Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


schlegel

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
schlegel [2010/04/18 14:37] Robert-Christian Knorrschlegel [2023/01/02 12:08] (aktuell) – [Erkenntnistheorie] Robert-Christian Knorr
Zeile 5: Zeile 5:
 - betrieb unter [[Heyne]] und [[Bürger]] in Göttingen ästhetische Studien\\ - betrieb unter [[Heyne]] und [[Bürger]] in Göttingen ästhetische Studien\\
 - Verfechter und Übersetzer [[Shakespeare#Shakespeares]]\\ - Verfechter und Übersetzer [[Shakespeare#Shakespeares]]\\
-- um 1798 wollte er in Jena die dato existente deutsche [[Literatur]] zum Studiengegenstand machen, fand damit aber wenig Gegenliebe bei Studenten und Kollegen\\+- um 1798 wollte er in Jena die dato existente deutsche [[Literatur]] zum Studiengegenstand machen, fand damit aber wenig Gegenliebe bei Studenten und Kollegen → 1797 Strauß mit [[Schiller]], der die Brüder Schlegel als Ärgerniß nahm, die ihm im Wege stünden bzw. in den Weg treten\\
 - //Die [[Phantasie]] ist der [[Held]] der [[Philosophie]]. Die [[Natur]] ist nur die sinnlich, wahrnehmbare, zur Maschine gewordene Phantasie.//\\ - //Die [[Phantasie]] ist der [[Held]] der [[Philosophie]]. Die [[Natur]] ist nur die sinnlich, wahrnehmbare, zur Maschine gewordene Phantasie.//\\
 - erwartete durch die [[Romantik]] die [[Wiederkehr#Wiederkehr des Ewiggleichen]], indem die [[Poesie]] auf ihre Quellen zurückzuführen und die [[Mythologie]] wieder herzustellen sei\\ - erwartete durch die [[Romantik]] die [[Wiederkehr#Wiederkehr des Ewiggleichen]], indem die [[Poesie]] auf ihre Quellen zurückzuführen und die [[Mythologie]] wieder herzustellen sei\\
Zeile 12: Zeile 12:
  
