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herder

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herder [2022/08/05 10:27] – [Johann Gottfried Herder] Robert-Christian Knorrherder [2024/05/09 18:23] Robert-Christian Knorr
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-====== HERDER ======+===== HERDER ======
  
 ===== Johann Gottfried Herder ===== ===== Johann Gottfried Herder =====
-25. August 1744 Mohrungen in Ostpreußen bis 1804 Weimar\\+25. August 1744 Mohrungen in Ostpreußen bis 1803 Weimar\\
 - gedrückte [[Jugend]], findet [[Rousseau]] und begeistert sich an ihm, ist eine impulsive Natur → überträgt Rousseau auf die Forderung des dichterischen Empfindens und Schaffens, denn das [[religiös]]-persönliche Lebensgefühl will nicht in sich verbleiben, sondern schöpferisch tätig sein\\ - gedrückte [[Jugend]], findet [[Rousseau]] und begeistert sich an ihm, ist eine impulsive Natur → überträgt Rousseau auf die Forderung des dichterischen Empfindens und Schaffens, denn das [[religiös]]-persönliche Lebensgefühl will nicht in sich verbleiben, sondern schöpferisch tätig sein\\
 - vertieft sich in die spinozische [[Philosophie]], nachdem er Kant in jungen Jahren in Königsberg freundlich aufnahm, doch nach dessen kritischer Wende fortan bekämpfte: faßte die Vernunftphilosophie als unnatürlich\\ - vertieft sich in die spinozische [[Philosophie]], nachdem er Kant in jungen Jahren in Königsberg freundlich aufnahm, doch nach dessen kritischer Wende fortan bekämpfte: faßte die Vernunftphilosophie als unnatürlich\\
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 - will die Natur erkennen wie sie ist und nicht, den Aufklärern gleich, betrachten → die Natur ist ihm kein [[Mittel]] zum [[Zweck]]; sie ist der Gang Gottes → der Mensch wird zu einem Stadium der Entwicklungsgeschichte - einer Raupe gleich → [[Kritik]] von Kant -, der erste Freigelassene der Natur: seine Sinne sind offen, seine [[Organisation]] ist unspezialisiert → irgendwo zwischen [[Deismus]] und [[Spinozismus]]\\ - will die Natur erkennen wie sie ist und nicht, den Aufklärern gleich, betrachten → die Natur ist ihm kein [[Mittel]] zum [[Zweck]]; sie ist der Gang Gottes → der Mensch wird zu einem Stadium der Entwicklungsgeschichte - einer Raupe gleich → [[Kritik]] von Kant -, der erste Freigelassene der Natur: seine Sinne sind offen, seine [[Organisation]] ist unspezialisiert → irgendwo zwischen [[Deismus]] und [[Spinozismus]]\\
 - das Werdende ist ihm wichtiger als das Gewordene, Jugend besser als Reife, das Ursprüngliche dem Entwickelten vorzuziehen\\ - das Werdende ist ihm wichtiger als das Gewordene, Jugend besser als Reife, das Ursprüngliche dem Entwickelten vorzuziehen\\
-- wendet sich gegen [[Teleologie]] und bricht mit den pietistischen Schwärmern: [[Gott]] wird in der Natur gesucht, also im Menschen, der als Teil des Ganzen zum Teil Gottes wird → kommt so zu einem schwärmerischen Enthusiasmus a la [[Shaftesbury]]: So birgt diese [[Begeisterung]] die Gefahr der [[Konstruktion]] erwünsch­ter Tatsachen, z.B. stufenweiser Aufstieg der [[Form#Formen]] und Kräfte=Wertabstufung. Diese Konstruktionsmanie brachte ihm den [[Vorwurf]] ein, sich auf Kosten der Tiefe auszubreiten. [[Jean Paul]] kritisierte diesbezüglich einen „physisch kränkelnden [[Ehrgeiz]]“.\\+- wendet sich gegen [[Teleologie]] und bricht mit den pietistischen Schwärmern: [[Gott]] wird in der Natur gesucht, also im Menschen, der als Teil des Ganzen zum Teil Gottes wird → kommt so zu einem schwärmerischen Enthusiasmus a la [[Shaftesbury]]: So birgt diese [[Begeisterung]] die Gefahr der [[Konstruktion]] erwünschter Tatsachen, z.B. stufenweiser Aufstieg der [[Form#Formen]] und Kräfte=Wertabstufung. Diese Konstruktionsmanie brachte ihm den [[Vorwurf]] ein, sich auf Kosten der Tiefe auszubreiten. [[Jean Paul]] kritisierte diesbezüglich einen „physisch kränkelnden [[Ehrgeiz]]“.\\
