismus. Die Italiener sind einem Stamm nachbenannt, der im Südosten dem Stier huldigte, die Italer oder Italiker sind gemeint; der Begriff überzog die geographische Besonderheit der ins Meer hineinragenden Halbinsel im Süden Europas. Diese Völker waren nicht in der Lage, aus sich heraus eine Idee zu worten; sie waren über den Staat zu einer Nation geworden. Sämtliche andere Völker Europas sind entweder nach dem stärksten Stamm benannt, der in eben jener Gegend vorherrschte oder geographischen Begriffen subsumiert, ob es sich um Spanier (Iberer), Engländer (Angelsachsen) oder Schweden, Russen (Kiewer Rus) oder Polen oder um Ruthenen handelt. Die Deutschen aber als Volk in der Mitte Europas ertrugen keine Vorherrschaft eines Stammes, keines Franken- oder Sachsen- oder "Preußen"-Stammes, wobei letzterer seine Undeutschheit schon daraus bezieht, daß er eben kein deutscher Stamm ist, alles Heraufziehen der Preußen also dem westlichen Gedanken zur Bildung eines Staates, um dann die Nation zu beherrschen, geschuldet ist. Eine andere Möglichkeit hatten die Preußen nicht, sich zu erhalten, was zu ihrer Verteidigung gesagt sein soll; auch ist es lobend zu erwähnen, daß sich mehrere preußische Könige gegen die Einheit Deutschlands aussprachen - das muß ein letzter Rest Deutschtum gewesen sein. Die Deutschen sind kein [[Volk]], das einen starken Staat ertragen kann; sie benötigen eine überschaubare Handhabung der Macht; bestenfalls einen jedem geschuldete Verantwortlichkeit (für dieses Wort gibt es in mehreren europäischen Sprachen keine Entsprechung).+Genauer: Briten, Franzosen oder Italiener, um vergleichbare europäische Völker zu nennen, wurden aufgrund ihrer Peripherielage erst zu Staaten, bevor sie zu Nationen wurden; der Gedanke der Staatsnation ist nicht von ungefähr in diesen Ländern entstanden. Die Deutschen waren in ihrem Selbstverständnis einander zugehörig, benötigten also die strenge Bindung eines Staates nicht so unmittelbar wie die anderen. Erst, als die arbeitsteilige Gesellschaft der Neuzeit die Nationen in einen schärferen wirtschaftlichen Wettbewerb führte, wurden in Deutschland auch die Kräfte stärker, die eine straffere staatliche Organisation für unumgänglich ansahen, um den Wettbewerb mit den umliegenden Staatsnationen aufnehmen zu können. Doch diese Entwicklung war gegen die den Deutschen zugrundeliegende Lebenswahrnehmung gerichtet. Kompensationen wie ein übersteigerter [[Nationalismus]] oder die Überbetonung des Staates sind uns als Folgen bekannt. Sie konnten über einen kurzen Zeitraum den Deutschen selbst den Eindruck vermitteln, immer noch beieinander zu sein, letztlich jedoch führte dieser Weg zur Selbstzersetzung der Gemeinschaft. Am augenscheinlichsten ist dies für die Zeit des Nationalsozialismus, als Worte wie Gemeinschaft und Volk dazu dienen sollten, eine Art von scheinbarer Harmonie zu stiften, letztlich allerdings nur den Interessen einiger weniger Machtgieriger dienten und die Gemeinschaft der Deutschen auf absehbare Zeit zerstörte. Heute ist jedermann ersichtlich, daß dieser Weg für die Deutschen der falsche war, denn die Vereinzelung in unserer Gesellschaft ist unübersehbar und nur durch ein Aufbrechen des Staatsüberhangs, d.i. eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, überwindbar. Und diese Leistung können Völker für die Welt nicht leisten, deren Gründung, deren Grund sich auf die Bildung eines Staatswesens zurückführt. Die Franzosen hatten die Westfranken als dem stärksten Stamm, dem die anderen in dem Frankenreich, die eben nicht Franken waren, sich unterordnen mußten. Noch heute herrscht in Frankreich [[Zentralismus]]. Die Italiener sind einem Stamm nachbenannt, der im Südosten dem Stier huldigte, die Italer oder Italiker sind gemeint; der Begriff überzog die geographische Besonderheit der ins Meer hineinragenden Halbinsel im Süden Europas. Diese Völker waren nicht in der Lage, aus sich heraus eine Idee zu worten; sie waren über den Staat zu einer Nation geworden. Sämtliche andere Völker Europas sind entweder nach dem stärksten Stamm benannt, der in eben jener Gegend vorherrschte oder geographischen Begriffen subsumiert, ob es sich um Spanier (Iberer), Engländer (Angelsachsen) oder Schweden, Russen (Kiewer Rus) oder Polen oder um Ruthenen handelt. Die Deutschen aber als Volk in der Mitte Europas ertrugen keine Vorherrschaft eines Stammes, keines Franken- oder Sachsen- oder "Preußen"-Stammes, wobei letzterer seine Undeutschheit schon daraus bezieht, daß er eben kein deutscher Stamm ist, alles Heraufziehen der Preußen also dem westlichen Gedanken zur Bildung eines Staates, um dann die Nation zu beherrschen, geschuldet ist. Eine andere Möglichkeit hatten die Preußen nicht, sich zu erhalten, was zu ihrer Verteidigung gesagt sein soll; auch ist es lobend zu erwähnen, daß sich mehrere preußische Könige gegen die Einheit Deutschlands aussprachen - das muß ein letzter Rest Deutschtum gewesen sein. Die Deutschen sind kein [[Volk]], das einen starken Staat ertragen kann; sie benötigen eine überschaubare Handhabung der Macht; bestenfalls einen jedem geschuldete Verantwortlichkeit (für dieses Wort gibt es in mehreren europäischen Sprachen keine Entsprechung).
  
