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magdeburgische

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magdeburgische [2020/06/02 17:28] – [Artikelbenutzung und Rektion] Robert-Christian Knorrmagdeburgische [2024/01/20 15:21] (aktuell) – [Sprache] Robert-Christian Knorr
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 ====== MAGDEBURGISCHE ====== ====== MAGDEBURGISCHE ======
  
-ostfälisches Idiom, vermengt mit Einsprengseln aus der Pfalz, niederdeutschem Platt, Holland und Brandenburgdazu französische Bestandteile+[[ostfalen|ostfälisches]] Idiom, vermengt mit Einsprengseln aus der Pfalz (siedelten ab etwa 1700 in Ostfalen), niederdeutschem Platt (dringt seit jeher aus dem Norden ein)dazu geringe Einflüsse durch angesiedelte Hölländer (seit Heinrich dem Löwen bis heute), Rückwirkungen aus dem Ostelbischen und geringe Einflüsse durch Hugenotten (Franzosendie seit 1688 angesiedelt wurden)
  
 ===== Aussprache und Grammatik ===== ===== Aussprache und Grammatik =====
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 ==== Sprache ==== ==== Sprache ====
-<html><img src="http://www.vonwolkenstein.de/images/ostfalen.jpg" width="470" height="480" border="4" align="left" style="margin-right:5mm" alt="Ostfalen auf einer alten englischen Karte"></html> + 
-Mundart hebt sich im [[Gegensatz]] zur Hoch- und Schriftsprache nicht nur im Bereich der Lexik ab, sondern auch im [[Satzbau]] und in der Grammatik. Sie wird gesprochen, was eine schriftliche Fixierung nicht unbedingt erleichtert. Im Gegenteil. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dem Leser die [[Sprache]] in [[Form]] von [[Schrift]] näherzubringen, weshalb versucht wird, die Aussprache durch Buchstaben, [[Wort]] und Satz so genau wie möglich wiederzugeben.+Mundart hebt sich im [[Gegensatz]] zur Hoch- und Schriftsprache nicht nur im Bereich der Lexik ab, sondern auch im [[Satzbau]] und in der Grammatik. Sie wird gesprochen, was eine schriftliche Fixierung nicht unbedingt erleichtert. Im Gegenteil. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, dem Leser die [[Sprache]] in [[Form]] von [[Schrift]] näherzubringen, weshalb versucht wird, die Aussprache durch Buchstaben, [[Wort]] und Satz so genau wie möglich wiederzugeben.\\ 
 Das Magdeburgische ist eine niederdeutsche Sprachform. In der ostfälischen Landschaft gilt das Altsächsische als ursprüngliche Sprachform, die im 6.-8. Jahrhundert von den eindringenden Franken geprägt wurde. (Man darf nicht vergessen, daß [[Magdeburg]] 805 von den Franken gegründet wurde, um von hier aus die östlichen [[Slawen]] und umwohnenden [[Ostfalen]] dem eigenen Machtbereich einzuverleiben.) Südöstlich der Region treffen Niederdeutsch und Mitteldeutsch aufeinander.\\ Das Magdeburgische ist eine niederdeutsche Sprachform. In der ostfälischen Landschaft gilt das Altsächsische als ursprüngliche Sprachform, die im 6.-8. Jahrhundert von den eindringenden Franken geprägt wurde. (Man darf nicht vergessen, daß [[Magdeburg]] 805 von den Franken gegründet wurde, um von hier aus die östlichen [[Slawen]] und umwohnenden [[Ostfalen]] dem eigenen Machtbereich einzuverleiben.) Südöstlich der Region treffen Niederdeutsch und Mitteldeutsch aufeinander.\\
