Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


weltkrieg

WELTKRIEG

- Der nächste Weltkrieg wird nicht nur reaktionäre Klassen und Dynastien, er wird auch ganze reaktionäre Völker vom Erdboden verschwinden machen. Und das ist auch ein FORTSCHRITT. (ENGELS)

Erster Weltkrieg

- die Kolonien spielen keine Rolle;
- GESCHICHTE wird durch ihn endlich, denn die MENSCHHEIT scheint sich selbst zerstören zu können (Fromm)

Grund

- Selbstbehauptung ist nur durch Machtexpansion möglich
- die Abdrängung Rußlands von nichtrussischen Vasallenstaaten, die Bedeutungslosigkeit Belgiens als Pufferstaat durch den Einmarsch der deutschen Truppen, die kleinere Annexion Luxemburgs (ANNEXION nur in dem Kontext, daß das Ausland Luxemburg als eigenen Staat begriff, wohingegen die Deutschen Luxemburg als deutschen Staat begriffen, ihn also dem Reich zurückführten), die Ausdehnung Deutschlands bis VERDUN, die mutmaßliche deutsche Hegemonie in einem europäischen Zollverein
- im FRIEDEN wurde das deutsche VOLK seinem eingeborenen SINN vom Geiste weg entfremdet und schien schon ganz dem irdischen GLÜCK verfallen, jetzt wird es ihm wieder bewußt, daß es das metaphysische Volk ist (BAHR)
- sein Beginn erbrach sich aus der Indolenz des verantwortungsscheuen, von Geschäften umnebelten Großbürgertums (RATHENAU)
- der HAß gegen die Mittelmächte ist einer der Peripherie gegen die Mitte, der Außenglieder gegen das Herz Europas…, v.a. im Sinne des moralischen Mittel-, Quell- und Herzpunktes derjenigen älteren europäischen Institutionen, unter deren HERRSCHAFT EUROPA den Rang eines Führers der MENSCHHEIT so lange innegehabt hat (SCHELER)
- wenn für DEUTSCHLAND die MÖGLICHKEIT bestanden hatte, Frieden zu schließen, so Ende 1915, als ENGLAND noch keine allgemeine Wehrpflicht eingeführt hatte und Deutschland auf allen Fronten auf SIEG stand → doch dieser AUGENBLICK wäre nur bei völligem Verzicht auf Annektionen zu nutzen gewesen, was in Deutschland als Verzichtsfrieden bezeichnet wurde und keine MEHRHEIT fand → man wollte Resultate des Krieges
- Max Weber hatte dies bereits 1915 erkannt, wurde jedoch nicht gehört; später war es zu spät für einen Frieden mit status quo ante

Außenpolitik des Reiches bis 1914

Strategien

Problem der deutschen Außenpolitik

- Kapitalmangel der deutschen Hochfinanz
- eher vorsichtiger Kurs → man hielt sich bei allen europäischen Krisen zurück, Motto: „Durch Krieg ist uns manches gelungen. Lassen Sie uns jetzt den Frieden bewahren!“ - BISMARCK zum italienischen Politiker Crispi
→ Bevorzugung informeller Einfluß- und Herrschaftsbereiche
- ZIEL: FRANKREICH isolieren, da es RACHE will

Fazit

- unvermeidlicher Niedergang durch Abwarten

Büffelstrategie

- im Mai 1918 versuchte LUDENDORFF eine Überlegenheit durch schnelles Taktieren herzustellen, doch Foch, inzwischen Oberbefehlshaber der Alliierten, bleibt ruhig und ordnet seine Reserven für den geeigneten MOMENT, der durch immer neue Truppen der USA näher rückt

Ende des Krieges

Niederlagen in langwierigen Kriegen besitzen meist eine innere und äußere Komponente. Die äußere Komponente ist ereignisgeschichtlich grundiert und läßt sich leicht rekon-struieren. Schwierig ist hierbei nur die Interpretation der Ereignisse. Daneben und nicht weniger wichtig ist die innere Komponente, die psychologisch-sozial-strukturelle Verfaßtheit Besiegter. Eine diesbezügliche Betrachtung der ONTOGENESE des Reiches während des Weltkriegs zeigt dreierlei:

  1. die körperliche Auszehrung weiter Teile des Volkes (Blockadewirkung, Handelsbeschränkungen, allgemeine Not aufgrund der Umstellung der Wirtschaft auf Kriegsmittelproduktion) führt auch zur Minderung der inneren Widerstandskraft;
  2. die innere Erschlaffung aufgrund der unsicheren und sich verdüsternden Zukunft im Angesicht der Überzahl der Feinde und der Unmöglich- oder Unfähigkeit zum Friedensschluß und
  3. Zersplitterung der 1914 gefühlten Einheit in Partikularinteressen links und rechts der eher apoliten Mitte.

