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kleist

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kleist [2012/01/31 19:07] Robert-Christian Knorrkleist [2024/03/17 07:16] (aktuell) – [Bärliner Abendblätter] Robert-Christian Knorr
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 ===== Ewald von Kleist ===== ===== Ewald von Kleist =====
-[[Dichter]]\\ 
 um 1750\\ um 1750\\
-- betrachtet die [[Natur]] auf dem [[Boden]] des einfachen [[Glück]]s+[[Dichter]]\\ 
 +- betrachtet die [[Natur]] auf dem [[Boden]] des einfachen Glücks
  
  
 ===== Heinrich von Kleist ===== ===== Heinrich von Kleist =====
- 1777-1811\\+1777-1811\\
 Dichter\\ Dichter\\
-scheiterte am [[Leben]], spätestens nach der Lektüre [[Kant]]s glaubte er, daß man nicht leben könne, wenn man die [[Realität]] nicht zu erkennen imstande ist;\\+Sohn eines preußischen Hauptmanns aus weitverzweigter Familie\\ 
 +nach der Lektüre Kants (um 1793) wuchs in ihm der Wunsch, viel zu erkennen und zu wissen und etwas Großes zu schaffen, glaubte, daß man nicht leben könne, wenn man die [[Realität]] nicht zu erkennen imstande ist → bei diesem Sichtwinkel aufs Leben muß man scheitern\\ 
 +- besuchte Goethe und [[Schiller]] 1802 in Weimar und blieb eine Weile bei [[Wieland]] in Oßmannstedt\\ 
 +- geriet 1806/7 in Kriegsgefangenschaft, aus der ihn seine Schwester Ulrike losbatdanach seelisch zerrüttet in Dresden, wo er die Bekanntschaft Schuberts machte und dessen "Vorlesungen über die Nachtseite der Naturwissenschaft" begierig aufnahm\\ 
 +- seine Projekte in Dresden, Weimar und Wien scheiterten; 1810 ging er nach Bärlin, wo er ein Weihegedicht an die Königin richtete und darauf hoffte, daß seine letzten Stücke (//Prinz von Homburg// und //Käthchen von Heilbronn//) am Königlichen Theater aufgenommen werden würden, was beides nicht erfolgte\\ 
 +- er erlebte keine einzige Aufführung eines seiner Stücke, die zwar zuweilen gespielt wurden, aber allesamt beim Publikum durchfielen, zuweilen sogar ausgezischt wurden (z.B. //Der zerbrochene Krug// in Weimar) 
 + 
 +- zwischen [[Lessing]] und [[Ibsen]] der schärfste psychologische Naturalist des Theaters (Friedell)\\
 - die nordische Schärfe des Hypochonders und die Gewaltsamkeit der [[Motiv#Motive]] sind mir zuwider\\ - die nordische Schärfe des Hypochonders und die Gewaltsamkeit der [[Motiv#Motive]] sind mir zuwider\\
-- der moralische Ansatz ist doch auch ein [[böse]]s [[Übel]]\\ +- der moralische Ansatz ist doch auch ein böses [[Übel]]\\ 
-- man schafft und künstelt sich neue [[Theorie#Theorien]], um Mittelmäßigkeit für bedeutend ausgeben zu können ([[Goethe]]) +- man schafft und künstelt sich neue [[Theorie#Theorien]], um Mittelmäßigkeit für bedeutend ausgeben zu können\\ 
-==== Michael Kohlhaas ====+- unsichtbares [[Theater]] → es findet zu vieles nur in den Figuren statt und nicht auf der Bühne ([[Goethe]]) 
 + 
 +=== pathologische Momente in Kleists Werk === 
 +  * //Prinz von Homburg// und //Käthchen von Heilbronn//: [[Somnambulismus]] mit der Folge von Halluzinationen 
 +  * Sadismus bei //Penthesilea// und Thusnelda 
 +  
 +- geht auf die Verwirrung des Gefühls aus und stellt sich die Aufgabe, von dieser Verwirrung zur Klarheit des Gefühls zu kommen (Engel)\\ 