 Was bleibt? Die Aufgabe. Zurückfinden zu den Ursprüngen, diese prüfen, inwiefern sie zeitgemäß sind... (NEIN!), ob sie unzeitgemäß sind, aber als Aufgabe existieren? Angesprochen ist der überzeitliche Gehalt des Wortes "deutsch". Was bleibt? Die Aufgabe. Zurückfinden zu den Ursprüngen, diese prüfen, inwiefern sie zeitgemäß sind... (NEIN!), ob sie unzeitgemäß sind, aber als Aufgabe existieren? Angesprochen ist der überzeitliche Gehalt des Wortes "deutsch".
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 russischer [[Narodniki]]\\ russischer [[Narodniki]]\\
 - arbeitete an der Grundlegung der russischen [[Sozialdemokratie]] - arbeitete an der Grundlegung der russischen [[Sozialdemokratie]]
-===== metaphysisch =====+===== metaphysisch (Deutschtum) ===== 
 +- Deutschland im Herzen zu tragen, das ist etwas, was uns gut macht. (Luise von Preußen)\\
 - damit der Kampf und Reiz lebendiger Triebe und Kräfte entstehe, wodurch die [[Geister]] in Lebendigkeit erhalten werden\\ - damit der Kampf und Reiz lebendiger Triebe und Kräfte entstehe, wodurch die [[Geister]] in Lebendigkeit erhalten werden\\
 - für die Übung der Geister ist das menschliche Geschlecht hier erschaffen\\ - für die Übung der Geister ist das menschliche Geschlecht hier erschaffen\\
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   * die Betonung der Eigenwerte unter Anerkennung des Fremden   * die Betonung der Eigenwerte unter Anerkennung des Fremden
   * die Überordnung des [[Prinzip]]s des Geistes über die Prinzipien von [[Natur]] und [[Macht]] ([[Sprache]] ist bedeutsamer als politische Konstituiertheit)   * die Überordnung des [[Prinzip]]s des Geistes über die Prinzipien von [[Natur]] und [[Macht]] ([[Sprache]] ist bedeutsamer als politische Konstituiertheit)
 +- ist von einer ethnisch-bestimmten Abstammungs- und Völkergemeinschaft zu lösen und in einer ethisch-fundierten Sprach- und Kulturgemeinschaft zu veredeln ([[Wagner#Richard Wagner]])
  
 ===== Sentenzen ===== ===== Sentenzen =====
-- [[Bescheidenheit]] im [[Glück]] - unbedingter Aufschwung im Unglück ([[Bahr]])\\+- [[Bescheidenheit]] im [[Glück]] - unbedingter Aufschwung im [[Unglück]] ([[Bahr]])\\
 - wirken; werden, nicht sein (Bertram)\\ - wirken; werden, nicht sein (Bertram)\\
 - gibt sich gern Rechenschaft über sein Tun ab ([[Goethe]])\\ - gibt sich gern Rechenschaft über sein Tun ab ([[Goethe]])\\
-- geht von der [[Wesen]]sgleichheit aller [[Mensch]]en aus und sucht eine formale [[Entwicklung]] dieses Gedankens → will diesen Gedanken [[selbst]] zu seinem [[Ziel]] führen, nicht in Verinnerlichung, sondern als sittlicher Haltung (Hankamer)\\ +- geht von der Wesensgleichheit aller Menschen aus und sucht eine formale [[Entwicklung]] dieses Gedankens → will diesen Gedanken [[selbst]] zu seinem [[Ziel]] führen, nicht in Verinnerlichung, sondern als sittlicher Haltung (Hankamer)\\ 
-- innerhalb des mystischen [[Gott]]erlebnisses einen irrationalen [[Logos]] [[sehen]], zum Beispiel das [[Kant]]sche [[Ding an sich]]\\+- innerhalb des mystischen Gotterlebnisses einen irrationalen [[Logos]] [[sehen]], zum Beispiel das Kantsche [[Ding an sich]]\\
  
-===== reines Deutsch =====+==== reines Deutsch ====
 - war im 18. Jahrhundert im [[Volk]] und [[Adel]] des katholischen Deutschlands gleichermaßen verpönt, weil es als protestantisch galt\\ - war im 18. Jahrhundert im [[Volk]] und [[Adel]] des katholischen Deutschlands gleichermaßen verpönt, weil es als protestantisch galt\\
 - alle Versuche von [[Sonnenfels]]', es als neue Kanzleisprache zu etablieren, scheiterten am Widerstand breiter Schichten\\ - alle Versuche von [[Sonnenfels]]', es als neue Kanzleisprache zu etablieren, scheiterten am Widerstand breiter Schichten\\
  
  
-siehe auch Diskussion im Forum: [[http://www.vonwolkenstein.de/forum/showthread.php?t=1854]]+
deutsch.1368527758.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:21 (Externe Bearbeitung)