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vergangenheit

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vergangenheit [2016/10/10 17:27] Robert-Christian Knorrvergangenheit [2023/10/28 08:53] (aktuell) – [VERGANGENHEIT] Robert-Christian Knorr
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   * motorische Mechanismen   * motorische Mechanismen
   * unabhängige [[Erinnerung#Erinnerungen]] ([[Bergson]])   * unabhängige [[Erinnerung#Erinnerungen]] ([[Bergson]])
 +- ein Leichnam ([[Croce]])\\
 - die [[Liebe]] zu Vergangenem entspricht Erleiden, nicht Tun (Dierks)\\ - die [[Liebe]] zu Vergangenem entspricht Erleiden, nicht Tun (Dierks)\\
 - soziale Konstruktion (Halbwachs)\\ - soziale Konstruktion (Halbwachs)\\
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 - Wir schauen Totgeglaubtes an, und siehe: Es lebt! Es gibt da keinen [[Tod]], wenn wir ihn nicht wahrhaben wollen. Menschen unserer [[Liebe]] sterben nur, wenn wir sie vergessen, wenn wir sie nicht mehr anschauen in Momenten des größten Glücks oder der größten [[Trauer]], wenn wir nicht mehr mit ihnen sprechen, wenn sie sprachlos geworden. Das ist die ewige [[Kraft]] der Liebe, sie ist der Anfang von allem Menschlichen, von allen Wünschen, mit anderen Menschen zusammenzuleben. Liebe.\\ - Wir schauen Totgeglaubtes an, und siehe: Es lebt! Es gibt da keinen [[Tod]], wenn wir ihn nicht wahrhaben wollen. Menschen unserer [[Liebe]] sterben nur, wenn wir sie vergessen, wenn wir sie nicht mehr anschauen in Momenten des größten Glücks oder der größten [[Trauer]], wenn wir nicht mehr mit ihnen sprechen, wenn sie sprachlos geworden. Das ist die ewige [[Kraft]] der Liebe, sie ist der Anfang von allem Menschlichen, von allen Wünschen, mit anderen Menschen zusammenzuleben. Liebe.\\
 In unserer Ethik gibt es Fragen. Sie ist auf dem Weg. So stellen sich Fragen: Welche Werte sind die wichtigsten, gibt es Reihungen, Stufen der Werte, wenn ja, welche? Setzt sich der einzelne die Wertstufen selbst? Kann der Mensch das Werten unterlassen und sich nur am Anblick des Schönen und Wertvollen erfreuen, wohl wissend, daß [[Anschauung]] bereits Quell seiner Freiheit ist? Gibt es Grade der Freiheit? Grade des Schönen?\\ In unserer Ethik gibt es Fragen. Sie ist auf dem Weg. So stellen sich Fragen: Welche Werte sind die wichtigsten, gibt es Reihungen, Stufen der Werte, wenn ja, welche? Setzt sich der einzelne die Wertstufen selbst? Kann der Mensch das Werten unterlassen und sich nur am Anblick des Schönen und Wertvollen erfreuen, wohl wissend, daß [[Anschauung]] bereits Quell seiner Freiheit ist? Gibt es Grade der Freiheit? Grade des Schönen?\\
-Fragwürdig ist eine nationale Ethik! Der Mensch kann in einem nur nationellen Rahmen nicht dauerhaft ethisch-politisch handeln, denn dies würde ihm von außen einem Zweck unterwerfen, der sich nicht mit den Bildern vereinbaren ließe. Der Mensch als Wesen muß also jenseits solcher „Phantasmagorien“ wie [[Nation]] oder [[Rasse]] stehen. - In dieser Frage aber besteht noch Forschungsbedarf. (Knorr)\\+Fragwürdig ist eine nationale Ethik! Der Mensch kann in einem nur [[nationell|nationellen]] Rahmen nicht dauerhaft ethisch-politisch handeln, denn dies würde ihm von außen einem Zweck unterwerfen, der sich nicht mit den Bildern vereinbaren ließe. Der Mensch als Wesen muß also jenseits solcher „Phantasmagorien“ wie [[Nation]] oder [[Rasse]] stehen. - In dieser Frage aber besteht noch Forschungsbedarf. (Knorr)\\
 - Es gibt keine Vergangenheit. Alles ist immer in uns und kann zu jeder Stunde wieder auferstehen. (Thieß) - Es gibt keine Vergangenheit. Alles ist immer in uns und kann zu jeder Stunde wieder auferstehen. (Thieß)
  
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 Morgen.  Edgar schlug die Augen auf, kramte in seinem müden Hirn, was heute auf ihn wartete, und beschloß, liegen zu bleiben.  Das tat er oft, vielleicht zu oft.   Morgen.  Edgar schlug die Augen auf, kramte in seinem müden Hirn, was heute auf ihn wartete, und beschloß, liegen zu bleiben.  Das tat er oft, vielleicht zu oft.  
