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schiller

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schiller [2017/04/11 19:59] Robert-Christian Knorrschiller [2024/03/24 06:18] (aktuell) – [Schiller als Politiker] Robert-Christian Knorr
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 ==== Leben ==== ==== Leben ====
  
-<html> <img src = "http://www.vonwolkenstein.de/images/schillerbueste.jpg" alt = "Schillerbüste von Dannecker" align = "left" style="margin-right:5mm" > </html>-Geburt an einem Sonnabend, Taufe am Sonntag\\+{{ :schillerbueste.jpg?400|}}- Geburt an einem Sonnabend, Taufe am Sonntag\\
 //Paten//: //Paten//:
   * der Regimentskommandeur des Regiments, in dem der Vater stand: Oberst Christoph Friedrich von der Gabelenz;   * der Regimentskommandeur des Regiments, in dem der Vater stand: Oberst Christoph Friedrich von der Gabelenz;
   * ein Vetter des Vaters, der akademische Schwindler Johann Friedrich Schiller   * ein Vetter des Vaters, der akademische Schwindler Johann Friedrich Schiller
 +
 - sieben weitere Paten in Marbach, u.a. der Bürgermeister der von Vaihingen und vier wohlangesehene Jungfrauen, kümmerten sich um den Jungen\\ - sieben weitere Paten in Marbach, u.a. der Bürgermeister der von Vaihingen und vier wohlangesehene Jungfrauen, kümmerten sich um den Jungen\\
 - die beiden erstgenannten wichtigsten Paten waren so gut wie nie in Marbach anwesend\\ - die beiden erstgenannten wichtigsten Paten waren so gut wie nie in Marbach anwesend\\
-ab 1773 auf der [[Solitude]] → der Herzog und seine schöne Freundin, die Gräfin Franziska von Hohenheim, pflegen einen engen Kontakt zu ihren Schutzbefohlenen, nehmen ihre Huldigungen und Anhimmlungen entgegen und verwischen den Standesunterschied, indem sie die Zöglinge auf (feiertägliche) Kutschfahrten mitnehmen und mit ihnen herumtollen\\ +seit 1773 auf der [[Solitude]]\\
-- der Herzog befahl keineswegs die Eleven in seine Pflanzanstalt, im Gegenteil: sie kostete die Eltern Geld; der Herzog übernahm für die Armen oder besonders begabte (u.a. Schiller) Eleven die Kosten der Ausbildung, die sehr gut war und schon um 1775 gab es mehr Anträge zur Aufnahme als Plätze zur Verfügung standen\\ +
-- die höchste Klasse zu Tisch sind in der Akademie diejenigen mit den meisten Auszeichnungen (man benötigte übers Jahr verteilt acht Belobigungen für einen ständig zu tragenden Orden), dann kamen in der Hackordnung erst die Söhne der Adligen, deren Eltern sich einen Sondertisch bei den Essen beim Herzog erwirkt hatten\\ +
-- zwar herrschte Zucht, aber kein Drill; es gab Freiräume, u.a. besaß jeder, der wollte, ein eigenes kleines Beet, wo er Pflanzen seiner Wahl anbauen durfte: die einzelnen Betten in den Schlafsälen waren umgittert; jeder besaß seinen eigenen Nachtschrank und ein eigenes Licht, das er nicht um neun (Nachtruhe) auslöschen mußte; es bestand kein Uniformzwang in den nichtöffentlichen Zeiten, derer es jeden Tag mehrere Stunden gab\\ +
-- mittags gab es Landwein für die Knaben, abends nichts Alkoholisches; Tabak war verboten; Geld mußte abgegeben werden und wurde am Schuljahresende (14.Dezember) wieder ausgehändigt\\ +
-- Adlige und Bürgerliche wurden gemeinsam unterrichtet\\+
 - erste Dramenerfahrung über das Lesen und Vorführen einzelner Textpassagen aus dem [[http://de.wikipedia.org/wiki/Ugolino_%28Drama%29|Ugolino]] im Freundeskreis, aber [[Gerstenberg]] wurde nicht Schillers Vorbild, aber er lernte aus dem //Ugolino//, daß der Dichter der Herr über den [[Stoff]] ist\\ - erste Dramenerfahrung über das Lesen und Vorführen einzelner Textpassagen aus dem [[http://de.wikipedia.org/wiki/Ugolino_%28Drama%29|Ugolino]] im Freundeskreis, aber [[Gerstenberg]] wurde nicht Schillers Vorbild, aber er lernte aus dem //Ugolino//, daß der Dichter der Herr über den [[Stoff]] ist\\
-- [[Erziehung]] durch [[Bengel]] im [[Sinn#Sinne]] des aufgeklärten [[Absolutismus]]: das Gottesgericht des Jüngsten Gerichts wird antifeudal-bürgerlich begriffen: //O dann stürze der Fluch, der aus der glühenden Brust mir schwoll, in die Waag, donnernd wie fallende Him­mel...//\\+- [[Erziehung]] durch [[Bengel]] im [[Sinn#Sinne]] des aufgeklärten [[Absolutismus]]: das Gottesgericht des Jüngsten Gerichts wird antifeudal-bürgerlich begriffen: //O dann stürze der Fluch, der aus der glühenden Brust mir schwoll, in die Waag, donnernd wie fallende Himmel...//\\
  in [[Rousseau]] fand der düstere [[Zorn]] des genialen Jünglings „die Indignation seiner verletzten Menschenwürde“ (Hettner)\\  in [[Rousseau]] fand der düstere [[Zorn]] des genialen Jünglings „die Indignation seiner verletzten Menschenwürde“ (Hettner)\\
 - erst durch die Beschäftigung mit der [[Geschichte]] löste sich Schiller vollends von Rousseau\\ - erst durch die Beschäftigung mit der [[Geschichte]] löste sich Schiller vollends von Rousseau\\
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 - verließ Stuttgart bei einem Schuldenstand von etwa 700 Gulden (15000 €), die sein Vater (Jahresgehalt 400 Gulden) nach und nach abzahlte und dabei auch das Mitgiftgeld von Schillers Schwester angreifen mußte → Schiller verdiente mit seinen ersten drei Stücken etwa 1000 Gulden und erklärte, daß das Leben in Mannheim teuer sei, zahlte also nichts zurück\\ - verließ Stuttgart bei einem Schuldenstand von etwa 700 Gulden (15000 €), die sein Vater (Jahresgehalt 400 Gulden) nach und nach abzahlte und dabei auch das Mitgiftgeld von Schillers Schwester angreifen mußte → Schiller verdiente mit seinen ersten drei Stücken etwa 1000 Gulden und erklärte, daß das Leben in Mannheim teuer sei, zahlte also nichts zurück\\
 - seine Zeit in Bauerbach, 1783, wurde durch zahlreiche persönliche Bekanntschaften mit patriarchalisch-protestantischen Pfarrern aus Südthüringen geprägt: Sauerteig in Walldorf, Scharfenberg in Ritschenhausen, Rasche in Untermaßfeld, Pfranger in Meiningen und der Gelehrte Fleischmann bildeten seinen Umgang und  entwickelten seine Vorstellungen von der bürgerlichen Gesellschaft, gaben seinen abstrakten und durch Rousseau gebildeten Vorstellungen ein praktisches Kontra und berichtigten sie\\ - seine Zeit in Bauerbach, 1783, wurde durch zahlreiche persönliche Bekanntschaften mit patriarchalisch-protestantischen Pfarrern aus Südthüringen geprägt: Sauerteig in Walldorf, Scharfenberg in Ritschenhausen, Rasche in Untermaßfeld, Pfranger in Meiningen und der Gelehrte Fleischmann bildeten seinen Umgang und  entwickelten seine Vorstellungen von der bürgerlichen Gesellschaft, gaben seinen abstrakten und durch Rousseau gebildeten Vorstellungen ein praktisches Kontra und berichtigten sie\\
-- fünf Frauen waberten in Schillers sexuellen Hoffnungen jener Tage, alle unglücklich: Charlotte von Wolzogen, Karoline Beck (Schauspielerin), Katharina Baumann (Schauspielerin), die Tochter des Hofrats Lamey und Charlotte von Kalb; vielelicht auch noch die Schwan (Schauspielerin)\\+- fünf Frauen waberten in Schillers sexuellen Hoffnungen jener Tage, alle unglücklich: Charlotte von Wolzogen, Karoline Beck (Schauspielerin), Katharina Baumann (Schauspielerin), die Tochter des Hofrats Lamey und [[Kalb|Charlotte von Kalb]]vielleicht auch noch die Schwan (Schauspielerin)\\
 - trug zu Weihnachten 1784 in Darmstadt am [[Hof#Hofe]] aus //Don Carlos// vor, was den anwesenden Herzog aus Weimar veranlaßte, Schiller den "Charakter eines Weimarischen Rates" in seinen Diensten zu geben, womit zwar keine finanziellen Zuwendungen, wohl aber Ansehen verbunden war\\ - trug zu Weihnachten 1784 in Darmstadt am [[Hof#Hofe]] aus //Don Carlos// vor, was den anwesenden Herzog aus Weimar veranlaßte, Schiller den "Charakter eines Weimarischen Rates" in seinen Diensten zu geben, womit zwar keine finanziellen Zuwendungen, wohl aber Ansehen verbunden war\\
- - ab [[April]] 1785 [[Freundschaft]] zu Körner: Schiller gesundete zu innerer Versöhnung, zu vertrauender Lebensfreudigkeit, ein Wendepunkt seines Lebens: In den ersten Junitagen 1784 traf in Mannheim eine Sendung aus Leipzig ein, die ihm den Glauben an die Menschheit und sich selbst wiedergab. Das anonym übermittelte Paket enthielt eine gestickte, seidene Brieftasche nebst vier auf Pergament mit Silberstift kunstvoll gezeichneten Porträts sowie einer gleichen Anzahl von begeisterten Begleitschreiben und der Komposition eines seiner Gedichte.\\+ - ab [[April]] 1785 [[Freundschaft]] zu [[Körner]]: Schiller gesundete zu innerer Versöhnung, zu vertrauender Lebensfreudigkeit, ein Wendepunkt seines Lebens: In den ersten Junitagen 1784 traf in Mannheim eine Sendung aus Leipzig ein, die ihm den Glauben an die Menschheit und sich selbst wiedergab. Das anonym übermittelte Paket enthielt eine gestickte, seidene Brieftasche nebst vier auf Pergament mit Silberstift kunstvoll gezeichneten Porträts sowie einer gleichen Anzahl von begeisterten Begleitschreiben und der Komposition eines seiner Gedichte.\\
 - in Weimar 1787 angekommen versuchte sich Schiller an der Lösung seines Konfliktes zwischen Natursehnsucht und Kulturwelt und löste es durch die Hinwendung zum Bildungsideal, die geistreiche [[Harmonie]] einer völlig durchgeführten [[Bildung]] → diese Bildung will in die [[Gegenwart]] wirken → Bildungsideal: Quellpunkt der Freundschaft zu [[Humboldt]], also entwickelt sich Schiller vom Verneiner der Gegenwart um 1790 zum Propagandisten für die menschenwürdige Umbildung jener \\ - in Weimar 1787 angekommen versuchte sich Schiller an der Lösung seines Konfliktes zwischen Natursehnsucht und Kulturwelt und löste es durch die Hinwendung zum Bildungsideal, die geistreiche [[Harmonie]] einer völlig durchgeführten [[Bildung]] → diese Bildung will in die [[Gegenwart]] wirken → Bildungsideal: Quellpunkt der Freundschaft zu [[Humboldt]], also entwickelt sich Schiller vom Verneiner der Gegenwart um 1790 zum Propagandisten für die menschenwürdige Umbildung jener \\
 - geschult am plastischen Blick der [[Griechen]] wird sein Empfinden gegenständlicher → daraus erhebt sich auch sein idealer moralischer Anspruch: statt philosophischer [[Aufklärung]] ästhetisches [[Denken]], statt politisch-kritischen Denkens die moralische Versöhnung der Gegensätze\\ - geschult am plastischen Blick der [[Griechen]] wird sein Empfinden gegenständlicher → daraus erhebt sich auch sein idealer moralischer Anspruch: statt philosophischer [[Aufklärung]] ästhetisches [[Denken]], statt politisch-kritischen Denkens die moralische Versöhnung der Gegensätze\\
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 - machte nicht auf alle einen vorteilhaften Eindruck: [[Brun#Friederike Brun]] schreibt 1795 in ihr Tagebuch, daß Schiller auf Stelzen gehe und wunderlich [[Kraft]] und Schwäche in seiner [[Erscheinung]] vereinige: Schwäche der abgenutzten Organe und hervorblitzende [[Kraft]] des Genies; Schiller besitze nichts Liebes und noch viel weniger Zutrauen Erweckendes bei lebhaftem, doch unstetem und nicht freiem Blick; seine Stimme klinge hohl\\ - machte nicht auf alle einen vorteilhaften Eindruck: [[Brun#Friederike Brun]] schreibt 1795 in ihr Tagebuch, daß Schiller auf Stelzen gehe und wunderlich [[Kraft]] und Schwäche in seiner [[Erscheinung]] vereinige: Schwäche der abgenutzten Organe und hervorblitzende [[Kraft]] des Genies; Schiller besitze nichts Liebes und noch viel weniger Zutrauen Erweckendes bei lebhaftem, doch unstetem und nicht freiem Blick; seine Stimme klinge hohl\\
 - kaufte 1797 das Gartenhaus mit erstem eigenem [[Landbesitz]] für 1150 Taler bar (ca. 92000 €) von den Erben des verstorbenen Professors Schmidt → schrieb zuvor seinem Freund Hufeland, der ebenfalls Interesse an diesem Haus hatte, daß er es mehr benötige und sie beide den Preis nicht in die Höhe treiben sollten\\ - kaufte 1797 das Gartenhaus mit erstem eigenem [[Landbesitz]] für 1150 Taler bar (ca. 92000 €) von den Erben des verstorbenen Professors Schmidt → schrieb zuvor seinem Freund Hufeland, der ebenfalls Interesse an diesem Haus hatte, daß er es mehr benötige und sie beide den Preis nicht in die Höhe treiben sollten\\
- <html>  +{{ :ehrenbuergerurkunde.jpg?400|}}
-<img src = "http://www.vonwolkenstein.de/images/ehrenbuergerurkunde.jpg" alt = "Ehrenbürgerurkunde für die Französische Republik" align = "right" hspace="15" vspace="25"style="margin-left:5mm">  +
-</html>+
 - erhielt 1798 von [[Campe]] aus Braunschweig, der auch Ehrenbürger der [[Republik]] war, die Ehrenurkunde der Französischen Republik zugesandt, die [[Danton]] 1792 unterschrieben hatte - der Postweg dauerte so lange, weil man in [[Frankreich]] keine Ahnung davon hatte, wie sich Schiller schrieb oder wo er wohnte → Schiller ließ diese //wunderlichen Dokumente// über Goethe seinem Landesherrn vorlegen, der das Diplom als Literatur auffaßte und seiner Bibliothek zur Aufbewahrung verfügte - erhielt 1798 von [[Campe]] aus Braunschweig, der auch Ehrenbürger der [[Republik]] war, die Ehrenurkunde der Französischen Republik zugesandt, die [[Danton]] 1792 unterschrieben hatte - der Postweg dauerte so lange, weil man in [[Frankreich]] keine Ahnung davon hatte, wie sich Schiller schrieb oder wo er wohnte → Schiller ließ diese //wunderlichen Dokumente// über Goethe seinem Landesherrn vorlegen, der das Diplom als Literatur auffaßte und seiner Bibliothek zur Aufbewahrung verfügte
 +=== Aussehen, Vorlieben, äußere Besonderheiten ===
 +- kräftig gebaut und groß (1,82m), zeitlebens schlank; blaugraue Augen, rotblonde (lange) Haare → Simanowitz erfaßte Schiller in ihrem Bildnis sehr gut\\
 +- trank Wein in Gesellschaft, nicht bei der Arbeit, bei der er die Flucht des Lebens lebte, den Grundstoff der Tragödie; konnte aber je nach Anlaß kindisch lustig sein\\
 +- achtete sehr auf seine Umgebung, man solle sich frei benehmen, und er genoß die Zeit mit seiner Familie nach vollendeter Arbeit\\
 +- hatte Sinne für das Gute und Schöne im öffentlichen Leben, erkannte auch dessen Mängel, aber das Politische war seine Sache nicht\\
 +- [[Napoleon]] beeindruckte ihn nicht (Unterschied zu Goethe), da dessen Macht nicht auf [[Gerechtigkeit]] und Wahrheit ruhte\\
 +- beim Schreiben trank er Kaffee und hörte [[Musik]], die seine Kinder oder Freunde fabrizierten\\
 +- liebte Blumen um sich, besonders lilafarbene\\
 +- Spinnen waren ihm verhaßt\\
 +- er trug einfache Kleidung, auf die er in späteren Jahren achtete\\
 +- seine Stimme war weder hell noch vollklingend, aber er konnte ergreifen, wenn er es selber war; schwäbelte bis zum Lebensende; kurz vor seinem Tode sprach er Latein\\
 +- achtete nicht auf Kunstgriffe beim Vorlesen, sondern vertrat die Meinung, daß das Herz nur zum Herzen sprechen könne\\
 +- ging nachlässig, schleppend, nur bei Regung wurde der Schritt fester, beinahe militärisch (Caroline von Wolzogen)
 +
  