 ===== Friedrich Schlegel ===== ===== Friedrich Schlegel =====
-10.3.1772 Hannover\\ +1772-1829\\ 
-- Begründer der indischen [[Philologie]], mithin der vergleichenden Sprachwissenschaften in [[Deutschland]] \\ +[[Schriftsteller]] und Philosoph\\ 
-- hat als erster den hermeneutischen Zirkel historisiert → bezeichnete jede große Symphilosophie als zum [[Zeitalter]] zurückgehend; das Zeitalter liefere Orientierungswissen, von dem der Philosoph dialektisch ausgeht und das Zeitalter zum Vergangenen führt, und wieder zurück, denn das Vergangene ist [[Stoff]], um das Gegenwärtige verständlich zu machen\\+- Begründer der indischen [[Philologie]], mithin der vergleichenden Sprachwissenschaften in [[Deutschland]] → beschrieb in dem 1808 erschienenen //Über die Sprache und Weisheit der Inder// erstmals die Überlegenheit der [[Arier]], was er sprachwissenschaftlich begründete/begründen wollte, so daß [[Klemperer]] die Ursprünge des deutschen [[Rassismus]] zuerst in der Philologie, nicht den Naturwissenschaften mutmaßte \\ 
 +- hat als erster den [[Zirkel#hermeneutischen Zirkel]] historisiert → bezeichnete jede große Symphilosophie als zum [[Zeitalter]] zurückgehend; das Zeitalter liefere Orientierungswissen, von dem der Philosoph dialektisch ausgeht und das Zeitalter zum Vergangenen führt, und wieder zurück, denn das Vergangene ist [[Stoff]], um das Gegenwärtige verständlich zu machen\\
 - Altertumsstudien in Göttingen und Leipzig, dazu [[Herder#Herders]] und [[Wolff#Wolffs]] Prolegomena\\ - Altertumsstudien in Göttingen und Leipzig, dazu [[Herder#Herders]] und [[Wolff#Wolffs]] Prolegomena\\
 - das Problem der modernen Literatur: Spannung zwischen dem Einzigartigen und Typischen, Singulären und Allgemeingültigen, Interessanten und Mythischen \\ - das Problem der modernen Literatur: Spannung zwischen dem Einzigartigen und Typischen, Singulären und Allgemeingültigen, Interessanten und Mythischen \\
 - beschreibt androgyne Muster: sanfte Männer und selbständige [[Frau#Frauen]] - beschreibt androgyne Muster: sanfte Männer und selbständige [[Frau#Frauen]]
 +
 +==== Philosophie ====
 +
 +__Prämisse__: Annahme eines unbewußten Gottes/Gottheit, d.i. das [[Universum]] → unerkennbar, weil //substantia infinita// wie bei [[Spinoza]]\\
 +- wir wollen erkennen und reißen uns aus dem Unendlichen Teilgottheitsbegriffe heraus, deren Summe uns allmählich glauben läßt, wir würden Gott/das Universum erfassen können\\
 +- Gott wiederum, sich selber unbewußt, kömmt nur in uns zu Bewußtsein, was seiner Wesensnotwendigkeit entspricht: Gott ist ein Werdendes, wobei Mensch und Gott Komplemente sind, keine Analogia wie bei Hegel (Gott: an sich; Mensch: für sich)\\
 +- gegenüber Fichte betont Schlegel die Kontraktion der Verbindung zum Unendlichen (kontrahierendes Ich vs. Unendlichem), nicht die von [[Fichte]] präferierte [[Spontaneität]] des freien Ichs → wir sind nicht die [[Schöpfer]] Gottes, sondern dessen eigener [[unbewusst|unbewußter]] [[Ursprung]]\\
 +- das Unbewußte ist das [[Wesen]] des Individuums: sofern es schläft, ist es erst wirklich → Urgrund der Romantik\\
 +- den weitesten Gegensatz zu den Empirikern bildet der Naturbegriff: die Natur wird als Tor begriffen, durch das die Agilität des strukturlosen Universums real in das Bewußtsein des Individuums eintritt und somit von diesem abgebildet wird
 +=== Erkenntnistheorie ===
 +- kann nur ideal-real sein, weil einfacher Realismus die Erkenntnis der Realität naiv in dieser selbst mutmaßt und nicht die [[Evidenz]] derselben im Individuum, dem erkennenden Subjekt, erkennen kann\\
 +- Empirie ist das Organon von realer //data//, nicht aber das für Erkenntnis\\
 +- wahre Erkenntnis kann nur in der poetischen Reflexion erreicht werden, wenn sich Individuum, Universum und Verstand in der [[Sprache]] manifestieren\\
 +- die Vernunft kann der [[Phantasie]] (die Verbindungslinie zwischen dem Universum und dem Individuum) keine normativen Fesseln anzulegen; sie muß die Selbstoffenbarung der [[Gottheit]] akzeptieren, die zwar [[Chaos]] ist, im Individuum aber einen scheinbaren Ordnungssinn offenbaren kann
 +
 +=== Begriff der romantischen Ironie ===
 +- entsteht aus dem Spiel von Individuum und Empirie, aus dem Wechselgesang von Unendlichem und Akzentuierung \\
 +- Subjekt, Prädikat und Kopula (Bindewort) vermittelt sich jede Aussage zu einem fixierten gedanklichen Resultat, eine Zwischenerstarrung göttlicher Universalität, die wieder aufgesprengt werden muß, indem ihr Gegenteil mitgedacht wird, d.i. Ironie der Zwischenerstarrung\\
 +- eine dissoziative Störung zwischen Inhalt und Form: der [[Poet]] verbirgt im Gesagten das, was er meint, ein nicht endender Prozeß, der zugleich eine Autor-Leser-Rezeptionsebene enthält (Schweben, potenzierte Reflexion) und damit ein Gespräch entzündet, das zur universellen Poesie führren wird
 +
 +=== Transcendentalphilosophie ===
 +
 +1800/01\\
 +- Philosophie zielt stets auf neue Anfänge, ein [[Wissen]] des Wissens, ein Experiment, das sich um die beiden Pole Unendliches und Bewußtsein dreht → Fichtes Philosophie zielt auf das Bewußtsein (ist darum subjektiv), Spinoza zielt auf die Erfassung des Unendlichen (ist darum objektiv)
 +== Theorie der Welt ==
 +- geht hervor aus dem Unbestimmten und dem Nichtich und ist das Resultat von geistigen [[Wesen]]\\
 +- [[Materie]] und Form sind die Elemente der Welt\\
 +- die Materie hat die Tendenz, ins Positive zu gehen, benutzt Assimilation (Austausch mit der Umwelt), die der Kern aller Organismen ist\\
 +- Form, das Unendliche, das in Harmonie zu anderen steht, dessen Basis die Erinnerung an die ursprüngliche Einheit von Körper und Geist ist, worauf die Form wieder zielt: [[harmonie|prästabilierte Harmonie]]\\
 +- da die Welt unvollendet ist, ist der Mensch der Gehülfe der [[Götter]]
 +== Theorie des Menschen ==
 +- knüpft sich an Realität an, die dadurch gekennzeichnet ist, daß es keine allgemeine Bestimmung des Menschen gibt [sie vollzieht sich in der menschlichen Gesellschaft (Gemeinschaft und Freiheit), an welche Bedingung der [[Mensch]] als Mensch gebunden ist], sondern nur eine jeweils individuelle, da sich jeder Mensch seine Bestimmung selber setzt\\
 +- das [[Streben]] nach seinem Ideal wird ihn moralisch machen, bedeutet: er wird philosophisch leben\\
 +- der innere Mensch lebt nach seiner Religion, nicht nach der Moral\\
 +- alles Menschliche läßt sich auf [[Familie]], [[Hierarchie]] und [[Republik]] zurückführen\\
 +- die Liebe ist der Differenzpunkt in uns, sie läßt die Welt zusammenbauen, ist Anfang und Ende von allem, rekurriert auf die beiden Urfakta (Dualität und Identität): ohne Liebe keine sittliche Bildung 
 +== Philosophie der Philosophie ==
 +  - Rechtfertigung der Polemik
 +  - Vereinigung von Geschichte und Philosophie
 +  - Enzyklopädie von Kunst und Wissenschaften
 +
  
