kolonie
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kolonie [2016/01/01 09:15] – Robert-Christian Knorr | kolonie [2024/02/09 15:55] (aktuell) – [Essay zur Kolonialfrage] Robert-Christian Knorr | ||
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//Das [[Buch]]// (**Hans Grimm**: [[Volk]] ohne [[Raum]]. Ungekürzte Ausgabe in einem Band. Albert Langen/ | //Das [[Buch]]// (**Hans Grimm**: [[Volk]] ohne [[Raum]]. Ungekürzte Ausgabe in einem Band. Albert Langen/ | ||
- | Und auch mit einem Stücke Kolonie oder irgend einem anderen pfiffigen Betruge wird die Enge niemals zum Raume; das verstehe, es muß ganz Redlichkeit sein, nach [[Zahl]] und Leistungskraft, | + | Und auch mit einem Stücke Kolonie oder irgend einem anderen |
- | Oder es ist nichts, und dann wird es auch weitergehen, | + | Oder es ist nichts, und dann wird es auch weitergehen, |
Untergang? Die Frage ist ganz falsch gestellt. Kein Volk geht mehr unter. Es fragt sich was aus ihm wird für seine Kinder und an seinen Kindern. Sonst nichts.// | Untergang? Die Frage ist ganz falsch gestellt. Kein Volk geht mehr unter. Es fragt sich was aus ihm wird für seine Kinder und an seinen Kindern. Sonst nichts.// | ||
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Der Text ist quasi der Zusammenfassung, | Der Text ist quasi der Zusammenfassung, | ||
- | 1926, im Erscheinungsjahr des Werkes, sind die deutschen Kolonien verloren, mithin die Arbeit derer, die sich für ihr Gedeihen einsetzten. Er zählt sich zu diesen Arbeitern und trägt schwer am Verlust seines bisherigen Lebenssinnes. Als Kompensationshandlung in bezug auf den Verlust gäbe es nunmehr zwei grundsätzliche Möglichkeiten: | + | 1926, im Erscheinungsjahr des Werkes, sind die deutschen Kolonien verloren, mithin die Arbeit derer, die sich für ihr Gedeihen einsetzten. Er zählt sich zu diesen Arbeitern und trägt schwer am [[Verlust]] seines bisherigen Lebenssinnes. Als Kompensationshandlung in bezug auf den Verlust gäbe es nunmehr zwei grundsätzliche Möglichkeiten: |
- Anerkennung der historischen Bedingtheit von [[Besitz]], [[Rechtsschule# | - Anerkennung der historischen Bedingtheit von [[Besitz]], [[Rechtsschule# | ||
- Nichtanerkennung der historischen Bedingtheit von Besitz, [[Positivismus]]. | - Nichtanerkennung der historischen Bedingtheit von Besitz, [[Positivismus]]. | ||
- | Hans Grimm entschied sich grundsätzlich für die zweite Möglichkeit. Er akzeptiert den Verlust seiner Besitzansprüche, | + | Hans Grimm entschied sich grundsätzlich für die zweite Möglichkeit. Er akzeptiert den Verlust seiner Besitzansprüche, |
- Arrangement mit den neuen Herrschern oder | - Arrangement mit den neuen Herrschern oder | ||
- Nichtarrangement mit den neuen Herrschern. | - Nichtarrangement mit den neuen Herrschern. | ||
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[[Untergang]] – falsch – [[Volk]] – Kinder - sonst nichts.\\ | [[Untergang]] – falsch – [[Volk]] – Kinder - sonst nichts.\\ | ||
- | Ich sehe zwei grundsätzliche [[Möglichkeit# | + | Ich sehe zwei grundsätzliche [[Möglichkeit# |
Da mir eine für diese Arbeit befriedigende Biographie des Verfassers der Quelle vorliegt, möchte ich den ersten Weg beschreiten. Die Interpretation wird die Richtung anzeigen, in die ich bei einer ausführlicheren Interpretation vorginge. | Da mir eine für diese Arbeit befriedigende Biographie des Verfassers der Quelle vorliegt, möchte ich den ersten Weg beschreiten. Die Interpretation wird die Richtung anzeigen, in die ich bei einer ausführlicheren Interpretation vorginge. | ||
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Die größte [[Maßlosigkeit]] begeht er, indem er an diese Raumtheorie den Gedanken der Deutschheit bindet und zweifellos Kultur mit Machtpolitik verwechselt beziehungsweise zusammenbindet. \\ | Die größte [[Maßlosigkeit]] begeht er, indem er an diese Raumtheorie den Gedanken der Deutschheit bindet und zweifellos Kultur mit Machtpolitik verwechselt beziehungsweise zusammenbindet. \\ | ||
- | Er hätte nur bei unseren Klassikern nachzulesen brauchen \\ | + | Er hätte nur bei unseren |
//- [[Goethe]] verwahrte sich immer gegen Weltverbesserungspläne und legte die [[Verantwortung]] in den einzelnen [[Bürger]] zurück, was guter protestantischer [[Tradition]] entspricht; [[Schiller]] nannte die ganze [[Welt]] seine [[Heimat]] und selbst [[Künstler]], | //- [[Goethe]] verwahrte sich immer gegen Weltverbesserungspläne und legte die [[Verantwortung]] in den einzelnen [[Bürger]] zurück, was guter protestantischer [[Tradition]] entspricht; [[Schiller]] nannte die ganze [[Welt]] seine [[Heimat]] und selbst [[Künstler]], | ||
