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 Die  Protestveranstaltungen in Osteuropa und der DDR hatten nicht die Dimension wie die Massenkundgebungen in der „freien Welt“:  Die  Protestveranstaltungen in Osteuropa und der DDR hatten nicht die Dimension wie die Massenkundgebungen in der „freien Welt“: 
 In Polen probten am 21.10.1966 Professoren, Assistenten und Studenten der Warschauer Universität den Aufstand gegen „die [[Restauration]] des dogmatischen [[Kommunismus]] in Polen“. Innerhalb der [[Universität]] wurde heftig mit den Machthabern diskutiert. Trotz Bestrafungen und Disziplinierungen gelang es nicht, die [[Mehrheit]] der Studenten zur „Räson“ zu bringen. Im März 1968 kam es zu erneuten Studentenunruhen, als die Aufführung des antirussisch aufzufassenden polnischen Nationaldramas „Die [[Totenfeier]]“ von der [[Partei]] verboten wurde. Literaten und Studenten protestierten gegen die offizielle Kulturpolitik und gegen Zensur. Es wurden Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit verlangt. An fast allen polnischen Hochschulen gab es Solidaritätskundgebungen. Daraufhin wurden Studenten verfolgt und relegiert und den Kommunisten verdächtige Professoren ihrer Ämter enthoben. Die [[Regierung]] mobilisierte ihre Anhänger zu Gegendemonstrationen unter dem Motto: „Studenten an die Bücher.“ In Polen probten am 21.10.1966 Professoren, Assistenten und Studenten der Warschauer Universität den Aufstand gegen „die [[Restauration]] des dogmatischen [[Kommunismus]] in Polen“. Innerhalb der [[Universität]] wurde heftig mit den Machthabern diskutiert. Trotz Bestrafungen und Disziplinierungen gelang es nicht, die [[Mehrheit]] der Studenten zur „Räson“ zu bringen. Im März 1968 kam es zu erneuten Studentenunruhen, als die Aufführung des antirussisch aufzufassenden polnischen Nationaldramas „Die [[Totenfeier]]“ von der [[Partei]] verboten wurde. Literaten und Studenten protestierten gegen die offizielle Kulturpolitik und gegen Zensur. Es wurden Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit verlangt. An fast allen polnischen Hochschulen gab es Solidaritätskundgebungen. Daraufhin wurden Studenten verfolgt und relegiert und den Kommunisten verdächtige Professoren ihrer Ämter enthoben. Die [[Regierung]] mobilisierte ihre Anhänger zu Gegendemonstrationen unter dem Motto: „Studenten an die Bücher.“
-In der Tschechoslowakei schritt die Demokratisierung eines Ostblocklandes im hoffnungsvollen „Prager Frühling“ am weitesten voran. Die [[Avantgarde]] der Prager Reformer setzte sich aus Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Studenten, Wissenschaftlern und Gemaßregelten des Novotny-Regimes zusammen. Im Oktober 1967 wurden um bessere Beleuchtung in ihren Wohnheimen demonstrierende Studenten noch zusammengeknüppelt, doch schon etwas später waren Studenten eine maßgebliche Kraft im Demokratisierungsprozeß des Landes. In den RGW-Staaten, in denen es zur [[Opposition]] kam, ging es nicht, wie im Westen, in erster Linie um einen [[Generationskonflikt]]. Der Konflikt war klar ideologisch bestimmt: Weg von der [[Diktatur]]- hin zum demokratischen Sozialismus. Als die Truppen der Warschauer Vertragsstaaten einmarschierten, war mit der nicht an westlichen Mustern orientierten Demokratisierung [[Schluß]]. Der Einmarsch von Truppen des „Warschauer Vertrages“ in der Tschechoslowakei am 20.8.1968 sollte zu der einzigen registrierten [[Reaktion]] Jugendlicher in der DDR führen: „An die hundert jungen Leute“ sind mit Flugblättern und Losungen in Weimar, Gera, Erfurt und Berlin am 21.8.1968 gegen die Invasion an die Öffentlichkeit getreten, darunter „fast durchweg Söhne und Töchter einst oder noch immer prominenter Genossen.