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KLINGER

Maximilian Klinger

Stürmer, später General in russischen Diensten
1752-1831
- mit GOETHE (wie er selbst Frankfurter) befreundet, der ihm zwei seiner Stücke schickte, damit Klinger sie verkaufen möge, „Jahrmarktsfest zu Plundersweilen“ und „Pater Brey“
- wurde durch Christoph Kaufmann bei Goethe verleumdet, so daß dieser annehmen mußte, Klinger habe sein VERTRAUEN enttäuscht → Klinger verließ Weimar Richtung Leipzig, sein GLÜCK zu suchen
- fand dort Theaterdirektor Seiler, der ihn für 500 Taler jährlich (etwa 16000 €) zum Hausdichter seiner Bühne machte
- konnte den Spagat des Künstlers zwischen PHANTASIE und WIRKLICHKEIT nicht leisten und schied aus der Seilerschen Theatertruppe aus → letzter Anhaltspunkt war der verrückte LENZ, den er in der SCHWEIZ traf
- versuchte essayistisch seine Hauptfrage: Wie kann der rebellierende KÜNSTLER mit der GESELLSCHAFT seiner ZEIT zurechtkommen? zu klären
- suchte sein HEIL in Freiwilligenverbänden des REICHes gegen die PREUßEN, aber der Kartoffelkrieg zwischen ÖSTERREICH/Reich und Preußen zog sich hin und benötigte Strategen, keine HELDen → 1779 wird Klinger nach RUßLAND gerufen, beim Großfürsten Paul den Vorleser zu spielen, dazu bekommt er das ersehnte Leutnantspatent in der russischen ARMEE
- er wendet sich vom Subjektivismus ab → Plimplamplasko
- wanderte nach Rußland aus und wurde dort glücklich
- durch russische Umstände ist seine POESIE nur die des Mißmuts und der Zerrissenheit, aber auch die der Darstellung des einfachen VOLKes
- ein Vorläufer der russischen DICHTUNG, d.i. die Krankheitsgeschichte der Staats- und Gesellschaftszustän­de, die Klinger mit rousseauschem Auge sah
- schafft den SPRUNG zu einer unbestechlichen Seelenhoheit und einer ruhigen Klarheit erfahrener Weltbildung
- Hervorhebung des Nationalen, ABER VERACHTUNG des Menschen bei durchgeführ­ter stoizistischer Grundhaltung
- vermutet in der Leiche ein Bestes, im SILBER und MOND, von dem sie beschienen, denn GOTT macht sich keine vergebliche Mühe
- in den 1880er Jahren in WIEN wiederentdeckt

  • Geschichte eines Deutschen der neuesten Zeit
  • Der Weltmann und der DICHTER
  • Betrachtungen

- Klinger ist theatralischer als Goethe im Götz, seine Szenen brechen nicht ohne Durchführung ab, aber seine Kompositionen sind nicht halb so konsequent als Lessings, und in seinen Charakteren erreicht er weder die Naturhaftigkeit des einen noch des anderen. Aber ein Hauptgesetz des Dramas, die Bildung von schroffen Gegensätzen, von einem Kampf auf Leben und Tod, hat er immer erfüllt. (Palleske)

Medea auf dem Kaukasos

1790
- benutzt den bekannten MYTHOS, erfindet aber neue Episoden

Inhalt

- MEDEA lebt in einer selbstgewählten Isolation, um wie PROMETHEUS ihr Fehlverhalten zu büßen, wird allerdings aufgespürt und für ein göttliches WESEN gehalten, vor dem die Menschen (von Klinger Horde genannt) zittern und dem sie auf Geheiß ihrer Priester Menschen opfern
- Medea versucht, den Menschen zu erklären, daß sie keine GOTTHEIT sei und keine OPFER wolle, aber die Menschen wollen nicht hören
- Medea zerstört den Opferaltar, droht erst dem Oberpriester, tötet diesen später, aber letztlich hat der rechtbehalten mit seiner Auffassung, daß auch die Darlegung der WAHRHEIT das Volk nicht goutieren würde, das Vernunftgründen nicht zugänglich bleibt
- die Strukturen und die Menschen bleiben unverändert, daran ändern auch Medeas Versuche nichts, das Volk aufzuklären:

  1. Revision des Gottesbildes durch verstärkte Hinweisung auf die gütigen Aspekte Gottes, um der Schreckensherrschaft der Druiden den BODEN zu entziehen, die auf den furchtbaren Gott rekurrieren;
  2. Medea will dem Volk die QUELLE ihres Geistes eröffnen, damit das LICHT der VERNUNFT verbreitet wird;
  3. Enthüllung der Geheimnisse der Natur zur Vertreibung der Angst vor gewissen Erscheinungen (Blitz, Krankheit, TOD) und zur ERKENNTNIS nutzbringenden Wissens

ABER: dieses Aufklärungspathos erreicht das Volk nicht: das gleiche Problem besaßen die französischen Enzyklopädisten, besitzen Lehrer oder Mahner überhaupt
- Medea geht unter, weil ihr das GUTE nicht gelang, wohl aber das BÖSE

Thematik

  • das Verhältnis von Horde (MASSE) und AUFKLÄRUNG (ERZIEHUNG) bzw. gesellschaftlicher Zustand der Horde und die jeweils individuelle Gefangenschaft durch Vorurteile und Aberglauben, in der sich diese Menschen befinden → für Klinger existiert kein Goldenes Zeitalter, denn die primitiven Menschen leben in einer ständigen ANGST und opfern Menschen, wie BOULANGER es beschrieb;
  • Klinger geht der Frage nach, was ein Lehrer des Volkes mitbringen muß, damit er verstanden wird → Medea geht wider besseres WISSEN um die Dumpfheit des Volkes an ihre Aufgabe, es eben aufzuklären und muß dementsprechend SCHEITERN und
  • das Verhältnis von MITTEL und ZWECK bzw. die Anwendung von GEWALT zur Erreichung eines Zweckes

Sturm und Drang

1776
- dieses Stück gab einer EPOCHE seinen Namen, der des STURM & DRANG
- die IDEE zu diesem Titel hatte der schweizer Kurpfuscher Kaufmann, der zu dieser Zeit in Weimar weste
- faßt die TENDENZ der Klingerschen Jugendwerke zusammen und führt es auf eine neue, höhere Stufe → die subjektivistsichen Überspitzungen sind vermieden
- nicht mehr in lyrischen Ausbrüchen entlädt sich der antifeudale ANGRIFF, sondern er gewinnt seine Kraft aus der HANDLUNG

Die Zwillinge

1774
- Guelfo trägt alle Züge des Genies
- die WAHRHEIT des künstlerischen Ausdrucks findet sich mehr in den lyrischen Ausbrüchen des Helden als in der dramaturgischen Konzeption des Stückes selbst → viel Kritik, u.a. von LESSING
- die SPRACHE ist naturalistisch und betont im Dialog das lyrische MOMENT, was besonders bei Klassizisten auf Ablehnung stieß

Rezeption

- Sage [Aufforderung Schillers an seinen Freund Wolzogen in einem BRIEF vom 4. September 1803] dem General Klinger, wie sehr ich ihn schätze. Er gehört zu denen, welche vor fünfundzwanzig Jahren zuerst und mit Kraft auf meinen GEIST gewirkt haben. Diese Eindrücke der Jugend sind unauslöschlich. (SCHILLER)

klinger.txt · Zuletzt geändert: 2021/05/12 05:45 von Robert-Christian Knorr