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tragoedie

TRAGÖDIE

Grundfrage: Wer ist der MENSCH?
- seit SHAKESPEARE wird der geschichtlich handelnde Mensch durch die im Inneren wütenden Mächte zerstört
- soll unsere Leidenschaften durch das Mitleiden reinigen (ARISTOTELES) – GEGENSATZ zu LESSING
- ihr URSPRUNG lag in dem VERLANGEN eines Arztes, der ORDNUNG für die wilde dionysische Selbstentäußerung forderte (BAHR)
- kein Gesang, sondern vor dem Altar des DIONYSOS sich ereignender Vorgang: eine heilige HANDLUNG, die sich auf dem BODEN der WIRKLICHKEIT vollzieht
- Wirklichkeit und KULT: Geschichtliches
- das Ende der dämonischen EXISTENZ des Heros (BAEUMLER)
- GNADE ist das Herzstück jeder Tragödie (Clarke)
- Lied aus dem Anlaß des Bockes, der Dionysos leidend bei der Opferung vertrat
- Bestandteil ist das verinnerlichte Freiheitsgefühl, der innere ZUSAMMENHANG im UNTERGANG (HERDER)
- ist immer im Recht, immer ins Künftige gewendet und wer Tragödien nicht vorwegnimmt, verfehlt die WIRKLICHKEIT (HÖLDERLIN)
- Nachahmung von Handlung von würdig bedeutendem Inhalt, die vermittels Mitleid und FURCHT die Reinigung derartiger Leidenschaften hervorbringt und zu einer freien BEWEGUNG großer Leidenschaften befähigt, d.i. das PRINZIP der POESIE, das Prinzip der großen SEELE
- Streben nach moralischer WIRKUNG und Bürgerlichkeit (Lessing)
- Nachahmung einer zum Mitleiden führenden Handlung
- allein die Erregung des Mitleids ist ZWECK der Tragödie → Gegensatz zu Aristoteles, der das Mitleid als Bedingung für die KATHARSIS begriff
- Vernunftfreiheit des sittlichen Geistes gebend (Lust) - die kühnste und tiefste ANSCHAUUNG dessen, was es im menschlichen Leben an Dunkelstem und Verhängnisvollstem gibt (MERESCHKOWSKI)
- in der Tragödie ist ein starker Gegensatz von NATUR- und Gesetzesregel
- Unsere Tragödie hat mit der Ohnmacht, der Schlaffheit, der Charakterlosigkeit des Zeitgeistes und mit einer gemeinen Denkart zu kämpfen, sie muß also KRAFT und CHARAKTER zeigen, sie muß das GEMÜT zu erschüttern, zu erheben, aber nicht aufzulösen suchen. (SCHILLER)
- beim späten Schiller wird das Tragische im AKT des Glaubens und der Tat überwunden

griechische Tragödie

- es gibt keinen Wertekonflikt → der ist Kennzeichen der modernen Tragödie
- es gilt das - obgleich rätselhafte - VERHÄLTNIS zwischen GOTT und dem Menschen, das den Menschen in den ABGRUND führt → Selbstentzweiung mit Gott
- der Mensch ist mythisch leidend, denn die Mächte zerstören von außen;

- es gibt keine Tageszeit, keine Jahreszeit, keine Witterung, keine LANDSCHAFT, überhaupt kein Hier: das ist die berühmte Einheit des Orts
- die Einheit der Zeit besteht darin, daß das seelische Leben keine Entwicklung, keine Akte und Zwischenakte hat
- der Grieche brauchte keinen Beleuchtungswechsel, denn im griechischen Drama herrscht die ewig gleiche Sonne Homers (Friedell)
- ihre Quelle ist der Kampf zwischen altadeliger Ethik und plutokratischem Gewinnsuchtstreben der städtischen Händler und Unternehmer
- sie verdankt ihren Ursprung der Konfrontierung des Chorführers mit dem Chor und der Umwandlung der kollektiven Form des Chorgesanges in die dialogische Form des Dramas - also wesentlich individualistischen Motiven; ihre Wirkung setzt aber andererseits ein starkes Gemeinschaftsgefühl, eine weitgehende Nivellierung verhältnismäßig breiter Schichten voraus und kann in ihrer wahren Gestalt nur als Massenerlebnis zustandekommen (Hauser)
- stand jenseits des Dilemmas von Lebensnähe oder Abstraktion, weil für sie die Fülle keine Frage der Annäherung an das Leben beziehungsweise Unmittelbarkeit war (LUKACS)
- zentrales PROBLEM der WELTGESCHICHTE, weil an den MYTHOS gebunden (NIETZSCHE)
- ihre höchste SITTLICHKEIT liegt in der Anerkennung der Schranken und der Begrenzung des Menschseins (SCHELLING)
- demütigend und kränkend für freie Menschen, wenn der Mensch dem SCHICKSAL blind ausgeliefert erscheint; der freie Mensch aber muß den einzelnen Mißlaut in der großen HARMONIE aufzulösen sich bemühen (Schiller)

Lust der Tragödie

- Vernunftfreiheit des sittlichen Geistes gebend
- scharfer Gegensatz von Natur und moralischer Gesetzesregel → das sittliche URTEILEN weiß nichts von ZEIT und RAUM, das wirklich Tragische auch nicht

Paradoxon

- wenn der HELD als unvergleichlicher Gott sehen will und das All-Eine widerlegt/zerlegt ins NICHTS, dem er plötzlich gegenübersteht

moderne deutsche Tragödie

- setzt die Säkularisation religiöser Werte voraus, weil im Mittelpunkt die sittliche Entwicklung des im Leben stehenden Menschen steht → ironischerweise wird diese EXISTENZ ins Fragliche hineingerissen, um dann doch aus einer INNERLICHKEIT heraus am christlichen Gedanken einer THEODICEE festzuhalten, d.i. eine übertragene sittliche IDEE, die das Irdische überschreiten soll
- die Geschichte gefährdet den Menschen, so daß der einzelne seine Existenz nur noch scheiternd wahrnimmt/ergreift → führt mitunter zu pathologischen Exzessen

tragoedie.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/18 16:53 von Robert-Christian Knorr