holz
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geb. am 26.4.1863 in Rastenburg (Ostpreußen); | geb. am 26.4.1863 in Rastenburg (Ostpreußen); | ||
- lebte ab 1875 in Berlin, die [[Ehe]] seiner Eltern geht zu Bruch und Holz wird frühzeitig mit materiellen Problemen konfrontiert, | - lebte ab 1875 in Berlin, die [[Ehe]] seiner Eltern geht zu Bruch und Holz wird frühzeitig mit materiellen Problemen konfrontiert, | ||
- | - entscheidet schon früh, daß er sein [[Leben]] ganz der schriftstellerischen Arbeit widmen möchte, nachdem er 18jährig das Gymnasium ohne Reifezeugnis verlassen muß (aus finanziellen Gründen)\\ | + | - entscheidet schon früh, daß er sein [[Leben]] ganz der schriftstellerischen Arbeit widmen möchte, nachdem er 18jährig das [[Gymnasium]] ohne Reifezeugnis verlassen muß (aus finanziellen Gründen)\\ |
- bildet sich autodidaktisch und knüpft Beziehungen zu dem Naturalistenverein „Durch“, | - bildet sich autodidaktisch und knüpft Beziehungen zu dem Naturalistenverein „Durch“, | ||
- 1883 erscheint Holz erste [[Lyrik]]-Publikation „Klinginsherz“, | - 1883 erscheint Holz erste [[Lyrik]]-Publikation „Klinginsherz“, | ||
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- beginnt 1886 zwei Romane, die er beide nicht beendet → Schaffenskrise \\ | - beginnt 1886 zwei Romane, die er beide nicht beendet → Schaffenskrise \\ | ||
- im März 1887 tritt er eine Reise an, die ihn bis nach Paris führt, wo er erstmalig die theoretischen Schriften Emile Zolas liest → animieren ihn, literaturtheoretische Studien zu betreiben, ist fasziniert von [[Zola]], will sich gleichzeitig aber auch deutlich von dessen Ansichten absetzen\\ | - im März 1887 tritt er eine Reise an, die ihn bis nach Paris führt, wo er erstmalig die theoretischen Schriften Emile Zolas liest → animieren ihn, literaturtheoretische Studien zu betreiben, ist fasziniert von [[Zola]], will sich gleichzeitig aber auch deutlich von dessen Ansichten absetzen\\ | ||
- | - 1889 beteiligt er sich an der Gründung des Theatervereins „Freie Bühne“ und ebenso an der ein Jahr später erscheinenden gleichnamigen Zeitschrift\\ | + | - 1889 beteiligt er sich an der Gründung des Theatervereins „Freie Bühne“ und ebenso an der ein Jahr später erscheinenden gleichnamigen |
- Holz läßt sich vom Zukunftsoptimismus der Naturwissenschaften erfassen und glaubt, daß diese mit ihrer positivistischen Arbeitsweise auch als Vorbild für die Literaturtheorie dienen können → wird v.a. durch die Schriften der französischen Positivisten Auguste [[Comte]] und Hippolyte [[Taine]], sowie den englischen Empirikern John Stuart [[Mill]] und Herbert [[Spencer]] geprägt; \\ | - Holz läßt sich vom Zukunftsoptimismus der Naturwissenschaften erfassen und glaubt, daß diese mit ihrer positivistischen Arbeitsweise auch als Vorbild für die Literaturtheorie dienen können → wird v.a. durch die Schriften der französischen Positivisten Auguste [[Comte]] und Hippolyte [[Taine]], sowie den englischen Empirikern John Stuart [[Mill]] und Herbert [[Spencer]] geprägt; \\ | ||
==== Phantasus ==== | ==== Phantasus ==== | ||
- | __formal__: riesenhafter lyrischer Zyklus, der mit keinem traditionellen Gattungsbegriff mehr zu charakterisieren ist; seit 1898/99 und in folgenden 30 Jahren immer wieder überarbeitet und ausgebaut, so daß z. B. das Gedicht „Gottseidank“, | + | __formal__: riesenhafter lyrischer Zyklus, der mit keinem traditionellen Gattungsbegriff mehr zu charakterisieren ist; seit 1898/99 und in folgenden 30 Jahren immer wieder überarbeitet und ausgebaut, so daß z. B. das Gedicht „Gottseidank“, |
Holz suchte das Experiment, wollte dadurch neue Spielräume der Einbildungskraft schaffen, die Sprache erhält einen neuen Eigenwert\\ | Holz suchte das Experiment, wollte dadurch neue Spielräume der Einbildungskraft schaffen, die Sprache erhält einen neuen Eigenwert\\ | ||