 - betrachtet den [[Genius]] der [[Sprache]] als Genius der [[Literatur]] einer Nation → Nation ist an Sprache gebunden\\ - betrachtet den [[Genius]] der [[Sprache]] als Genius der [[Literatur]] einer Nation → Nation ist an Sprache gebunden\\
 - die Sprache besitzt Entwicklungsstufen: das höchste [[Zeitalter]] ist jenes, wo Sprache nicht von [[Schönheit]], wohl aber von Richtigkeit weiß\\ - die Sprache besitzt Entwicklungsstufen: das höchste [[Zeitalter]] ist jenes, wo Sprache nicht von [[Schönheit]], wohl aber von Richtigkeit weiß\\
 - um 1770 weist er den göttlichen [[Ursprung]] der Sprache zurück; sie ist nicht nur ein bloßes Instrument von [[Zeichen]], die als Ideenträger auf etwas Vorgegebenes weisen, wie die Aufklärer glaubten, sondern sie ist ein Medium des Denkens selbst, in dem sich das menschliche [[Wesen]] zum [[Ausdruck]] bringt und sein Selbstbewußtsein in einem Wechselspiel zwischen Natur, Gott und seinem Lebensumfeld entwickelt \\ - um 1770 weist er den göttlichen [[Ursprung]] der Sprache zurück; sie ist nicht nur ein bloßes Instrument von [[Zeichen]], die als Ideenträger auf etwas Vorgegebenes weisen, wie die Aufklärer glaubten, sondern sie ist ein Medium des Denkens selbst, in dem sich das menschliche [[Wesen]] zum [[Ausdruck]] bringt und sein Selbstbewußtsein in einem Wechselspiel zwischen Natur, Gott und seinem Lebensumfeld entwickelt \\
-- die Nation bildet sich als naturgegebenes [[Phänomen]] aus der organischen Entwicklung des Volksgeistes, jede Nation (als Volskkörper des Ganzen zu verstehen, nicht auf eine Klasse/[[Stand]] zu beschränken) für sich und gleichwertig gegenüber [[andere#anderen]], denen sie mit Respekt als Entäußerung Gottes begegnet+- die Nation bildet sich als naturgegebenes [[Phänomen]] aus der organischen Entwicklung des Volksgeistes, jede Nation (als Volkskörper des Ganzen zu verstehen, nicht auf eine Klasse/[[Stand]] zu beschränken) für sich und gleichwertig gegenüber [[andere#anderen]], denen sie mit Respekt als Entäußerung Gottes begegnet
  
 === Credo === === Credo ===
 //Lasset uns idiotische// (im Sinne von eigentümliche, mundartliche) // [[Schriftsteller]] sein, eigentümlich für unser [[Volk]] - ob wir klassisch sind, mag die Nachwelt entscheiden.// //Lasset uns idiotische// (im Sinne von eigentümliche, mundartliche) // [[Schriftsteller]] sein, eigentümlich für unser [[Volk]] - ob wir klassisch sind, mag die Nachwelt entscheiden.//
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 +==== Lieblingswörter ====
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 +- [[Ursprung]], [[Bildung]], [[Wirkung]] und [[Kraft]] → damit versuchte er, die Funktionalität von Literatur in ihrem historischen Werdegang als menschenbildende Sendung zu beschreiben
 +=== Theologie ===
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 +- [[Luther]]-Begeisterung, den er mit einem knorrigen Eichenbaum vergleicht\\
 +- ist charakterisiert durch Dinge, die er nicht sagt: Erlösung, Sündenvergebung, Rechtfertigung\\