“ (Der Spiegel, Nr. 45/1968, S. 72.) Auf den Flugblättern in Berlin stand u.a.: „[[Bürger]]-Genossen. Fremde Panzer in der CSSR dienen nur dem Klassenfeind. Denkt an das Ansehen des Sozialismus in der Welt. Fordert endlich wahrheitsgetreue Informationen. Niemand ist zu dumm, [[selbst]] zu denken.“ Sieben Teilnehmer, darunter Thomas Brasch (damals 23), [[Sohn]] eines Minister-Stellvertreters, die Havemann-Brüder (damals 16 und 19), und die Tochter des damaligen SED-Ideologen Lothar Berthold (damals 18), wurden bald darauf zwischen 15 und 27 Monaten [[Gefängnis]] verurteilt. Ausdrücklich wurde in der Presse daraufhin gewiesen, daß die Angeklagten von „Robert Havemann und Wolf Biermann systematisch inspiriert“ wurden. +In der Tschechoslowakei schritt die Demokratisierung eines Ostblocklandes im hoffnungsvollen „Prager Frühling“ am weitesten voran. Die [[Avantgarde]] der prager [[Reformer]] setzte sich aus Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Studenten, Wissenschaftlern und Gemaßregelten des Novotny-Regimes zusammen. Im Oktober 1967 wurden um bessere Beleuchtung in ihren Wohnheimen demonstrierende Studenten noch zusammengeknüppelt, doch schon etwas später waren Studenten eine maßgebliche Kraft im Demokratisierungsprozeß des Landes. In den RGW-Staaten, in denen es zur [[Opposition]] kam, ging es nicht, wie im Westen, in erster Linie um einen [[Generationskonflikt]]. Der Konflikt war klar ideologisch bestimmt: Weg von der [[Diktatur]]- hin zum demokratischen Sozialismus. Als die Truppen der Warschauer Vertragsstaaten einmarschierten, war mit der nicht an westlichen Mustern orientierten Demokratisierung [[Schluß]]. Der Einmarsch von Truppen des „Warschauer Vertrages“ in der Tschechoslowakei am 20.8.1968 sollte zu der einzigen registrierten [[Reaktion]] Jugendlicher in der DDR führen: „An die hundert jungen Leute“ sind mit Flugblättern und Losungen in Weimar, Gera, Erfurt und Berlin am 21.8.1968 gegen die Invasion an die Öffentlichkeit getreten, darunter „fast durchweg Söhne und Töchter einst oder noch immer prominenter Genossen.“ (Der Spiegel, Nr. 45/1968, S. 72.) Auf den Flugblättern in Berlin stand u.a.: „[[Bürger]]-Genossen. Fremde Panzer in der CSSR dienen nur dem Klassenfeind. Denkt an das Ansehen des Sozialismus in der Welt. Fordert endlich wahrheitsgetreue Informationen. Niemand ist zu dumm, [[selbst]] zu denken.“ Sieben Teilnehmer, darunter Thomas Brasch (damals 23), [[Sohn]] eines Minister-Stellvertreters, die Havemann-Brüder (damals 16 und 19), und die Tochter des damaligen SED-Ideologen Lothar Berthold (damals 18), wurden bald darauf zwischen 15 und 27 Monaten [[Gefängnis]] verurteilt. Ausdrücklich wurde in der Presse daraufhin gewiesen, daß die Angeklagten von „Robert Havemann und Wolf Biermann systematisch inspiriert“ wurden. 
