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crane

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crane [2019/07/28 16:08] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1crane [2021/10/29 17:12] Robert-Christian Knorr
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 Ein Wort zu Cranes [[Skepsis]]: Sie richtet sich an die Verhältnisse, die ihn umgeben. //The dream is over// nannte Lennon das siebzig Jahre später: Amerikas Traum einer auf [[Gleichheit]] und sozialem Fortschritt basierenden moralischen Führungsrolle war mit dem immer drastischer empfundenen Zwiespalt zwischen den Siegern in ihren Palästen und den vielen Verlierern in den Slams - dort, in Neu York, wo Crane seine soziale [[Prägung]] erfuhr, wohl aufs augenscheinlichste zu erfahren - diskreditiert. Aber Crane gab sich nicht einer depressiven oder gar selbstzerstörerischen Grundstimmung hin, wie sie vielerorts am Ende des 19. Jahrhunderts [[Mode]] war. Er bewahrt sich Humor, setzt eben das im Menschen verortbare Gute, und er ist traurig und zornig über die Nöte1. [[Humor]] hat diese wundervolle [[Wirkung]], daß er gelassen macht; selten wird sich bei Menschen mit zwanghaftem Naturell Humor finden. Crane war in diesem [[Sinn#Sinne]] selbstgewiß, gelassen. Er glaubte an das Gute im Menschen und vor allem an das Gute in sich selbst, das ihm jede [[Krisensituation]] zu meistern verhieß. Auf der anderen Seite aber - und Crane war ein Mensch zutiefst antithetischer Weltwahrnehmung - war Crane [[Künstler]]. Kunst ist ein Kind des Schmerzes, schrieb er.\\ Ein Wort zu Cranes [[Skepsis]]: Sie richtet sich an die Verhältnisse, die ihn umgeben. //The dream is over// nannte Lennon das siebzig Jahre später: Amerikas Traum einer auf [[Gleichheit]] und sozialem Fortschritt basierenden moralischen Führungsrolle war mit dem immer drastischer empfundenen Zwiespalt zwischen den Siegern in ihren Palästen und den vielen Verlierern in den Slams - dort, in Neu York, wo Crane seine soziale [[Prägung]] erfuhr, wohl aufs augenscheinlichste zu erfahren - diskreditiert. Aber Crane gab sich nicht einer depressiven oder gar selbstzerstörerischen Grundstimmung hin, wie sie vielerorts am Ende des 19. Jahrhunderts [[Mode]] war. Er bewahrt sich Humor, setzt eben das im Menschen verortbare Gute, und er ist traurig und zornig über die Nöte1. [[Humor]] hat diese wundervolle [[Wirkung]], daß er gelassen macht; selten wird sich bei Menschen mit zwanghaftem Naturell Humor finden. Crane war in diesem [[Sinn#Sinne]] selbstgewiß, gelassen. Er glaubte an das Gute im Menschen und vor allem an das Gute in sich selbst, das ihm jede [[Krisensituation]] zu meistern verhieß. Auf der anderen Seite aber - und Crane war ein Mensch zutiefst antithetischer Weltwahrnehmung - war Crane [[Künstler]]. Kunst ist ein Kind des Schmerzes, schrieb er.\\
  