- | - hat damit die in der Avantgarde Kunst von [[Rimbaud]] und [[Mallarmé]] bis zu den Surrealisten angestrebte Befreiung der Sprache mit vorbereitet (wenn er diese auch selbst noch nicht forderte und an dem Natur-Begriff für die Kunst festhielt)\\ | + | - hat damit die in der Avantgarde Kunst von Rimbaud und [[Mallarmé]] bis zu den Surrealisten angestrebte Befreiung der Sprache mit vorbereitet (wenn er diese auch selbst noch nicht forderte und an dem Natur-Begriff für die Kunst festhielt)\\ |
- | - aber: Anspruch Holz für Phantasus ist es mit Mitteln der Lyrik ein Weltgedicht zu schaffen, sollte biologische und kulturelle geschichtliche Evolution der Menschen, die zeitgenössische [[Realität]] bis hin zur privaten [[Existenz]] des Dichters im Berlin seiner Zeit alle Aspekte abdecken (wider symbolistische Ansprüche → vgl. [[Hofmannsthal# | + | - aber: Anspruch Holz für Phantasus ist es mit Mitteln der Lyrik ein Weltgedicht zu schaffen, sollte biologische und kulturelle geschichtliche Evolution der Menschen, die zeitgenössische [[Realität]] bis hin zur privaten [[Existenz]] des Dichters im Berlin seiner Zeit alle Aspekte abdecken (wider symbolistische Ansprüche → vgl. [[Hofmannsthal# |
- | - Vgl.: Mallarmé: führte die lyrische [[Poesie]] immer mehr von traditionellen Formen weg in extravagant konstruierte Texte und diese wiederum tendenziell ins [[Schweigen]], | + | - Vgl.: Mallarmé: führte die lyrische [[Poesie]] immer mehr von traditionellen Formen weg in extravagant konstruierte Texte und diese wiederum tendenziell ins [[Schweigen]], |
- | - bei Mallarmé jedoch ist die Musikalität und Ästhetik der Sprache, eine immer feinere Selbstreflexion wesentlich weiter voran gebracht | + | - bei Mallarmé jedoch ist die Musikalität und Ästhetik der Sprache, eine immer feinere Selbstreflexion, wesentlich weiter voran gebracht |
- in Anbetracht des Holzschen Glaubens an die durchgängige Gesetzmäßigkeit der Welt kann die Phantasus Dichtung als möglicher symbolischer Verweis auf die Einheit in der ungeheueren Mannigfaltigkeit der Erscheinungen gedeutet werden | - in Anbetracht des Holzschen Glaubens an die durchgängige Gesetzmäßigkeit der Welt kann die Phantasus Dichtung als möglicher symbolischer Verweis auf die Einheit in der ungeheueren Mannigfaltigkeit der Erscheinungen gedeutet werden | ||
- durch [[Spiel]] mit den ausufernden Worten gewinnt Dichtung auch gewisse groteske Note, das [[Ich]] des Phantasus, das die [[Weltgeschichte]] ebenso zu durchdringen scheint wie den Berliner Alltag, ist veräußerlicht, | - durch [[Spiel]] mit den ausufernden Worten gewinnt Dichtung auch gewisse groteske Note, das [[Ich]] des Phantasus, das die [[Weltgeschichte]] ebenso zu durchdringen scheint wie den Berliner Alltag, ist veräußerlicht, | ||
- wenn Holz mythologisch verweist, so einzig mit humoristisch-ironischem Unterton\\ | - wenn Holz mythologisch verweist, so einzig mit humoristisch-ironischem Unterton\\ | ||
- Holz' kosmologischer Universalismus ist ganz Zukunftsoptimismus\\ | - Holz' kosmologischer Universalismus ist ganz Zukunftsoptimismus\\ | ||
- | - dem hohen Ton wird eine strikte Absage erteilt, wie man ihn hingegen im [[Symbolismus]], | + | - dem hohen [[Ton]] wird eine strikte Absage erteilt, wie man ihn hingegen im [[Symbolismus]], |
==== Buch der Zeit ==== | ==== Buch der Zeit ==== | ||
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- 1891/ | - 1891/ | ||
- überzeugt von der durchgängigen Gesetzmäßigkeit allen Geschehens, sucht Holz eine solche auch für die Kunst und kommt zu seiner berühmt gewordenen Formel **Kunst= Natur – X** \\ | - überzeugt von der durchgängigen Gesetzmäßigkeit allen Geschehens, sucht Holz eine solche auch für die Kunst und kommt zu seiner berühmt gewordenen Formel **Kunst= Natur – X** \\ | ||