 Für eine organisierte „Bewegung“ war in der DDR aufgrund der strengen offiziellen und inoffiziellen Verhaltensbestimmungen keinerlei Grundlage vorhanden. In der ganzen [[Republik]] wurde nach „politischer Konterbande“ gefahndet, und sobald man meinte, fündig geworden zu sein, der Verdächtige diszipliniert. In der Literatur der DDR spiegelte sich die Niederschlagung des Prager Modells des „menschlichen Sozialismus“ nicht wider, auch wenn Gerhard Wolf (Ehemann von Christa Wolf) 1993 im Interview behauptet: „In ’68 waren wir mehr verwickelt, als man das weiß und glauben will. [] die Staatssicherheit hat die wichtigsten Dinge nicht gewußt.“ Für eine organisierte „Bewegung“ war in der DDR aufgrund der strengen offiziellen und inoffiziellen Verhaltensbestimmungen keinerlei Grundlage vorhanden. In der ganzen [[Republik]] wurde nach „politischer Konterbande“ gefahndet, und sobald man meinte, fündig geworden zu sein, der Verdächtige diszipliniert. In der Literatur der DDR spiegelte sich die Niederschlagung des Prager Modells des „menschlichen Sozialismus“ nicht wider, auch wenn Gerhard Wolf (Ehemann von Christa Wolf) 1993 im Interview behauptet: „In ’68 waren wir mehr verwickelt, als man das weiß und glauben will. [] die Staatssicherheit hat die wichtigsten Dinge nicht gewußt.“
  
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 Der ichbesessene und neurotisch angstbestimmte moderne [[Mensch]], um den es in „Die Hypochonder“ geht, erstmalig seit geraumer Zeit in deutscher Literatur wieder eingeführt, war für das Publikum und die Kritik gleichermaßen gewöhnungsbedürftig. Mit diesem Stück führte Strauß sein Thema ein: Innenwelt und Entfremdung. Beide Inszenierungen kamen zusammen auf 49 Vorstellungen mit 14.000 Zuschauern.\\ Der ichbesessene und neurotisch angstbestimmte moderne [[Mensch]], um den es in „Die Hypochonder“ geht, erstmalig seit geraumer Zeit in deutscher Literatur wieder eingeführt, war für das Publikum und die Kritik gleichermaßen gewöhnungsbedürftig. Mit diesem Stück führte Strauß sein Thema ein: Innenwelt und Entfremdung. Beide Inszenierungen kamen zusammen auf 49 Vorstellungen mit 14.000 Zuschauern.\\
 In //Die Zeit// wird Strauß schon im ersten Satz gelobt: „Wo er hinlangt, wächst [[Gras]].“ Diese zwei Erzählungen Strauß', „vibrierend vor einer aus Erkenntnissen der [[Psychoanalyse]], den Traumerzählungen der Schwarzen Romantik, den Erfindungen des Surrealismus [] stammen aus dem literarischen Umfeld der Hypochonder.“ Erstmalig wird auf das verwiesen, was erst später als „Neue Subjektivität“ in die Terminologie der Literaturwissenschaft Eingang finden sollte: „Zu entdecken ist [] ein Erzähler, der für Empfindungen der Liebe Bilder einer Eindringlichkeit findet, wie sie in zeitgenössischer Literatur ungewöhnlich sind [].“\\ In //Die Zeit// wird Strauß schon im ersten Satz gelobt: „Wo er hinlangt, wächst [[Gras]].“ Diese zwei Erzählungen Strauß', „vibrierend vor einer aus Erkenntnissen der [[Psychoanalyse]], den Traumerzählungen der Schwarzen Romantik, den Erfindungen des Surrealismus [] stammen aus dem literarischen Umfeld der Hypochonder.“ Erstmalig wird auf das verwiesen, was erst später als „Neue Subjektivität“ in die Terminologie der Literaturwissenschaft Eingang finden sollte: „Zu entdecken ist [] ein Erzähler, der für Empfindungen der Liebe Bilder einer Eindringlichkeit findet, wie sie in zeitgenössischer Literatur ungewöhnlich sind [].“\\