 +- Neigung zur Gefühlsverirrung (Friedell)\\ 
 +- Kleist geht auf die Verwirrung des Gefühls aus. (Goethe) 
 + 
 +==== Bärliner Abendblätter ==== 
 + 
 +Oktober 1810 bis März 1811\\ 
 +- von Kleist herausgegebene patriotische Zeitung, die zwischen Gebrauchstexterzeugung und Literatur waberte und damit die französische Zensur austricksen konnte\\ 
 +- agitierte im Geiste der [[Stein-Hardenbergischen Reformen]] und gegen den märkischen [[Adel]], auch gegen die liberal affizierten Zuträger resp. Angepaßten gegenüber den Franzosen → damit stand das Blatt relativ verloren da\\ 
 +- Kleist publizierte auch [[Müller|Adam Müller]], was die Unterstützung der Reformer beendete, denn die sahen in Müller einen Erzkonservativen → [[https://www.wvttrier.de/p/ww-wirkendes-wort-3-2023|Aufsatz über Kleists verdecktes Schreiben]] 
 + 
 +==== Familie Schroffenstein ==== 
 +- sein erstes Drama (1801)\\ 
 +- die Wechselmorde hängen von einem (von Kleist konstruierten) [[Zufall]] ab, von dem kleinen Finger, den die Waldfrau dem ertrunkenen Kinde abschnitt: Absicht der [[schaurige#schaurigen]] Wirkung, die aus einem albernen Versehen heraus entstehen kann\\ 
 +- sehr schöne (keusche) Liebesszene in V/1 
 + 
 +==== Die Hermannsschlacht ==== 
 + 
 +1811\\ 
 +- patriotisches Stück, das Empörung (über den politischen Zustand Deutschlands) und Kunst vereint\\ 
 +- die widerliche Gestalt des Aristan entspricht dem König von Württemberg, einem Rheinbundfürsten und Vasallen Napoleons, dessen Treue zu Rom Hermann in der letzten Szene mit Enthauptung löhnt \\ 
 +- ein die Peinlichkeiten seiner Zeit beobachtendes Tendenzstück 
 +==== Käthchen von Heilbronn ==== 
 + 
 +1808\\ 
 +- basiert auf einer von [[Bürger]] übersetzten altschottischen Ballade\\ 
 +- ein schlafwandelndes Mädchen, das im [[Traum]] einen Mann sieht, dem es verfällt → eine romantische Liebeskomödie nimmt ihren Lauf, denn am Ende wird das Mädchen zum adeligen Fräulein, das dem von ihm verfolgten und von diesem stets abgelehnten Grafen nun ebenbürtig, bielleicht sogar standesmäßig überlegen ist, der sie nun erhört \\ 
 +- männliche Theaterbesucher empfinden die hündische Ergebenheit Käthchens oft als nervend → Kleist bedauerte dramaturgische Mißgriffe, sah sich aber aufgrund des mangelnden Erfolgs seiner dato mißerfolglichen Stücke dazu veranlaßt, wenigstens ein Stück bühnentauglicher zu machen, also ein für die Zuschauer befriedigendes Ende zu verfassen 
 + ==== Michael Kohlhaas ====
 - thematisiert das Problem des Rechts: Darf jemand, dem [[Unrecht]] geschah, das Recht in die eigenen Hände nehmen? Heiligt der [[Zweck]] die Mittel? Darf jemand, der einen guten Zweck verfolgt, jedes Mittel anwenden?\\ - thematisiert das Problem des Rechts: Darf jemand, dem [[Unrecht]] geschah, das Recht in die eigenen Hände nehmen? Heiligt der [[Zweck]] die Mittel? Darf jemand, der einen guten Zweck verfolgt, jedes Mittel anwenden?\\
-- in einer heute antiquierten [[Sprache]] geschrieben: Satzungetüme, verwirrende Erzähltechnik, zahlreiche Ungenauigkeiten im Handlungsablauf+- in einer heute antiquierten [[Sprache]] geschrieben: Satzungetüme, verwirrende Erzähltechnik, zahlreiche Ungenauigkeiten im Handlungsablauf\\ 
 +- Wilheit und Weichheit treiben die Handlung an
  