 Die Stadt, in der er lebte, stand beizeiten auf und ging auch zeitig schlafen.  Die Zeit floß im [[Rhythmus]] und ließ Spielräume; die Menschen jedoch behaupteten häufig, sie hätten keine [[Zeit]].  Derweil meinten die Einheimischen damit das Nichtzuhandene einer wesend-gegenwärtigenden Zukunft und verwechselten das vulgäre Nacheinander herkömmlichen Zeitempfindens mit dem ihnen innewohnenden nichtvulgären Vertrautsein in dem ewigen Fließen alles Gewesen-Gewordenen.  Es ist wohl einfacher zu sagen, man habe keine Zeit.  Das ist zeitgemäß! \\ Die Stadt, in der er lebte, stand beizeiten auf und ging auch zeitig schlafen.  Die Zeit floß im [[Rhythmus]] und ließ Spielräume; die Menschen jedoch behaupteten häufig, sie hätten keine [[Zeit]].  Derweil meinten die Einheimischen damit das Nichtzuhandene einer wesend-gegenwärtigenden Zukunft und verwechselten das vulgäre Nacheinander herkömmlichen Zeitempfindens mit dem ihnen innewohnenden nichtvulgären Vertrautsein in dem ewigen Fließen alles Gewesen-Gewordenen.  Es ist wohl einfacher zu sagen, man habe keine Zeit.  Das ist zeitgemäß! \\
-Eine gewisse Stumpfheit, diese degenerierte Gleichgültigkeit im warmherzig-volkstümlichen Gewande erzogenen Kleinbürgertums, ließ Neuankömmlinge zu der Ansicht kommen, daß man hier gut aufgenommen würde.  Das stimmte nicht.  Man wurde überhaupt nicht aufgenommen!  Der optimistische Neuankömmling verwechselte nämlich Toleranz mit Gleichgültigkeit.  Kratzte er nach einigen Irritationen an der Oberfläche seines vorschnell gefaßten Meinungsbildes, so barst die äußerliche Höflichkeit des dressierten Kleinbürgers; zutage trat das spießige Naturell des Provinzlers, der nur in Ruhe gelassen werden möchte.  Dennoch unterschied sich die [[Stadt]] von vielen anderen durch die aus der Vergangenheit in die [[Gegenwart]] hineinreichende Bedeutung ihrer Universität.  Manche behaupteten, die Stadt wäre nichts ohne die Universität, die wiederum könnte aber ohne die Stadt sein.  Stadt und Universität aber überdauerten einander seit langer Zeit.  Die Stadt wuchs, die [[Universität]] entwuchs allen Veränderungen.  Auch die schrecklichsten Zeiten maß man leidvoll aneinander; man rechnete gegenseitig auf und überdauerte jede Veränderung, Veränderungen durch innere oder äußere Einflüsse, Veränderungen durch friedliche und kriegerische Destruktoren.  \\ +Eine gewisse Stumpfheit, diese degenerierte Gleichgültigkeit im warmherzig-volkstümlichen Gewande erzogenen Kleinbürgertums, ließ Neuankömmlinge zu der Ansicht kommen, daß man hier gut aufgenommen würde.  Das stimmte nicht.  Man wurde überhaupt nicht aufgenommen!  Der optimistische Neuankömmling verwechselte nämlich Toleranz mit Gleichgültigkeit.  Kratzte er nach einigen Irritationen an der Oberfläche seines vorschnell gefaßten Meinungsbildes, so barst die äußerliche [[Höflichkeit]] des dressierten Kleinbürgers; zutage trat das spießige Naturell des Provinzlers, der nur in Ruhe gelassen werden möchte.  Dennoch unterschied sich die [[Stadt]] von vielen anderen durch die aus der Vergangenheit in die [[Gegenwart]] hineinreichende Bedeutung ihrer Universität.  Manche behaupteten, die Stadt wäre nichts ohne die Universität, die wiederum könnte aber ohne die Stadt sein.  Stadt und Universität aber überdauerten einander seit langer Zeit.  Die Stadt wuchs, die [[Universität]] entwuchs allen Veränderungen.  Auch die schrecklichsten Zeiten maß man leidvoll aneinander; man rechnete gegenseitig auf und überdauerte jede Veränderung, Veränderungen durch innere oder äußere Einflüsse, Veränderungen durch friedliche und kriegerische Destruktoren.  \\ 
-<html><img src="http://www.vonwolkenstein.de/texte/herbstzeitlos/herbstzeitlos_baumbild.jpg" width="370" height="480" border="4" align="left" style="margin-right:5mm" alt="Edgar unter seinem Baum"></html>Ach, der letzte [[Krieg]]: Er lastete wie ein ewiges Verhängnis über der Stadt, ja, dem ganzen Land.  Die Gründe, die das Land in den Krieg trieben, waren nach dem bewaffneten Konflikt nicht wieder [[Sprache]] geworden; ersatzweise wurde der weltweit einzigartige Charakter der Landeskinder deformiert und dem der Triumphatoren angepaßt, worin Sieger und der Großteil der Besiegten allgemein die Lehre aus der Geschichte sahen.  Die Tat der Verstümmelung entsprach vollkommen dem Charakter der zivilisierteren Sieger, die mit den Besiegten dasselbe taten, was schon immer ihrem Naturell entsprach: Schwächere dem eigenen [[Charakter]] annähern und so von vornherein den Keim der Auflehnung als bestenfalls rebellischen artifizieren, als Auflehnung gegen sich [[selbst]]!  Das betrieben die Sieger mit den Ureinwohnern ihres Kontinents wie auch mit aufsässigen Secessionisten.  Im Ergebnis dieser Fehlentwicklungen liegt ein erneuter Krieg, worauf man vor allem im Ausland bei Gelegenheit vorwurfsvoll die dann über sich selbst erschrockenen Landeskinder aufmerksam zu machen wußte.  Diese nahmen den Fingerzeig an, denn die Siegermächte hatten das besiegte Land umgekrempelt.  Die Sieger stülpten dem Land eine Gesellschaftsform über, von der sie borniert glaubten, daß diese die einzig glücklich machende sei, und erhielten extra- und intraordinierende Hilfe.  Die Selbstverleugnung lag im Naturell der Landeskinder, zudem waren die Siegerideen gerade weltweit in Mode, und es war die Angst vor dem niedergeworfenen Gegner immer noch so groß, daß man ihn mit dem eigenen [[Geist]] so tief affizieren mußte, bis man glauben konnte, den letzten Widerstand schon im Keimstadium zu erkennen.  \\+{{ :herbstzeitlos_baumbild.jpg?400|}}Ach, der letzte [[Krieg]]: Er lastete wie ein ewiges Verhängnis über der Stadt, ja, dem ganzen Land.  Die Gründe, die das Land in den Krieg trieben, waren nach dem bewaffneten Konflikt nicht wieder [[Sprache]] geworden; ersatzweise wurde der weltweit einzigartige Charakter der Landeskinder deformiert und dem der Triumphatoren angepaßt, worin Sieger und der Großteil der Besiegten allgemein die Lehre aus der Geschichte sahen.  Die Tat der Verstümmelung entsprach vollkommen dem Charakter der zivilisierteren Sieger, die mit den Besiegten dasselbe taten, was schon immer ihrem Naturell entsprach: Schwächere dem eigenen [[Charakter]] annähern und so von vornherein den Keim der Auflehnung als bestenfalls rebellischen artifizieren, als Auflehnung gegen sich [[selbst]]!  Das betrieben die Sieger mit den Ureinwohnern ihres Kontinents wie auch mit aufsässigen Secessionisten.  Im Ergebnis dieser Fehlentwicklungen liegt ein erneuter Krieg, worauf man vor allem im Ausland bei Gelegenheit vorwurfsvoll die dann über sich selbst erschrockenen Landeskinder aufmerksam zu machen wußte.  Diese nahmen den Fingerzeig an, denn die Siegermächte hatten das besiegte Land umgekrempelt.  Die Sieger stülpten dem Land eine Gesellschaftsform über, von der sie borniert glaubten, daß diese die einzig glücklich machende sei, und erhielten extra- und intraordinierende Hilfe.  Die Selbstverleugnung lag im Naturell der Landeskinder, zudem waren die Siegerideen gerade weltweit in Mode, und es war die Angst vor dem niedergeworfenen Gegner immer noch so groß, daß man ihn mit dem eigenen [[Geist]] so tief affizieren mußte, bis man glauben konnte, den letzten Widerstand schon im Keimstadium zu erkennen.  \\
