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gespraechsanalyse

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gespraechsanalyse [2023/01/23 18:34] – [2. Empirischer Teil: qualitative Betrachtung einer Drehbuch-Konversation] Robert-Christian Knorrgespraechsanalyse [2024/02/29 09:28] (aktuell) – [I. Einleitung] Robert-Christian Knorr
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   * Vorstellung der Gesprächspartner → äußere und innere Charakterisierung   * Vorstellung der Gesprächspartner → äußere und innere Charakterisierung
   * Anbindung an dramaturgische Bestandheit: Abschnitt des Dramas   * Anbindung an dramaturgische Bestandheit: Abschnitt des Dramas
-*wesenterpretationshypothese** → wird meist erst NACH dem Lesen des Gesamtgesprächs formuliert und muß nicht verifiziert werden+**Interpretationshypothese** → wird meist erst NACH dem Lesen des Gesamtgesprächs formuliert und muß nicht verifiziert werden
 ===== II. Hauptteil ===== ===== II. Hauptteil =====
    
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 Nach Anselm Strauss kommt der [[Sprache]] eine entscheidende [[Rolle]] für das menschliche [[Verhalten]] zu, und sie ist keinesfalls nur als eine weitere Verhaltensweise des Menschen zu verstehen. Vielmehr vertrete ich die Ansicht, daß Sprache und [[Sprechen]], ja jedwede [[Kommunikation]], unsere Wirklichkeit zu maßgeblichem Anteil „formt“. So kann der Sprache zum einen die [[Funktion]] der Benennung zukommen. Benennung, die Bezeichnung eines Gegenstandes oder Sachverhaltes, impliziert gleichzeitig, daß man diesen in die wahrgenommene Wirklichkeit einordnen kann und mit ihr inhaltlich, d.h. von Sinnhaftigkeit durchsetzt, zu verknüpfen fähig ist. Somit hat der [[Akt]] der Benennung die Funktion von Einstufung und Klassifikation inne. Mit der Benennung beispielsweise einer [[Situation]] oder auch einer [[Person]] hat man diese als etwas Bestimmtes identifiziert, was gleichzeitig  beinhaltet, daß man sie auch kategorisierte. In diesem Sinne wird die [[Welt]] in Klassen eingeteilt, die aus der Abgrenzung der verschiedenen Klassen untereinander gewonnen werden. Und da die Klassen in unterschiedlichster Weise zueinander in Beziehung gesetzt werden können, ergeben sich [[Möglichkeit]]en der definitorischen Abgrenzung der [[Ding#Dinge]]. \\ Nach Anselm Strauss kommt der [[Sprache]] eine entscheidende [[Rolle]] für das menschliche [[Verhalten]] zu, und sie ist keinesfalls nur als eine weitere Verhaltensweise des Menschen zu verstehen. Vielmehr vertrete ich die Ansicht, daß Sprache und [[Sprechen]], ja jedwede [[Kommunikation]], unsere Wirklichkeit zu maßgeblichem Anteil „formt“. So kann der Sprache zum einen die [[Funktion]] der Benennung zukommen. Benennung, die Bezeichnung eines Gegenstandes oder Sachverhaltes, impliziert gleichzeitig, daß man diesen in die wahrgenommene Wirklichkeit einordnen kann und mit ihr inhaltlich, d.h. von Sinnhaftigkeit durchsetzt, zu verknüpfen fähig ist. Somit hat der [[Akt]] der Benennung die Funktion von Einstufung und Klassifikation inne. Mit der Benennung beispielsweise einer [[Situation]] oder auch einer [[Person]] hat man diese als etwas Bestimmtes identifiziert, was gleichzeitig  beinhaltet, daß man sie auch kategorisierte. In diesem Sinne wird die [[Welt]] in Klassen eingeteilt, die aus der Abgrenzung der verschiedenen Klassen untereinander gewonnen werden. Und da die Klassen in unterschiedlichster Weise zueinander in Beziehung gesetzt werden können, ergeben sich [[Möglichkeit]]en der definitorischen Abgrenzung der [[Ding#Dinge]]. \\