  
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 __Kern__: das Überindividuelle → Schiller faßt es moralisch, nicht historisch → [[wir]] kommen nur durch den Teil (der ist bedingt) zum Ganzen (das ist unbedingt)\\ __Kern__: das Überindividuelle → Schiller faßt es moralisch, nicht historisch → [[wir]] kommen nur durch den Teil (der ist bedingt) zum Ganzen (das ist unbedingt)\\
   * glaubenslose Religion   * glaubenslose Religion
-- philosophischen [[Begriff]] und poetisches [[Bild]] zur Kongruenz bringen - Auseinandersetzung mit [[Moritz]] +- philosophischen [[Begriff]] und poetisches [[Bild]] zur Kongruenz bringen - Auseinandersetzung mit [[Moritz]] \\ 
 +- Schiller entzeitlicht seine [[Weltanschauung]] und läßt bei den [[Götter#Göttern]] die Theorie (Potentialität) und Realität zusammenfallen
  
 === anthropologische Fundamentalsätze === === anthropologische Fundamentalsätze ===
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   - Darstellung der leidenden Natur → der [[Held]] dringt auf absolute Realität, er soll alles zu Welt machen, was bloß Form ist und alle seine Anlagen zur [[Erscheinung]] bringen   - Darstellung der leidenden Natur → der [[Held]] dringt auf absolute Realität, er soll alles zu Welt machen, was bloß Form ist und alle seine Anlagen zur [[Erscheinung]] bringen
   - Darstellung der moralischen Selbständigkeit im [[Leiden]] → dringt auf absolute Formalität, der Held soll alles in sich vertilgen, was bloß Welt ist und Übereinstimmung in alle seine Veränderungen bringen, soll alles Innre veräußern und alles Äußre formen   - Darstellung der moralischen Selbständigkeit im [[Leiden]] → dringt auf absolute Formalität, der Held soll alles in sich vertilgen, was bloß Welt ist und Übereinstimmung in alle seine Veränderungen bringen, soll alles Innre veräußern und alles Äußre formen
 +  - Das schöne Als-Ob Gottes ist subjektive Erfahrung, zumeist Projektion, wobei wir Attribute unserer Subjektivität als Freiheitsempfinden auf die Natur resp. Menschen übertragen, die wir dann genießen.
  
  
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 - [[Kallias]]-Briefe  - [[Kallias]]-Briefe 
 === Anlaß und Absicht === === Anlaß und Absicht ===
-- Ideal einer Lebensführung, das nicht nur [[Sittlichkeit]], sondern auch die sinnliche Natur des Menschen normiert, Übereinstimmung verlangt\\+- Ideal einer [[Lebensführung]], das nicht nur [[Sittlichkeit]], sondern auch die sinnliche Natur des Menschen normiert, Übereinstimmung verlangt\\
 - geschrieben gegen das moralische Übel seiner Zeit [Verwilderung einerseits und Erschlaffung andererseits]\\ - geschrieben gegen das moralische Übel seiner Zeit [Verwilderung einerseits und Erschlaffung andererseits]\\
 - Schiller stellt die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit eines schönen Lebens\\ - Schiller stellt die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit eines schönen Lebens\\
-- eine ästhetische Handlung ist mora­lisch, aber nicht jede moralische Handlung ist ästhetisch → Ästhetik entsteht durch [[Anmut]] und [[Würde]]\\+- eine ästhetische Handlung ist moralisch, aber nicht jede moralische Handlung ist ästhetisch → Ästhetik entsteht durch [[Anmut]] und [[Würde]]\\
 - Schiller widerlegt die Abstrahierung des Menschen von der Kunst mit gleichzeitiger Postulierung des Menschseins - Schiller widerlegt die Abstrahierung des Menschen von der Kunst mit gleichzeitiger Postulierung des Menschseins
  
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 - der Mensch müsse es lernen, edler zu begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen, also macht man den sinnlichen Menschen [[vernünftig]], indem man ihn ästhetisch macht, d.h. seine sinnliche Seite Schönheit empfinden läßt - dafür benötigt man die Bildung! - der Mensch müsse es lernen, edler zu begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen, also macht man den sinnlichen Menschen [[vernünftig]], indem man ihn ästhetisch macht, d.h. seine sinnliche Seite Schönheit empfinden läßt - dafür benötigt man die Bildung!
  