 Doch seien hier einige Wort der Kritik an der Machtentfaltung der Starken angebracht: \\ Doch seien hier einige Wort der Kritik an der Machtentfaltung der Starken angebracht: \\
 **These**: Manch Starker dünkt sich, [[Gott]] als von seinen Gnaden auferstanden zu denken! \\ **These**: Manch Starker dünkt sich, [[Gott]] als von seinen Gnaden auferstanden zu denken! \\
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 **Begründung des Einwandes**: Ein [[Subjekt]] erkennt ein [[Objekt]] und das verstandesgemäß, was bedeutet, daß es nicht mit dem Erkennenden identisch sein kann. - Einzige Identität ist möglich über das Versenktsein in den einen Gott, doch dies berührt andere Fragen als politische.\\ **Begründung des Einwandes**: Ein [[Subjekt]] erkennt ein [[Objekt]] und das verstandesgemäß, was bedeutet, daß es nicht mit dem Erkennenden identisch sein kann. - Einzige Identität ist möglich über das Versenktsein in den einen Gott, doch dies berührt andere Fragen als politische.\\
 Der Starke begreift sich als einzig Erkennenden des Außen und ordnet demgemäß die Umwelt dem eigenen Willen unter.  So bildet sich nach Kämpfen der Schwache, der Schwächere heraus.  Stark drückt somit ein Verhältnis aus: Der Starke benötigt Distanz gegenüber den Schwachen.  Die schafft er sich über Definitionen des Guten, Wertvollen; Dinge, an die Schwache sich klammern können und über Gesetze einzuklagen glauben.  Wir sehen, daß das Recht hierin Funktion besitzt, Funktion zwar, aber der Starke setzt sich über das [[Recht]] hinweg, das zeichnet ihn aus.  (Der Zyniker meint hier: das zeichnet es aus.) Der Starke begreift sich als einzig Erkennenden des Außen und ordnet demgemäß die Umwelt dem eigenen Willen unter.  So bildet sich nach Kämpfen der Schwache, der Schwächere heraus.  Stark drückt somit ein Verhältnis aus: Der Starke benötigt Distanz gegenüber den Schwachen.  Die schafft er sich über Definitionen des Guten, Wertvollen; Dinge, an die Schwache sich klammern können und über Gesetze einzuklagen glauben.  Wir sehen, daß das Recht hierin Funktion besitzt, Funktion zwar, aber der Starke setzt sich über das [[Recht]] hinweg, das zeichnet ihn aus.  (Der Zyniker meint hier: das zeichnet es aus.)
-Die Politik der Gleichmacherei stäupte den besonderen Menschentypus des Landes - manche Dichter behaupteten, daß nur gegen diesen Menschentyp die verheerenden Kriege geführt wurden! - in die Selbstherrlichkeit eines eingeführten Gemeinwesens.  Ein importiertes Recht war es, was den Gerechtigkeitssinn von Jahrhunderten aushöhlte, aber der Import war sehr vernünftig und traf sich mit dem politischen [[Begriff]] des Rechtmäßigen.  Und siehe: Die [[Politik]] verkleinerte das Land der Renitenten vergangener Zeitalter erst wirklich auf das Mindestmaß kontinentalen Ausgleichs der Machtsphären, drängte alles in jenes dumpfe Mittelmaß, das als [[Moral]] aus der [[Geschichte]] täglich in den Medien beschworen wurde.  Demgemäß wäre es mit Wunderdingen zugegangen, wenn dieser Verlust der nationalen Unabhängigkeit nicht mit einem Absinken des öffentlichen Geistes und einem Überwuchern der Privatinteressen verbunden gewesen wäre.  Die Sieger subsumierten historische Entwicklungslinien unter ferner liefen, begriffen solche alten Kamellen nicht, oder aber sie stellten diese gewinnbringend in den Kanon ihrer utilitaristischen Philosophie!\\+Die Politik der Gleichmacherei stäupte den besonderen Menschentypus des Landes - manche Dichter behaupteten, daß nur gegen diesen Menschentyp die verheerenden Kriege geführt wurden! - in die Selbstherrlichkeit eines eingeführten Gemeinwesens.  Ein importiertes Recht war es, was den Gerechtigkeitssinn von Jahrhunderten aushöhlte, aber der Import war sehr [[vernünftig]] und traf sich mit dem politischen [[Begriff]] des Rechtmäßigen.  Und siehe: Die [[Politik]] verkleinerte das Land der Renitenten vergangener Zeitalter erst wirklich auf das Mindestmaß kontinentalen Ausgleichs der Machtsphären, drängte alles in jenes dumpfe Mittelmaß, das als [[Moral]] aus der [[Geschichte]] täglich in den Medien beschworen wurde.  Demgemäß wäre es mit Wunderdingen zugegangen, wenn dieser Verlust der nationalen Unabhängigkeit nicht mit einem Absinken des öffentlichen Geistes und einem Überwuchern der Privatinteressen verbunden gewesen wäre.  Die Sieger subsumierten historische Entwicklungslinien unter ferner liefen, begriffen solche alten Kamellen nicht, oder aber sie stellten diese gewinnbringend in den Kanon ihrer utilitaristischen Philosophie!\\
 Je länger man aber trotzigerweise darüber nachdenkt, um so klarer dürfte es werden, daß einst die Schwachen die Starken sein müssen, daß es Spiel geben muß, wobei fraglich ist, ob eine daraus folgende Umwertung der Werte die Frage der Schuldzuweisung neu bestimmte oder eben nicht!?  Vielleicht gab es in einer Frage keine andere Antwort als die eine, daß man nämlich doch schuldhaft in den Jahrhundertkrieg geraten war, weil Städte wie die eigene keine geistige Heimat mehr schufen, die sich verengende Enge ignoranter Intoleranz keine Athmosphäre für Not wendenden geistigen Austausch bot, sich deshalb das Man selbst die Herrschaft usurpierte und befahl, was es dem unpersönlichen Es der Vielen zu befehlen galt...  Dieser [[Hitler#H.]] war kein [[Mensch]]; er war ein Anonymon!  Je länger man aber trotzigerweise darüber nachdenkt, um so klarer dürfte es werden, daß einst die Schwachen die Starken sein müssen, daß es Spiel geben muß, wobei fraglich ist, ob eine daraus folgende Umwertung der Werte die Frage der Schuldzuweisung neu bestimmte oder eben nicht!?  Vielleicht gab es in einer Frage keine andere Antwort als die eine, daß man nämlich doch schuldhaft in den Jahrhundertkrieg geraten war, weil Städte wie die eigene keine geistige Heimat mehr schufen, die sich verengende Enge ignoranter Intoleranz keine Athmosphäre für Not wendenden geistigen Austausch bot, sich deshalb das Man selbst die Herrschaft usurpierte und befahl, was es dem unpersönlichen Es der Vielen zu befehlen galt...  Dieser [[Hitler#H.]] war kein [[Mensch]]; er war ein Anonymon! 