-Magdeburg bildet eine sprachliche Insel, umgeben von „feindlichen“ Gebieten; südlich die hochdeutsche, nördlich die plattdeutsche Kernlandschaft. Magdeburg ist, sprachlich gesehen, ein Grenz- beziehungsweise Übergangsgebiet, wobei sich etwa zehn Kilometer nördlich von Magdeburg die sogenannte ik/ich-Linie entlangzieht, die Benrather Linie. Wer in die Eisenbahn steigt, wird ab Wolmirstedt schon das charakteristische ik der Nordostdeutschen hören. In Magdeburg sagt das keiner. Der Magdeburger sagt ich, mich, dich, palatalisiert, wie das sprachwissenschaftlich heißt, aber er verwendet dabei mit Vorliebe anders als üblich: „jib mich ma de Butter“ oder „mach dich ma den Knopp zu“.\\+{{ :ostfalen.jpg?600|}}Magdeburg bildet eine sprachliche Insel, umgeben von „feindlichen“ Gebieten; südlich die hochdeutsche, nördlich die plattdeutsche Kernlandschaft. Magdeburg ist, sprachlich gesehen, ein Grenz- beziehungsweise Übergangsgebiet, wobei sich etwa zehn Kilometer nördlich von Magdeburg die sogenannte ik/ich-Linie entlangzieht, die Benrather Linie. Wer in die [[Eisenbahn]] steigt und nach Norden fährt, wird ab Wolmirstedt schon das charakteristische ik der Nordostdeutschen hören. In Magdeburg sagt das keiner. Der Magdeburger sagt ich, mich, dich, palatalisiert, wie das sprachwissenschaftlich heißt, aber er verwendet dabei mit Vorliebe anders als üblich: „jib mich ma de Butter“ oder „mach dich ma den Knopp zu“.\\
 Einflüsse auf die Entwicklung der magdeburger Mundart kamen aus ganz verschiedenen Bereichen. Bis heute kann man die sprachlichen Veränderungen durch die Jahrhunderte verfolgen, weil sie als Spiegel von Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Politik der Landschaft geprägt wurden. Einflüsse kamen durch das Meißnische, das Ostmitteldeutsche vom universitären Leipzig, und auch Lehrer, die aus Thüringen, Sachsen, Niedersachsen oder Schlesien kamen, brachten ihre Sprachgewohnheiten nach Magdeburg mit. \\ Einflüsse auf die Entwicklung der magdeburger Mundart kamen aus ganz verschiedenen Bereichen. Bis heute kann man die sprachlichen Veränderungen durch die Jahrhunderte verfolgen, weil sie als Spiegel von Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Politik der Landschaft geprägt wurden. Einflüsse kamen durch das Meißnische, das Ostmitteldeutsche vom universitären Leipzig, und auch Lehrer, die aus Thüringen, Sachsen, Niedersachsen oder Schlesien kamen, brachten ihre Sprachgewohnheiten nach Magdeburg mit. \\
 Auch über die Handelswege (westlich aus Hannover, Braunschweig, südlich aus Halle und dem Meißnischen, auch aus Franken und Bayern) kamen Eigenheiten verschiedener Dialekte und Sprachformen in unsere Stadt. Selbst von den umliegenden Dörfern, in denen das Platt weit verbreitet war, kamen über die handeltreibenden Bauern sprachliche Besonderheiten nach Magdeburg. Nicht zu vergessen ist die wichtigste Veränderung, die mit der [[Reformation]] und der Verbreitung des Lutherdeutschen ihren Lauf nahm. Man darf hier nie vergessen: Magdeburg war die Hauptstadt des [[Protestantismus]], also auch des Lutherdeutschs und damit [[Ursprung]] des klassischen [[Deutsch]], das noch heute in den Schulen gelehrt werden soll. Auch über die Handelswege (westlich aus Hannover, Braunschweig, südlich aus Halle und dem Meißnischen, auch aus Franken und Bayern) kamen Eigenheiten verschiedener Dialekte und Sprachformen in unsere Stadt. Selbst von den umliegenden Dörfern, in denen das Platt weit verbreitet war, kamen über die handeltreibenden Bauern sprachliche Besonderheiten nach Magdeburg. Nicht zu vergessen ist die wichtigste Veränderung, die mit der [[Reformation]] und der Verbreitung des Lutherdeutschen ihren Lauf nahm. Man darf hier nie vergessen: Magdeburg war die Hauptstadt des [[Protestantismus]], also auch des Lutherdeutschs und damit [[Ursprung]] des klassischen [[Deutsch]], das noch heute in den Schulen gelehrt werden soll.