-__Staatsidee__: abgeleitet aus dem schönen [[Instinkt]] und somit sittliches Bewußtsein, mit Kant die Einheit alles Sitt­lichen in [[Gott]] → Gott als Erfahrungstatsache \\+__Staatsidee__: abgeleitet aus dem schönen [[Instinkt]] und somit sittliches Bewußtsein, mit Kant die Einheit alles Sittlichen in [[Gott]] → Gott als Erfahrungstatsache \\
 - Schiller erklärt die Zusammenarbeit von autonomer [[Sittlichkeit]] und dem [[organisch#organischen]] [[Zusammenleben]] in der Gemeinschaft als höchsten Staatsgedanken - Schiller erklärt die Zusammenarbeit von autonomer [[Sittlichkeit]] und dem [[organisch#organischen]] [[Zusammenleben]] in der Gemeinschaft als höchsten Staatsgedanken
 == Herrschaftsverhältnisse == == Herrschaftsverhältnisse ==
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 __Zustand__: das Wechselnde, d.i. die empirische Betrachtung des Menschen\\ __Zustand__: das Wechselnde, d.i. die empirische Betrachtung des Menschen\\
 __Stofftrieb__: Sachtrieb, der darauf dringt, die Person zum Zustand zu machen - Entfaltung\\ __Stofftrieb__: Sachtrieb, der darauf dringt, die Person zum Zustand zu machen - Entfaltung\\
-__Formtrieb__: will Zustand formen, von der [[Person]] abhängig machen, d.h. aus sinnlicher, äußerer Abhängig­keit befreien \\ +__Formtrieb__: will Zustand formen, von der [[Person]] abhängig machen, d.h. aus sinnlicher, äußerer Abhängigkeit befreien \\ 
-- will Einheit und [[Notwendigkeit]] geben; diese empirische Betrachtung ist erkenntnistheoretisch jedoch wertlos, denn eine Erkenntnistheorie erfor­dert die Kritik des transzendenten Subjekts, nicht eines empi­risch betrachteten: Wenn beide Triebe harmonisch zusam­menwirken, so sind sie wie ein Trieb, der Spieltrieb genannt wird; was dieser Spieltrieb hervorbringt, die Einheit von Sinnlichkeit und Form, heißt Schönheit.\\+- will Einheit und [[Notwendigkeit]] geben; diese empirische Betrachtung ist erkenntnistheoretisch jedoch wertlos, denn eine Erkenntnistheorie erfordert die Kritik des transzendenten Subjekts, nicht eines empirisch betrachteten: Wenn beide Triebe harmonisch zusammenwirken, so sind sie wie ein Trieb, der Spieltrieb genannt wird; was dieser Spieltrieb hervorbringt, die Einheit von Sinnlichkeit und Form, heißt Schönheit.\\
 __sittlich__: was der Mensch selbst schafft\\ __sittlich__: was der Mensch selbst schafft\\
 - der Mensch muß freiwillig die Notwendigkeit der Natur bejahen, und dadurch das, was er nicht ändern kann, zu seiner eigenen Handlung machen  - der Mensch muß freiwillig die Notwendigkeit der Natur bejahen, und dadurch das, was er nicht ändern kann, zu seiner eigenen Handlung machen 
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 |daß es eine Staatsaktion ist|die Größe des Vorwurfs und des Ziels| |daß es eine Staatsaktion ist|die Größe des Vorwurfs und des Ziels|
 |daß es abenteuerlich und unglaublich ist|das Interesse der Hauptperson| |daß es abenteuerlich und unglaublich ist|das Interesse der Hauptperson|
-|daß es [[fremd]] und ausländisch ist|viele glänzende Situationen| +|daß es [[fremd]] und [[ausländisch]] ist|viele glänzende Situationen| 
-|die Menge und Zerstreuung der Personen schadet dem [[Interesse]]|Beziehung auf [[Rußland]]|+|die Menge und [[Zerstreuung]] der Personen schadet dem [[Interesse]]|Beziehung auf [[Rußland]]|
 |die Größe und der Umfang, daß es kaum zu übersehen|der neue [[Boden]], auf dem, es spielt| |die Größe und der Umfang, daß es kaum zu übersehen|der neue [[Boden]], auf dem, es spielt|
 |die Schwierigkeit es zu exekutieren auf dem [[Theater]]|daß das meiste daran schon erfunden ist| |die Schwierigkeit es zu exekutieren auf dem [[Theater]]|daß das meiste daran schon erfunden ist|
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 - ein idealistisches Transzendieren der Problematik im Begriff des Ideals\\ - ein idealistisches Transzendieren der Problematik im Begriff des Ideals\\
 ^naiv^sentimental^   ^naiv^sentimental^  
-|Überwiegen des Gedanklichen über das Empfindliche; Vorziehen des Alten: Shakespeare, Goethe, [[Mozart]], Ratio­nalismus; antik|Überwiegen des Empfindlichen über das Gedankliche; Vorziehen des Neuen: Schiller, [[Beethoven]], die Neuen, [[Irrationalismus]]; modern| +|Überwiegen des Gedanklichen über das Empfindliche; Vorziehen des Alten: Shakespeare, Goethe, [[Mozart]], Rationalismus; antik|Überwiegen des Empfindlichen über das Gedankliche; Vorziehen des Neuen: Schiller, [[Beethoven]], die Neuen, [[Irrationalismus]]; modern| 
-Der naive Dichter schöpft aus dem Leben, das er selbst ist, er hat die sinnliche Realität voraus. Die naive Dichtung steht für eine Aufgabe, die nie erfüllt werden kann. Die Karikatur ist der Empiriker oder auch der Philister. Der sentimentale Dichter kann lebendigen Trieb erwecken - keine wirkliche Existenz im Leben -, dafür kann er dem Trieb einen größeren Gegenstand geben, Phan­tasie. \\+Der naive Dichter schöpft aus dem Leben, das er selbst ist, er hat die sinnliche Realität voraus. Die naive Dichtung steht für eine Aufgabe, die nie erfüllt werden kann. Die Karikatur ist der Empiriker oder auch der [[Philister]]. Der sentimentale Dichter kann lebendigen Trieb erwecken - keine wirkliche Existenz im Leben -, dafür kann er dem Trieb einen größeren Gegenstand geben, Phantasie. \\
 Die sentimentale Dichtung ist die Geburt der Abgezogenheit und Stille. Die [[Karikatur]] ist der Phantast.  Die sentimentale Dichtung ist die Geburt der Abgezogenheit und Stille. Die [[Karikatur]] ist der Phantast. 
  
 === Empfindungsweisen als Ausdrücke des Widerspruchs zwischen Ideal und Wirklichkeit === === Empfindungsweisen als Ausdrücke des Widerspruchs zwischen Ideal und Wirklichkeit ===
 +- bei der naiven Dichtung gibt es keine Unterarten der Empfindungsweise, bei der sentimentalischen dagegen drei:
   - [[Satire#satirisch]] - [[Widerspruch]] von Ideal und Wirklichkeit wird zum Gegenstand gemacht   - [[Satire#satirisch]] - [[Widerspruch]] von Ideal und Wirklichkeit wird zum Gegenstand gemacht
   - [[Elegie#elegisch]] - in der Darstellung von Natur und Ideal überwiegen Stimmungen der verlorenen Wirklichkeit   - [[Elegie#elegisch]] - in der Darstellung von Natur und Ideal überwiegen Stimmungen der verlorenen Wirklichkeit
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 - Parallelität der Akte I und III\\ - Parallelität der Akte I und III\\
 - die Kehre im Drama ist der [[Moment]], wenn die Privatheit und Mächtigkeit neue Verbindungen eingeht, die Helden in ihrer Verletzlichkeit gezeigt werden und daraus handeln\\ - die Kehre im Drama ist der [[Moment]], wenn die Privatheit und Mächtigkeit neue Verbindungen eingeht, die Helden in ihrer Verletzlichkeit gezeigt werden und daraus handeln\\
-- Schillers Hauptproblem war das Entzünden der Katharsis, es geschieht durch selten unumgängliche Notwendigkeiten+- Schillers Hauptproblem war das Entzünden der [[Katharsis]], es geschieht durch selten unumgängliche Notwendigkeiten
  