 Die Sieger des letzten Krieges schrieben die Kräfteverhältnisse für offenbar unbestimmbare Zeit fest, so schien es, und Entwicklung blieb in engen Bahnen befangen.  Die tieferen Gründe des Wandels von vormals geistiger Höhe zu geistlosem Festhalten an politisch grundierten Lehrmeinungen zu erforschen, wäre ein sicherlich lohnenswertes Ziel an der Universität gewesen.  Aber die Forschung konzentrierte sich insbesondere auf naturwissenschaftliche Gebiete, forcierte diese gegenüber den Geisteswissenschaften, deren führende Köpfe sich darin gefielen, personengebundene strukturalistische Nützlichkeitsfragen zu erörtern oder Anteil zu nehmen am Lebensgang bislang unbeachtet gebliebener zweitrangiger Landeskinder der ferneren Vergangenheit.  Die entscheidenden Stellen bei der Vergabe von Forschungsgeldern befriedigten somit persönliche Ambitionen, derweil verlor allgemeininteressierende Fragen aus dem Blick verloren wurden.  In die Geisteswissenschaften war ein Virus namens// correctio vitiosa// eingedrungen und befiel schon jahrzehntelang ungestört neue Wirte.  Das Wesen des Geistes aber, frei sich den Gegenstand seiner Betrachtung zu suchen, wurde durch die willfährige Gewährung egomanischer Intentionen elementar pervertiert, denn eine Festlegung war allen Überlegungen, allen Absichten der einheimischen Denker durch die Sieger propädeutet, daß es nämlich in jedem anderen gesellschaftlichen System für sie nichts zu gewinnen gäbe.  Und somit stand der politischen Herrschaftsform des Geldes, in der die thematisierten Landeskinder nunmehr leben mußten, die Forderung des Denkens nach Freiheit gegenüber.  \\ Die Sieger des letzten Krieges schrieben die Kräfteverhältnisse für offenbar unbestimmbare Zeit fest, so schien es, und Entwicklung blieb in engen Bahnen befangen.  Die tieferen Gründe des Wandels von vormals geistiger Höhe zu geistlosem Festhalten an politisch grundierten Lehrmeinungen zu erforschen, wäre ein sicherlich lohnenswertes Ziel an der Universität gewesen.  Aber die Forschung konzentrierte sich insbesondere auf naturwissenschaftliche Gebiete, forcierte diese gegenüber den Geisteswissenschaften, deren führende Köpfe sich darin gefielen, personengebundene strukturalistische Nützlichkeitsfragen zu erörtern oder Anteil zu nehmen am Lebensgang bislang unbeachtet gebliebener zweitrangiger Landeskinder der ferneren Vergangenheit.  Die entscheidenden Stellen bei der Vergabe von Forschungsgeldern befriedigten somit persönliche Ambitionen, derweil verlor allgemeininteressierende Fragen aus dem Blick verloren wurden.  In die Geisteswissenschaften war ein Virus namens// correctio vitiosa// eingedrungen und befiel schon jahrzehntelang ungestört neue Wirte.  Das Wesen des Geistes aber, frei sich den Gegenstand seiner Betrachtung zu suchen, wurde durch die willfährige Gewährung egomanischer Intentionen elementar pervertiert, denn eine Festlegung war allen Überlegungen, allen Absichten der einheimischen Denker durch die Sieger propädeutet, daß es nämlich in jedem anderen gesellschaftlichen System für sie nichts zu gewinnen gäbe.  Und somit stand der politischen Herrschaftsform des Geldes, in der die thematisierten Landeskinder nunmehr leben mußten, die Forderung des Denkens nach Freiheit gegenüber.  \\
 Die Herrschenden vergaßen durch diese Vorbedingung für jeden einstellungswilligen Wissenschaftler, daß der [[Geist]] vor allem [[Freiheit]] vom Gelde benötigt, um Geist sein zu können!  Doch was verstanden die Sieger schon davon?  Hatten sie nicht Kriege auf den Weg gebracht, um diesen Geist aus der Welt zu bomben?\\ Die Herrschenden vergaßen durch diese Vorbedingung für jeden einstellungswilligen Wissenschaftler, daß der [[Geist]] vor allem [[Freiheit]] vom Gelde benötigt, um Geist sein zu können!  Doch was verstanden die Sieger schon davon?  Hatten sie nicht Kriege auf den Weg gebracht, um diesen Geist aus der Welt zu bomben?\\
-Edgar dachte oft über diese Stadt nach; sie schien ihm symptomatisch für die geistige Situation der Zeit: viel Trara gegen die Langeweile, im Zentrum Stille, Starre, Sturheit.  Das wollten sie hier nicht verstehen, daß [[Anpassung]] an die fernen und fremden Vorbilder nur deren Probleme, nicht jedoch Eigenes entfalten hülfe.  Also vergrub er sich manchen Morgen unter weichen Kissen, tauchte sich selbst in Watte.  Schließlich aber stand er doch auf.  Es war kein Herumwälzen mehr.  Vom Stuhl nahm er ein frisches Hemd, zog es über, dann erst ging er ins Bad, wusch kurz die Beine, strich mit einer Bürste durch das kurze Haar, dem nicht viele fehlten.  Am Abschluß der morgendlichen Wäsche Bildung: das war bei Edgar ganz wörtlich zu verstehen, also ein Blick in den Spiegel, ein Wiedersehen.  „Hallo, du bebrillter Affe!“ grüßte er sein Spiegelbild.  Nun, Edgar war kein Brillenträger.  Höchstwahrscheinlich war er auch nie ein Affe gewesen.  Die doppelte Verneinung ließ ihn sich selbst finden.  Irgendwie beruhigte ihn die Vorstellung, mit sich den besten Schabernack zu treiben.  Isa hatte Brote geschmiert, auch ein Stück Kuchen fand sich; der Kaffee mußte nur aufgegossen werden.\\+Edgar dachte oft über diese Stadt nach; sie schien ihm [[symptom|symptomatisch]] für die geistige Situation der Zeit: viel Trara gegen die Langeweile, im Zentrum Stille, Starre, Sturheit.  Das wollten sie hier nicht verstehen, daß [[Anpassung]] an die fernen und fremden Vorbilder nur deren Probleme, nicht jedoch Eigenes entfalten hülfe.  Also vergrub er sich manchen Morgen unter weichen Kissen, tauchte sich selbst in Watte.  Schließlich aber stand er doch auf.  Es war kein Herumwälzen mehr.  Vom Stuhl nahm er ein frisches Hemd, zog es über, dann erst ging er ins Bad, wusch kurz die Beine, strich mit einer Bürste durch das kurze Haar, dem nicht viele fehlten.  Am Abschluß der morgendlichen Wäsche Bildung: das war bei Edgar ganz wörtlich zu verstehen, also ein Blick in den Spiegel, ein Wiedersehen.  „Hallo, du bebrillter Affe!“ grüßte er sein Spiegelbild.  Nun, Edgar war kein Brillenträger.  Höchstwahrscheinlich war er auch nie ein Affe gewesen.  Die doppelte Verneinung ließ ihn sich selbst finden.  Irgendwie beruhigte ihn die Vorstellung, mit sich den besten Schabernack zu treiben.  Isa hatte Brote geschmiert, auch ein Stück Kuchen fand sich; der Kaffee mußte nur aufgegossen werden.\\
