Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


zeitgestaltung

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
Nächste ÜberarbeitungBeide Seiten der Revision
zeitgestaltung [2019/10/31 08:33] Robert-Christian Knorrzeitgestaltung [2020/07/12 11:30] – [Der Aufbau der mythischen Welt im Romanwerk - A. Jeremias] Robert-Christian Knorr
Zeile 483: Zeile 483:
 TM will eine Geschichte, eine längst bekannte Geschichte mit modernsten Mitteln, sowohl geistigen als auch technischen, erneuern und dem Leser frisch hervorbringen. Sein Motto lautet: **Ausgestaltung**! Das ist die erste These. Die Realisation erscheint ihm aber problematisch. Sie muß Täuschung und [[Spiel]] bleiben. Der [[Humor]] als Gestaltungsingredienz kommt in diesem Spiel in jedweden Kommentaren zum Bibelgeschehen zum Ausdruck, gehört zum Spiel. Joseph ist v.a. eine humorgetönte Figur, die ironisch abgedämpft wird. (XI 657)  TM will eine Geschichte, eine längst bekannte Geschichte mit modernsten Mitteln, sowohl geistigen als auch technischen, erneuern und dem Leser frisch hervorbringen. Sein Motto lautet: **Ausgestaltung**! Das ist die erste These. Die Realisation erscheint ihm aber problematisch. Sie muß Täuschung und [[Spiel]] bleiben. Der [[Humor]] als Gestaltungsingredienz kommt in diesem Spiel in jedweden Kommentaren zum Bibelgeschehen zum Ausdruck, gehört zum Spiel. Joseph ist v.a. eine humorgetönte Figur, die ironisch abgedämpft wird. (XI 657) 
  
-TM ist nicht der Autor des Erzählten, das Werk erzählt sich selbst. In diesem Sinne sind die Erörterungen des Dichters/Erzählers zu verstehen. Auf die hypothetisch gestellte Frage nach dem Grund des Interesses gibt er an, daß ein gewisses Lebensalter zwangsläufig ein Interesse am Mythischen oder Typischen, was ihm Synonyme des Menschheitlichen sind, wachruft. Es sind die immer wiederkehrenden Ur-Normen, die im Vergleich mit dem Gegenwärtigen eine neue Ebene der Beschäftigung mit der Gegenwart versprechen, was bei ihm persönlich zur Erhöhung der künstlerischen Stimmung führte. Die konkrete historische Situation seiner Zeit wirkte naturgemäß in das Werk hinein. **Der Mythus sollte traktiert werden**, um Rosenberg ‚ dem Präzeptor [[Hitler#Hitlers]] (XI 658) die obskurante Gegenrevolution zu vermiesen, den Mythus im Lichte erstehen zu lassen, statt in die dunklen Tiefen des blutgetränkten Bodens verschwinden zu sehen. Das ist die zweite These. +TM ist nicht der Autor des Erzählten, das Werk erzählt sich selbst. In diesem Sinne sind die [[Erörterung#Erörterungen]] des Dichters/Erzählers zu verstehen. Auf die hypothetisch gestellte Frage nach dem Grund des Interesses gibt er an, daß ein gewisses Lebensalter zwangsläufig ein Interesse am Mythischen oder Typischen, was ihm Synonyme des Menschheitlichen sind, wachruft. Es sind die immer wiederkehrenden Ur-Normen, die im Vergleich mit dem Gegenwärtigen eine neue Ebene der Beschäftigung mit der Gegenwart versprechen, was bei ihm persönlich zur Erhöhung der künstlerischen Stimmung führte. Die konkrete historische Situation seiner Zeit wirkte naturgemäß in das Werk hinein. **Der Mythus sollte traktiert werden**, um Rosenberg ‚ dem Präzeptor [[Hitler#Hitlers]] (XI 658) die obskurante Gegenrevolution zu vermiesen, den Mythus im Lichte erstehen zu lassen, statt in die dunklen Tiefen des blutgetränkten Bodens verschwinden zu sehen. Das ist die zweite These. 
  