 ==== Politik ==== ==== Politik ====
-- hält im [[Gegensatz]] zu [[Kant]] eine [[Weltrepublik]] für denkbar/möglich, innerhalb derer die einzelnen Völkerstaaten im Sinne der Volkssouveränität [[Rousseau#Rousseaus]] autonom bleiben\\+- bildet neben [[Moral]] und [[Religion]] eine Grenze der Philosophie und verbindet die Erstgenannten\\ 
 +- hält im [[Gegensatz]] zu [[Kant]] eine [[Weltrepublik]] für denkbar/möglich, innerhalb derer die einzelnen Völkerstaaten im Sinne der [[Volkssouveränität]] [[Rousseau#Rousseaus]] autonom bleiben\\
 - die allgemeine Wehrpflicht wird verworfen und ist nur im Ausnahmefall bei äußerster Bedrohung anwendbar\\ - die allgemeine Wehrpflicht wird verworfen und ist nur im Ausnahmefall bei äußerster Bedrohung anwendbar\\
 - der [[Adel]] ist die Kriegerkaste und <html></font><font face = "symbol, serif">katexochn</font></html> und die höchste [[Kraft]] und Blüte der [[Nation]], er hat die Verteidigung der Nation zu übernehmen\\ - der [[Adel]] ist die Kriegerkaste und <html></font><font face = "symbol, serif">katexochn</font></html> und die höchste [[Kraft]] und Blüte der [[Nation]], er hat die Verteidigung der Nation zu übernehmen\\
Zeile 27: Zeile 70:
 ==== Lucinde ==== ==== Lucinde ====
 - was [[Frau#Frauen]] gegenüber Männern für Vorzüge haben;\\ - was [[Frau#Frauen]] gegenüber Männern für Vorzüge haben;\\
-- Schilderung eines wahrhaft romantischen [[Leben#Lebens]] ([[Cassirer]])+- Schilderung eines wahrhaft romantischen [[Leben#Lebens]] ([[Cassirer]])\\ 
 +- Friedrich lebt und webt darin. Vielleicht gibt es nur wenig individuellere Bücher. Man sieht das Treiben seines Inneren, wie das [[Spiel]] der [[alchimie|chymischen]] [[Kraft]] in einer Auflösung im Zuckerglase, deutlich und wunderbar so vor sich. Tausend mannigfache, helldunkle Vorstellungen strömen herzu, und man verliert sich in einem Schwindel, der aus dem denkenden Menschen einen bloßen Trieb, eine [[Naturkraft]] macht, uns in die wollüstige [[Existenz]] des Instinkts verwickelt. An romantischen Anklängen fehlt's nicht, indes ist das Ganze und das Einzelne noch nicht leicht und einfach udn rein von Schulstaub genug. - An den Ideen ist übrigens nichts auszusetzen. Der [[Roman]] hat zu früh das Licht der Welt erblickt. - Er müßte den Titel haben: Chymische Phantasien oder [[Satanisken]]. (Novalis)
  