- | X → Reproduktionsbedingungen, | + | X → Reproduktionsbedingungen, |
- | - [[Wissenschaft]]sgläubigkeit\\ | + | - Wissenschaftsgläubigkeit\\ |
=== Thesen === | === Thesen === | ||
- die Kunst ist ein Teilzustand am Gesamtzustand der [[Gesellschaft]]; | - die Kunst ist ein Teilzustand am Gesamtzustand der [[Gesellschaft]]; | ||
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==== weitere Veröffentlichungen ==== | ==== weitere Veröffentlichungen ==== | ||
- | * 1890 Drama „Familie Selicke“ in Zusammenarbeit mit Schlaf | + | * 1890 [[Drama]] „Familie Selicke“ in Zusammenarbeit mit Schlaf |
* 1897 Komödie „Sozialaristokraten“ | * 1897 Komödie „Sozialaristokraten“ | ||
* 1898 Gedichtband „Phantasus“, | * 1898 Gedichtband „Phantasus“, | ||
- | * 1899 theoretische Schrift | + | * 1899 Publikation |
==== Rezeption ==== | ==== Rezeption ==== | ||
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- Erklärung der Formel: //Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein. Sie wird sie nach Maßgabe ihrer jedweiligen Reproduktionsbedingungen und deren Handhabung.// | - Erklärung der Formel: //Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein. Sie wird sie nach Maßgabe ihrer jedweiligen Reproduktionsbedingungen und deren Handhabung.// | ||
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- | - jedoch: neu ist, daß Holz der Kunst einen eigenen Stellenwert neben der Natur einräumt, auch wenn die Kunst diese nachzuahmen sucht; (erreicht damit aber noch noch den symbolistischen Standpunkt des absoluten Primat der Kunst und ist ebenso kein Anhänger der autonomen Kunst, wenngleich er sich dem auch nähert)\\ | + | - jedoch: neu ist, daß Holz der Kunst einen eigenen Stellenwert neben der Natur einräumt, auch wenn die Kunst diese nachzuahmen sucht; (erreicht damit aber noch noch den symbolistischen |
- | - außerdem wird in dieser Formel durch das X die Technik als entscheidendes [[Element]] der künstlerischen Hervorbringung betont, was als Vorgriff auf eine nachnaturalistische, | + | - außerdem wird in dieser Formel durch das X die [[Technik]] als entscheidendes [[Element]] der künstlerischen Hervorbringung betont, was als Vorgriff auf eine nachnaturalistische, |
- symbolistische Tendenzen finden sich v. a. in seinem neuen Lyrikverständnis, | - symbolistische Tendenzen finden sich v. a. in seinem neuen Lyrikverständnis, | ||
- | * wichtig für ihn ist die intensive Darstellung des Menschen, merkt, daß dies problematisch zu vereinbaren ist mit einem positivistischen und kausalmechanistischen Weltbild → wendet sich wieder der Lyrik zu (Dichtung als Selbstdarstellung) | + | * wichtig für ihn ist die intensive Darstellung des Menschen, merkt, daß dies problematisch zu vereinbaren ist mit einem positivistischen und kausalmechanistischen |
* möglichst ungebrochen soll die [[Subjektivität]] eingefangen werden → festgelegte Gestaltungsformalien (Metrik, Strophen, Reimschema) können sich dem nur als abträglich erweisen → Worte sollen nur durch Rhythmus getragen werden → [[Bedeutung]] als Vorbote für Sprachexperimente der Moderne | * möglichst ungebrochen soll die [[Subjektivität]] eingefangen werden → festgelegte Gestaltungsformalien (Metrik, Strophen, Reimschema) können sich dem nur als abträglich erweisen → Worte sollen nur durch Rhythmus getragen werden → [[Bedeutung]] als Vorbote für Sprachexperimente der Moderne | ||
- in seiner späteren Lyrik verwischt Holz, die einst selbst gezogenen Grenzen zwischen naturalistischen und avantgardistischen/ | - in seiner späteren Lyrik verwischt Holz, die einst selbst gezogenen Grenzen zwischen naturalistischen und avantgardistischen/ |
holz.txt · Zuletzt geändert: 2024/07/24 15:31 von Robert-Christian Knorr