 Dementsprechend liegt das Gemisch von Eigenarten, welches ein bestimmter Sachverhalt aufweist, nicht in der „[[Natur]] der Dinge“ per se, sondern eben in der Bedeutung, die man diesem Sachverhalt mit dessen Benennung entgegenbringt. Indem Dinge und Sachverhalte benannt und damit einordnet werden (kulturell symbolisiert), hegt man gewisse Erwartungshaltungen bezüglich der Interaktion mit dem bezeichneten [[Objekt]]. Gewissermaßen läßt sich sagen, daß ein Akt der Benennung bestimmte Handlungsmuster vorgibt, die aus den antizipierten Erwartungen gegenüber dem Objekt herrühren. Erfahrungen können hierbei entscheidenden konstitutiven Einfluß auf die spezifischen Erwartungshaltungen ausüben und somit der Konstruktion von Interaktionen der Individuen einen konkreten Bezugsrahmen gegenüberstellen. Wenn wir beispielsweise die Situation einer Geiselnahme betrachten, wird dies besonders deutlich. Der institutionelle Akteur [[Polizei]] definiert eine andere Person aufgrund deren Verhaltens als Geiselnehmer. Dieser [[Namensgebung]], die gleichzeitig die Situation kategorisiert, folgt seitens der Polizei, die aus institutionellen Gründen mit dieser Situation umzugehen hat, ein Handlungsablauf, der die Erwartungen der Staatsorgane in bezug auf einen Geiselnehmer ganz allgemein widerspiegelt. Diese Erwartungshaltung, d.h. das Handlungsmuster, ist in diesem Beispiel sogar in Form polizeilicher Dienstvorschriften schriftlich festgehalten und rührt her aus [[Erfahrung]]swerten und allgemeinen Annahmen zur Schlichtung derartiger Situationen, die über die Jahre hinweg angesammelt wurden. \\ Dementsprechend liegt das Gemisch von Eigenarten, welches ein bestimmter Sachverhalt aufweist, nicht in der „[[Natur]] der Dinge“ per se, sondern eben in der Bedeutung, die man diesem Sachverhalt mit dessen Benennung entgegenbringt. Indem Dinge und Sachverhalte benannt und damit einordnet werden (kulturell symbolisiert), hegt man gewisse Erwartungshaltungen bezüglich der Interaktion mit dem bezeichneten [[Objekt]]. Gewissermaßen läßt sich sagen, daß ein Akt der Benennung bestimmte Handlungsmuster vorgibt, die aus den antizipierten Erwartungen gegenüber dem Objekt herrühren. Erfahrungen können hierbei entscheidenden konstitutiven Einfluß auf die spezifischen Erwartungshaltungen ausüben und somit der Konstruktion von Interaktionen der Individuen einen konkreten Bezugsrahmen gegenüberstellen. Wenn wir beispielsweise die Situation einer Geiselnahme betrachten, wird dies besonders deutlich. Der institutionelle Akteur [[Polizei]] definiert eine andere Person aufgrund deren Verhaltens als Geiselnehmer. Dieser [[Namensgebung]], die gleichzeitig die Situation kategorisiert, folgt seitens der Polizei, die aus institutionellen Gründen mit dieser Situation umzugehen hat, ein Handlungsablauf, der die Erwartungen der Staatsorgane in bezug auf einen Geiselnehmer ganz allgemein widerspiegelt. Diese Erwartungshaltung, d.h. das Handlungsmuster, ist in diesem Beispiel sogar in Form polizeilicher Dienstvorschriften schriftlich festgehalten und rührt her aus [[Erfahrung]]swerten und allgemeinen Annahmen zur Schlichtung derartiger Situationen, die über die Jahre hinweg angesammelt wurden. \\