 ==== Penthesilea ==== ==== Penthesilea ====
 +1808\\
 +- in Frankreich geschrieben; ein Gegenstück zum //Ajax// des [[Sophokles]]\\
 +- die Botschaft ist grausam und lautet: Wir zerstören, was wir lieben. → die Amazonenkönigin hat im Wahn ihren geliebten [[Achilles]] zerfleischt und geht, wieder zu Sinnen gekommen, am Bewußtsein dieser Tat zugrunde\\
 +- es sind keine Menschen, sondern Übermenschen, die Kleist schuf und die er dem Publikum vors geistige Auge stellen wollte, daß nämlich jeder tötet, was er liebt - früher oder später\\
 +- [[Wut]], Stolz, Liebe und tödliche [[Reue]] treiben die Handlung an
 +
 +==== Prinz von Homburg ====
 +
 +1811\\
 +- sein letztes Stück, ein Meisterstück in der Charakterkunst, das die innere Läuterung des Prinzen ins Zentrum stellt, wogegen der [[Churfürst]] als ein charakterfester Herrscher steht, der seinem befehlsverweigernden Feldherrn die Selbsterkenntnis weise überläßt: Die Wendung des Churfürsten gehört zum Erhabensten, was, was irgend eine Literatur zeigt. ([[Hebbel]]) → an dieser Stelle setzte die [[Kritik]] an, nämlich die vom Königshaus 1811, daß Befehlsverweigerung im brandenburgisch-preußischen Heere nicht vorgekommen sein soll\\
 +- sein Mangel liegt darin, daß der Churfürst dem Prinzen, trotz dessen offensichtlicher Inkompetenz (der Prinz hat schon zwei Schlachten verloren) auch den Befehl übers [[Heer]] für die dritte Schlacht überläßt\\
 +- verträumte Liebe, Tapferkeit, Todesfurcht und sich ermannende Weltbesiegung treiben die Handlung an
 +==== Robert Guiscard ====
 +1802\\
 +- in einem Anfall von Selbstzweifel durch Kleist vor der Fertigstellung verbrannt, später (1808) aus dem Gedächtnis in Teilen rekonstruiert und im //Phoebus// publiziert\\
 +- ein normannischer Heerführer stirbt bei der Belagerung von Konstantinopel 1085\\
 +- großartige Szenenführung und Sprache
  
-- die Botschaft ist grausam und lautet: Wir zerstören, was wir lieben. 
  
 ==== Kleists Übersetzungsmethode ==== ==== Kleists Übersetzungsmethode ====
 - [[Wechsel]] zwischen genauer und wortwörtlicher und sehr freier Übertragung, [[frei]] da, wo sich der [[Text]] eigenen [[Erfahrung]]en und [[Empfindung#Empfindungen]] nähert (Brahm) - [[Wechsel]] zwischen genauer und wortwörtlicher und sehr freier Übertragung, [[frei]] da, wo sich der [[Text]] eigenen [[Erfahrung]]en und [[Empfindung#Empfindungen]] nähert (Brahm)
  
 +==== Der zerbrochene Krug ====
 +
 +1803\\
 +- das erste deutsche Drama, das Bauern als Helden hat und diese nicht nur als bebändertes Schafvolk zeigt\\
 +- nach dem von Goethe initiierten Mißerfolg - er zerteilte das auf Einaktigkeit ausgelegte Stück in drei Akte und zerstörte damit den Spannungsbogen, außerdem setzte er es bei der Premiere nach einer langweiligen Oper an - wollte Kleist Goethe fordern, rächte sich dann aber literarisch in Epigrammen 
kleist.1328033262.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:52 (Externe Bearbeitung)