Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


holz

HOLZ

- wurde zum Schiffbau von den GRIECHEN hauptsächlich aus ITALIEN eingeführt

Arno Holz

geb. am 26.4.1863 in Rastenburg (Ostpreußen); gest.: 26.10.1929 in Berlin
- lebte ab 1875 in Berlin, die EHE seiner Eltern geht zu Bruch und Holz wird frühzeitig mit materiellen Problemen konfrontiert, die ihn ZEIT seines Lebens begleiten sollen
- entscheidet schon früh, daß er sein LEBEN ganz der schriftstellerischen Arbeit widmen möchte, nachdem er 18jährig das GYMNASIUM ohne Reifezeugnis verlassen muß (aus finanziellen Gründen)
- bildet sich autodidaktisch und knüpft Beziehungen zu dem Naturalistenverein „Durch“, in dem er Gerhart HAUPTMANN kennen lernt
- 1883 erscheint Holz erste LYRIK-Publikation „Klinginsherz“, die noch ganz an der konventionellen Lyrik Emanuel Geibels orientiert ist, auch Heinrich HEINE gehörte zu den Vorbildern seiner frühen Lyrik, mit der er jedoch erfolglos blieb
- Lebensunterhalt verdient er zunächst als Redakteur einer Lokalzeitung und dann durch schriftstellerische Tätigkeit
- ebenso auch mit dem weiteren der TRADITION verpflichteten Lyrikband von 1885: „Unterm Heiligenschein. Ein Erbauungsbuch für meine Freunde“
- beginnt 1886 zwei Romane, die er beide nicht beendet → Schaffenskrise
- im März 1887 tritt er eine Reise an, die ihn bis nach Paris führt, wo er erstmalig die theoretischen Schriften Emile Zolas liest → animieren ihn, literaturtheoretische Studien zu betreiben, ist fasziniert von ZOLA, will sich gleichzeitig aber auch deutlich von dessen Ansichten absetzen
- 1889 beteiligt er sich an der Gründung des Theatervereins „Freie Bühne“ und ebenso an der ein Jahr später erscheinenden gleichnamigen ZEITSCHRIFT
- Holz läßt sich vom Zukunftsoptimismus der Naturwissenschaften erfassen und glaubt, daß diese mit ihrer positivistischen Arbeitsweise auch als Vorbild für die Literaturtheorie dienen können → wird v.a. durch die Schriften der französischen Positivisten Auguste COMTE und Hippolyte TAINE, sowie den englischen Empirikern John Stuart MILL und Herbert SPENCER geprägt;

Phantasus

formal: riesenhafter lyrischer Zyklus, der mit keinem traditionellen Gattungsbegriff mehr zu charakterisieren ist; seit 1898/99 und in folgenden 30 Jahren immer wieder überarbeitet und ausgebaut, so daß z. B. das Gedicht „Gottseidank“, das im Ur-Phantasus aus 15 Zeilen besteht, sich als „Das Tausendundzweite Märchen“ in der Nachlaßfassung auf 461 Druckseiten im Großformat erstreckt und den längsten zusammenhängenden SATZ der WELTLITERATUR (3720 Verszeilen) enthält; Fülle von Alliterationen, onomatopoetischen Ausdrücken, Neologismen, Personennamen aus MYTHOLOGIE, HISTORIE und Privatem, keine Strophen, sondern quasi rituell ablaufende Wortketten und Vorstellungsreihen, Binnenreim als „Motor“ (manchmal über mehrere Seiten)

