Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


eschatologie

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
Nächste ÜberarbeitungBeide Seiten der Revision
eschatologie [2016/01/05 14:28] Robert-Christian Knorreschatologie [2020/02/09 11:06] – [Essay Eschatologie] Robert-Christian Knorr
Zeile 54: Zeile 54:
 Die Offenbarungen übten einen mächtigen Einfluß auf das politische Geschehen aus. Der Mensch des Mittelalters empfindet nicht ganzzeitlich sondern augenblicklich; er rechnet also stündlich mit der Erfüllung der Offenbarung. So finden wir wohl keinen Chronisten, der seinem [[Herrscher]] nicht in Verbindung mit David, //rex iustus//, huldigt.\\  Die Offenbarungen übten einen mächtigen Einfluß auf das politische Geschehen aus. Der Mensch des Mittelalters empfindet nicht ganzzeitlich sondern augenblicklich; er rechnet also stündlich mit der Erfüllung der Offenbarung. So finden wir wohl keinen Chronisten, der seinem [[Herrscher]] nicht in Verbindung mit David, //rex iustus//, huldigt.\\ 
 Wir haben es hier mit feiner [[Psychologie]] zu tun. Wer sich David nennt, kann wohl kaum aus Amt und Würden gejagt werden. Hier spielt auch der Begriff der Huld eine Rolle, denn der Herrscher mußte sich diesen Namen auch verdienen. Trat dann die unvermeidliche [[Enttäuschung]] ein, so hielt man die glorreiche Erfüllung für lediglich bis zum nächsten Herrscher verschoben. Die Menschen degradierten ihren „rex iustus“ zum Vorläufer und der Ruf: 'Der König ist tot. Es lebe der König!' erhält so einen spröden Sinn. Der neue König verspricht größere Nähe zur Verheißung. \\ Wir haben es hier mit feiner [[Psychologie]] zu tun. Wer sich David nennt, kann wohl kaum aus Amt und Würden gejagt werden. Hier spielt auch der Begriff der Huld eine Rolle, denn der Herrscher mußte sich diesen Namen auch verdienen. Trat dann die unvermeidliche [[Enttäuschung]] ein, so hielt man die glorreiche Erfüllung für lediglich bis zum nächsten Herrscher verschoben. Die Menschen degradierten ihren „rex iustus“ zum Vorläufer und der Ruf: 'Der König ist tot. Es lebe der König!' erhält so einen spröden Sinn. Der neue König verspricht größere Nähe zur Verheißung. \\
-Der [[Gedanke]] des Antichristen ließ sich politisch glänzend ausschlachten. Der politische [[Gegner]] wurde regelmäßig als Antichrist, als jenes verführerische und grausame Wesen der Apokalypse bezeichnet. So verschaffte sich mancher Papst Reputation, indem er einfach den politischen Gegner feierlichst zum Antichristen proklamierte. Aus dieser Proklamation erwuchsen politische Spannungen, die sehr [[rational]] zu erklären sind und das ausmachen, was wir heute [[Geschichtsschreibung]] nennen. Viele dieser Spannungen übertrugen sich auf die [[Juden]], doch möchte ich heute nichts über die tieferen Ursachen des Judenhasses sagen. Es gab aber auch Bewegungen, die die [[Priester]] verfolgten. Dem Morden an den Priestern unter Eudes und [[Tanchelm]] um 1100 lag die [[Überzeugung]] zugrunde, daß die [[Opfer]] Werkzeuge des Satans seien und als Vorbedingung für den Ausbruch des tausendjährigen Friedensreiches ausgerottet werden müßten. Es gab einen [[Mythos]], der den Antichristen als den [[Bastard]] eines Bischofs und einer Nonne beschrieb und von gewissenlosen Abenteurern immer wieder zu Vernichtungsfeldzügen gegen die Priesterschaft ausgenutzt wurde. Diese Abenteurer rekrutierten ihre Anhänger aus dem [[Plebs]]. Es ist eine einfache Rechnung: Man stelle sich einen hundearmen Menschen im Mittelalter vor; allen Naturkatastrophen ausgesetzt, vom Herrn gepeinigt, von der Kirche benutzt... sehnt sich der nicht nach Erlösung, sehnt sich der nicht nach einer annehmbaren dauerhaften sozialen Bindung, und ist der nicht bereit, sein Elend einem [[Sündenbock]] zuzuschreiben? Das ist der Boden für [[Mythen]] und Abenteurer. \\ +Der [[Gedanke]] des Antichristen ließ sich politisch glänzend ausschlachten. Der politische [[Gegner]] wurde regelmäßig als Antichrist, als jenes verführerische und grausame Wesen der Apokalypse bezeichnet. So verschaffte sich mancher Papst Reputation, indem er einfach den politischen Gegner feierlichst zum Antichristen proklamierte. Aus dieser Proklamation erwuchsen politische Spannungen, die sehr [[rational]] zu erklären sind und das ausmachen, was wir heute [[Geschichtsschreibung]] nennen. Viele dieser Spannungen übertrugen sich auf die [[Juden]], doch möchte ich heute nichts über die tieferen Ursachen des Judenhasses sagen. Es gab aber auch Bewegungen, die die [[Priester]] verfolgten. Dem Morden an den Priestern unter