 Edgar siebte die entwässerte Luft und sah nach der Sonne.  „Spät für einen Morgen“, murmelte er.  Der Frühnebel war längst durch kräftige Sonnenstrahlen aufgelöst worden.  Das unfreundliche Bejahen mit einer kaum merklichen Kopfbewegung bestätigte einem Niemand diesen Sachverhalt.  Eigentlich schrieb er morgens an seinen Texten, doch heute mußte er hinaus: Sommer!, mußte in die umliegenden Berge, ins lebenspendende Grün.  Also streifte er abgetragene Sandalen über und machte sich auf den Weg.  Als er den Fluß durchschwamm, überlegte er, ob er sich nicht auch einmal treiben lassen könne...  Nein, angesichts der träge fließenden und zumal verdreckten Verlogenheit der Lebensader der [[Stadt]], die mit ihrem hohen Anteil an giftigen -xiden zur allgemeinen [[Trägheit]] beizutragen schien, zog er es vor, schnell hindurchzuschwimmen.  ‚Eigentlich schade, daß man den Tod fürchten muß bei diesem Wasser’, grübelte er am Ufer sitzend.  Es war das einzige Gewässer weit und breit.  \\ Edgar siebte die entwässerte Luft und sah nach der Sonne.  „Spät für einen Morgen“, murmelte er.  Der Frühnebel war längst durch kräftige Sonnenstrahlen aufgelöst worden.  Das unfreundliche Bejahen mit einer kaum merklichen Kopfbewegung bestätigte einem Niemand diesen Sachverhalt.  Eigentlich schrieb er morgens an seinen Texten, doch heute mußte er hinaus: Sommer!, mußte in die umliegenden Berge, ins lebenspendende Grün.  Also streifte er abgetragene Sandalen über und machte sich auf den Weg.  Als er den Fluß durchschwamm, überlegte er, ob er sich nicht auch einmal treiben lassen könne...  Nein, angesichts der träge fließenden und zumal verdreckten Verlogenheit der Lebensader der [[Stadt]], die mit ihrem hohen Anteil an giftigen -xiden zur allgemeinen [[Trägheit]] beizutragen schien, zog er es vor, schnell hindurchzuschwimmen.  ‚Eigentlich schade, daß man den Tod fürchten muß bei diesem Wasser’, grübelte er am Ufer sitzend.  Es war das einzige Gewässer weit und breit.  \\
 „He, haste mal ‘n Euro?“ fragte ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren mit zotteligem Spitzbart und tiefliegenden Augen.  Edgar schaute auf in ein junges und trotzig-stumpfes Gesicht mit hartem Mund und zusammengewachsenen Augenbrauen.  Es machte ihm keine Angst.  Das unausgesprochene Leid war keinem Stumpfsinn gewichen, noch nicht, eher der Vorstufe, Langeweile.  Da schoß ihm dann doch ein Gedanke durch den Kopf, der etwas wie Angst zuließ: Langeweile tötet.  Nein, das Gesicht war nichts weniger als ein Gespräch, ein sorgender, unruhiger Wunsch nach Zuwendung sprach alle Menschen stumm an.  So schien es ihm, auch jetzt.  Edgar stand auf und lächelte mit der Kraft eines [[Messias]]:\\ „He, haste mal ‘n Euro?“ fragte ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren mit zotteligem Spitzbart und tiefliegenden Augen.  Edgar schaute auf in ein junges und trotzig-stumpfes Gesicht mit hartem Mund und zusammengewachsenen Augenbrauen.  Es machte ihm keine Angst.  Das unausgesprochene Leid war keinem Stumpfsinn gewichen, noch nicht, eher der Vorstufe, Langeweile.  Da schoß ihm dann doch ein Gedanke durch den Kopf, der etwas wie Angst zuließ: Langeweile tötet.  Nein, das Gesicht war nichts weniger als ein Gespräch, ein sorgender, unruhiger Wunsch nach Zuwendung sprach alle Menschen stumm an.  So schien es ihm, auch jetzt.  Edgar stand auf und lächelte mit der Kraft eines [[Messias]]:\\
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 „Und dann?  Ist das dein Leben?“\\ „Und dann?  Ist das dein Leben?“\\
 „Keine Belehrungen! Ich bin stolz darauf, blöd zu sein“, huschten die Worte aus dem Mund des schwitzenden Punks.  \\ „Keine Belehrungen! Ich bin stolz darauf, blöd zu sein“, huschten die Worte aus dem Mund des schwitzenden Punks.  \\
-„Wie wäre es, wenn du es lernst, stolz auf dich zu sein?“ fragte Edgar mit untertönigem Sarkasmus.\\+„Wie wäre es, wenn du es lernst, stolz auf dich zu sein?“ fragte Edgar mit unterschwelligem [[Sarkasmus]].\\
 Edgar hatte ein Messer an der Kehle: \\ Edgar hatte ein Messer an der Kehle: \\
 „Keine Belehrungen!  Rück die Kohle raus, Klugscheißer!“\\ „Keine Belehrungen!  Rück die Kohle raus, Klugscheißer!“\\