 Mythus lebt durch das [[Fest]], die Vergegenwärtigung. Das Fest aber gilt es durch den gegenwärtigen Menschen zu gestalten. Daran ist die Gottessorge geknüpft. Gott benötigt für seinen Weltplan den Menschen, der sich entwickelnd ihn selbst entwickelt. Gott steht nicht still. Der Gott, der Abram noch ein Menschenopfer (beinahe) abbedang ist nicht mehr der Gott des [[Testament#Neuen Testaments]]. Er ist es und ist es nicht. Gottes Sorge geht dahin, daß die Menschen das Veraltete für richtig halten und danach leben. Es gilt aber die Übereinstimmung zwischen Gott und den Menschen herbeizuführen. Der Mensch muß sehen, was die Glocke geschlagen hat, welche Äonenstunde, welche Weltstunde angebrochen ist und muß danach handeln. Dies ist der philosophische Ur-Grund der **Joseph-Tetralogie, ein epischer Gegenentwurf Schopenhauerscher Konvenienz gegen den Nationalsozialismus**, der TM zufolge auf Hegelschen Dialektik-Gesetzen steht; quasi notwendige Folge dieser Gesetzlichkeit ist. Das ist die dritte These. Mythus lebt durch das [[Fest]], die Vergegenwärtigung. Das Fest aber gilt es durch den gegenwärtigen Menschen zu gestalten. Daran ist die Gottessorge geknüpft. Gott benötigt für seinen Weltplan den Menschen, der sich entwickelnd ihn selbst entwickelt. Gott steht nicht still. Der Gott, der Abram noch ein Menschenopfer (beinahe) abbedang ist nicht mehr der Gott des [[Testament#Neuen Testaments]]. Er ist es und ist es nicht. Gottes Sorge geht dahin, daß die Menschen das Veraltete für richtig halten und danach leben. Es gilt aber die Übereinstimmung zwischen Gott und den Menschen herbeizuführen. Der Mensch muß sehen, was die Glocke geschlagen hat, welche Äonenstunde, welche Weltstunde angebrochen ist und muß danach handeln. Dies ist der philosophische Ur-Grund der **Joseph-Tetralogie, ein epischer Gegenentwurf Schopenhauerscher Konvenienz gegen den Nationalsozialismus**, der TM zufolge auf Hegelschen Dialektik-Gesetzen steht; quasi notwendige Folge dieser Gesetzlichkeit ist. Das ist die dritte These.
Zeile 550: Zeile 550:
 In der babylonischen Religion waren „objektive Sünden“ (Diebstahl, Würdenbelästigung, Berührung von Tabus etc.) und sittliche (Familienvergehen etc.) unterschieden. Die biblischen Bußpsalmen dagegen „...sind religiös ungleich wertvoller. Sie ruhen auf einem klaren Bewußtsein vom Verhältnis des Menschen zu Gott und sie kennen nur die innere, sittliche Verantwortlichkeit.“  In der babylonischen Religion waren „objektive Sünden“ (Diebstahl, Würdenbelästigung, Berührung von Tabus etc.) und sittliche (Familienvergehen etc.) unterschieden. Die biblischen Bußpsalmen dagegen „...sind religiös ungleich wertvoller. Sie ruhen auf einem klaren Bewußtsein vom Verhältnis des Menschen zu Gott und sie kennen nur die innere, sittliche Verantwortlichkeit.“ 
  