 +- weltoffenes Christentum, das dogmatische Enge verabscheut, ebenso den engherzigen [[Pietismus]], der //jede Wange der Jugend und jede blühende Rose so fein mit Lämmleinblut bespritzt//\\
 +- Religion und Sprache hängen zusammen, es gibt eine Urverwandtschaft zwischen Poesie und Religion\\
 +- das Leben ist ewig; der dogmatische Unsterblichkeitsglaube wird abgelehnt: Herder will sich in der Todesstunde ichbefreit den Göttern weihen\\
 +- lehnt den freien Willen ab und fühlt sich hierin als guter Lutheraner: Gottvertrauen und Gnade als Glaubensverdikte → Licht. Liebe. Leben. (drei [[johannes|johanneische]] Worte auf seinem Grabstein)
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 ==== Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit ==== ==== Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit ====
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 ==== Rezeption ==== ==== Rezeption ====
 - in ihm streiten sich kritische Distanz zu seiner rationalistisch-mechanistischen [[Gegenwart]] der [[Aufklärung]] mit einem unverzagten [[Glauben]] an den [[Fortschritt]], d.i. der Gang Gottes im Menschen → er sucht die [[Ganzheit]], auch gegen [[Kant]], dem er eine Überbetonung des Rationalen vorwirft, die Totalität in der Erfassung der [[Wirklichkeit]] vollzieht sich auch über die [[Sinn#Sinne]]\\ - in ihm streiten sich kritische Distanz zu seiner rationalistisch-mechanistischen [[Gegenwart]] der [[Aufklärung]] mit einem unverzagten [[Glauben]] an den [[Fortschritt]], d.i. der Gang Gottes im Menschen → er sucht die [[Ganzheit]], auch gegen [[Kant]], dem er eine Überbetonung des Rationalen vorwirft, die Totalität in der Erfassung der [[Wirklichkeit]] vollzieht sich auch über die [[Sinn#Sinne]]\\
-- eigentlicher Begründer des [[Historismus]], denn Herder war ein Gegner des [[Pathos]]' von der eigenen [[Generation]];\\+- eigentlicher Begründer des [[Historismus]], denn Herder war ein Gegner des [[Pathos]]' von der eigenen [[Generation]]; 
 - erster Mythologe, denn er bezeichnete das [[Testament#Alte Testament]] nicht als Zeitregister, sondern als prähistorisch ([[Bäumler]])\\ - erster Mythologe, denn er bezeichnete das [[Testament#Alte Testament]] nicht als Zeitregister, sondern als prähistorisch ([[Bäumler]])\\
 - //homo genialis//: mehr [[Genie]] als Talent, das war sein Problem ([[Chamberlain]])\\ - //homo genialis//: mehr [[Genie]] als Talent, das war sein Problem ([[Chamberlain]])\\
 +- der fast unbegrenzte Glaube an eine Allmacht der Aufklärung, an Vernünftigung des Menschen hatte zugleich weithin den Blick für die Eigenartigkeit des Phänomens **Poesie** verstellt, die eben nicht allein geistig-intellektuell sphärt (Träger)\\
 - wurde von Schiller geachtet und geliebt und liebte und achtete diesen, wie dies unter Geistern solcher Größe natürlich war\\ - wurde von Schiller geachtet und geliebt und liebte und achtete diesen, wie dies unter Geistern solcher Größe natürlich war\\
 - man pflegte aber keinen häufigen Umgang, denn Herder schloß sich um 1800 gern ab und seine Abneigung gegen die Kantsche Philosophie, der Schiller mit ganzer Seele zugetan war, hätte keine freie Mitteilung gestattet, ohne sich unsanft zu berühren\\ - man pflegte aber keinen häufigen Umgang, denn Herder schloß sich um 1800 gern ab und seine Abneigung gegen die Kantsche Philosophie, der Schiller mit ganzer Seele zugetan war, hätte keine freie Mitteilung gestattet, ohne sich unsanft zu berühren\\
herder.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/10 16:42 von Robert-Christian Knorr