-Kommen wir zur Leistungsbestimmung Cranes: Wüstenhagen, der [[Herausgeber]] einiger Gedichte Cranes, behauptet, Crane habe seine lyrischen Texte aus dem [[Stegreif]] heraus niedergeschrieben, so ähnlich wie [[Mozart]] seine Kompositionen, möchte ich ergänzen. Das ist nicht fragwürdig und soll die [[Leistung]] des Prätendenten, der hier auf den Stuhl gehievt werden muß, nicht schmälern. Manche schreiben so. Andere wuseln sehr lange an ihren Texten herum, heraus kommt Schlechteres. Es ist bei Crane vielmehr, denke ich, diese Fähigkeit der poetischen Verallgemeinerung einer individuell erfahrenen zerrißnen Wirklichkeit. Crane hat sein Wirklichkeitsgefühl auf den Punkt gebracht. Dazu tritt diese Antithetik, das Gegenteil quasi mitzudenken. Ich und Du, Welt dazu, einmal umrühren und auf den Kopf stellen. Die Sprache liegt auf der Straße, der Gedanke turnt im Himmel herum. Er findet alles und kann es zu einem Ganzen machen. Und jeder Mensch ist so, manche wissen es bloß nicht, [[ahnen]] aber längst. Und weil Crane hier zusammenbinden kann, was viele nur ahnen, so trifft er seine Leser an. Die sagen sich: 'So hätte ich das auch sagen können!' Cranes Metaphorik springt seinen Leser an; er wird gezwungen, sich zu positionieren. Himmelhochjauchzendzutodebetrübtes DaSeinserfassen. Das macht das Lesen seiner Gedichte anstrengend, aber glücklicherweise sind sie nicht sehr lang. Sympathisch sind seine jugendlichen Ausbrüche gegen Stutzertum und Heuchelei, warm nimmt mich seine [[Sorge]] um die Menschlichkeit in einer zerbröselnden [[Umwelt]] ein, stark sind seine Worte gegen das Unmenschliche; verbissen sein zuweilen auftretender Sarkasmus, aber ich denke, daß dieser nicht zwingend ausschlaggebend ist, die anderen Aspekte wiegen sehr viel schwerer.\\+==== literaturhistorische Einordnung ==== 
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 +Kommen wir zur Leistungsbestimmung Cranes: Wüstenhagen, der [[Herausgeber]] einiger Gedichte Cranes, behauptet, Crane habe seine lyrischen Texte aus dem [[Stegreif]] heraus niedergeschrieben, so ähnlich wie [[Mozart]] seine Kompositionen, möchte ich ergänzen. Das ist nicht fragwürdig und soll die [[Leistung]] des Prätendenten, der hier auf den Stuhl gehievt werden muß, nicht schmälern. Manche schreiben so. Andere wuseln sehr lange an ihren Texten herum, heraus kommt Schlechteres. Es ist bei Crane vielmehr, denke ich, diese Fähigkeit der poetischen Verallgemeinerung einer individuell erfahrenen zerrißnen Wirklichkeit. Crane hat sein Wirklichkeitsgefühl auf den Punkt gebracht. Dazu tritt diese Antithetik, das Gegenteil quasi mitzudenken. Ich und Du, Welt dazu, einmal umrühren und auf den Kopf stellen. Die Sprache liegt auf der Straße, der Gedanke turnt im Himmel herum. Er findet alles und kann es zu einem Ganzen machen. Und jeder Mensch ist so, manche wissen es bloß nicht, [[ahnen]] aber längst. Und weil Crane hier zusammenbinden kann, was viele nur ahnen, so trifft er seine Leser an. Die sagen sich: 'So hätte ich das auch sagen können!' Cranes Metaphorik springt seinen Leser an; er wird gezwungen, sich zu positionieren. Himmelhochjauchzendzutodebetrübtes DaSeinserfassen. Das macht das Lesen seiner Gedichte anstrengend, aber glücklicherweise sind sie nicht sehr lang. Sympathisch sind seine jugendlichen Ausbrüche gegen Stutzertum und Heuchelei, warm nimmt mich seine [[Sorge]] um die Menschlichkeit in einer zerbröselnden [[Umwelt]] ein, stark sind seine Worte gegen das Unmenschliche; verbissen sein zuweilen auftretender [[Sarkasmus]], aber ich denke, daß dieser nicht zwingend ausschlaggebend ist, die anderen Aspekte wiegen sehr viel schwerer.\\ 
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 +==== Zur Sprache ====
  
-Zur Sprache:\\ 
 Crane hat den Hang, Einzahl zu schreiben, aber Mehrzahl zu meinen. Die Benutzung biblischer [[Begriff]]e wird an entscheidenden Stellen vermieden, ist aber immer gemeint. Der übermäßige Gebrauch der koordinierenden Konjunktion UND ist kein Anzeichen minderer Verdichtungsabsicht, sondern Ausdruck für die Stringenz, ja das apodiktische Zuweisen des Gedankens auf einen Vers. Nicht [[umsonst]] nannte Crane seine Gedichtbände jeweils „...AND OTHER LINES“. Ein Vers ist also vorwiegend ein in sich geschlossener Gedanke, der vom Leser als solcher wahrgenommen werden soll. So ergibt sich für den Übersetzer das [[Problem]], die bildreiche englische Sprache Vers für Vers und nicht in einem umschließenden Sinne ins Deutsche zu übertragen. Und so ganz nebenbei stellt sich dem Übersetzer auch die Frage, ob er Cranes [[Fehler]] tilgen soll. \\ Crane hat den Hang, Einzahl zu schreiben, aber Mehrzahl zu meinen. Die Benutzung biblischer [[Begriff]]e wird an entscheidenden Stellen vermieden, ist aber immer gemeint. Der übermäßige Gebrauch der koordinierenden Konjunktion UND ist kein Anzeichen minderer Verdichtungsabsicht, sondern Ausdruck für die Stringenz, ja das apodiktische Zuweisen des Gedankens auf einen Vers. Nicht [[umsonst]] nannte Crane seine Gedichtbände jeweils „...AND OTHER LINES“. Ein Vers ist also vorwiegend ein in sich geschlossener Gedanke, der vom Leser als solcher wahrgenommen werden soll. So ergibt sich für den Übersetzer das [[Problem]], die bildreiche englische Sprache Vers für Vers und nicht in einem umschließenden Sinne ins Deutsche zu übertragen. Und so ganz nebenbei stellt sich dem Übersetzer auch die Frage, ob er Cranes [[Fehler]] tilgen soll. \\
 Kann man seinen [[Prosa]]-Texten eine stilistische Nähe zum vor allem französischen [[Impressionismus]] zuweisen ([[Taine]]), dem naturalistische Drastischkeit beiseite gestellt wird ([[Zola]]), so sind seine lyrischen Versuche eher naturalistische Zuspitzungen mit einer beinahe expressionistischen Attitüde.\\ Kann man seinen [[Prosa]]-Texten eine stilistische Nähe zum vor allem französischen [[Impressionismus]] zuweisen ([[Taine]]), dem naturalistische Drastischkeit beiseite gestellt wird ([[Zola]]), so sind seine lyrischen Versuche eher naturalistische Zuspitzungen mit einer beinahe expressionistischen Attitüde.\\
crane.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/30 09:14 von Robert-Christian Knorr