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 Ein weiteres, sehr auffälliges Merkmal des Magdeburgischen ist die Aussprache des AU, das zum langen O wird. Er sagt also //loofen// und //ooch//. AU tritt aber auch als U auf, wie bei //uff// oder //druff//; daneben findet sich die normale Form in [[Frau]], //jenau// oder blau. Das kurze E wird in Endungen gern verschluckt (machn, sagn, //jehn//), in Vorsilben tritt es als das dunkle, offene auf (//varloofen//). Außerdem wird das kurze E als (//Arbse//, //Tarrine//), das lange e als Ä (//Bäsen//, //fäjen//) gesprochen.\\ Ein weiteres, sehr auffälliges Merkmal des Magdeburgischen ist die Aussprache des AU, das zum langen O wird. Er sagt also //loofen// und //ooch//. AU tritt aber auch als U auf, wie bei //uff// oder //druff//; daneben findet sich die normale Form in [[Frau]], //jenau// oder blau. Das kurze E wird in Endungen gern verschluckt (machn, sagn, //jehn//), in Vorsilben tritt es als das dunkle, offene auf (//varloofen//). Außerdem wird das kurze E als (//Arbse//, //Tarrine//), das lange e als Ä (//Bäsen//, //fäjen//) gesprochen.\\
 Das I findet wenig Verwendung, es wird entweder als U wie in //Kursche// oder //Burne// oder aber normal in //wiste// (willst du) oder //biste// (bist du) gebraucht. Ein IE kann zum U beziehungsweise Ü (//Vürtel//) oder verkürzt wie in disse (diese, weiches s), aber auch normal verwendet werden wie in Wiese.  \\ Das I findet wenig Verwendung, es wird entweder als U wie in //Kursche// oder //Burne// oder aber normal in //wiste// (willst du) oder //biste// (bist du) gebraucht. Ein IE kann zum U beziehungsweise Ü (//Vürtel//) oder verkürzt wie in disse (diese, weiches s), aber auch normal verwendet werden wie in Wiese.  \\
-Wörter wie //eens//, //beede//, //Beene//, //kleen//, //keener//, ich //wees// sind typisch für Magdeburg. Das EI wird zum langen E, wobei wieder einige Formen wie im Hochdeutschen auftreten (Seil, Schwein). Am Wortanfang wird es zu einem I (//inkoofen//, //rinbringen//) und manchmal tritt das EI als EU wie in //jescheut// (gescheit) auf. EU selbst wird dahingegen oft als EI gesprochen (//Neie Neistadt//, //Beitel//). \\+Wörter wie //eens//, //beede//, //Beene//, //kleen//, //keener//, ich //wees// sind typisch für Magdeburg. Das EI wird zum langen E, wobei wieder einige Formen wie im Hochdeutschen auftreten (Seil, Schwein). Am Wortanfang wird es zu einem I (//inkoofen//, //rinbringen//) und manchmal tritt das EI als EU wie in //jescheut// (gescheit) auf. EU selbst wird dahingegen oft als EI gesprochen (neie Neistadt, //Beitel//). \\
 Das O kann als kurzes O in //kommste// (kommst du), als U (vull), als A (//Kammode//) oder als E (//abselut//, //deste// mehr) auftreten. Ein Ö wird häufig ersetzt durch ein langes E, so daß es //Keenich//, //bleede//, //Eel// und //scheen// heißt. \\ Das O kann als kurzes O in //kommste// (kommst du), als U (vull), als A (//Kammode//) oder als E (//abselut//, //deste// mehr) auftreten. Ein Ö wird häufig ersetzt durch ein langes E, so daß es //Keenich//, //bleede//, //Eel// und //scheen// heißt. \\
 Auch beim U gibt es die verschiedensten Verwendungsformen. Es kann als O (//Blome//, //Broder//) oder als E (//simmelieren//, //akerat//) gesprochen werden. Als Umlaut wird das Ü zum kurzen U wie in //markwurdisch// (merkwürdig), Tute oder //Schurze//; oder zum langen I/IE wie in //Bricke//, //Sticke//, //zerick//, //Biecher//, //Bliete//. Auch beim U gibt es die verschiedensten Verwendungsformen. Es kann als O (//Blome//, //Broder//) oder als E (//simmelieren//, //akerat//) gesprochen werden. Als Umlaut wird das Ü zum kurzen U wie in //markwurdisch// (merkwürdig), Tute oder //Schurze//; oder zum langen I/IE wie in //Bricke//, //Sticke//, //zerick//, //Biecher//, //Bliete//.