Holz suchte das Experiment, wollte dadurch neue Spielräume der Einbildungskraft schaffen, die Sprache erhält einen neuen Eigenwert
- hat damit die in der Avantgarde Kunst von Rimbaud und MALLARME bis zu den Surrealisten angestrebte Befreiung der Sprache mit vorbereitet (wenn er diese auch selbst noch nicht forderte und an dem Natur-Begriff für die Kunst festhielt)
- aber: Anspruch Holz für Phantasus ist es mit Mitteln der Lyrik ein Weltgedicht zu schaffen, sollte biologische und kulturelle geschichtliche Evolution der Menschen, die zeitgenössische REALITÄT bis hin zur privaten EXISTENZ des Dichters im Berlin seiner Zeit alle Aspekte abdecken (wider symbolistische Ansprüche → vgl. Hofmannsthals Chandos-Brief, darin der Protagonist in kleinen alltäglichen Momenten diese Ahnung vom Allumfassenden, einer GANZHEIT empfindet, sich aber für unfähig hält und nicht wagt, dies in Worte zu kleiden; anders als Hofmannsthal neigt Holz nicht zum Transzendenten, Metaphysischen oder Prophetischen), jedoch: TRAUM vom Universalgedicht auch bei RILKE festzustellen
- Vgl.: Mallarmé: führte die lyrische POESIE immer mehr von traditionellen Formen weg in extravagant konstruierte Texte und diese wiederum tendenziell ins SCHWEIGEN, in die MAGIE des leeren Blattes, STREBEN nach radikaler sprachlicher Konzentration → bei Holz umgekehrt: dekonzentrische TENDENZ, Aufspaltung in immer neue Wortketten, immer weiter ausufernde Wortverschlingungen (trotz konträrer Tendenz bleibt das Sprachexperiment und SUCHE nach neuer Ausdrucksmöglichkeit als gemeinsames MOMENT)
- bei Mallarmé jedoch ist die Musikalität und Ästhetik der Sprache, eine immer feinere Selbstreflexion, wesentlich weiter voran gebracht - Phantasus-RHYTHMUS bleibt recht einheitlich und eher prosaisch, auch seine „neue“ Form (Mittelachse, Zahlenschema) schafft ein festgeschriebenes PRINZIP, dem er seine Lyrik unterstellt, wirkliche Befreiung der Sprache nicht gegeben
- in Anbetracht des Holzschen Glaubens an die durchgängige Gesetzmäßigkeit der Welt kann die Phantasus Dichtung als möglicher symbolischer Verweis auf die Einheit in der ungeheueren Mannigfaltigkeit der Erscheinungen gedeutet werden
- durch SPIEL mit den ausufernden Worten gewinnt Dichtung auch gewisse groteske Note, das ICH des Phantasus, das die WELTGESCHICHTE ebenso zu durchdringen scheint wie den Berliner Alltag, ist veräußerlicht, seines Wesens, seiner INDIVIDUALITÄT beraubt
- wenn Holz mythologisch verweist, so einzig mit humoristisch-ironischem Unterton
- Holz' kosmologischer Universalismus ist ganz Zukunftsoptimismus
- dem hohen TON wird eine strikte Absage erteilt, wie man ihn hingegen im SYMBOLISMUS, der Dekadenzlyrik und z.B. dem georgeischen PATHOS häufig findet

Buch der Zeit

1885
- frech und verrucht

Die Kunst, ihr Wesen und ihre Gesetze

- 1891/92
- überzeugt von der durchgängigen Gesetzmäßigkeit allen Geschehens, sucht Holz eine solche auch für die Kunst und kommt zu seiner berühmt gewordenen Formel Kunst= Natur – X
X → Reproduktionsbedingungen, v. a. die ästhetischen und sprachlichen Mittel und ihrer nach geschichtlichen und individuellen Umständen unterschiedlichen Handhabung; Bestrebung, X möglich gering zu halten Natur → Maßstab für alle Kunst, sowohl äußere UMWELT, als auch die Empfindungen des Menschen, seine seelische Innenwelt (z.B. auch EMPFINDUNG, die Sonnenuntergang in einem hervorruft)
- Wissenschaftsgläubigkeit

Thesen

  1. die Kunst ist ein Teilzustand am Gesamtzustand der GESELLSCHAFT;
  2. es gelten die gleichen ENTWICKLUNGsgesetze wie bei anderen Teilbereichen der Natur;
  3. Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein. Sie wird sie nach Maßgabe ihrer jeweiligen Reproduktionsbedingungen und deren Handhabung.
  4. Kunst ist erlernbar.

Papa Hamlet

Traumulus

1905
- der SCHLEIER wird vom LEBEN gerissen
- der GUTe MENSCH sieht die schlechte Welt
- der BÖSE Mensch sieht den guten Menschen und bittet seine unheilstiftende Bande um Lösung des verbindenend Kontrakts
- ein inneres ERLEBNIS ändert den schlechten, ein äußeres den guten Menschen
- die KATASTROPHE: Traumulus kann dem reuigen Schlechten nicht vergeben, welcher sich dann erschießt

weitere Veröffentlichungen

  • 1890 DRAMA „Familie Selicke“ in Zusammenarbeit mit Schlaf
  • 1897 Komödie „Sozialaristokraten“
  • 1898 Gedichtband „Phantasus“, 1924/25 und 1929 erweiterte Ausgaben
  • 1899 Publikation „Revolution der Lyrik“, d.s. die Ideen, der im Phantasus angewandten neuen Lyrik