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 Da seh’ ich dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst, die Hüften schwingst und die ekstasebereiten Pölsterchen unter dem engen Kleid [[Hoffnung]] spendend unserem Ziel entgegenschweben.  Oh, das ist das Schönste an diesem Gang im Walde; daß ich es ahne und will.  Leider bist du im fernen Italien, mit deinem Freund, den du zu lieben vorgibst und es vermutlich auch tust.  Deine Tränen bei unserem Abschied aber werde ich nicht vergessen und wer weiß, vielleicht versprechen sie auch etwas.\\ Da seh’ ich dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst, die Hüften schwingst und die ekstasebereiten Pölsterchen unter dem engen Kleid [[Hoffnung]] spendend unserem Ziel entgegenschweben.  Oh, das ist das Schönste an diesem Gang im Walde; daß ich es ahne und will.  Leider bist du im fernen Italien, mit deinem Freund, den du zu lieben vorgibst und es vermutlich auch tust.  Deine Tränen bei unserem Abschied aber werde ich nicht vergessen und wer weiß, vielleicht versprechen sie auch etwas.\\
 Und SCHWUPPs! bin ich in eine Pfütze getreten.  Es macht mir Spaß.  Ich gehe nicht um sie herum.  Ich bin ein Frosch, fühle mich wohl im weichen und lauwarmen Ort, den die Natur zum Wühlen mir gegeben.  Unter meinen Füßen bildet sich eine schlurfende und schlabberige Schicht, die bei jedem Auftreten ein schmatzendes Geräusch von sich gibt, so daß ich es fast schon bereue, in diesen kleinsten Morasten Abwechslung von der Hitze des Tages gesucht zu haben. - Auch jetzt noch klebt der getrocknete Waldschlamm an meinen Schenkeln.\\ Und SCHWUPPs! bin ich in eine Pfütze getreten.  Es macht mir Spaß.  Ich gehe nicht um sie herum.  Ich bin ein Frosch, fühle mich wohl im weichen und lauwarmen Ort, den die Natur zum Wühlen mir gegeben.  Unter meinen Füßen bildet sich eine schlurfende und schlabberige Schicht, die bei jedem Auftreten ein schmatzendes Geräusch von sich gibt, so daß ich es fast schon bereue, in diesen kleinsten Morasten Abwechslung von der Hitze des Tages gesucht zu haben. - Auch jetzt noch klebt der getrocknete Waldschlamm an meinen Schenkeln.\\
-Am Wegesrand stehen Pflaumenbäume.  Die Wirtin mittags in der Schenke meinte, ich solle den Weg durch das freundliche Grün des ländlichen Pfads zurückgehen; wovon sie nicht sprach, das waren diese prallen und unreifen Früchte am Wegesrand.  Ich kann nicht widerstehen, reiße mir die erhoffte Süße von den Zweigen, aber entsetzt darüber, was sie mir antun, spucke ich aus, und dennoch: Immer wieder will ich glauben, es käme da noch eine Frucht, die Süße schenkt.  Ein Stück Wegs weiter plagt sich der Aufschwung und bedeckt die Bäume mit einem schmierigen tönernen Film.  Nachdem ich die Frucht mit meinem Speichel säuberte, tut sich das geahnte Blau schwer.  Ein Farbenspiel, eine Verwirrung.  Das äußerliche Blau kämpft mit der Unreife des Gelben.  Daraus wird Grün werden.  Vielleicht.  Die blaue Schönheit aber fließt samt meiner Spucke davon.  Ich werfe die Reste auf die Bagger und LKW, halt’ eben nicht viel davon.  Was soll diese Gaukelei?  Der Dreck versteckt kein süßes Blau, sondern saures Gelb-Grün!  Wer will mir anderes weismachen? \\+Am Wegesrand stehen Pflaumenbäume.  Die Wirtin mittags in der Schenke meinte, ich solle den Weg durch das freundliche Grün des ländlichen Pfads zurückgehen; wovon sie nicht sprach, das waren diese prallen und unreifen Früchte am Wegesrand.  Ich kann nicht widerstehen, reiße mir die erhoffte Süße von den Zweigen, aber entsetzt darüber, was sie mir antun, spucke ich aus, und dennoch: Immer wieder will ich glauben, es käme da noch eine Frucht, die Süße schenkt.  Ein Stück Wegs weiter plagt sich der Aufschwung und bedeckt die [[baum|Bäume]] mit einem schmierigen tönernen Film.  Nachdem ich die Frucht mit meinem Speichel säuberte, tut sich das geahnte Blau schwer.  Ein Farbenspiel, eine Verwirrung.  Das äußerliche Blau kämpft mit der Unreife des Gelben.  Daraus wird Grün werden.  Vielleicht.  Die blaue Schönheit aber fließt samt meiner Spucke davon.  Ich werfe die Reste auf die Bagger und LKW, halt’ eben nicht viel davon.  Was soll diese Gaukelei?  Der Dreck versteckt kein süßes Blau, sondern saures Gelb-Grün!  Wer will mir anderes weismachen? \\
 Jetzt wird mir kalt.  Es ist Abend geworden.  Zum [[Glück]] steht vor mir eine Scheune.  Vorhin, beim Hinweg am Vormittag, waren Bauern damit beschäftigt, sie mit Strohballen zu füllen.  Ihr mürrischer Blick galt dem Eindringling: Als ob ich mit meinen schmutzigen Füßen in ihre Stuben Tapsen machte.  Was kümmert’s mich! Sie bereiteten unwissentlich mein Schlaflager.  Bald liege ich träumend im weichen Heu und sehe wieder nur dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst... hatte er vor Jahresfrist geschrieben.  Er erinnerte sich dieses Textes, der vor drei Tagen noch Hoffnung und Last zugleich ausdrückte, heute jedoch nur verblichene Literatur abgab.  Vor einem Pflaumenbaum blieb der Wanderer stehen, riß eine Frucht ab und wischte mit Spucke den Dreck ab.  Blau, nicht grün! ‚Dann wenigstens [[süß]]’, dachte er und biß in die madige Ernte eines Vormittags.  Hungrig griff er in die Zweige der Bäume und suchte die saftigsten Früchte.  ‚Wenigstens bleibt mir das, die Selbstversorgung.’  Er lächelte: ‚Sie haben es mir nicht verziehen, daß ich ihren Schablonen nicht folgen wollte oder konnte, was imgrunde genommen gleichgültig blieb’, dachte er versponnen.  \\ Jetzt wird mir kalt.  Es ist Abend geworden.  Zum [[Glück]] steht vor mir eine Scheune.  Vorhin, beim Hinweg am Vormittag, waren Bauern damit beschäftigt, sie mit Strohballen zu füllen.  Ihr mürrischer Blick galt dem Eindringling: Als ob ich mit meinen schmutzigen Füßen in ihre Stuben Tapsen machte.  Was kümmert’s mich! Sie bereiteten unwissentlich mein Schlaflager.  Bald liege ich träumend im weichen Heu und sehe wieder nur dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst... hatte er vor Jahresfrist geschrieben.  Er erinnerte sich dieses Textes, der vor drei Tagen noch Hoffnung und Last zugleich ausdrückte, heute jedoch nur verblichene Literatur abgab.  Vor einem Pflaumenbaum blieb der Wanderer stehen, riß eine Frucht ab und wischte mit Spucke den Dreck ab.  Blau, nicht grün! ‚Dann wenigstens [[süß]]’, dachte er und biß in die madige Ernte eines Vormittags.  Hungrig griff er in die Zweige der Bäume und suchte die saftigsten Früchte.  ‚Wenigstens bleibt mir das, die Selbstversorgung.’  Er lächelte: ‚Sie haben es mir nicht verziehen, daß ich ihren Schablonen nicht folgen wollte oder konnte, was imgrunde genommen gleichgültig blieb’, dachte er versponnen.  \\