 === Sprache === === Sprache ===
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 - sie gewährt dem König eine Liebesnacht\\ - sie gewährt dem König eine Liebesnacht\\
 **Posa**: en gros Gegenspieler des Großinquisitors\\ **Posa**: en gros Gegenspieler des Großinquisitors\\
-- Verkünder eines aufklärerisch-politischen Programms: die Poesie des politischen [[Idealismus]]\\+- Verkünder eines aufklärerisch-politischen Programms: die [[Poesie]] des politischen [[Idealismus]]\\
 - manipuliert Don Carlos für seine Ziele, die aber beider sind und predigt Ideale, ohne die Realität zu sehen, ist somit ein abstrakter Humanitätsidealist → ihre Freundschaft ist keine schwärmerische; sie soll der Menschheit dienen und diese sein\\ - manipuliert Don Carlos für seine Ziele, die aber beider sind und predigt Ideale, ohne die Realität zu sehen, ist somit ein abstrakter Humanitätsidealist → ihre Freundschaft ist keine schwärmerische; sie soll der Menschheit dienen und diese sein\\
 - verwickelt Ideal und Freundschaft und ist letztlich weder dem einen noch dem anderen gewachsen\\ - verwickelt Ideal und Freundschaft und ist letztlich weder dem einen noch dem anderen gewachsen\\
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 - inszeniert seine eigene Opferung - [[Brief]] der falschen Selbstbezichtigungen\\ - inszeniert seine eigene Opferung - [[Brief]] der falschen Selbstbezichtigungen\\
 - weiß um seine Wirkung beim König und spielt auch mit dem\\ - weiß um seine Wirkung beim König und spielt auch mit dem\\
-- schwankt zwischen dem aufgeklärten Staatsideal - poli­tische Gesetzgebung ist Vernunft übertragen; der Mensch ist Selbstzweck; wahre Freiheit ist zur Grundlage des Staatsgebäudes gemacht - und der zweifelhaften Durchsetzung dieser Ideale\\+- schwankt zwischen dem aufgeklärten Staatsideal - politische Gesetzgebung ist Vernunft übertragen; der Mensch ist Selbstzweck; wahre Freiheit ist zur Grundlage des Staatsgebäudes gemacht - und der zweifelhaften Durchsetzung dieser Ideale\\
 - fordert die Freiheit der Gesellschaft und setzt selbst Menschenleben aufs Spiel\\ - fordert die Freiheit der Gesellschaft und setzt selbst Menschenleben aufs Spiel\\
 - dünkt sich reifer als das ganze Jahrhundert, wenn er seine Zeit als noch nicht gekommen sieht\\ - dünkt sich reifer als das ganze Jahrhundert, wenn er seine Zeit als noch nicht gekommen sieht\\
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 - das Schicksal trägt man nur in sich, weil der äußere Affront gemeistert werden kann über das gute Gefühl in der Brust\\ - das Schicksal trägt man nur in sich, weil der äußere Affront gemeistert werden kann über das gute Gefühl in der Brust\\
 - Schillers [[Interesse]] galt von jeher dem Praktischerhabenen, der Macht beziehungsweise dem Verhältnis des einzelnen zur Macht\\ - Schillers [[Interesse]] galt von jeher dem Praktischerhabenen, der Macht beziehungsweise dem Verhältnis des einzelnen zur Macht\\
-- Konfrontation des Menschen mit den über die Grenzen des physischen Widerstehens hinausgehenden [[Phänomen#Phänomenen]], aber [[Vermögen]], das als Ganzes zu denken - mathe­mathisch erhaben -, als Person sich unabhängig zu denken - dynamisch erhaben -, weil dieses hinausgehen nur die sinnliche Existenz bedroht und nicht die Vernunft berührt: der Gegenstand muß zwar furchtbar seyn, darf aber nicht diesselbe ausüben+- Konfrontation des Menschen mit den über die Grenzen des physischen Widerstehens hinausgehenden [[Phänomen#Phänomenen]], aber [[Vermögen]], das als Ganzes zu denken - mathemathisch erhaben -, als Person sich unabhängig zu denken - dynamisch erhaben -, weil dieses hinausgehen nur die sinnliche Existenz bedroht und nicht die Vernunft berührt: der [[Gegenstand]] muß zwar furchtbar seyn, darf aber nicht diesselbe ausüben
  
 ==== Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ==== ==== Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ====
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 === Entstehungsgrund === === Entstehungsgrund ===
 - die antityrannische Politik ist Schiller zur Herzenssache geworden → er zeigt jedoch keine realen Gestalten, sondern Figuren, die aus dem Bauch reden\\ - die antityrannische Politik ist Schiller zur Herzenssache geworden → er zeigt jedoch keine realen Gestalten, sondern Figuren, die aus dem Bauch reden\\
-- die Grundstimmung des Dramas ist der Protest gegen die Verbildung und die ver­ächtliche Kultur seiner Zeit → Fiesco ist die Verherrlichung republikanischer Größe und Freiheit+- die Grundstimmung des Dramas ist der Protest gegen die Verbildung und die verächtliche Kultur seiner Zeit → Fiesco ist die Verherrlichung republikanischer Größe und Freiheit
  
 === Inhalt === === Inhalt ===
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 **Gianettino**: Bösewicht; will die tugendhafte Tochter Verrinas gewinnen\\ **Gianettino**: Bösewicht; will die tugendhafte Tochter Verrinas gewinnen\\
 **Verrina**:  sieht in Fiesco den Spieler um die Macht bar jeder [[Tugend]] und betrachtet Fürstenhuld als [[Zufall]] und [[Gnade]]\\ **Verrina**:  sieht in Fiesco den Spieler um die Macht bar jeder [[Tugend]] und betrachtet Fürstenhuld als [[Zufall]] und [[Gnade]]\\
-**Fiesko**: widerspruchsvoller Charakter; er tritt würdevoll auf und –los ab; effektgeladen → die Verschränkung von Erhabenheit und verbrecherischer Verstrickung; ist ein Sieger, der sittliche Sieg über das Herz, denn Fiesco will Bürger werden, statt die Krone zu erwerben, ABER die politische Wirklichkeit will Kabale, nicht Größe +**Fiesko**: widerspruchsvoller Charakter; er tritt würdevoll auf und –los ab; effektgeladen → die Verschränkung von Erhabenheit und verbrecherischer Verstrickung; ist ein Sieger, der sittliche Sieg über das Herz, denn Fiesco will Bürger werden, statt die Krone zu erwerben, ABER die politische Wirklichkeit will [[Kabale]], nicht Größe 
  
 === Aufnahme des Stückes === === Aufnahme des Stückes ===
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 - Den //Fiesko// verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name - in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches [[Blut]]. (Schiller am 5.5.1784 an [[Reinwald]]) - Den //Fiesko// verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name - in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches [[Blut]]. (Schiller am 5.5.1784 an [[Reinwald]])
  
-==== Die Geisterseher ====+==== Der Geisterseher ====
 - Tendenzroman gegen die [[Jesuit#Jesuiten]]\\ - Tendenzroman gegen die [[Jesuit#Jesuiten]]\\
-- bleibt Fragment, weil Schiller in Weimar damit beginnt, seinen durch Spitzfindigkeit, Künstelei und [[Witz]] von der [[wahr#wahren]] Einfalt abgeirrten Geschmack zu läutern → die Beendigung eines pathetischen Romans hätten die Schä­den eines pathetischen Motivs nur immer deutlicher hervortreten lassen: statt dessen wandte sich Schiller der griechischen Klassik zu+- bleibt [[Fragment]], weil Schiller in Weimar damit beginnt, seinen durch Spitzfindigkeit, Künstelei und [[Witz]] von der [[wahr#wahren]] Einfalt abgeirrten Geschmack zu läutern → die Beendigung eines pathetischen Romans hätten die Schäden eines pathetischen Motivs nur immer deutlicher hervortreten lassen: statt dessen wandte sich Schiller der griechischen Klassik zu
  
  
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 ==== Jungfrau von Orleans ==== ==== Jungfrau von Orleans ====
  
-- Schiller hatte das Problem, jenes über die servile Naturnach­ahmung hinausgehende Wunderbare mit künstlerischem Bewußtsein zum Ideal zu erheben. Der religiöse Ursprung der Tat soll tragisch aufgelöst werden. Bei der Bearbeitung des Stoffes trat die in der Dichtung unüberspringbare Kluft zwischen dem fatalistischen Präde­stinationsglauben und dem modernen Freiheitsbewußtsein zu Tage. Das Stück balanciert zwischen revolutionärem und klassischem Pathos. Das Stück ist nicht als klassische Tragödie zu verstehen, auch nicht als progressiv-revolutionäres; es steht zwischen beidem.+- Schiller hatte das Problem, jenes über die servile Naturnachahmung hinausgehende Wunderbare mit künstlerischem Bewußtsein zum Ideal zu erheben. Der religiöse Ursprung der Tat soll tragisch aufgelöst werden. Bei der Bearbeitung des Stoffes trat die in der Dichtung unüberspringbare Kluft zwischen dem fatalistischen Prädestinationsglauben und dem modernen Freiheitsbewußtsein zu Tage. Das Stück balanciert zwischen revolutionärem und klassischem Pathos. Das Stück ist nicht als klassische Tragödie zu verstehen, auch nicht als progressiv-revolutionäres; es steht zwischen beidem.
  
 === Thema === === Thema ===
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 === Idealität der Jungfrau === === Idealität der Jungfrau ===
 - sie setzt sich entsprechend ihrer Mission über Konventionen hinweg, sondern auch über ihre Natur - sie ist ein [[Weib]]\\ - sie setzt sich entsprechend ihrer Mission über Konventionen hinweg, sondern auch über ihre Natur - sie ist ein [[Weib]]\\
-- Schiller wählt eine Epoche aus dem Hundertjährigen Krieg, um ein Gleichnis für die eigene zu liefern, verflechtet soziale und Naturaspekte als neue Wirkungsmöglichkeiten des Dramas – Ist Vergeltung geschichtliche Wirkungs­möchlichkeit? \\+- Schiller wählt eine Epoche aus dem Hundertjährigen Krieg, um ein Gleichnis für die eigene zu liefern, verflechtet soziale und Naturaspekte als neue Wirkungsmöglichkeiten des Dramas – Ist Vergeltung geschichtliche Wirkungsmöchlichkeit? \\
 - das eigentliche [[Wunder]]: jenseits aller sozialen Problematik vollzieht sich die Identifikation von Volk und Königtum (Dunois)\\ - das eigentliche [[Wunder]]: jenseits aller sozialen Problematik vollzieht sich die Identifikation von Volk und Königtum (Dunois)\\
 - das Königtum erhält einen neuen sozial-nationalären Charakter - das Königtum erhält einen neuen sozial-nationalären Charakter
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 == Tragödie Johannas == == Tragödie Johannas ==
 - sie macht sich Vorwürfe → Schiller stellt sie dar als [[Zusammenstoß]] ihres Idealismus mit der Realität, der realen Natur der Dinge\\ - sie macht sich Vorwürfe → Schiller stellt sie dar als [[Zusammenstoß]] ihres Idealismus mit der Realität, der realen Natur der Dinge\\
-- Johannas politisches Programm ist die große national-soziale [[Harmonie]], die Einheit des Volkes mit der restaurierten Hierarchie. Eine Kernstelle des Stückes ist Johannas Zusammentreffen mit Talbot, der für das materialistische [[Prinzip]] steht. Talbot stirbt ehrlos, denn wo das Erhabene mit dem wünschenswerten Erfolg des ideallos nach Sieg und Macht messenden Militärhandwerkers gleichgesetzt wird, bleibt letztlich nur das [[Nichts]]. Lionel, eine idealisierte Gestalt, wird als Gegenfigur konstruiert und soll das natürliche Leben, die Natur, darstellen. In diesem Sinne ist er unsterblich, das Gefühl dafür dringt jedoch erst in die Jungfrau, als ihre Mission selbst Zerstörung der Natur und des Lebens ist. Das Treffen mit Lionel ist Ausgangspunkt der Identitätskrise Johannas. Johanna wird Subjekt, sie empfindet die Werkzeugaufgabe als nicht bewußtseinstragend und bildet sich an diesem Empfinden zum eigenen Subjekt aus. Somit steht sie sich selbst bei der Erfüllung ihrer Mission im Weg, aber sie findet den Weg zum Volk zurück. Fragwürdig bleibt das Motiv des Aberglaubens.+- Johannas politisches Programm ist die große national-soziale [[Harmonie]], die Einheit des Volkes mit der restaurierten [[Hierarchie]]. Eine Kernstelle des Stückes ist Johannas Zusammentreffen mit Talbot, der für das materialistische [[Prinzip]] steht. Talbot stirbt ehrlos, denn wo das Erhabene mit dem wünschenswerten Erfolg des ideallos nach Sieg und Macht messenden Militärhandwerkers gleichgesetzt wird, bleibt letztlich nur das [[Nichts]]. Lionel, eine idealisierte Gestalt, wird als Gegenfigur konstruiert und soll das natürliche Leben, die Natur, darstellen. In diesem Sinne ist er unsterblich, das Gefühl dafür dringt jedoch erst in die Jungfrau, als ihre Mission selbst Zerstörung der Natur und des Lebens ist. Das Treffen mit Lionel ist Ausgangspunkt der Identitätskrise Johannas. Johanna wird Subjekt, sie empfindet die Werkzeugaufgabe als nicht bewußtseinstragend und bildet sich an diesem Empfinden zum eigenen Subjekt aus. Somit steht sie sich selbst bei der Erfüllung ihrer Mission im Weg, aber sie findet den Weg zum Volk zurück. Fragwürdig bleibt das Motiv des Aberglaubens.
  