Der Sieger schreibt Geschichte. Und so sind es Schüler in Deutschland seit Jahrzehnten gewöhnt, in etwa folgendes lernen zu müssen: Der Westen lehnte jede Friedensinitiative ab, weil er das Reich zerstören wollte. Es wurde betont, daß die Zukunftsaufgabe in der Schaffung unabhängiger und friedliebender kleiner Nationalstaaten läge, die sich in einem Völkerbund zusammenschlössen und so für alle Zeiten ein Blutvergießen verhinderten. Der Westen betonte in seiner Propaganda, daß man nicht gegen das deutsche Volk Krieg führe, sondern gegen die ehrgeizigen Eroberungsabsichten des ostdeutschen Junkertums und der mit ihm verbündeten westdeutschen Stahlkonzerne. Wie eine Parenthese las sich da auch der handzahme englische Parlamentarier Lansdowne, der den Verständigungsfrieden forderte, sich aber in der englischen Regierung nicht durchsetzen konnte. Aus Paris kam Haß. Clemenceau war Diktator geworden. Amerika stand abseits in seinen Forderungen, war aber als Zahlmeister des Krieges quasi über Nacht zum Herrscher Europas geworden. Die Wahrheit ist eine andere: Wie gut liest es sich, was der amerikanische Präsident in seinen vierzehn Punkten fordert, und wie verheuchelt ist doch diese Politik. Die Gleichberechtigung der Völker sollte gelten, sofern sie sich nicht gegen amerikanische, englische, französische oder italienische Ziele richtete. Diese Ziele verschwammen hinter obskuren Forderungen Wilsons:

  • öffentliche Friedensverhandlungen → Abschaffung der Geheim- resp. Kabinettsdiplomatie;
  • Freiheit der Meere;
  • Macht der internationalen Verträge;
  • Beseitigung wirtschaftlicher Schranken (Schutzzölle);
  • gleiche Verhandlungsbedingungen;
  • Abschaffung nationaler Rüstungen;
  • offenherzige Regelung kolonialer Ansprüche;

Klingt gut, ist es aber nicht, denn es ist gelogen. Freiheit kann nur für alle gelten und nicht an politisch-moralische Vorstellungen geknüpft werden, die Bedingungen und schließlich Diktat und Diktatur werden. Die Wilson-Punkte sollten für alle gelten, die sich in die Gnade der Entente, vor allem Amerikas begaben. Deutschland sollte als Konkurrent auf dem Weltmarkt ausgeschaltet werden und bleiben. Das war das Ziel, alles andere waren der Entente Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Das Reich nahm im Frühjahr 1918 alle Kräfte zusammen und versuchte mit Hilfe der Büffelstrategie, strategische Ziele im Westen zu erreichen, bevor die Amerikaner in ganzer Kraft auf dem westlichen Kriegsschauplatz angekommen sein konnten. Es wurden dadurch zwar umfängliche Gebiete erobert, nicht aber das strategische Ziel Amiens, was eine Teilung der englisch-französischen Truppen bedeutet hätte. Am 8. Juli erfolgte der englische Gegenstoß, der die deutschen Gewinne tilgte und den Deutschen zeigte, daß die strategische Offensive nunmehr bei ihren Gegnern lag, die jeden Tag stärker wurden. Der für Außenpolitik verantwortliche Staatssekretär Dr. von Kühlmann faßte die außenpolitischen Bestrebungen der Reichsregierung Mitte 1918 in einer Reichstagsrede zusammen:

  • Rumänien: bleibt nach dem Friedensschluß vom 7. Mai 1918 neutralisiert; die Dobrudscha-Frage bleibt offen und soll in einer weiteren Reichstagssitzung erörtert werden;
  • Bulgarien: Veränderungen in der Führung werden keine Änderung des Verhältnisses zum Reich bewirken; offen bleibt der Anspruch Bulgarien auf die Dobrudscha;
  • Osmanisches Reich: die bewährten Kräfte halten ihre Posten und stehen zum Reich; die Regelungen im Kaukasus stehen im Sinne des Osmanischen Reiches an;
  • Finnland: deutsche Truppen halfen bei der Befreiung Finnlands von Rußland und ziehen sich jetzt zurück, um den Finnen die Konstituierung eines eigenen Staates zu ermöglichen;
  • Rußland: nach dem Friedensschluß vom 3. März 1918 weitere Veränderungen in Staat und Gesellschaft; das Reich wird sich heraushalten: „scharfe Beobachtung, äußerste Vorsicht und, soweit es sich um rein russische innere Vorgänge handelt, auch entsprechende weise Zurückhaltung“;
  • Baltikum: der Vertrag von Brest-Litowsk befreite Kurland und Litauen aus dem Russischen Reich; Lettland (Livland) und Estland wurden nach einem Hilferuf der baltischen Bevölkerung durch deutsche Truppen befreit und vorübergehend besetzt: eine endgültige Abtrennung von Rußland wird mit der bolschewistischen Regierung erörtert;
  • Georgien und Transkaukasien: die Abtrennung von Rußland führte zur Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen zwischen dem Reich und Georgien, was den Georgiern, Armeniern und Tataren der Region Ruhe vor den Angriffen des Osmanischen Imperiums verschaffte, die dieses Gebiet für sich beanspruchten, aber vom Reich aufgefordert wurden, ihre Annexionen zu beenden;
  • Ålandinseln: das Reich sicherte Schweden und Finnland den Abbau jeglicher militärischer Einrichtungen zu, die die Russen hinterlassen hatten;
  • Dänemark, Holland und Schweiz: behalten ihre NEUTRALITÄT und stellen ihr Territorium für Friedensverhandlungen zur Verfügung; behandeln Verwundete und ermöglichen Gefangenen- und Interniertenaustausch (insbesondere die Chinadeutschen dürfen heim ins Reich);
  • Entente: wies die Behauptung, Deutschland habe den Krieg angezettelt, um die Weltherrschaft zu erringen, als UTOPIE zurück und erklärte Rußland zum Hauptschuldigen, um von den inneren Problemen abzulenken, außerdem Frankreich zum Hetzer und Britannien zum Antreiber hinter den Kulissen, was zahlreiche Dokumente aus der Zeit der Julikrise belegten;
  • Friedensverhandlungen: sind im Juni 1918 auf diplomatischem Wege nicht zu erwarten, aber man halte die Tür für einen ehrenhaften (status quo ante) Frieden) offen, der nur auf der Basis der Gleichberechtigung und des Vertrauens geschlossen werden kann.

Als auch die Offensive bei Reims fehlschlug, besaß die OHL keine Argumente mehr gegen diejenigen, die kapitulieren wollten. Die Verbündeten fielen ab oder wurden besiegt, so Bulgarien, so die Türkei. Österreich-Ungarn war durch die fehlende Führung, eine stümperhafte innenpolitische Organisation und schließlich durch das Versprechen Wilsons, der allen kleineren Nationen Nationalstaaten und Selbstbestimmung versprochen hatte, völlig am Ende und wandte sich am 14.09.1918 mit einer Friedensnote an die Regierungen sämtlicher Kriegführenden. Clemenceau lehnte ab und sprach von Vergeltung für die Kriegsverbrechen der Mittelmächte.
Das verschärfte die innenpolitische Krise im Reich. Im Parlament wurde nach einer neuen Regierung gesucht, auch sollten die Machtverhältnisse weiters zugunsten des Parlaments verschoben werden. Die Dinge waren in der Diskussion, als General Ludendorff von der Reichsregierung verlangte, einen sofortigen Waffenstillstand zu schließen. Das nennt man Realitätsverlust. Die Reichsregierung war nicht in der Lage, einen solchen Waffenstillstand zuwege zu bringen.
Während die neue Regierung unter Max von Baden im Eiltempo demokratisiert und die Reichsverfassung vom Kopf auf die Füße stellt, bringt der amerikanische Präsident eine neue Note, eine im Ton für die Deutschen unannehmbare, eine Einmischung in die innere Gestaltung Deutschlands. Die Raumgewinne der Entente im Westen läßt den Ton unnachgiebiger werden, fordernder. Der französische Marschall Foch will die Vernichtung Deutschlands. England will sie nicht, denn es braucht Deutschland als Gegengewicht, um Frankreich im Zaume halten zu können. Die Amerikaner wollen Rechtsfrieden, dazu Versöhnung und Verständigung. Nach dem Sieg gegen das Reich. Die deutsche Heeresleitung weiß, daß jede Festigkeit der deutschen Front und der diplomatischen Haltung die Stellung des amerikanischen Präsidenten gegenüber Foch und den innenpolitischen Widersachern, namentlich den Mehrheitsparteien, stärkt, weiß auch, daß jedes Zeichen von militärischer oder politischer Schwäche Foch stärkt, somit diejenigen, die die Vernichtung des Reiches wollen. Dazu zählt auch das junge Sowjet-Rußland, das hofft, mit dem Fall des Reiches die Weltrevolution weiter nach Westen tragen und mehr als die im Frieden von Brest-Litowsk verlorenen Gebiete gewinnen zu können. Dazu zählt auch Italien, zählt Dänemark, zählt Rumänien, zählen alle, die hoffen, sich ein Stück aus Deutschland herausschneiden zu können, wenn es denn einmal besiegt worden ist. Kriegsziele.
Wilson formuliert Mitte Oktober zwei Bedingungen für einen Waffenstillstand:

  1. Einstellung des deutschen U-Boot-Krieges und
  2. Demokratisierung im Reich nach westlichem Vorbild.

In Deutschland bilden sich Parteien, eine will weiterkämpfen, um so die Chance auf einen ehrenhaften Frieden zu erhalten, die andere will sofort und bedingungslos kapitulieren, alle Forderungen erfüllen und das Wenige behalten, was ein Frieden bringen mag. Hauptsache: kein Krieg!
Das Absurde geschieht. Während im Reich die Stimmung für Frieden ist, kämpft die Truppe an der Front ums ÜBERLEBEN und einen ehrenhaften Friedensschluß. Die Front hält. Zu Tode erschöpft war man auf beiden Seiten. Die Deutschen hatten zwar Raum aufgegeben und sich bis zur Brunhild- (3. Armee) oder Hundingstellung (7. Armee) zurückgezogen, standen aber immer noch in Feindesland. Der im September drohende Zusammenbruch der Front war durch die Verlegung des Widerstandes in stärkere, kürzere Abschnitte verhindert worden. Die Diplomatie war jetzt gefordert. Doch die hatte während des Krieges wiederholt versagt. Würde sie es jetzt, im Frühherbst 1918, besser machen?
Absurd an dieser Situation ist folgendes: während die Truppe ihre Aufgabe erfüllt und den FEIND vom Reich weghält, redet man im Reich dem Feind nach dem Munde und tut alles, es ihm recht zu machen. Das stärkt Foch und allen den Rücken, die auf Vernichtung des Reiches aus sind. Es ist absurd und doch zutiefst verständlich. Vier Jahre Krieg, vier Jahre schmählich-schwache Innenpolitik der Regierung, die nichts getan hatte, um die Kriegsgewinnler im Zaume zu halten, nichts getan hatte, die Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Ressourcen zu verhindern, die es nicht vermochte, Wirtschaft und Gesellschaft so zu organisieren, daß die Lasten gerecht verteilt wurden, sich nicht gegen die Einmischungen der OHL gewehrt hatte, die doch von Innenpolitik sicherlich nicht mehr verstand als ein preußischer Beamter mit zwanzig Jahren Diensterfahrung! Aber diese weltberühmten Beamten ließen sich zur Seite schieben und leisteten nicht das, wofür sie von Amts wegen verpflichtet waren und den Diensteid geleistet hatten: zum Volke des Staates arbeiten, dienen. Die deutschen Eliten hatten versagt, nicht das Volk! Am Ende des Krieges stand ein ausgemergeltes VOLK, das sich einem Krieg verweigerte, bei dem es nichts gewinnen konnte, dessentwegen aber bereits vieles verloren hatte.
Wilson drehte sich Mitte Oktober und zeigte sein opportunistisches Gesicht. Der friedenswillige Volksvertreter der seinerzeit größten Demokratie des Westens ließ sich vom listigen Foch vor dessen Wagen spannen, nachdem der sich auf dem östlichen Aisneufer festgesetzt hatte und nun hoffen durfte, doch noch vor Jahresende die Reichsgrenze zu erreichen. Damit schwanden die Chancen auf einen gerechten Frieden und Wilson, um nicht politisch in die Defensive zu geraten, schwenkte auf die Linie des Scharfmachers Foch um und verschärfte den Ton, will heißen forderte mehr VOR einem Waffenstillstand. Und jeden Tag, der hier verstrich, starben Tausende.
September 1918: [..]

