faulkner
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==== Faulkners poetisierter Christus ==== | ==== Faulkners poetisierter Christus ==== | ||
- | Der Leser wird gut daran tun, Faulkners [[Legende]] nicht als biblischen Schlüsselroman zu lesen, denn der Autor versucht keine Mystifikation von Wirklichkeit. Man muß 420 Seiten lesen, um zu begreifen, daß Faulkner keine verschlüsselte messianische Botschaft an seinen Leser herantragen wollte. Das [[Moment]] im Erzählfaden, | + | Der Leser wird gut daran tun, Faulkners [[Legende]] nicht als biblischen Schlüsselroman zu lesen, denn der Autor versucht keine Mystifikation von Wirklichkeit. Man muß 420 Seiten lesen, um zu begreifen, daß Faulkner keine verschlüsselte messianische Botschaft an seinen Leser herantragen wollte. Das [[Moment]] im Erzählfaden, |
Aber der Reihe nach: Faulkners Verknüpfung loser Erzählfäden kann den Leser schon verwirren; wer bis zur Seite 420 lesen muß, um Zusammenhänge zu begreifen, hat entweder keine Ahnung von [[Literatur]] oder aber er hat sich das falsche [[Buch]] gegriffen. Das Verwirren dürfte allerdings auch Gestaltungsmittel gewesen sein; schließlich packt Faulkner [[ewig]]-menschliche Probleme an und die sind eben problematisch. Lösungen zieht der Mann von heute nicht mehr aus der Tasche. Es ist alles ganz anders. Also kompliziert. Faulkner zeigt diese Probleme und ergreift [[Partei]]. Das gefiel. \\ | Aber der Reihe nach: Faulkners Verknüpfung loser Erzählfäden kann den Leser schon verwirren; wer bis zur Seite 420 lesen muß, um Zusammenhänge zu begreifen, hat entweder keine Ahnung von [[Literatur]] oder aber er hat sich das falsche [[Buch]] gegriffen. Das Verwirren dürfte allerdings auch Gestaltungsmittel gewesen sein; schließlich packt Faulkner [[ewig]]-menschliche Probleme an und die sind eben problematisch. Lösungen zieht der Mann von heute nicht mehr aus der Tasche. Es ist alles ganz anders. Also kompliziert. Faulkner zeigt diese Probleme und ergreift [[Partei]]. Das gefiel. \\ | ||
//„Mut, um Mitleid haben zu können?“ sagte der General. | //„Mut, um Mitleid haben zu können?“ sagte der General. | ||
- | Ja. Mut. Wenn man aufhört Mitleid zu haben, wird man von der Welt überrannt. Um so tapfer sein zu können, braucht man Stolz. | + | Ja. [[Mut]]. Wenn man aufhört Mitleid zu haben, wird man von der Welt überrannt. Um so tapfer sein zu können, braucht man Stolz. |
„Stolz worauf?“ sagte der General. | „Stolz worauf?“ sagte der General. | ||
„Ich weiß es nicht. Das ist es, was ich noch herauszubekommen suche.“// | „Ich weiß es nicht. Das ist es, was ich noch herauszubekommen suche.“// | ||
Es sei an dieser Stelle darauf verzichtet, die Figuren näher zu beleuchten, denn es sind Positionen, die miteinander streiten, nicht Personen. Es kommt mir auf die Botschaft des Werkes an, und diese wird aufzuzeigen sein. \\ | Es sei an dieser Stelle darauf verzichtet, die Figuren näher zu beleuchten, denn es sind Positionen, die miteinander streiten, nicht Personen. Es kommt mir auf die Botschaft des Werkes an, und diese wird aufzuzeigen sein. \\ | ||
- | Mut, um [[Mitleid]] zu haben. Eine uralte christliche [[Motiv# | + | Mut, um [[Mitleid]] zu haben. Eine uralte christliche [[Motiv# |
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Der Melder erläutert den Faulknerschen Begriff vom Krieg näher: \\ | Der Melder erläutert den Faulknerschen Begriff vom Krieg näher: \\ | ||