-Diese altbabylonischen Vorstellungen bilden den Schlüssel für das Verständnis des Alten Testaments bei Jeremias. TM nahm diese Position auf, da sie mit seinem Anspruch, eine universal-menschheitliche Dichtung zu schaffen, zusammenfiel. Die Jeremiassche Wiedergabe der Patriarchengeschichten ließ zudem die Möglichkeit zu, mythologische Motive von Babylonien nach Kanaan wandern zu lassen: Brunnen (Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? -IV 9), Entschleierung (Sie fielen auf ihn... >Herunter, herunter, herunter!< schrien sie keuchend, und einhellig war der Ketönet gemeint, das Bildkleid, das Schleiergewand, das mußte von ihm herunter... - IV 555 oder IV 582: In seinem Geist wohnten die Gedanken >Entschleierung< und >Tod< nahe beisammen...), Fluchzeit (>Ich aber reise zum erstenmal ins Verfluchte, und so sind die Tränen mir nah.> V 707), Gefängnis (Dies alles drückte sich aus in dem Mündchen-Herunterziehen und in der fast unwahrnehmbaren Kopfbewegung, durch die die Choristen einander mit dem Ohre hinabbedeuteten, wo das Reis [Samenträger (in doppelter Bedeutung, weil gerade seine Verurteilung, Muts wegen, vorausging) des Stammes Israel, der Erwählte, der Segensträger: Joseph],die Arme auf dem Rücken zusammengebunden, in einer geruderten Segelbarke das Wasser Ägyptens hinab ins Gefängnis gebracht wurde. - V 1287) und viele andere Beispiele verschobener Motive ([[Gold]], Höllenfahrt, Grube, Jungfrau, Keuschheit, Liebling, Wüste, Unterwelt, Schönheit, Täuschung, Träume, Zerstückelung usw.). Die Bedeutung dieser Motive liegt oberflächlich besehen im Symbolgehalt, sie geben TM die Möglichkeit des Rahmens, um vergegenwärtigen zu können, haben also mythologische, menschheitliche Bedeutung. Diese Möglichkeit fußt auf dem Gedanken der Abbildlichkeit ewigmenschlicher Vorstellungen. Es ist möglich und verständlich zugleich, daß altbabylonische Vorstellungen in Ägypten Entsprechungen finden können, wenn man der Idee der Abbildlichkeit folgt.+Diese altbabylonischen Vorstellungen bilden den Schlüssel für das Verständnis des Alten Testaments bei Jeremias. TM nahm diese Position auf, da sie mit seinem Anspruch, eine universal-menschheitliche Dichtung zu schaffen, zusammenfiel. Die Jeremiassche Wiedergabe der Patriarchengeschichten ließ zudem die Möglichkeit zu, mythologische Motive von Babylonien nach [[Kanaan]] wandern zu lassen: Brunnen (Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? -IV 9), Entschleierung (Sie fielen auf ihn... >Herunter, herunter, herunter!< schrien sie keuchend, und einhellig war der Ketönet gemeint, das Bildkleid, das Schleiergewand, das mußte von ihm herunter... - IV 555 oder IV 582: In seinem Geist wohnten die Gedanken >Entschleierung< und >Tod< nahe beisammen...), Fluchzeit (>Ich aber reise zum erstenmal ins Verfluchte, und so sind die Tränen mir nah.> V 707), Gefängnis (Dies alles drückte sich aus in dem Mündchen-Herunterziehen und in der fast unwahrnehmbaren Kopfbewegung, durch die die Choristen einander mit dem Ohre hinabbedeuteten, wo das Reis [Samenträger (in doppelter Bedeutung, weil gerade seine Verurteilung, Muts wegen, vorausging) des Stammes Israel, der Erwählte, der Segensträger: Joseph],die Arme auf dem Rücken zusammengebunden, in einer geruderten Segelbarke das Wasser Ägyptens hinab ins Gefängnis gebracht wurde. - V 1287) und viele andere Beispiele verschobener Motive ([[Gold]], Höllenfahrt, Grube, Jungfrau, Keuschheit, Liebling, Wüste, Unterwelt, Schönheit, Täuschung, Träume, Zerstückelung usw.). Die Bedeutung dieser Motive liegt oberflächlich besehen im Symbolgehalt, sie geben TM die Möglichkeit des Rahmens, um vergegenwärtigen zu können, haben also mythologische, menschheitliche Bedeutung. Diese Möglichkeit fußt auf dem Gedanken der Abbildlichkeit ewig-menschlicher Vorstellungen. Es ist möglich und verständlich zugleich, daß altbabylonische Vorstellungen in Ägypten Entsprechungen finden können, wenn man der Idee der Abbildlichkeit folgt.
  
  
zeitgestaltung.txt · Zuletzt geändert: 2023/11/12 17:02 von Robert-Christian Knorr