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 Magdeburg weist gleich zwei weitere Aussprachemöglichkeiten auf, zum einen das G als hartes CH (Machteburch) und weich als CH (//Machteburch//). Weiterhin wird das G als R gesprochen wie in Larer, Oore (Auge) oder betraren. In der Verbindung -ng bleibt es wie bekannt und bei -ig wird es zum sch (//lieblisch//).\\ Magdeburg weist gleich zwei weitere Aussprachemöglichkeiten auf, zum einen das G als hartes CH (Machteburch) und weich als CH (//Machteburch//). Weiterhin wird das G als R gesprochen wie in Larer, Oore (Auge) oder betraren. In der Verbindung -ng bleibt es wie bekannt und bei -ig wird es zum sch (//lieblisch//).\\
 Seine Probleme hat der Magdeburger bei der Aussprache des Z das eher schwach als scharfes S oder ß gesprochen wird (ßucker, ßeitung, ßijarre).\\ Seine Probleme hat der Magdeburger bei der Aussprache des Z das eher schwach als scharfes S oder ß gesprochen wird (ßucker, ßeitung, ßijarre).\\
-Das C spricht der Magdeburger als Z bezie-hungsweise z, es heißt bei ihm Tsenter oder Tsent. \\+Das C spricht der Magdeburger als Z beziehungsweise z, es heißt bei ihm Tsenter oder Tsent. \\
 Konsonantenverdoppelung oder Vokalverkürzung sind auch häufiger anzutreffen, es heißt dann ribber (rüber), widder (wieder), ville (viel). Auch werden Buchstaben ersetzt, zum Beispiel D für T (//Daler//, doll), T für D (Tusche), P für B (//Präzel//, //Puckel//), B für P (//Borree//), K für G (kucken, Klucke). Das PF wird grundsätzlich nur als F (Flanze, Flaster) oder als P beziehungsweise PP (Proppen, Topp, Poten, schimpen) ausgesprochen.  Das F tritt in Wörtern wie Stiebel oder Deibel als B auf. Nf wird zu MF in Semf und fümf.\\ Konsonantenverdoppelung oder Vokalverkürzung sind auch häufiger anzutreffen, es heißt dann ribber (rüber), widder (wieder), ville (viel). Auch werden Buchstaben ersetzt, zum Beispiel D für T (//Daler//, doll), T für D (Tusche), P für B (//Präzel//, //Puckel//), B für P (//Borree//), K für G (kucken, Klucke). Das PF wird grundsätzlich nur als F (Flanze, Flaster) oder als P beziehungsweise PP (Proppen, Topp, Poten, schimpen) ausgesprochen.  Das F tritt in Wörtern wie Stiebel oder Deibel als B auf. Nf wird zu MF in Semf und fümf.\\
 In Magdeburg heißt es //Schina//, das K wird zum weichen CH (Marcht) und ein knackiges Sch in //Wurscht// oder Durscht ersetzt das S.\\ In Magdeburg heißt es //Schina//, das K wird zum weichen CH (Marcht) und ein knackiges Sch in //Wurscht// oder Durscht ersetzt das S.\\
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 Noch viel lieber benutzt der Magdeburger das Wort da an allen möglich Stellen: da muß ich was zu sagen oder da kann man nischt dran ändern. Noch viel lieber benutzt der Magdeburger das Wort da an allen möglich Stellen: da muß ich was zu sagen oder da kann man nischt dran ändern.
 Auch womit, wovon und weswegen werden durch ein was ersetzt, also mit was ich fuhr, von was ich sprach oder wegen was ich lachte. Auch womit, wovon und weswegen werden durch ein was ersetzt, also mit was ich fuhr, von was ich sprach oder wegen was ich lachte.
-Zwei schöne Beispiele gibt es für die Verwendung eines Adverbs als Adjektiv, nämlich bei oft und ganz, deren Anwendung wie folgt auftritt: keen noch so oftes Ibberpriefen hilft oder das is eene janze verrickte Jeschichte.\\ +Zwei schöne Beispiele gibt es für die Verwendung eines Adverbs als Adjektiv, nämlich bei oft und ganz, deren Anwendung wie folgt auftritt: //keen noch so oftes Ibberpriefen hilft oder das is eene janze verrickte Jeschichte.//\\ 
-Statt diejenigen, die oder welche, die sagt der Magdeburger nur die (die das machen statt diejenigen, die das machen). Auch ein jemand wird gern nur als wer bezeichnet: Hat noch wer ne Frare?+Statt diejenigen, die oder welche, die sagt der Magdeburger nur die (die das machen statt diejenigen, die das machen). Auch ein jemand wird gern nur als wer bezeichnet: //Hat noch wer ne Frare?//
 ==== Zeitformen und Partizipalkonstruktionen ==== ==== Zeitformen und Partizipalkonstruktionen ====
  
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 N wie N’abend (Guten Abend) (Kilian) N wie N’abend (Guten Abend) (Kilian)
  
-<html><img src = "http://vg06.met.vgwort.de/na/a33223f4be7b4825af9567c4dfc3b4da" width="1" height= "1" alt=""></html>+
magdeburgische.1591111701.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020/06/02 17:28 von Robert-Christian Knorr