- | //Nur ein Idiot könnte den Krieg als Dauerzustand betrachten, er kostet zuviel [[Geld]]. Der Krieg ist ein Durchgang, eine Krise, ein Fieber, das den Zweck hat, den [[Körper]] vom Fieber zu befreien. Der Zweck des Krieges ist also, den Krieg zu einem Ende zu bringen. | + | //Nur ein [[Idiot]] könnte den Krieg als Dauerzustand betrachten, er kostet zuviel [[Geld]]. Der Krieg ist ein Durchgang, eine Krise, ein Fieber, das den Zweck hat, den [[Körper]] vom Fieber zu befreien. Der Zweck des Krieges ist also, den Krieg zu einem Ende zu bringen. |
Natürlich spricht aus dieser Erklärung der Südstaatler und das oftmals dort beheimatete Faible fürs Burleske, erinnert sei hier an Leute vom Schlage Capotes oder Fokin, die diesen [[Stil]] für den Süden der [[USA]] prägten. \\ | Natürlich spricht aus dieser Erklärung der Südstaatler und das oftmals dort beheimatete Faible fürs Burleske, erinnert sei hier an Leute vom Schlage Capotes oder Fokin, die diesen [[Stil]] für den Süden der [[USA]] prägten. \\ | ||
Auf Seite 10 die Botschaft des Werkes: **In Christus hat der [[Tod]] ein Ende.** Faulkner setzt dies kursiv, relativiert jedoch wenig später: | Auf Seite 10 die Botschaft des Werkes: **In Christus hat der [[Tod]] ein Ende.** Faulkner setzt dies kursiv, relativiert jedoch wenig später: | ||
- | // ...aber das war in einem anderen [[Land]]; und außerdem, die Hure ist tot.// | + | // ...aber das war in einem anderen [[Land]]; und außerdem, die [[Hure]] ist tot.// |
Mich erschreckte diese Zurücknahme, | Mich erschreckte diese Zurücknahme, | ||
- | Wenn Faulkner [[Alter]] und Enttäuschung zeichnen wollte, ist ihm das gelungen. Gelungen sind auch die Teile im Werk, die das [[Verhalten]] einer bestimmten Geisteshaltung, | + | Wenn Faulkner [[Alter]] und [[Enttäuschung]] zeichnen wollte, ist ihm das gelungen. Gelungen sind auch die Teile im Werk, die das [[Verhalten]] einer bestimmten |
- | //„Nicht daß wir die Franzosen nötig hätten. Wir hätten uns einfach auf die Kanalhäfen zurückziehen und dem Boche [[Paris]] überlassen können. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die Börse wäre ein bißchen nervös geworden, aber auch das nicht zum ersten Mal. Aber das ist jetzt alles vorbei. Wir haben nicht nur den Boche an der Nase herumgeführt, | + | //„Nicht daß wir die Franzosen nötig hätten. Wir hätten uns einfach auf die Kanalhäfen zurückziehen und dem Boche [[Paris]] überlassen können. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die [[Börse]] wäre ein bißchen nervös geworden, aber auch das nicht zum ersten Mal. Aber das ist jetzt alles vorbei. Wir haben nicht nur den Boche an der [[Nase]] herumgeführt, |
Die aus diesen Worten sprechende Kenntnis dessen, was denn borniert zu nennen ist, treibt Faulkner bei der einseitigen Betrachtung des Kriegsgegners, | Die aus diesen Worten sprechende Kenntnis dessen, was denn borniert zu nennen ist, treibt Faulkner bei der einseitigen Betrachtung des Kriegsgegners, | ||
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//„Warum mußte er den Piloten erschießen? | //„Warum mußte er den Piloten erschießen? | ||
„Weil er Deutscher ist.“// \\ | „Weil er Deutscher ist.“// \\ | ||