Rezeption

- zum Vorreiter des deutschen konsequenten NATURALISMUS wird er durch die unter dem Pseudonym Bjarne P. Holmsen 1898 erschienene Prosastudie „Papa Hamlet“, die in Zusammenarbeit mit Johannes Schlaf entstand → Neuartig waren hierbei die detaillierte Wiedergabe der tatsächlich gesprochenen, milieubedingten Sprache, die exakte und ungeschönte Darstellung des Durchschnittsmenschen in seiner sozial determinierten Lage nach dem Postulat der größtmöglichen Naturtreue
- sucht in der FORM das WESEN der KUNST
- hatte ART, seine MEINUNG durchzusetzen und andere damit zu knebeln
- Theoretiker, um PRAXIS besser beizukommen
- rang um Formel, die Albernheiten und Lügen der VERGANGENHEIT entlarven sollte
- will das THEATER aus dem Theater jagen zugunsten des Lebens ;
- einer von den großen Einsamen, zu denen niemals der Ruf des Marktes dringt (BAHR)

- Anspruch, etwas so Geheimnisumwittertes und Ungreifbares wie die Kunst erfassen zu können und sie gar in eine als allgemeingültig deklarierten Formel zu fixieren, muß den Symbolisten als geradezu anmaßend und engstirnig erschienen sein
- Moréas 1886: „die wesentliche Eigenschaft der symbolischen Kunst besteht darin, die IDEE niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszudrücken. Und deshalb müssen sich alle konkreten Erscheinungen in dieser Kunst nicht selbst sichtbar machen, sondern sie werden durch sensitiv wahrnehmbare Spuren, durch geheime Affinitäten mit den ursprünglichen Ideen versinnbildlicht“ → wenn dies für die konkreten Dinge in der Kunst gilt, wie viel mehr dann für die Kunst an sich
- Erklärung der Formel: Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein. Sie wird sie nach Maßgabe ihrer jedweiligen Reproduktionsbedingungen und deren Handhabung.

- jedoch: neu ist, daß Holz der Kunst einen eigenen Stellenwert neben der Natur einräumt, auch wenn die Kunst diese nachzuahmen sucht; (erreicht damit aber noch noch den symbolistischen STANDPUNKT des absoluten Primat der Kunst und ist ebenso kein Anhänger der autonomen Kunst, wenngleich er sich dem auch nähert)
- außerdem wird in dieser Formel durch das X die TECHNIK als entscheidendes ELEMENT der künstlerischen Hervorbringung betont, was als Vorgriff auf eine nachnaturalistische, avantgardistische ÄSTHETIK verstanden werden kann
- symbolistische Tendenzen finden sich v. a. in seinem neuen Lyrikverständnis, das er in seiner „Revolution der Lyrik“ theoretisch faßt:

  • wichtig für ihn ist die intensive Darstellung des Menschen, merkt, daß dies problematisch zu vereinbaren ist mit einem positivistischen und kausalmechanistischen WELTBILD → wendet sich wieder der Lyrik zu (Dichtung als Selbstdarstellung)
  • möglichst ungebrochen soll die SUBJEKTIVITÄT eingefangen werden → festgelegte Gestaltungsformalien (Metrik, Strophen, Reimschema) können sich dem nur als abträglich erweisen → Worte sollen nur durch Rhythmus getragen werden → BEDEUTUNG als Vorbote für Sprachexperimente der Moderne

- in seiner späteren Lyrik verwischt Holz, die einst selbst gezogenen Grenzen zwischen naturalistischen und avantgardistischen/symbolistischen Tendenzen: So wird die Abbildung der Natur von ihm auch auf das subjektive innere Erleben bezogen
- sein Realitätsverständnis wird auch auf die schweifende PHANTASIE bezogen
→ Holz ist in seiner literarischen Entwicklung zweifellos einen Sonderweg gegangen, der in schwerlich in einen eindeutigen naturalistischen Kontext einordnen läßt, von dem er sich durch seine Sprachexperimente und Wortkunst schon einen Schritt entfernt hatte, weist er zwar v.a. formal avantgardistische Tendenzen auf, ist er doch gerade auf inhaltlicher Ebene, in seinen gedanklichen Konzeptionen doch noch weit von der Dekadenzliteratur, dem Symbolismus u. a. Strömungen der MODERNE entfernt.
→ Holz in Literaturwissenschaft heute sehr unterschiedlich gesehen: sowohl als „weltliterarischer Provinzlers“ als auch als „ein bedeutender Vorläufer der literarischen Avantgarde“ zu stehen

holz.txt · Zuletzt geändert: 2022/12/10 14:12 von Robert-Christian Knorr