Neben der Unmöglichkeit, die Übermacht der Feinde zu schlagen, führte der Konstruktionsfehler des Reiches zur Niederlage. Das von BISMARCK erdachte und in den Sitzungen des ersten Reichstags der Neuzeit diskutierte Konstrukt sah ein Gleichgewicht der Kräfte vor, bedurfte aber jeweils der Besten des Reiches, um dieses Konstrukt im Gleichgewicht zu halten. Die Politik der Entente setzte hier an und griff die beiden schwächeren, weil personengebundenen Positionen an: die Position des Kanzlers und die des Kaisers. Beide waren 1914 nicht optimal besetzt. Dies führte zu zwei Verschiebungen der Macht: zum einen griffen die Systemkritiker (Sozialdemokraten, Kommunisten, Linksliberale) zunehmend stärker in den politischen Willensbildungsprozeß ein und zogen die Konstituierung der Regierung zu sich. Das im Parlament de facto dagegen wirken müssende konservative Moment erfüllte seine Aufgabe nicht, statt dessen verschmolz es zunehmend mit dem rechtsliberalen Alldeutschtum, die ihrerseits zwar an Bismarcks System festzuhalten vorgaben, aber letztlich zumeist eigenen profitorientierten Interessen folgten. Der Kanzler (Bethmann) blieb ohne Impulskraft und hätte sich spätestens 1917 gegen die OHL durchsetzen müssen, die einen STAAT im Staate installierte, weitgehend unbehelligt von Kaiser und Parlament, auch der REGIERUNG, die hier Kontrollpflichten vernachlässigte. Daß trotz dieses Elitenversagens das Reich über vier Jahre dem Überdruck der Feinde standhielt, belegt nur, daß Bismarcks System von großer Robustheit war. Das westliche SYSTEM war und ist schlechter, denn es verleugnet die Prämisse des Gleichgewichts und setzt statt dessen auf das Primat der ratio, das bedeutet der Unfreiheit.
Für die politische Entwicklung des Reiches bedeutete die Verkennung der Kernintention der Reichsverfassung ein Zugehen auf die Erfordernisse rationaler Politik, wie sie RATHENAU bereits vor dem Krieg erkannt und beschrieben hatte. Konkret: Dem Verwaltungsfachmann Michaelis folgte der greise HERTLING, die beide den falschen (politischen) Weg gingen und in Verkennung der unbarmherzigen Forderungen der Kriegsgegner statt dessen auf die systemzerstörerischen Kräfte der Linksliberalen zugingen, um eine Verständigung erreichen zu wollen, die im Grunde keiner wollte, weder die SPD/USPD im Inneren, auch nicht die Kriegsfeinde im Äußeren. Sie alle strebten nach der Zerstörung des Reiches. Der Oktober 1918 brachte den Zusammenbruch des deutschen Heeres. Der neue Kanzler Baden war nicht in der Lage, neue Akzente zu setzen oder die Kräfte zu sammeln. Er versprach Wilson die Annahme der vierzehn Punkte. Damit verband sich die Hoffnung auf Frieden; allerdings hatte Baden auch eine Verknüpfung von Entschädigungszahlungen mit dem Waffenstillstand konzediert. Am 11.11.1918 traten die Waffenstillstandsbedingungen in Kraft, quasi eine Kapitulation des Reiches.
Wie wenig moralisch sich die Sieger schon in den ersten Wochen zeigten, wird dadurch ersichtlich, daß sie weder die Blockade über Deutschland aufhoben, noch, wie versprochen, die deutschen Kriegsgefangenen entließen. Es waren Getreidelieferungen aus Sowjet-Rußland, die den größten Hunger im Hungerwinter 1918/19 beseitigen halfen.