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Ist das Faulkners Bild vom Deutschen oder nun seinerseits südstaatlerische Borniertheit oder vielleicht die Mentalität des Siegers, der an dem besiegten kein gutes Haar lassen kann, um sich selbst zu erhöhen, vielleicht gar sein [[Tun]] zu rechtfertigen? | Ist das Faulkners Bild vom Deutschen oder nun seinerseits südstaatlerische Borniertheit oder vielleicht die Mentalität des Siegers, der an dem besiegten kein gutes Haar lassen kann, um sich selbst zu erhöhen, vielleicht gar sein [[Tun]] zu rechtfertigen? | ||
- | Einen Fensterplatz im Werk nimmt die Geschichte | + | Einen Fensterplatz im Werk nimmt die [[Anekdote]] |
//„Das Pferd“, sagte der alte [[Neger]]. „Von dem sie behaupten, wir hätten es gestohlen. Nur daß wir das gar nicht gekonnt hätten. Auch wenn wir gewollt hätten. Weil es nie einem gehörte, dem man es hätte wegnehmen können. Es war das Pferd der Welt. Der Champion. Es gehörte nicht den Dingen, die Dinge gehörten ihm.“ | //„Das Pferd“, sagte der alte [[Neger]]. „Von dem sie behaupten, wir hätten es gestohlen. Nur daß wir das gar nicht gekonnt hätten. Auch wenn wir gewollt hätten. Weil es nie einem gehörte, dem man es hätte wegnehmen können. Es war das Pferd der Welt. Der Champion. Es gehörte nicht den Dingen, die Dinge gehörten ihm.“ | ||
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„Er hat Raum für beides. Es ist beides dasselbe für Ihn. Er kann sich über beides grämen.“// | „Er hat Raum für beides. Es ist beides dasselbe für Ihn. Er kann sich über beides grämen.“// | ||
- | In einem philosophischen [[Verhältnis]] stehend, heißt der Krieg schon im Altertum nichts anderes als [[Reinigung]] und Prüfung. Der zu Prüfende muß sich als würdig erweisen, dieser besten aller Welten beiwohnen zu dürfen, darüber lacht Gott. Er weint über den Weg, der jedoch [[notwendig]] erscheint wegen der Natur des Menschen. Es ist dies der alte [[Streit]] um die [[Ursache und Wirkung]] allen Geschehens, um Begriffe wie Theodizee und Lauterkeit. Faulkner löst sie nicht in einem neuen Werteimperativ auf, er stellt Meinung gegen [[Meinung]], | + | In einem philosophischen [[Verhältnis]] stehend, heißt der Krieg schon im Altertum nichts anderes als [[Reinigung]] und [[Prüfung]]. Der zu Prüfende muß sich als würdig erweisen, dieser besten aller Welten beiwohnen zu dürfen, darüber lacht Gott. Er weint über den Weg, der jedoch [[notwendig]] erscheint wegen der Natur des Menschen. Es ist dies der alte [[Streit]] um die [[Ursache und Wirkung]] allen Geschehens, um Begriffe wie Theodizee und Lauterkeit. Faulkner löst sie nicht in einem neuen Werteimperativ auf, er stellt Meinung gegen [[Meinung]], |
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//„Nimm meinen Wagen - du kannst doch fahren, nicht wahr? | //„Nimm meinen Wagen - du kannst doch fahren, nicht wahr? | ||
„Ja“, sagte der Korporal. „Wegfahren? | „Ja“, sagte der Korporal. „Wegfahren? | ||
- | „Jetzt sofort“, sagte der alte General. „Nimm meinen Wagen. Wenn du überhaupt fahren kannst, wird dich der Stander auf seinem Kühler hinbringen, wohin in Europa westlich der deutschen Front du willst...Nein, | + | „Jetzt sofort“, sagte der alte General. „Nimm meinen Wagen. Wenn du überhaupt fahren kannst, wird dich der Stander auf seinem Kühler hinbringen, wohin in Europa westlich der deutschen Front du willst...Nein, |
„Um sie im Stich zu lassen“, sagte der Korporal. | „Um sie im Stich zu lassen“, sagte der Korporal. | ||
„Wen? Sieh noch einmal hin... Warum haben sie nicht mit ihren bloßen Händen, von denen sie ja genug haben, die Mauern Stein um [[Stein]] niedergerissen, | „Wen? Sieh noch einmal hin... Warum haben sie nicht mit ihren bloßen Händen, von denen sie ja genug haben, die Mauern Stein um [[Stein]] niedergerissen, | ||