 Diese Heuchler! Wollten meinem Talent angeblich durch Erweiterung in den akademischen Disziplinen einen freieren Standpunkt verschaffen.  Statt dessen, wenn sie ganz ehrlich wären, so wollten sie mich nur zu einem Rädchen in ihrem Getriebe machen.  Diese Schweine!  System!  Ha!  Systematische Überlegungen, unzählige Vergleichsmöglichkeiten und gegebenenfalls punktuelle Genauigkeit in Detailfragen.  Na gut.  Methode.  Hab ich mitgenommen, aber ihr Ziel war es doch, mich zu kaufen.  Mein Denken zu ihrem Recht machen!’ trotzte Edgar.  ‚Übergenaues Hinsehen zerstört den Gesamteindruck und außerdem kann ein Mensch nicht ewig gegen seine Natur leben.  Eines Tages mußte der angestaute Groll herausplatzen, ich konnte die Hundsdemut gegenüber der formalen Entwürdigung des eigenen Denkens nicht hinnehmen’, dachte er und rief laut: „Drum rede ewig, wie du’s willst!“ \\ Diese Heuchler! Wollten meinem Talent angeblich durch Erweiterung in den akademischen Disziplinen einen freieren Standpunkt verschaffen.  Statt dessen, wenn sie ganz ehrlich wären, so wollten sie mich nur zu einem Rädchen in ihrem Getriebe machen.  Diese Schweine!  System!  Ha!  Systematische Überlegungen, unzählige Vergleichsmöglichkeiten und gegebenenfalls punktuelle Genauigkeit in Detailfragen.  Na gut.  Methode.  Hab ich mitgenommen, aber ihr Ziel war es doch, mich zu kaufen.  Mein Denken zu ihrem Recht machen!’ trotzte Edgar.  ‚Übergenaues Hinsehen zerstört den Gesamteindruck und außerdem kann ein Mensch nicht ewig gegen seine Natur leben.  Eines Tages mußte der angestaute Groll herausplatzen, ich konnte die Hundsdemut gegenüber der formalen Entwürdigung des eigenen Denkens nicht hinnehmen’, dachte er und rief laut: „Drum rede ewig, wie du’s willst!“ \\
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 „Weiß Gott“, murmelte Edgar.  \\ „Weiß Gott“, murmelte Edgar.  \\
 Die Angst vor der kommenden Nacht jammerte ihr Lied, klagte der Zukunft unberechenbare Klänge.  Vorfreude auf Ediths liebevolle Hingabe; Angst vor den Fragen danach.  Wenig später lagen die Beine auf dem Tisch, und er las in einer Fußballzeitung.  Ein Bild ließ ihn lachen.  Darauf streckte ein Stürmer spitzbübisch die Zunge heraus, weil er seinem Gegenspieler den Ball durch die Beine gespielt hatte.  ‚Ein Lob dem Photographen! Das sind die Augenblicke, auf die ein ganzes Leben zielt’, dachte Edgar, warf dann jedoch das Blatt wütend beiseite, trank den letzten Schluck des inzwischen lauwarmen Bieres, stand auf, schob den Stuhl wirsch an den Tisch heran und ging den Schlüssel für das Zimmer holen.  Oben stellte er fest, daß manche Orte ihr Aussehen nicht änderten.  Das beruhigte sein ruhebedürftiges Gemüt.  Aus dem alten Krug auf der Biedermeier-Kommode ließ er kühles Wasser in die emaillierte Waschschüssel fließen, tauchte das Gesicht bis auf den Grund und trank.  Ein Handtuch benötigte er nicht, wie sollte sonst das Wasser in den Hals gelangen, von dort über Brust und Bauch hinablaufen und ständige Kühle versprechen?  Ein Genuß.  Vereinzelt rieselten erhitzte Tropfen auf den Boden und versackten langsam im trockenen Holz.  Langwierig erschien alles an diesem Ort, der foppte, im Nirgendwo zu liegen.  Moder.  Auf dem Tisch lagen Zeitungen von 1982!  Im Nachttischschränkchen fand er ein Buch des [[Realismus]].  Sein Blick verblieb auf dem Umschlag, aufschlagen konnte er es nicht.  Trotzdem trieb die Neugier, das Gewisse bestätigt zu finden.  \\ Die Angst vor der kommenden Nacht jammerte ihr Lied, klagte der Zukunft unberechenbare Klänge.  Vorfreude auf Ediths liebevolle Hingabe; Angst vor den Fragen danach.  Wenig später lagen die Beine auf dem Tisch, und er las in einer Fußballzeitung.  Ein Bild ließ ihn lachen.  Darauf streckte ein Stürmer spitzbübisch die Zunge heraus, weil er seinem Gegenspieler den Ball durch die Beine gespielt hatte.  ‚Ein Lob dem Photographen! Das sind die Augenblicke, auf die ein ganzes Leben zielt’, dachte Edgar, warf dann jedoch das Blatt wütend beiseite, trank den letzten Schluck des inzwischen lauwarmen Bieres, stand auf, schob den Stuhl wirsch an den Tisch heran und ging den Schlüssel für das Zimmer holen.  Oben stellte er fest, daß manche Orte ihr Aussehen nicht änderten.  Das beruhigte sein ruhebedürftiges Gemüt.  Aus dem alten Krug auf der Biedermeier-Kommode ließ er kühles Wasser in die emaillierte Waschschüssel fließen, tauchte das Gesicht bis auf den Grund und trank.  Ein Handtuch benötigte er nicht, wie sollte sonst das Wasser in den Hals gelangen, von dort über Brust und Bauch hinablaufen und ständige Kühle versprechen?  Ein Genuß.  Vereinzelt rieselten erhitzte Tropfen auf den Boden und versackten langsam im trockenen Holz.  Langwierig erschien alles an diesem Ort, der foppte, im Nirgendwo zu liegen.  Moder.  Auf dem Tisch lagen Zeitungen von 1982!  Im Nachttischschränkchen fand er ein Buch des [[Realismus]].  Sein Blick verblieb auf dem Umschlag, aufschlagen konnte er es nicht.  Trotzdem trieb die Neugier, das Gewisse bestätigt zu finden.  \\