Entente

- fühlt sich unterirdisch geeinigt, weil die Haß- und Ressentimentsmenge, die sich über Jahrhunderte in den von Revolutionen heimgesuchten Ländern anstaute und nunmehr mit einem national auf Deutschland fokussierten Richtungswinkel fortgesetzt wird → die Peripherie bedrängt das Zentrum (Scheler)

deutsche Führungselite

- erwies sich als unfähig, innere Schwierigkeiten defensiv-kooperativ zu lösen
- ging auf Spannungsprozesse einer sich nationalisierenden und demokratisierenden WELT unentsprechend ein → den Deutschen fehlte der Takt
- Überreaktionen auf Vorwürfe und unberechtigte Vorstöße der Rivalen, die ihr verlorengegangenes Terrain zurückholen wollten

Geleitzugsystem

- seit 1917 von den Aliierten erprobte Methode zum Schutz von Transportschiffen zur See
- eine Gruppe von Schiffen bewegt sich mit gleicher Geschwindigkeit fort und wird ringsum von Kriegsschiffen bewacht
- an der Spitze fährt ein Zerstörer (besitzt Ausrüstung, die U-Boot-Geräusche wahrnimmt), im Zentrum befindet sich der Transporter für die Soldaten
- hinter dem Zerstörer fährt ein Kreuzer mit Befehlsgewalt über die Geschwindigkeit und den Kurs, dahinter sind Torpedoboote mit Bällen im Wasser, die die Bahnen der Torpedos beobachten
- die Handelsschiffe erhielten einen TARNANSTRICH, der die Schiffe kleiner machte - bekannt wurde der britische Maler Solomon J. Solomon
- fünf bis sechs Zerstörer fuhren um den Konvoi (zumeist mindestens fünfzehn Schiffe) im Zickzackkurs, um zu verwirren
- nach Einführung dieses Systems am 1.7.1917 verloren die Aliierten nur 0,1%, 154 von 16000 Schiffen

Vaterländisches Hilfsdienstgesetz

Dezember 1916
- Kernstück des Hindenburgschen Programms zur Umstellung der deutschen Wirtschaft auf Kriegsverhältnisse
- Einverständigung mit Gewerkschaften und Verschiebung der Parlamentsreform bis nach Kriegsende

Juden

- wurden prinzipiell aus den Offiziers- und Verwaltungsberufen ausgeschaltet und haben dadurch wenig verantwortlichen Einfluß, ABER sie haben sehr viel unverantwortlichen Einfluß → gegen die These SUARES' gerichtet
- haben durch ihre überaus dichte, den GEIST kapitalistischer Überbetriebsamkeit befeuernde Zusammendrängung in Kaufmanns- und Anwaltsberufen, zudem in WISSENSCHAFT und Presse, politischen Führertums einen großen Einfluß auf die Bildgestaltung deutschen Wesens nach außen hin (Scheler)

Kriegsanleihen

- eine 5%ige Anleihe des Staates bei seinen Bürgern, die von den Besiegten gezahlt wird
- wird benutzt, statt die STEUERN zu erhöhen; Problem im REICH: Matrikularsystem → die Steuerhoheit liegt bei den Ländern, nicht beim STAAT
- 27.10. 1918 → der „Vorwärts“ ruft unmittelbar vor Inkrafttreten der neuen Verfassung, die Deutschland zur parlamentarischen Republik macht, zur neunten Anleihe auf

Kriegsschuld

- Beweisen Kriegsziele Kriegsschuld, dann waren alle schuldig. In welchem anderen Land gab es überhaupt, wie in Deutschland, eine Kriegszieldiskussion? Die anderen wußten, was sie wollten, GEOGRAPHIE und GESCHICHTE gaben es ihnen vor, die Deutschen wußten es nicht und stritten sich vier Jahre um diese Ziele. (MANN)
Meinungen stehen sich seit 1960er Jahre gegenüber:

  • Globalvorwurf an Deutschland wegen „Griff nach der Weltmacht“ durch Einmarsch in Belgien (Beginn der Kampfhandlungen) → dem soll eine bewußte Planung und Kriegsvorbereitung vorangegangen sein

- Kontinuität der offensiven AGGRESSION Deutschlands

  • Defensivcharakter der deutschen Entscheidungen vor dem Krieg

→ Zwangslage im Krieg (Wehler)