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Kurz darauf macht Faulkner sein Anliegen noch unter einem anderen Aspekt deutlich: \\ | Kurz darauf macht Faulkner sein Anliegen noch unter einem anderen Aspekt deutlich: \\ | ||
- | //„Es war in Amerika, in irgendeinem Ort mit einem, glaube ich, indianischen Namen - Mississippi - ein Mann, der aus irgendwelchen niederen Motiven gemordet hatte Geld oder [[Rache]], oder vielleicht auch nur, um sich von einer Frau freizumachen und eine andere zu heiraten; es kommt im einzelnen nicht darauf an der während des Verhörs schreiend seine Unschuld beteuerte und für schuldig befunden und verurteilt wurde, und der Welt seine Unschuld ins Ohr schrie, auch noch in der vom [[Galgen]] überschatteten Todeszelle, bis schließlich ein Priester zu ihm kam; nicht beim ersten Mal, natürlich, auch nicht beim zweiten oder dritten Mal, aber nach einer Weile doch und auch noch zeitig genug gestand der Mörder sein [[Verbrechen]] ein und machte so seinen Frieden mit [[Gott]], so daß es nun fast so war, als Mörder und Priester ihre Rollen vertauscht; nicht der Priester, sondern der Mörder war nun der Starke, die Ruhe selbst, er war nicht von banger Hoffnung sondern von Überzeugung und unerschütterlichem Glauben erfüllt, der feste, ruhige, beharrende Fels, von dem [[Kraft]] und Mut ausging, und an dem der Priester Halt finden konnte...“// | + | //„Es war in [[Amerika]], in irgendeinem Ort mit einem, glaube ich, indianischen Namen - Mississippi - ein Mann, der aus irgendwelchen niederen Motiven gemordet hatte Geld oder [[Rache]], oder vielleicht auch nur, um sich von einer Frau freizumachen und eine andere zu heiraten; es kommt im einzelnen nicht darauf an der während des Verhörs schreiend seine Unschuld beteuerte und für schuldig befunden und verurteilt wurde, und der Welt seine Unschuld ins Ohr schrie, auch noch in der vom [[Galgen]] überschatteten Todeszelle, bis schließlich ein Priester zu ihm kam; nicht beim ersten Mal, natürlich, auch nicht beim zweiten oder dritten Mal, aber nach einer Weile doch und auch noch zeitig genug gestand der Mörder sein [[Verbrechen]] ein und machte so seinen |
- | [[Schuld]] oder Unschuld ist nicht die Frage, es geht Faulkner um das Überleben menschlicher Grundwerte in unmenschlichen Situationen. Der alte General ist Ausdruck der Ambivalenz des Buches: Er ist wissend um die Stärken und Schwächen des Menschen, aber doktrinär und zynisch. \\ | + | [[Schuld]] oder Unschuld ist nicht die Frage, es geht Faulkner um das Überleben menschlicher Grundwerte in unmenschlichen Situationen. Der alte General ist Ausdruck der [[Ambivalenz]] des Buches: Er ist wissend um die Stärken und Schwächen des Menschen, aber doktrinär und zynisch. \\ |
Faulkner entläßt seinen Leser im Zwiespalt: der Großartigkeit einzelner Vertreter des Menschengeschlechts steht der Massenmensch gegenüber: brutal, zynisch und triebhaft. Vielleicht also ist die Legende doch ein Schlüsselroman, | Faulkner entläßt seinen Leser im Zwiespalt: der Großartigkeit einzelner Vertreter des Menschengeschlechts steht der Massenmensch gegenüber: brutal, zynisch und triebhaft. Vielleicht also ist die Legende doch ein Schlüsselroman, |
faulkner.txt · Zuletzt geändert: 2022/07/06 09:47 von Robert-Christian Knorr