 ==== Kabale und Liebe ==== ==== Kabale und Liebe ====
-Schiller empfand die Dichtungsart [[Trauerspiel]] als eine ihm nicht gemäße; dennoch stand ihm der Versuch im Sinn → Die Rechtfertigung des Stückes als Tragödie resultiert aus der Verletzung des gesellschaftlichen [[Kodex]]: ein Adliger darf ein Bürgermädchen nicht heiraten! und dem vergeblichen Kampf der Liebenden gegen die die Gralshüter gesellschaftlicher Richtlinien um 1780: Miller, Walther. Der Feudalabsolutismus als Gesellschaftsform entlarvt sich in dem Maße, als daß er die Liebe dieser beiden Menschen zerstört. \\+Schiller empfand die Dichtungsart [[Trauerspiel]] als eine ihm nicht gemäße; dennoch stand ihm der Versuch im Sinn → Die Rechtfertigung des Stückes als Tragödie resultiert aus der Verletzung des gesellschaftlichen [[Kodex]]: ein Adliger darf ein Bürgermädchen nicht [[heiraten]]! und dem vergeblichen Kampf der Liebenden gegen die die Gralshüter gesellschaftlicher Richtlinien um 1780: Miller, Walther. Der Feudalabsolutismus als Gesellschaftsform entlarvt sich in dem Maße, als daß er die Liebe dieser beiden Menschen zerstört. \\
 Luise Millerin, so der Arbeitstitel des Werkes, sollte eine Synthese aus [[Shakespeare#Shakespeares]] „Othello“ und „Romeo und Julia“ werden. Den Wettkampf der Uraufführung gewann die Frankfurter Intendanz  am 13. April 1784. In Mannheim wurde das Stück am 15. April 1784 mit großem Erfolg gegeben.\\ Luise Millerin, so der Arbeitstitel des Werkes, sollte eine Synthese aus [[Shakespeare#Shakespeares]] „Othello“ und „Romeo und Julia“ werden. Den Wettkampf der Uraufführung gewann die Frankfurter Intendanz  am 13. April 1784. In Mannheim wurde das Stück am 15. April 1784 mit großem Erfolg gegeben.\\
-Es gibt kaum eine Figur, die von Schiller nicht mit einem gesellschaftskritischen Aspekt ausgestattet wurde. Der Impetus der Anprangerung zieht sich durch das ganze Stück und gipfelt in der Kammerdienerszene. \\ +{{ :jena1790.jpg?400|}}Es gibt kaum eine Figur, die von Schiller nicht mit einem gesellschaftskritischen Aspekt ausgestattet wurde. Der Impetus der Anprangerung zieht sich durch das ganze Stück und gipfelt in der Kammerdienerszene. \\ 
-Luise denkt realistischer als der trunkene Ferdinand. Der Konflikt Luises ist nicht der Ferdinands. Luise steht für die christlich-theologische Sicht, die mit dem Gefühl der paradiesischen Liebe kollidiert und so irdische Begrenzt­heit nur durch den [[Tod]] zu überwinden glaubt. +Luise denkt realistischer als der trunkene Ferdinand. Der Konflikt Luises ist nicht der Ferdinands. Luise steht für die christlich-theologische Sicht, die mit dem Gefühl der paradiesischen Liebe kollidiert und so irdische Begrenztheit nur durch den [[Tod]] zu überwinden glaubt. 
 Ferdinand ist nichts mehr als ein Liebesbaron. \\ Ferdinand ist nichts mehr als ein Liebesbaron. \\
 Lady Milford läßt Luise in Ferdinand nicht mehr alles sehen, II/5. \\ Lady Milford läßt Luise in Ferdinand nicht mehr alles sehen, II/5. \\
-Die große [[Leistung]] des Stückes ist das Geltendmachen von dem Anspruch eines irdischen Glückes. +Die große [[Leistung]] des Stückes ist das Geltendmachen von dem Anspruch eines irdischen Glückes.\\ 
-<html>  + 
-<img src = "http://www.vonwolkenstein.de/images/jena1790.jpg" alt = "Schillers erste [[Wohnung]] in der Jenergasse 26; 1945 im Krieg von Aushämischen zerstört" align = "right" hspace="15" vspace="25"style="margin-left:5mm">  + 
-</html> +[[https://vonwolkenstein.de/texte/Kabale_und_Liebe_Inhalt.pdf|Inhalt als pdf]] 
-=== Inhalt === + 
-**1. Akt**: der Vater will den Sohn mit der Favoritin des Arbeitgebers verheiraten, um dem einen Gefallen zu tun und die eigene Stellung und die seines Sohnes zu sichern\\ +=== Rezeption ===
-- der Sohn, Ferdinand, will dagegen eine bürgerliche [[Ehe]] führen, keine Konvenienzehe → der Held – Selbstbezeichnung //deutscher Jüngling// - kann und will nicht zwischen Ehefrau und Geliebter unterscheiden\\ +
-**2. Akt**: in II/3 das [[Gespräch]] zwischen Ferdinand und der Lady, die er heiraten soll → das Gesprächsthema ist u.a. der [[Fürst]], der hier als [[Libertin]], d.i. ein Befreier von religiösen und moralischen Bindungen, beschrieben wird - Euphemismus für Wüstling\\ +
-- ironischerweise fühlt sich Mylady in ihrer [[Ehre]] gekränkt, als ob sie niemals in ihrem Leben über diese Begriffe hätte nachdenken müssen → die Verbindung scheint zu platzen\\ +
-- Ferdinands Vater, der Präsident, will daraufhin den Ruf Luises verschlechtern durch Vorwürfe der Kuppelei u.ä., II/6\\ +
-**3. Akt**: in III/1 spinnen der Präsident und seine Kreatur Wurm in Steigerung des Geschehens eine neue Brief-Intrige: Luise soll einen anderen Liebhaber besitzen, [[Kalb#von Kalb]]\\ +
-- Schiller thematisiert die Macht und ihren Mißbrauch - die Intriganten sind Regierungskriminelle\\ +
-- Luise kritisiert in III/4 Ferdinand, weil dieser eine Art von Liebesabsolutismus hinsichtlich reiner Liebe, ständischer Herkunft, Ehrbarkeit, Pflichtbewußtsein predigt\\ +
-- die Peripetie wird in III/6 vollendet, als Luise den befohlenen Brief schreibt und die [[Intrige]] ihren Lauf nimmt\\ +
-**4. Akt**: [[Hoffnung]] auf Rettung in IV/5, als der Präsident Luises Tugend hochbewertet und sich scheinbar einverstanden mit einer Ehe seines Sohnes und Luises erklärt\\ +
-- Lady kommt aus der Rolle der Mätresse nicht heraus und flieht aus [[Ehrgefühl]], statt zu kämpfen\\ +
-**5. Akt**: lange Reden täuschen nicht darüber hinweg, daß die Dinge entschieden sind → Luise und Ferdinand liegen bald tot auf der Bühne+
  
 +- das Stück führt nicht aus der politischen Realität heraus, sondern gerade mitten hinein (Nast)
 ==== Die Künstler ==== ==== Die Künstler ====
 - Schiller unterscheidet sittliches Leben als das Leben der freien Gesetzmäßigkeit des Geistigen von dem sinnlichen, unfreien Leben → Reich der Freiheit von dem der Sinnlichkeit\\ - Schiller unterscheidet sittliches Leben als das Leben der freien Gesetzmäßigkeit des Geistigen von dem sinnlichen, unfreien Leben → Reich der Freiheit von dem der Sinnlichkeit\\
  
-Die Vermittlung beider liegt in der Schönheit. In einem erkenntnistheoretischen Sinne verliert das Sitt­liche jenen Charakter durch eben jenen Gegensatz zur sinnlichen Welt.+Die Vermittlung beider liegt in der Schönheit. In einem erkenntnistheoretischen Sinne verliert das Sittliche jenen Charakter durch eben jenen Gegensatz zur sinnlichen Welt.
  