 ==== Wertung ==== ==== Wertung ====
 - erhebt die einseitige Forderung der urkundlichen Erforschung des [[Mythus]], glaubt also nicht an den Mythus ([[Bäumler]])\\ - erhebt die einseitige Forderung der urkundlichen Erforschung des [[Mythus]], glaubt also nicht an den Mythus ([[Bäumler]])\\
 +- versucht, die unmittelbare Wirklichkeit des Unbewußten der Kunst in der Reflexion auf diese zu bewahren, ohne sie in distanzierende Abstraktion aufzuheben (Elsässer) → Glaube an die notwendige Immanenz des Unbewußten\\
 - sieht in der Hegelschen [[Dialektik]] eine Art von Satanismus \\ - sieht in der Hegelschen [[Dialektik]] eine Art von Satanismus \\
 - endete als mystischer Irrationalist ([[Lukacs]])\\ - endete als mystischer Irrationalist ([[Lukacs]])\\
Zeile 40: Zeile 85:
 - im Sinne Bodmers und Breitingers erzogen\\ - im Sinne Bodmers und Breitingers erzogen\\
 - seine [[Kritik]] an der Kunstlehre: sie sind vereinzelt.\\ - seine [[Kritik]] an der Kunstlehre: sie sind vereinzelt.\\
-- nahm Anteil an [[Boielau#Boileaus]] Lehre von der idealisierten Natur; der Schönheitsbegriff macht nur [[Sinn]], wenn er zur Natur zurückgeführt wird\\+- nahm Anteil an [[Boileau#Boileaus]] Lehre von der idealisierten Natur; der Schönheitsbegriff macht nur [[Sinn]], wenn er zur Natur zurückgeführt wird\\
 [[Kunst]]: sinnlicher [[Ausdruck]] der [[Empfindung]], freie [[Schöpfung]] der sinnlichen Einbildungskraft Nachahmung: nur ein Mittel zur Kunst, nicht der [[Zweck]] derselben\\ [[Kunst]]: sinnlicher [[Ausdruck]] der [[Empfindung]], freie [[Schöpfung]] der sinnlichen Einbildungskraft Nachahmung: nur ein Mittel zur Kunst, nicht der [[Zweck]] derselben\\
-- einer der geistreichsten [[Dichter]] unseres Vater­landes (Schiller)+- einer der geistreichsten [[Dichter]] unseres Vaterlandes (Schiller)
  
  
Zeile 61: Zeile 106:
 vergleicht Shakespeare und [[Gryphius]] und kommt zum Vorzug Shakespeares\\ vergleicht Shakespeare und [[Gryphius]] und kommt zum Vorzug Shakespeares\\
 - das [[Theater]] hat der [[Bildung]] des Volkes zu dienen\\ - das [[Theater]] hat der [[Bildung]] des Volkes zu dienen\\
-- der Dichter hat nationale Charaktere zu gestalten+- der Dichter hat nationale Charaktere zu [[gestalten]]
  
 ==== Die stumme Schönheit ==== ==== Die stumme Schönheit ====
schlegel.1271594274.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 14:26 (Externe Bearbeitung)