Kriegszieldiskussion

- an der Diskussion um die deutschen Kriegsziele zerbrach die Einheit (Rassow)
- status quo ante, doch vor dem BEWUßTSEIN so großer Opfer wurde es undenkbar, als Ziel die Rückkehr zum status quo zu fordern (Nipperday)
- war bis 1916 öffentlich verboten, bis sich die Oberste Heeresleitung offen auf die Seite der Annexionisten stellte
- man wollte Abrundungen im Westen
- afrikanische Kolonien spielen keine Rolle

eigentliches Ziel

- in künftiger ORDNUNG muß es Friedenssicherung geben: der Krieg kostet Opfer, die der Verlierer bezahlen muß, und außerdem will man Sicherheit für den Fall eines erneuten Krieges

spezielle Forderungen: (Stoecker)

  • Deutsche Bank → 3 Milliarden Dollar und die französischen Kolonien in Afrika
  • Alldeutscher Verband → englische, belgische und französische Kolonien in Afrika
  • Zentrumspartei → zentralafrikanisches Kolonialgebiet
  • Herzog Johann Albrecht → ganz Afrika
  • preußisches Innenministerium → Freiheit der Meere
  • Schwerindustrie Westdeutschlands → Schutzgebiete für Absatz

- erobertes Gebiet in Europa soll unter deutschen Schutz gestellt, gegebenenfalls gegen Kolonialbesitz in Afrika eingetauscht werden

letztlich 1918 so veritabel

  • Antwerpen als Hafen für Deutschland
  • Angliederung des flämischen Teils von Belgien
  • französische Erzlager bei Longwy-Brie (in wirtschaftsrechtlicher Hinsicht schon in deutschem Besitz)
  • Aufteilung des Osmanischen Reiches
  • Ausbruch aus der Isolierung im ZENTRUM Europas, statt latenter eine offene Hegemonie
Wertung

„Kurzum, wo immer man die Kontinuität der Ziele prüft, muß man sich klarmachen, daß es vor 1914 unleugbar eine Fülle teils konkreter, teils bizarrer Erwägungen gab, eine gerade Linie zum politischen Entscheidungshandeln im Sommer 1914 aber nicht gezogen werden kann. Die fraglose beabsichtigte Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses darf keineswegs mit territorialen Annexionszielen gleichgesetzt werden.“ (Wehler)

Septemberprogramm 1914

Forderungskatalog nach deutschem Sieg, verfaßt nach den ersten Siegen [von wem?]

  • Longwy
  • belgischen Hafen
  • russische Kornkammer
  • polnische Grenzstreifen

→ im harten Kern immer noch status quo ante im Unterschied zu den britischen und französischen Programmen

Siegfriedstellung

- Linie im Norden Frankreichs, hinter die sich die deutsche Truppen 1916 zurückzogen, als der Offensivkrieg endgültig zum Erliegen kam
- nach der Kronratssitzung in SPA am 13.8.1918 war klargeworden, daß der Krieg militärisch nicht mehr zu gewinnen war → hinter die Hindenburglinie, Siegfriedstellung, wollte man sich angesichts fehlender Reserven aber auch nicht zurückziehen → man sah sich zu einem zähen VERTEIDIGUNGSKRIEG gezwungen, der die täglich stärker werdenden Alliierten nicht durchkommen ließ

Offensive von St. Quentin

März 1918
- soll im Westen die ENTSCHEIDUNG bringen, aber die Deutschen erreichen nur eine örtliche Überlegenheit
- der Plan sah vor, die alliierten Armeen zu trennen und einzeln zu schlagen
- zwischen dem 24. und 26. März schien die Operation gelungen, denn die Alliierten hatten Koordinationsschwierigkeiten, doch bei Amiens gelang nicht der entscheidenden Durchbruch, so daß das deutsche Heer in einem weiten Brückenkopf das Errungene großflächig verteidigen mußte, was bei geringen Reserven nicht gelingen konnte

Verfassungsreform

26.10.1918
- trat am 28.10.1918 in KRAFT
- das Reich wird eine parlamentarische Demokratie, weil WILSON die Vermischung von parlamentarischen und bürokratischen Elementen, die von Baden initiierte, nicht ausreichten - Punkt 14 der Forderungen → dritte Note vom 24.10.1918, nachdem von Baden eine semi-autoritäre Verfassungsstruktur ausgearbeitet hatte, die den Kanzler vom Parlament wählen ließ, doch dem Kaiser rechenschaftspflichtig machte
- die Mitglieder des Parlaments können Minister werden, ohne ihr Mandat AUFGEBEN zu müssen
- die Regierung ist dem Parlament verantwortlich
- keine Einführung des westlich-demokratischen Wahlrechts → DREIKLASSENWAHLRECHT in Preußen blieb
- im preußischen Herrenhaus stimmte man dem Entwurf zu, ohne ihn genau paraphiert zu sehen

Grundfragen zur Verfassungsreform

  • Welche Prärogative besitzt der MONARCH?
  • Was geschieht mit dem Parlament, wenn es keine Regierungsmehrheit mehr gibt?
  • Wer besitzt die militärische Kommandogewalt, der Kanzler oder der Kaiser bzw. die OHL?