  
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 === Intentionen === === Intentionen ===
-- moralische [[Bewährung]] der Helden als Voraus­setzung zum politischen Handeln\\+- moralische [[Bewährung]] der Helden als Voraussetzung zum politischen Handeln\\
 - das historische Sujet spielt eine akzidentielle Rolle\\ - das historische Sujet spielt eine akzidentielle Rolle\\
 - Schiller sucht in dem Stück nach der Entscheidung für den einen oder den anderen Trieb, der idealistischen Behauptung des freien Willens. In der Szene der persönlichen Auseinandersetzung gewinnt Maria ihre moralische Freiheit. Die ästhetische Freiheit, die Maria erlingt, erreicht sie durch den Schillerschen Kunstgriff der ästhetischen [[Autonomie]], welchen er über die [[Phantasie]] realisiert. Maria entsagt Mortimer und seinen abstrusen Ideen und besteht moralisch neben der Altjüngferlichkeit Elisabeths. So geläutert kann sie in den letzten Akt gehen und unbeschwert ihr Todesurteil aufnehmen.\\ - Schiller sucht in dem Stück nach der Entscheidung für den einen oder den anderen Trieb, der idealistischen Behauptung des freien Willens. In der Szene der persönlichen Auseinandersetzung gewinnt Maria ihre moralische Freiheit. Die ästhetische Freiheit, die Maria erlingt, erreicht sie durch den Schillerschen Kunstgriff der ästhetischen [[Autonomie]], welchen er über die [[Phantasie]] realisiert. Maria entsagt Mortimer und seinen abstrusen Ideen und besteht moralisch neben der Altjüngferlichkeit Elisabeths. So geläutert kann sie in den letzten Akt gehen und unbeschwert ihr Todesurteil aufnehmen.\\
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 **Lester**: macht aus dem politischen einen persönlichen Konflikt\\ **Lester**: macht aus dem politischen einen persönlichen Konflikt\\
-- die Genialität des Dramas entsteht durch die Zwiespältig­keit Lesters, der Maria helfen will und schließlich doch ihr Grab schaufelt\\+- die Genialität des Dramas entsteht durch die Zwiespältigkeit Lesters, der Maria helfen will und schließlich doch ihr Grab schaufelt\\
 **Mortimer**: sein Katholizismus repräsentiert nicht das politische Gegengewicht\\ **Mortimer**: sein Katholizismus repräsentiert nicht das politische Gegengewicht\\
 - Schiller veredelt Mortimer zu einem ideellen Helden, der um abstrakte Begriffe mehr, als um das reale Ziel streitet\\ - Schiller veredelt Mortimer zu einem ideellen Helden, der um abstrakte Begriffe mehr, als um das reale Ziel streitet\\
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 - gesellschaftliches und ästhetisches Selbstverständnis Schillers 1781 → Schiller setzt sich mit dem Tenor der beherrschenden Gesellschaftskritik auseinander und verarbeitet [[Schubart]], Shakespeare und [[Cervantes]]\\ - gesellschaftliches und ästhetisches Selbstverständnis Schillers 1781 → Schiller setzt sich mit dem Tenor der beherrschenden Gesellschaftskritik auseinander und verarbeitet [[Schubart]], Shakespeare und [[Cervantes]]\\
-- Die Wirkung basiert auf diesem Zurückset­zen der [[religiös]]-moralischen Rückversicherung; sie setzt Erwartungen bei dem deutschen Zuschauer frei, weg vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu einer demokratischen Republik. \\+- Die Wirkung basiert auf diesem Zurücksetzen der [[religiös]]-moralischen Rückversicherung; sie setzt Erwartungen bei dem deutschen Zuschauer frei, weg vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu einer demokratischen Republik. \\
 - bei der Premiere am [[Dalberg#Mannheimer Nationaltheater]] feierte Schiller einen Erfolg - die Menschen schrien, trampelten; Frauen fielen in Ohnmacht, man weinte, lachte und rief nach dem Dichter ↔ Ovationen\\ - bei der Premiere am [[Dalberg#Mannheimer Nationaltheater]] feierte Schiller einen Erfolg - die Menschen schrien, trampelten; Frauen fielen in Ohnmacht, man weinte, lachte und rief nach dem Dichter ↔ Ovationen\\
 - er erhielt von der Intendanz vier Karolinen Reisegeld (etwa 950 € oder 55% seines Monatsgehalts in Stuttgart) - er erhielt von der Intendanz vier Karolinen Reisegeld (etwa 950 € oder 55% seines Monatsgehalts in Stuttgart)
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 - Einfluß auf die Gestaltung der Charaktere hatte auch Ferguson - setzte eine Beziehung zwischen Denken und Handeln, zwischen Vernunft und [[Sittlichkeit]] -, der die naturnotwendige Gebundenheit moralischer Haltung an das frei gewählte Ideensystem des Einzelwesens lehrte  - Einfluß auf die Gestaltung der Charaktere hatte auch Ferguson - setzte eine Beziehung zwischen Denken und Handeln, zwischen Vernunft und [[Sittlichkeit]] -, der die naturnotwendige Gebundenheit moralischer Haltung an das frei gewählte Ideensystem des Einzelwesens lehrte 
  
-**Karl**: sein [[Selbstmord]] ist makaberweise ein Sieg der religiös motivierten Moralität - als Kritik an der pervertierten Gesellschaft zu verste­hen\\+**Karl**: sein [[Selbstmord]] ist makaberweise ein Sieg der religiös motivierten Moralität - als Kritik an der pervertierten Gesellschaft zu verstehen\\
 - sein Aufbegehren ist eines gegen das Ordnungssystem, welches mit der [[Familie]] anfängt, die ihn scheinbar verstieß - letztlich gibt er jedoch seinem Vater den Todesstoß\\ - sein Aufbegehren ist eines gegen das Ordnungssystem, welches mit der [[Familie]] anfängt, die ihn scheinbar verstieß - letztlich gibt er jedoch seinem Vater den Todesstoß\\
 - Schiller exemplifiziert an Karl das Motiv des Selbsthelfers, der die bestehenden Verhältnisse als nicht korrigierbar ablehnt und dagegen opponiert → das 18.Jahrhundert ist ein Kastratenjahrhundert (siehe hier Bezug zu [[Lenz]])\\ - Schiller exemplifiziert an Karl das Motiv des Selbsthelfers, der die bestehenden Verhältnisse als nicht korrigierbar ablehnt und dagegen opponiert → das 18.Jahrhundert ist ein Kastratenjahrhundert (siehe hier Bezug zu [[Lenz]])\\
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 - der Mensch wird konstruiert als ein Mit- und Gegenspieler der [[Gottheit]]\\ - der Mensch wird konstruiert als ein Mit- und Gegenspieler der [[Gottheit]]\\
 - im theodizistischen Rahmen ist die Zuspitzung allen Geschehens Zweck, um diesem Gedanken Rechnung zu tragen, denn beide haben gefehlt, da sie an die Berechtigung einer sittlichen Ordnung nicht geglaubt haben \\ - im theodizistischen Rahmen ist die Zuspitzung allen Geschehens Zweck, um diesem Gedanken Rechnung zu tragen, denn beide haben gefehlt, da sie an die Berechtigung einer sittlichen Ordnung nicht geglaubt haben \\
-- Probleme mit der Motivation, denn ein Brief allein macht noch keinen Räuber; der pathetische Grundakkord des Dramas jedoch setzt auf die Zurkenntnisnahme außerordentlicher Menschen a la [[Plutarch]], die alles tun, weil es ihnen ihr schwieriger Charakter befiehlt\\+- Probleme mit der Motivation, denn ein Brief allein macht noch keinen [[Räuber]]; der pathetische Grundakkord des Dramas jedoch setzt auf die Zurkenntnisnahme außerordentlicher Menschen a la [[Plutarch]], die alles tun, weil es ihnen ihr schwieriger Charakter befiehlt\\
 - Schiller stellt deshalb v.a. Fragen nach Gewissensverantwortung, Willensentscheidungen und der Selbstbestimmung des Menschen → diese Fragen entstanden durch die Entartung der Begriffe des Rechts und der [[Sitte]], denen der Verlust der [[Religion]] folgen würde\\ - Schiller stellt deshalb v.a. Fragen nach Gewissensverantwortung, Willensentscheidungen und der Selbstbestimmung des Menschen → diese Fragen entstanden durch die Entartung der Begriffe des Rechts und der [[Sitte]], denen der Verlust der [[Religion]] folgen würde\\
 - ist das menschliche Leben lenkbar über die Irrationalität des Gewissens - Wieviel Kraft verträgt die Selbstbehauptung in einer entarteten Gesellschaft?\\ - ist das menschliche Leben lenkbar über die Irrationalität des Gewissens - Wieviel Kraft verträgt die Selbstbehauptung in einer entarteten Gesellschaft?\\
 - Schiller fragt nach der Moral der Rebellen: [[Brutus]] oder [[Catilina]]? → die Räuber kämpfen gegen alles\\ - Schiller fragt nach der Moral der Rebellen: [[Brutus]] oder [[Catilina]]? → die Räuber kämpfen gegen alles\\
-- Schiller ersetzt abstrakt-philo­sophisch, was sozial aufgelöst sicherlich Schwierigkeiten bereitet hätte \\+- Schiller ersetzt abstrakt-philosophisch, was sozial aufgelöst sicherlich Schwierigkeiten bereitet hätte \\
 __Indiz__: Karl erkennt, daß man nicht auf den Schultern der Schande zu den Sternen des [[Ruhm#Ruhms]] klimmen darf, doch die Schande nimmt ab mit der wachsenden Sünde eines großen verbrecherischen Menschen __Indiz__: Karl erkennt, daß man nicht auf den Schultern der Schande zu den Sternen des [[Ruhm#Ruhms]] klimmen darf, doch die Schande nimmt ab mit der wachsenden Sünde eines großen verbrecherischen Menschen
  
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 - der Wanderer betritt in scheinbar zufälliger Reihe Orte, die auch geschichtlich aufeinanderfolgen\\ - der Wanderer betritt in scheinbar zufälliger Reihe Orte, die auch geschichtlich aufeinanderfolgen\\
 - das [[Subjekt]] wird gleichsam austapeziert mit den Elementen der Wiese, des [[Wald#Waldes]], des blauen Gebirges, der Äcker und Dörfer, der gewerbereichen [[Stadt]], des Stromes und der fernen Schätze, die er herträgt\\ - das [[Subjekt]] wird gleichsam austapeziert mit den Elementen der Wiese, des [[Wald#Waldes]], des blauen Gebirges, der Äcker und Dörfer, der gewerbereichen [[Stadt]], des Stromes und der fernen Schätze, die er herträgt\\
-- [[Wechsel]] zwischen dem Almanach der Weisen und dem reinen Altar der Natur+- [[Wechsel]] zwischen dem [[Almanach]] der Weisen und dem reinen Altar der Natur
  