-In ganz ähnlicher Weise nimmt auch der Geiselnehmer die Situation aus seiner eigenen, aus Erfahrungen resultierenden Perspektive war. Gleich, was auch immer ihn zu der Aktion bewogen haben mag, er konstruiert eine Form symbolischer Definitionsmacht durch sprachliche [[geste|Gesten]], indem er zum Beispiel den gewöhnlichen Handlungsabläufen der Kunden in einer Bank durch sprachliche Mitteilung einen neuen Bezugsrahmen gegenüberstellt und ihre Rolle nun als Geisel und die seinige als Geiselnehmer definiert, wobei in diesem Beispiel eine [[Waffe]] das Medium sei, das das nunmehr derart hergestellte Machtgefüge plausibel visualisiert.\\+In ganz ähnlicher Weise nimmt auch der Geiselnehmer die Situation aus seiner eigenen, aus Erfahrungen resultierenden [[Perspektive]] war. Gleich, was auch immer ihn zu der Aktion bewogen haben mag, er konstruiert eine Form symbolischer Definitionsmacht durch sprachliche [[geste|Gesten]], indem er zum Beispiel den gewöhnlichen Handlungsabläufen der Kunden in einer Bank durch sprachliche Mitteilung einen neuen Bezugsrahmen gegenüberstellt und ihre Rolle nun als Geisel und die seinige als Geiselnehmer definiert, wobei in diesem Beispiel eine [[Waffe]] das Medium sei, das das nunmehr derart hergestellte Machtgefüge plausibel visualisiert.\\
 Den Anwesenden in der Bank wurde durch den Mann, der eben in den Vorraum gestürmt kam, höchst glaubhaft mitgeteilt, daß sie ab sofort seine Geiseln seien. Im [[allgemein]]en führt eine solche Benennung einer Situation zu  Erwartungshaltungen in den Betroffenen, die in eher passiven Verhaltensweisen, wie zum Beispiel ausharren und den gegebenen Anweisungen Folge leisten, münden. Erreicht wird so ein aus der Sicht des Geiselnehmers „kooperatives“ Verhalten durch den Einsatz von Drohungen, demnach verbalen Mitteilungen, die auf eventuell eintretende Handlungen verweisen, wobei deren Inhalt im Adressaten wiederum Erwartungen negativer Natur wecken sollen.\\  Den Anwesenden in der Bank wurde durch den Mann, der eben in den Vorraum gestürmt kam, höchst glaubhaft mitgeteilt, daß sie ab sofort seine Geiseln seien. Im [[allgemein]]en führt eine solche Benennung einer Situation zu  Erwartungshaltungen in den Betroffenen, die in eher passiven Verhaltensweisen, wie zum Beispiel ausharren und den gegebenen Anweisungen Folge leisten, münden. Erreicht wird so ein aus der Sicht des Geiselnehmers „kooperatives“ Verhalten durch den Einsatz von Drohungen, demnach verbalen Mitteilungen, die auf eventuell eintretende Handlungen verweisen, wobei deren Inhalt im Adressaten wiederum Erwartungen negativer Natur wecken sollen.\\ 
 Allerdings stellt der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick fest, daß eine Drohung nur dann ihr [[Ziel]] zu erreichen im Stande ist, wenn dem Empfänger deren Eintreten auch plausibel gemacht werden kann. Hat die Drohung Erfolg, werden die Geiseln ihren Handlungshorizont entsprechend der Definitionsgebung, die ja implizit eine bestimmte Palette von möglichen Handlungsmustern enthält, einstellen. So ist es leicht einzusehen, daß eine sehr gespannte Interaktion bezüglich des Geiselnehmers und seiner Geiseln weitaus andere Handlungsopportunitäten mit sich bringt als ein unter diesen Umständen in „entspannter Atmosphäre“ angesiedeltes Verhältnis.\\ Allerdings stellt der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick fest, daß eine Drohung nur dann ihr [[Ziel]] zu erreichen im Stande ist, wenn dem Empfänger deren Eintreten auch plausibel gemacht werden kann. Hat die Drohung Erfolg, werden die Geiseln ihren Handlungshorizont entsprechend der Definitionsgebung, die ja implizit eine bestimmte Palette von möglichen Handlungsmustern enthält, einstellen. So ist es leicht einzusehen, daß eine sehr gespannte Interaktion bezüglich des Geiselnehmers und seiner Geiseln weitaus andere Handlungsopportunitäten mit sich bringt als ein unter diesen Umständen in „entspannter Atmosphäre“ angesiedeltes Verhältnis.\\
gespraechsanalyse.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/29 09:28 von Robert-Christian Knorr