äußere Verhaltensformen im Krieg

- Möglichkeit des Umgangs mit den Feinden

  • Selbstbeherrschung der eigenen Haßeffekte
  • unbedingte Festhaltung des eigenen Wesens, d.i. im Falle der Deutschen das feste, glückliche, stolze, aber nicht hochmütige Gläubigsein an die eigene UNENDLICHKEIT und Hoheit
  • kühle Selbstkritik der Erscheinungsformen des eigenen Wesens auf allen Gebieten

Völkerrechtsbruch mit Belgien

Unsere Truppen haben Luxemburg besetzt und vielleicht schon belgisches Gebiet. Das widerspricht den Gesetzen des Völkerrechts… Das UNRECHT, das wir damit tun, werden wir wieder gutmachen, sobald unser militärisches Ziel erreicht ist. Wer so bedroht ist wie wir und um sein Höchstes kämpft, der darf nur daran denken, wie er sich durchhaut. (Bethmann)

Waffen

Staffel Richthofen; Richthofen links mit dem Pour le Merite
- Einsatz neuer Waffen: Flugzeuge, Tanks (Panzer), Flammenwerfer, Gasgranaten

Waffenstillstandsangebote

25./26.09.1918
- durch Ludendorff nach Konkurs Bulgariens → wird abgelehnt
3./4.10.1918:
- wird in der deutschen Öffentlichkeit als Eingeständnis einer Niederlage verstanden
- die OHL setzte bald darauf die Mär vom Dolchstoß in die Welt, da das Waffenstillstandsangebot nicht von ihr selbst ausgegangen war, sondern von Kanzler von Baden kam

Wilsonnotenwechsel 1918

1. Note Wilsons 8.10.
- Wilson fordert die Räumung Frankreichs und Belgiens
- von Baden will darauf eingehen
- die Oberste Heeresleitung nimmt die 14 Punkte zur Kenntnis und versteift sich
- Hindenburg beschwert sich, daß die miserable Stimmung im Hinterland die militärischen Aufgaben behindere

Hindenburg will:

  1. entweder ehrenvollen Frieden, d.h. Kompensation im Osten
  2. oder Kampf bis zum äußersten!

- das soll so aussehen, daß aus dem Osten Truppen abgezogen werden, weil der Volkswiderstand gegen den BOLSCHEWISMUS ausreiche, gegen die schwachen russischen Truppen zu bestehen
3. Note Wilsons vom 23.10.18
- verlangt die Abdankung des Kaisers → W. will den inneren Zusammenbruch Deutschlands
- Ludendorff will den Kampf bis zum äußersten, bevor er mit von Baden einen derartigen Befehl absprach, schickte er ihn an alle Armeen → Staatssekretär im Auswärtigen Amt von Solf verlangt den sofortigen Rücktritt Ludendorffs wegen Amtsübertretung etc.
- von Baden erzwingt die Verabschiedung Ludendorffs und gleichzeitig eine Parlamentsreform, 24.-28.10.1918 → Kriegserklärung und Friedensschluß waren nicht mehr an die OHL, sondern an Parlament und Bundesrat gebunden

Fazit

- dieser Krieg brach das VERTRAUEN zueinander → daraus resultierte die Unmöglichkeit eines wirklichen Friedensschlusses (Fromm)
- am Ende gab es einen Sieg der PLUTOKRATIE und römischen KIRCHE (ROSENBERG)
- es bleibt uns Deutschen der RUHM, die russische Knute abgewehrt zu haben
- Amerikas Weltherrschaft war so unabwendbar wie in der ANTIKE die Roms nach dem Punischen Krieg (Weber)

weltkrieg.txt · Zuletzt geändert: 2023/12/23 12:07 von Robert-Christian Knorr