  
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   * Kant-Grundsätze der [[Ästhetik]] verarbeitet, denn alles muß durch eine glückliche [[Form]] bewerkstelligt werden\\   * Kant-Grundsätze der [[Ästhetik]] verarbeitet, denn alles muß durch eine glückliche [[Form]] bewerkstelligt werden\\
 - Probe aufs Exempel der Schillerschen Unterscheidung von Realismus und Idealismus\\ - Probe aufs Exempel der Schillerschen Unterscheidung von Realismus und Idealismus\\
-  * Durchspielen der Antithetik Menschheit-Mode im Hinblick auf die praktischen politischen Fol­gen revolutionärer Praxis+  * Durchspielen der Antithetik Menschheit-Mode im Hinblick auf die praktischen politischen Folgen revolutionärer Praxis
 - Relativierung darauf - deshalb ist die Wallenstein-Tragödie keine Prinzipien-, sondern eine Charaktertragödie, weil sie sonst ungeschichtlich als [[Streit]] zwischen Natur- und historischem Recht angelegt sein würde \\ - Relativierung darauf - deshalb ist die Wallenstein-Tragödie keine Prinzipien-, sondern eine Charaktertragödie, weil sie sonst ungeschichtlich als [[Streit]] zwischen Natur- und historischem Recht angelegt sein würde \\
   * Zuschickung der [[Fabel]] an Goethe → diese Genesis der Gesamtform wird kategorial gefaßt:   * Zuschickung der [[Fabel]] an Goethe → diese Genesis der Gesamtform wird kategorial gefaßt:
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 Wallenstein hält sich für frei, mit den Schweden zu paktieren, muß sich jedoch nach der kaiserlichen Acht sagen, daß er diese Freiheit nun nicht mehr besitzt. So wird klar, daß sich Wallenstein nur in der Rolle des Rebellen gefällt; Wirklichkeit und Phantasie verwischt. Wallenstein meint das Gesagte für den [[Augenblick]], nimmt sich jedoch ständig zurück. Er kann Macht und Besitz nicht verdauen. \\ Wallenstein hält sich für frei, mit den Schweden zu paktieren, muß sich jedoch nach der kaiserlichen Acht sagen, daß er diese Freiheit nun nicht mehr besitzt. So wird klar, daß sich Wallenstein nur in der Rolle des Rebellen gefällt; Wirklichkeit und Phantasie verwischt. Wallenstein meint das Gesagte für den [[Augenblick]], nimmt sich jedoch ständig zurück. Er kann Macht und Besitz nicht verdauen. \\
 Er zeigt sich als ein Exzentriker der Macht: In seiner machtgegründeten Selbstisolierung wird er zum [[Objekt]] der Wünsche und Handlungen anderer:  Er zeigt sich als ein Exzentriker der Macht: In seiner machtgegründeten Selbstisolierung wird er zum [[Objekt]] der Wünsche und Handlungen anderer: 
-Max möchte ihn als Friedensfürsten; Terzky sieht in ihm den machtorientier­ten [[Realpolitiker]]. \\+Max möchte ihn als Friedensfürsten; Terzky sieht in ihm den machtorientierten [[Realpolitiker]]. \\
 Wallenstein trägt Schillers Nemesis-Vorstellungen: //Des Menschen Taten und Gedanken, wißt! sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen, die innere Welt, sein Mikrokosmos, ist der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen. Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht, sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln. Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich um sein Tun und um sein Handeln.//\\  Wallenstein trägt Schillers Nemesis-Vorstellungen: //Des Menschen Taten und Gedanken, wißt! sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen, die innere Welt, sein Mikrokosmos, ist der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen. Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht, sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln. Hab ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich um sein Tun und um sein Handeln.//\\ 
-- Wallenstein will mathematische Sicherheit für sein Handeln; er glaubt diese Sicherheit durch [[Astrologie]] berechnen lassen zu können → Schiller fragt, ob die ungefährdete Handlungsweise ohne [[Substanz]] ihre Handlungsfähigkeit durch einen Schicksalsschlag ver­liert ↔ Wallenstein hat aber auch ein echtes Lebensprinzip in sich und benötigt den Hokuspokus der Astrologie eigentlich nicht\\ +- Wallenstein will mathematische Sicherheit für sein Handeln; er glaubt diese Sicherheit durch [[Astrologie]] berechnen lassen zu können → Schiller fragt, ob die ungefährdete Handlungsweise ohne [[Substanz]] ihre Handlungsfähigkeit durch einen Schicksalsschlag verliert ↔ Wallenstein hat aber auch ein echtes Lebensprinzip in sich und benötigt den Hokuspokus der Astrologie eigentlich nicht\\ 
-- die Zeichnung des Generalissimus entspricht dem antiken Muster der Dramenkonstellation → Friedlands Untergang ist ein [[Triumph]] der Nemesis; aber die Gerechtigkeit seines Falles schafft die Schändlich­keit des Verfahrens nicht aus der Welt. Darum trifft die Nemesis auch Octavio. - Was übrigens für seinen Rang spricht. Sie nimmt ihm den Sohn und verhöhnt ihn mit dem Judaslohn eines Fürstentitels.+- die Zeichnung des Generalissimus entspricht dem antiken Muster der Dramenkonstellation → Friedlands Untergang ist ein [[Triumph]] der Nemesis; aber die Gerechtigkeit seines Falles schafft die Schändlichkeit des Verfahrens nicht aus der Welt. Darum trifft die Nemesis auch Octavio. - Was übrigens für seinen Rang spricht. Sie nimmt ihm den Sohn und verhöhnt ihn mit dem Judaslohn eines Fürstentitels.
  
  === Wallensteins Lager ===  === Wallensteins Lager ===
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 === Piccolomini === === Piccolomini ===
 - politische Exposition des Dramas - politische Exposition des Dramas
-  - Ebene: Vater - Sohn → psychologische Auseinan­dersetzung+  - Ebene: Vater - Sohn → psychologische Auseinandersetzung
   - Ebene: Octavio - Wallenstein → politische Auseinandersetzung   - Ebene: Octavio - Wallenstein → politische Auseinandersetzung
   - Ebene: Max - Wallenstein → übergreifend vom Politischen ins Menschliche   - Ebene: Max - Wallenstein → übergreifend vom Politischen ins Menschliche
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 **Octavio**: tradierte politische Normenfigur\\ **Octavio**: tradierte politische Normenfigur\\
 - Gegenspieler Wallensteins → indem Octavio der alten Ordnung dient, hütet er das Eigentum, den Privatbereich, das Menschliche, Humane gegen brutale [[Willkür]] (Wittkowski)\\ - Gegenspieler Wallensteins → indem Octavio der alten Ordnung dient, hütet er das Eigentum, den Privatbereich, das Menschliche, Humane gegen brutale [[Willkür]] (Wittkowski)\\
-- der Generalissimus zwischen eigener Hybris, d.i. die sub­jektiv-moralische Schuld, und dem [[Verrat]] der anderen, d.i. das objektive politische Gegenspiel\\+- der Generalissimus zwischen eigener Hybris, d.i. die subjektiv-moralische Schuld, und dem [[Verrat]] der anderen, d.i. das objektive politische Gegenspiel\\
 **Max**: Sprachröhre Schillers: keine Figur zitiert so direkt gesellschaftliche Ideale des Dichters, aber im [[Unterschied]] zu Schiller hat Max keine Schicksalsgelassenheit\\ **Max**: Sprachröhre Schillers: keine Figur zitiert so direkt gesellschaftliche Ideale des Dichters, aber im [[Unterschied]] zu Schiller hat Max keine Schicksalsgelassenheit\\
 - ist der positive, ideale Wallenstein; hat Wallenstein das Wirkliche zum [[Traum]] gemacht\\ - ist der positive, ideale Wallenstein; hat Wallenstein das Wirkliche zum [[Traum]] gemacht\\
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 ==== Wilhelm Tell ==== ==== Wilhelm Tell ====
  1803/04\\  1803/04\\
 +- Rebell und Mörder ([[Bismarck]])\\
 +- die //magna charta// des politischen Dramas (Hochhuth)\\
 +- Die konservativen Schweizer bezeugen noch heute dem Terroristen Wilhelm Tell ihr offizielles Lob. ([[Trotzki]])
 === Thema === === Thema ===
 - Schiller beantwortet in diesem Stück die Frage nach der Relation von [[Historie]] und Poesie. Er stellt dichterisch die patriarchalisch strukturierte nationale Gemeinschaft auf die eine Seite und die politische Modellhaftigkeit einer aufgeklärten Gesellschaft auf die andere Seite und versucht so zu einer Bewertung aktueller Entscheidungen zu kommen. Schillers politischer Realitätssinn zeigt sich in der aufgeworfenen Frage, ob denn der erste politische Sieg auch schon der Sicherung der revolutionären Errungenschaft gleichkommt → Figur des Walter Fürst - prompte Erfüllung zu übernehmender Verpflichtungen.  - Schiller beantwortet in diesem Stück die Frage nach der Relation von [[Historie]] und Poesie. Er stellt dichterisch die patriarchalisch strukturierte nationale Gemeinschaft auf die eine Seite und die politische Modellhaftigkeit einer aufgeklärten Gesellschaft auf die andere Seite und versucht so zu einer Bewertung aktueller Entscheidungen zu kommen. Schillers politischer Realitätssinn zeigt sich in der aufgeworfenen Frage, ob denn der erste politische Sieg auch schon der Sicherung der revolutionären Errungenschaft gleichkommt → Figur des Walter Fürst - prompte Erfüllung zu übernehmender Verpflichtungen. 
  
 === Inhalt === === Inhalt ===
-- Die Schweizer sprechen dem System die Rechtmäßigkeit nicht ab; ihre Unabhängigkeit muß jedoch in einer positi­ven Relation dazu stehen. Es geht darum, die Führung des schweizerischen Staates ohne den Adel zu vollbringen. Der euphorische Jubel nach dem Bastillesturm sichert keine Ergebnisse!\\  +- Die Schweizer sprechen dem System die Rechtmäßigkeit nicht ab; ihre Unabhängigkeit muß jedoch in einer positiven Relation dazu stehen. Es geht darum, die Führung des schweizerischen Staates ohne den Adel zu vollbringen. Der euphorische Jubel nach dem Bastillesturm sichert keine Ergebnisse!\\  
-- Schiller wirft die Frage des Rechtsproblems jeder Revolution auf. In Wilhelm Tell reduziert sich die Revolution auf den durch­aus diabolisch verstandenen Einzelfall, die Wiederherstellung eines zerstörten Rechtszustandes. Die Legitimität dieses Wiederherstellung ist abhängig von der idealistischen Gesinnung ihrer Vollstrecker; statt der Einheit der Handlung haben wir eine Einheit der Tat.+- Schiller wirft die Frage des Rechtsproblems jeder Revolution auf. In Wilhelm Tell reduziert sich die Revolution auf den durchaus diabolisch verstandenen Einzelfall, die Wiederherstellung eines zerstörten Rechtszustandes. Die Legitimität dieses Wiederherstellung ist abhängig von der idealistischen Gesinnung ihrer Vollstrecker; statt der Einheit der Handlung haben wir eine Einheit der Tat.
  