-Im Juli 1975 wird Strauß im //Merkur//, der Kulturzeitschrift des renommierten Klettverlags, „als Erzähler“ vorgestellt. Dort gibt es für seine bisherigen zwei Theaterstücke mäßigen Tadel: „Er (verschlüsselt) die gesellschaftliche Realität so rigoros, daß es schon eines beträchtlichen Wohlwollens bedarf, um sie darin [in seinen Stücken, Anm. d. Verf.] überhaupt noch als solche wahrzunehmen.“ Blöcker geht auch auf seine Essays „ANSCHAUUNG“ und „Versuch“ ein (ohne sie explizit zu nennen), und wirft Strauß vor, das von ihm „polemisierte“ „erträgliche Gleichgewicht“ von politischer Aufklärung und ästhetischer Wirklichkeit, das Strauß in seinen Essays von der Bühne fordert, nun selbst „in Gefahr“ zu bringen- von der ästhetischen Seite her. Strauß' bisheriges Hauptthema wird an dieser Stelle in der Literatur erstmalig benannt: „Es heißt: Krise der Identität“. Eine politische Position für Strauß wird in diesem Aufsatz auch gefunden: Strauß reproduziert mit „Marlenes Schwester“ „ein Stück [[Tristan]]-Romantik, das nur schwer mit dem in Einklang zu bringen ist, was man aus den Experimentiertstuben engagierter Linker gemeinhin zu [[hören]] bekommt.“ Für den [[Stil]] seiner zwei Erzählungen gibt es viel Lob, es wird ihm eine „pointillistische“ und „aperçuhafte“ [[Erzählweise]] attestiert.+Im Juli 1975 wird Strauß im //Merkur//, der Kulturzeitschrift des renommierten Klettverlags, „als Erzähler“ vorgestellt. Dort gibt es für seine bisherigen zwei Theaterstücke mäßigen [[Tadel]]: „Er (verschlüsselt) die gesellschaftliche Realität so rigoros, daß es schon eines beträchtlichen Wohlwollens bedarf, um sie darin [in seinen Stücken, Anm. d. Verf.] überhaupt noch als solche wahrzunehmen.“ Blöcker geht auch auf seine Essays „ANSCHAUUNG“ und „Versuch“ ein (ohne sie explizit zu nennen), und wirft Strauß vor, das von ihm „polemisierte“ „erträgliche Gleichgewicht“ von politischer Aufklärung und ästhetischer Wirklichkeit, das Strauß in seinen Essays von der Bühne fordert, nun selbst „in Gefahr“ zu bringen- von der ästhetischen Seite her. Strauß' bisheriges Hauptthema wird an dieser Stelle in der Literatur erstmalig benannt: „Es heißt: Krise der Identität“. Eine politische Position für Strauß wird in diesem Aufsatz auch gefunden: Strauß reproduziert mit „Marlenes Schwester“ „ein Stück [[Tristan]]-Romantik, das nur schwer mit dem in Einklang zu bringen ist, was man aus den Experimentiertstuben engagierter Linker gemeinhin zu [[hören]] bekommt.“ Für den [[Stil]] seiner zwei Erzählungen gibt es viel Lob, es wird ihm eine „pointillistische“ und „aperçuhafte“ [[Erzählweise]] attestiert.
  
 //Theater heute// druckte im Jahressonderheft 1974 vorab das Stück ab und verlieh ihm zusammen mit dem Hannoverschen Künstlerverein den Hannoverschen Dramatikerpreis. Uraufführung des als [[Komödie]] bezeichneten Stückes war am 02.09.1975 in Stuttgart. Auch hier überwiegen Verrisse für Stück und Autor. Es gab, so Georg Hensel in der FAZ, „Gelächter und gelangweilte Gesichter, Beifall und Buh“. Desgleichen wird Strauß' bisherige Arbeit vorgestellt und er selbst gelobt: „Daß Botho Strauß ein unendlich feinfühliger Mensch ist, haben die //Theater heute//-Leser von 1967 bis 1970 seinen Kritiken entnehmen können. [] Ohne Strauß wäre die Schaubühne nicht das, was sie ist.“ Strauß wird von Hensel als „neuer [[Romantiker]], wenn auch ein schwarzer“, dessen „Mythologie tief im Privaten (steckt) und nach verwandten Seelen (ruft)“ bezeichnet. //Theater heute// druckte im Jahressonderheft 1974 vorab das Stück ab und verlieh ihm zusammen mit dem Hannoverschen Künstlerverein den Hannoverschen Dramatikerpreis. Uraufführung des als [[Komödie]] bezeichneten Stückes war am 02.09.1975 in Stuttgart. Auch hier überwiegen Verrisse für Stück und Autor. Es gab, so Georg Hensel in der FAZ, „Gelächter und gelangweilte Gesichter, Beifall und Buh“. Desgleichen wird Strauß' bisherige Arbeit vorgestellt und er selbst gelobt: „Daß Botho Strauß ein unendlich feinfühliger Mensch ist, haben die //Theater heute//-Leser von 1967 bis 1970 seinen Kritiken entnehmen können. [] Ohne Strauß wäre die Schaubühne nicht das, was sie ist.“ Strauß wird von Hensel als „neuer [[Romantiker]], wenn auch ein schwarzer“, dessen „Mythologie tief im Privaten (steckt) und nach verwandten Seelen (ruft)“ bezeichnet.
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