Eudes und [[Tanchelm]] um 1100 lag die [[Überzeugung]] zugrunde, daß die [[Opfer]] Werkzeuge des Satans seien und als Vorbedingung für den Ausbruch des tausendjährigen Friedensreiches ausgerottet werden müßten. Es gab einen [[Mythos]], der den Antichristen als den [[Bastard]] eines Bischofs und einer [[Nonne]] beschrieb und von gewissenlosen Abenteurern immer wieder zu Vernichtungsfeldzügen gegen die Priesterschaft ausgenutzt wurde. Diese Abenteurer rekrutierten ihre Anhänger aus dem [[Plebs]]. Es ist eine einfache Rechnung: Man stelle sich einen hundearmen Menschen im Mittelalter vor; allen Naturkatastrophen ausgesetzt, vom Herrn gepeinigt, von der Kirche benutzt... sehnt sich der nicht nach Erlösung, sehnt sich der nicht nach einer annehmbaren dauerhaften sozialen Bindung, und ist der nicht bereit, sein Elend einem [[Sündenbock]] zuzuschreiben? Das ist der Boden für [[Mythen]] und Abenteurer. \\ 
-Als heute berühmtester eschastologische [[Fürst]] gilt der Staufer Friedrich II.. Er steht für die weltliche Komponente des eschatologischen Denkens im Mittelalter. Ausgangspunkt für seine diesbezügliche Bedeutung ist wiederrum die [[Theorie]] Joachims von Fiore. Diesen Abt von Fiore bewegte nach vielen Jahren mönchischen Studiums zwischen 1190 und 1195 die [[Inspiration]], die [[Schrift]] müsse einen einzigartigen prophetischen Gehalt besitzen. Er interpretiert die Geschichte als Aufstieg durch die drei Zeitalter, d.i. der Fortschrittsgedanke, und kam über die einfache Rechnung 42*30=1260 zu der [[Erkenntnis]], daß 1260 das Ende der Welt sein müsse. - 42 für die Anzahl der Generationen von Abraham bis Jesus; 30 für die Höhe des Durchschnittsalters der damaligen Menschen - \\+Als heute berühmtester eschatologischer [[Fürst]] gilt der Staufer Friedrich II.. Er steht für die weltliche Komponente des eschatologischen Denkens im Mittelalter. Ausgangspunkt für seine diesbezügliche Bedeutung ist wiederum die [[Theorie]] Joachims von Fiore. Diesen Abt von Fiore bewegte nach vielen Jahren mönchischen Studiums zwischen 1190 und 1195 die [[Inspiration]], die [[Schrift]] müsse einen einzigartigen prophetischen Gehalt besitzen. Er interpretiert die Geschichte als Aufstieg durch die drei Zeitalter, d.i. der Fortschrittsgedanke, und kam über die einfache Rechnung 42*30=1260 zu der [[Erkenntnis]], daß 1260 das Ende der Welt sein müsse. - 42 für die Anzahl der Generationen von Abraham bis Jesus; 30 für die Höhe des Durchschnittsalters der damaligen Menschen - \\
 [[Kaiser]] [[Friedrich#Friedrich II.]] hat es dieser [[Prophetie]] zum großen Teil zu danken, daß ihn die Volksphantasie in der [[Rolle]] des Endzeitzüchtigers der Kirche sah. Überdies unternahm er 1229 tatsächlich einen [[Kreuzzug]], bei dem es gelang, Jerusalem zurückzuerobern und sich zu dessen König krönen zu lassen. \\ [[Kaiser]] [[Friedrich#Friedrich II.]] hat es dieser [[Prophetie]] zum großen Teil zu danken, daß ihn die Volksphantasie in der [[Rolle]] des Endzeitzüchtigers der Kirche sah. Überdies unternahm er 1229 tatsächlich einen [[Kreuzzug]], bei dem es gelang, Jerusalem zurückzuerobern und sich zu dessen König krönen zu lassen. \\
 Vor allem aber sah er sich in die härtesten Kämpfe mit dem [[Papsttum]] verwickelt. Friedrich drohte, den [[Papst]] zu enteignen, weil, so seine Begründung, der unermeßliche [[Reichtum]] der Kirche die [[Quelle]] der Verderbtheit sei. Die Kirche reagierte mit Exkommunikation. Die Volksmassen sahen in diesen Vorgängen die Vorboten der Apokalypse und Joachims Prophetien erlebten eine Blütezeit. Ein um 1240 verfaßter joachimitischer [[Kommentar]] zu Jeremia stempelte ihn in der Tat zu einem solchen Verfolger der Kirche, daß - wie der Kommentar prophezeite - 1260 nichts mehr von ihr übrig sein werde.  Vor allem aber sah er sich in die härtesten Kämpfe mit dem [[Papsttum]] verwickelt. Friedrich drohte, den [[Papst]] zu enteignen, weil, so seine Begründung, der unermeßliche [[Reichtum]] der Kirche die [[Quelle]] der Verderbtheit sei. Die Kirche reagierte mit Exkommunikation. Die Volksmassen sahen in diesen Vorgängen die Vorboten der Apokalypse und Joachims Prophetien erlebten eine Blütezeit. Ein um 1240 verfaßter joachimitischer [[Kommentar]] zu Jeremia stempelte ihn in der Tat zu einem solchen Verfolger der Kirche, daß - wie der Kommentar prophezeite - 1260 nichts mehr von ihr übrig sein werde. 
  
-siehe auch: http://www.vonwolkenstein.de/Datenbank/doku.php?id=joachim#joachim_von_fiore+
eschatologie.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/23 10:09 von Robert-Christian Knorr