 === Figuren === === Figuren ===
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 ==== Schiller als Historiker ==== ==== Schiller als Historiker ====
 +- seine Anstellung in Jena bewirkten die Geheimräte von Voigt und von Goethe 1789\\
 - großer Einfluß von [[Schlözer]] aus Göttingen, durch dessen entwicklungsgeschichtlichen Blick  - großer Einfluß von [[Schlözer]] aus Göttingen, durch dessen entwicklungsgeschichtlichen Blick 
  
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 === Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? === === Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? ===
-<html> <img src = "http://www.vonwolkenstein.de/images/griesbachscheshaus.jpg" style="margin-left:5mm" alt = "Griesbachs Haus am Löbdergraben" align = "right" hspace="15" vspace="25"> </html>+{{ :griesbachscheshaus.jpg?400|}}
 Antrittsrede zur Professur an der Uni Jena am 26.Mai 1789\\ Antrittsrede zur Professur an der Uni Jena am 26.Mai 1789\\
 - Schiller entwickelt den Charakter und die Aufgaben des philosophischen Kopfes im Gegensatz zu den Eigenschaften des bloßen Brotgelehrten\\ - Schiller entwickelt den Charakter und die Aufgaben des philosophischen Kopfes im Gegensatz zu den Eigenschaften des bloßen Brotgelehrten\\
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 - nach Kant gibt es allgemeingültige, notwendige Begriffe, durch die [[Erfahrung]] möglich ist; durch diese Begriffe kann die [[Objektivität]] der Dinge gedacht werden → der [[Verstand]] ist Quell der Gesetze der Natur\\ - nach Kant gibt es allgemeingültige, notwendige Begriffe, durch die [[Erfahrung]] möglich ist; durch diese Begriffe kann die [[Objektivität]] der Dinge gedacht werden → der [[Verstand]] ist Quell der Gesetze der Natur\\
 - für Kant beruht das [[Schöne]] auf eigenen Gesetzen, die in keiner Beziehung zum sittlichen Soll-Gesetz stehen → [[Schönheit]] läßt sich nur fühlen: man könne dieses [[Gefühl]] zwar mitteilen, beweisen läßt es sich aber nicht \\ - für Kant beruht das [[Schöne]] auf eigenen Gesetzen, die in keiner Beziehung zum sittlichen Soll-Gesetz stehen → [[Schönheit]] läßt sich nur fühlen: man könne dieses [[Gefühl]] zwar mitteilen, beweisen läßt es sich aber nicht \\
-- Schiller sieht dies anders: er sucht die objektiv präexistie­rende Grundlage des Schönen und sieht es in den Objekten selbst. Kant kann zwar das Logische von dem Ästhetischen scheiden, verfehlt jedoch den Begriff der Schönheit. //Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung.//\\+- Schiller sieht dies anders: er sucht die objektiv präexistierende Grundlage des Schönen und sieht es in den Objekten selbst. Kant kann zwar das Logische von dem Ästhetischen scheiden, verfehlt jedoch den Begriff der Schönheit. //Schönheit ist Freiheit in der Erscheinung.//\\
 → Schiller will den [[Gegensatz]] zwischen Natur und [[Vernunft]], der für Kant zwingend ist, überwinden: → Schiller will den [[Gegensatz]] zwischen Natur und [[Vernunft]], der für Kant zwingend ist, überwinden:
   * der [[Mensch]] als sinnlich-sittliches [[Wesen]] solle sich die [[Pflicht]] zur Neigung machen und nicht in Tugenden ersticken   * der [[Mensch]] als sinnlich-sittliches [[Wesen]] solle sich die [[Pflicht]] zur Neigung machen und nicht in Tugenden ersticken
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 ==== Schiller als Philosoph ==== ==== Schiller als Philosoph ====
 - Schiller bezog aus den Widersprüchen seines philosophischen Ringens [[Kraft]] und Ansporn für sein dichterisches Schaffen \\ - Schiller bezog aus den Widersprüchen seines philosophischen Ringens [[Kraft]] und Ansporn für sein dichterisches Schaffen \\
-- der sozialphilosophische Ausgangspunkt seiner Betrachtun­gen ist die durch die Vereinzelung der Geisteskräfte gekennzeichnete Situation \\ +- der sozialphilosophische Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist die durch die Vereinzelung der Geisteskräfte gekennzeichnete Situation \\ 
-- Zwiespalt zwischen der Totalität des [[Individuum#Individuums]] vs. Forderung nach natürlicher Ge­meinschaft → Schiller versucht die getrennten Wirksamkeiten durch den salto mortale einer idealisierten Gesellschaft zu überwinden und überträgt die [[Verantwortung]] der Zusammenführung der getrennten Teile - zwischen dem großen Haufen und der gebildeten Schicht - dem Dichter\\+- Zwiespalt zwischen der Totalität des [[Individuum#Individuums]] vs. Forderung nach natürlicher Gemeinschaft → Schiller versucht die getrennten Wirksamkeiten durch den salto mortale einer idealisierten Gesellschaft zu überwinden und überträgt die [[Verantwortung]] der Zusammenführung der getrennten Teile - zwischen dem großen Haufen und der gebildeten Schicht - dem Dichter\\
 - Mittelpunkt seines philosophischen Denkens war die ästhetische [[Theorie]] des Spiels, was Schiller zum Vorläufer der [[Dialektik]] [[Hegel#Hegels]] macht \\ - Mittelpunkt seines philosophischen Denkens war die ästhetische [[Theorie]] des Spiels, was Schiller zum Vorläufer der [[Dialektik]] [[Hegel#Hegels]] macht \\
 - Schiller will in die geheimen Triebkräfte der [[Seele]] schauen\\ - Schiller will in die geheimen Triebkräfte der [[Seele]] schauen\\
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 ==== Schiller als Politiker ==== ==== Schiller als Politiker ====
 +__Paradigma__: //Lebe deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf; leiste deinen Zeitgenossen, aber was sie bedürfen, nicht was sie wollen!//\\
 - hielt politische Veränderungen in [[Deutschland]] für nicht wünschenswert, aber ein entsprechender politischer [[Zustand]] der [[Nation]] sei [[Voraussetzung]] für den klassischen Nationalautoren\\ - hielt politische Veränderungen in [[Deutschland]] für nicht wünschenswert, aber ein entsprechender politischer [[Zustand]] der [[Nation]] sei [[Voraussetzung]] für den klassischen Nationalautoren\\
 - lehnt Revolution ab, denn bei der bestünde die Gefahr, daß die Ideale, die eine Revolution benötigte, in der [[Realität]] verlorengingen - statt dessen spricht Schiller vom Vernunftsstaat, nicht vom ästhetischen, der aber soll erreicht werden\\ - lehnt Revolution ab, denn bei der bestünde die Gefahr, daß die Ideale, die eine Revolution benötigte, in der [[Realität]] verlorengingen - statt dessen spricht Schiller vom Vernunftsstaat, nicht vom ästhetischen, der aber soll erreicht werden\\
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   - Schröder, Hans: Schiller als dramatischer Dichter. Bonn 1974.   - Schröder, Hans: Schiller als dramatischer Dichter. Bonn 1974.
   - Teutschmann, Heinrich: Schillers verborgene Schöpfung. Dornach 1977.   - Teutschmann, Heinrich: Schillers verborgene Schöpfung. Dornach 1977.
-  - Thalheim, Günther: Zum Problem des geschichtlich handeln­den Menschen bei Schiller. In: Weimarer Beiträge Jahrgang 25, Heft 1, S. 5-21, Weimar 1979.+  - Thalheim, Günther: Zum Problem des geschichtlich handelnden Menschen bei Schiller. In: Weimarer Beiträge Jahrgang 25, Heft 1, S. 5-21, Weimar 1979.
   - Wertheim, Ursula: Schiller-Studien. Jena 1984   - Wertheim, Ursula: Schiller-Studien. Jena 1984
  
 ==== Rezeption ==== ==== Rezeption ====
 +- kannte keine religiöse [[Libido]]
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 - Schiller wird in [[Wien]] 1880 ungestrichen gespielt, jeder Buchstabe ist heilig → d.i. töricht, weil theaterunwirksam\\ - Schiller wird in [[Wien]] 1880 ungestrichen gespielt, jeder Buchstabe ist heilig → d.i. töricht, weil theaterunwirksam\\
-- er vergewaltigte Kunst des Schauspielers, da ihm andere Künste näher waren (Bahr)+- er vergewaltigte Kunst des Schauspielers, da ihm andere Künste näher waren (Bahr)\\ 
 +- Mangel an Leichtigkeit ([[Wieland]])
  
 === Schillers Dramen === === Schillers Dramen ===
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 - sein Pathos dient dabei der Initiierung der Phantasie und setzt diese gleichzeitig, denn die Phantasie schenkt da Freiheit, wo die Wirklichkeit einengt\\ - sein Pathos dient dabei der Initiierung der Phantasie und setzt diese gleichzeitig, denn die Phantasie schenkt da Freiheit, wo die Wirklichkeit einengt\\
 - die Antinomien dienen dabei einer Prämisse, die durchschritten werden muß, um sich Freiheit zu erringen \\ - die Antinomien dienen dabei einer Prämisse, die durchschritten werden muß, um sich Freiheit zu erringen \\
-- diese Erhabenheit durchbricht die Immanenz der Geschichte und erweist den Menschen als einen freiwillig Handelnden, der über den Tod hinaus wirkt, in diesem Sinne zerreißt Schiller auch die [[Teleologie]]+- diese Erhabenheit durchbricht die Immanenz der Geschichte und erweist den Menschen als einen freiwillig Handelnden, der über den Tod hinaus wirkt, in diesem Sinne zerreißt Schiller auch die [[Teleologie]]
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 +- erreicht in seinen Dramen die würdige Selbstbehauptung aller Gestalten (Hegel)
  
 == Schillers Jugenddramen == == Schillers Jugenddramen ==
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 - Schillers Geist ist tapfer; er wird sich durch den Staub hindurchkämpfen. (Nietzsche) - Schillers Geist ist tapfer; er wird sich durch den Staub hindurchkämpfen. (Nietzsche)
  
-<html><img src = "http://vg06.met.vgwort.de/na/810611fd2f01468fa6b312755f91bb39" width="1" height= "1" alt=""></html>+
schiller.1491933567.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 14:26 (Externe Bearbeitung)