-Im Umgang mit den Dingen in diesem Haus war höchste Achtsamkeit befohlen: Behutsam öffnete er also den Kleiderschrank.  Unmerklich schloß sich die ungefüge Tür, nachdem Edgar wußte, daß alte Wäsche dahinter weste.  An den Wänden kündigten Bilder von der Pracht eines Kaisergeschlechts, dem der einstige Besitzer Vertrauen schenkte, Hand und Herz ihm subordinierte in Gottvertrauen.  Der gezwirbelte Schnurrbart kündigte Entschlossenheit an und verbat sich eben jeden Widerspruch.\\+Im Umgang mit den Dingen in diesem Haus war höchste Achtsamkeit befohlen: Behutsam öffnete er also den Kleiderschrank.  Unmerklich schloß sich die ungefüge Tür, nachdem Edgar wußte, daß alte Wäsche dahinter weste.  An den Wänden kündigten Bilder von der Pracht eines Kaisergeschlechts, dem der einstige Besitzer Vertrauen schenkte, Hand und Herz ihm subordinierte in [[Gottvertrauen]].  Der gezwirbelte Schnurrbart kündigte Entschlossenheit an und verbat sich eben jeden Widerspruch.\\
 ‚‚Widerspruch steht gegen jede Erziehung!’ sagte Vater.  Aber ohne Widerspruch ist keine Entwicklung möglich, möchte ich ergänzen’, dachte Edgar.\\ ‚‚Widerspruch steht gegen jede Erziehung!’ sagte Vater.  Aber ohne Widerspruch ist keine Entwicklung möglich, möchte ich ergänzen’, dachte Edgar.\\
 Den Rest des Abends trommelte sein [[Gedächtnis]] verschiedene Paraden, er dachte an [[Erziehung]], an das Grenzmarkieren des Heranwachsenden, dachte an Wandlungsprozesse und schließlich an [[Evolution]].  Da bewegte sich etwas in ihm, ein Widerhaken, an dem sich seine Gedanken verfingen; dem wollte er auf den Grund gehen:  \\ Den Rest des Abends trommelte sein [[Gedächtnis]] verschiedene Paraden, er dachte an [[Erziehung]], an das Grenzmarkieren des Heranwachsenden, dachte an Wandlungsprozesse und schließlich an [[Evolution]].  Da bewegte sich etwas in ihm, ein Widerhaken, an dem sich seine Gedanken verfingen; dem wollte er auf den Grund gehen:  \\
 ‚Evolutionstheorien sind die letzte Zuflucht der Atheisten zu einem Gott.  Sie glauben an die Allmacht der Naturgesetze und begreifen nicht, daß diese Gesetze nur schärfer formulierte Spielregeln umfassen, die gelegentlich durch den Menschen selbst geändert werden können.  Beweis?  Unglaublichste Entdeckungen in den Naturwissenschaften.  Fehlende Zwischenglieder in der Kette, aufgefundene Reste, die die zergliederte Kette zerreißen, immer aufs neu Theorien ermöglichen, die allesamt haltlos sind, früher oder später.  Nur ich, ich bin!’ \\ ‚Evolutionstheorien sind die letzte Zuflucht der Atheisten zu einem Gott.  Sie glauben an die Allmacht der Naturgesetze und begreifen nicht, daß diese Gesetze nur schärfer formulierte Spielregeln umfassen, die gelegentlich durch den Menschen selbst geändert werden können.  Beweis?  Unglaublichste Entdeckungen in den Naturwissenschaften.  Fehlende Zwischenglieder in der Kette, aufgefundene Reste, die die zergliederte Kette zerreißen, immer aufs neu Theorien ermöglichen, die allesamt haltlos sind, früher oder später.  Nur ich, ich bin!’ \\
-Das unentdeckte Land, dem er selbst schon Jahrhunderte auf der Spur war, prägte seinem Streben, seiner [[Gier]] nach Unendlichkeit den Stempel der [[Ewigkeit]] auf: Er fühlte sich wiedergeboren in so vielen Altvorderen, die in den Büchern seiner Kenntnis Gestalt fanden.  Er las sie geflissentlich im Hinblick auf [[Wiedergänger]], suchte Spuren überall in anderen, die ihm naturgemäß Teil seiner selbst wurden.  \\+Das unentdeckte Land, dem er selbst schon Jahrhunderte auf der Spur war, prägte seinem Streben, seiner [[Gier]] nach [[Unendlichkeit]] den Stempel der [[Ewigkeit]] auf: Er fühlte sich wiedergeboren in so vielen Altvorderen, die in den Büchern seiner Kenntnis Gestalt fanden.  Er las sie geflissentlich im Hinblick auf [[Wiedergänger]], suchte Spuren überall in anderen, die ihm naturgemäß Teil seiner selbst wurden.  \\
 „Die Unendlichkeit verwirbelt Positionen, Perspektiven, von denen aus ein Endliches in seiner ganzen Tiefe erfaßt würde werden können“, meinte ein Lehrer Edgars.  \\ „Die Unendlichkeit verwirbelt Positionen, Perspektiven, von denen aus ein Endliches in seiner ganzen Tiefe erfaßt würde werden können“, meinte ein Lehrer Edgars.  \\
 Der Lehrer bezweifelte, daß Edgar seine „verdrehten Darstellungen würde überwinden können, was einem sozial verantwortlichen Mitmenschen notwendige Eigenschaft sein sollte“.  Edgar zuckte lächelnd die Achseln, denn wollte er nicht aus jeder Endlichkeit vertrieben werden?  Er trieb die Zeit bis an ihren mutmaßlichen Anfang, als sich Fragen überhaupt bildeten.  Er dachte nach über menschliche Eigenschaften, ewige Charaktere schienen ihm die Vergangenheit prägenden Vorfahren aus Mesopotamien und [[Ägypten]]: \\ Der Lehrer bezweifelte, daß Edgar seine „verdrehten Darstellungen würde überwinden können, was einem sozial verantwortlichen Mitmenschen notwendige Eigenschaft sein sollte“.  Edgar zuckte lächelnd die Achseln, denn wollte er nicht aus jeder Endlichkeit vertrieben werden?  Er trieb die Zeit bis an ihren mutmaßlichen Anfang, als sich Fragen überhaupt bildeten.  Er dachte nach über menschliche Eigenschaften, ewige Charaktere schienen ihm die Vergangenheit prägenden Vorfahren aus Mesopotamien und [[Ägypten]]: \\
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vergangenheit.1476113266.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 14:41 (Externe Bearbeitung)