- | um zu begreifen, daß [[Kultur]] sich mit [[Politik]] gar mit machtpolitischen Fragen nicht vereinbaren läßt. Kultur und [[Kunst]], Redlichkeit, | + | um zu begreifen, daß [[Kultur]] sich mit [[Politik]] gar mit machtpolitischen Fragen nicht vereinbaren läßt. Kultur und [[Kunst]], Redlichkeit, |
Unterstellte ich Hans Grimm propagandistische Absichten, so gäbe es ein starkes [[Argument]] dafür: Eine [[Kränkung]] des Selbstverständnisses führt zu [[Aufruhr]] desselben. Man müßte also nur ein wenig an des deutschen [[Selbstverständnis]] kratzen und ihn behende dahin bringen, sein Altes wiederhaben zu wollen, dann käme es irgendwann schon dahin...\\ | Unterstellte ich Hans Grimm propagandistische Absichten, so gäbe es ein starkes [[Argument]] dafür: Eine [[Kränkung]] des Selbstverständnisses führt zu [[Aufruhr]] desselben. Man müßte also nur ein wenig an des deutschen [[Selbstverständnis]] kratzen und ihn behende dahin bringen, sein Altes wiederhaben zu wollen, dann käme es irgendwann schon dahin...\\ | ||
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- der Griff nach der Weltmacht, die bewußte Planung und Vorbereitung des Krieges, belegt durch die aggressive [[Außenpolitik]] und Machtdemonstrationen und | - der Griff nach der Weltmacht, die bewußte Planung und Vorbereitung des Krieges, belegt durch die aggressive [[Außenpolitik]] und Machtdemonstrationen und | ||
- der Defensivcharakter der tatsächlichen Entscheidungen vor dem Krieg und die Zwangslage im Krieg, die keine anderen Entscheidungen ermöglichte, | - der Defensivcharakter der tatsächlichen Entscheidungen vor dem Krieg und die Zwangslage im Krieg, die keine anderen Entscheidungen ermöglichte, | ||
- | Kurzum, wo immer man die Kontinuität der Ziele prüft, muß man sich klarmachen, daß es vor 1914 unleugbar eine Fülle teils konkreter, teils bizarrer Erwägungen gab, eine gerade Linie zum politischen Entscheidungshandeln im Sommer 1914 aber nicht gezogen werden kann. Die fraglos beabsichtigte Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses darf keineswegs mit territorialen Annexionszielen gleichgesetzt werden. \\ | + | Kurzum, wo immer man die [[Kontinuität]] der Ziele prüft, muß man sich klarmachen, daß es vor 1914 unleugbar eine Fülle teils konkreter, teils bizarrer Erwägungen gab, eine gerade Linie zum politischen Entscheidungshandeln im Sommer 1914 aber nicht gezogen werden kann. Die fraglos beabsichtigte Ausdehnung des wirtschaftlichen Einflusses darf keineswegs mit territorialen Annexionszielen gleichgesetzt werden. \\ |
- | Dieses Fehlen eines Kriegsziels bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mag bis 1916 gegolten haben - eine öffentliche Diskussion war verboten -, spätestens dann aber stellte sich die Oberste Heeresleitung auf die Seite derer, die in Deutschland lauthals schrien, immer neues [[Land]] für die großen [[Opfer]] forderten, die Annexionisten im, z.B., Alldeutschen Bund! Daran zerbrach die Einheit, das [[Urerlebnis]] der [[Einheit]] des Volkes von 1914, als man sich eingeengt und gedemütigt empfand und [[Sühne]] forderte! Was muß das für ein Volk noch gewesen sein, 1914! Es war ein einzigartiges Volk, diese Deutschen vor 1916. „In welchem anderen Land gab es überhaupt, wie in Deutschland eine Kriegszieldiskussion? | + | Dieses Fehlen eines Kriegsziels bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mag bis 1916 gegolten haben - eine öffentliche Diskussion war verboten -, spätestens dann aber stellte sich die Oberste Heeresleitung auf die Seite derer, die in Deutschland lauthals schrien, immer neues [[Land]] für die großen [[Opfer]] forderten, die Annexionisten im, z.B., Alldeutschen Bund! Daran zerbrach die Einheit, das [[Urerlebnis]] der [[Einheit]] des Volkes von 1914, als man sich eingeengt und gedemütigt empfand und [[Sühne]] forderte! Was muß das für ein Volk noch gewesen sein, 1914! Es war ein einzigartiges Volk, diese Deutschen vor 1916. „In welchem anderen Land gab es überhaupt, wie in Deutschland eine Kriegszieldiskussion? |
Zieht man zudem in Betracht, daß die westlichen Siegermächte Deutschland die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zuschrieben und dementsprechend Reparationszahlungen forderten, so mag sich, u.a., Hans Grimms apodiktische Ablehnung dieser [[Schuld]], mithin des Verlustes der Kolonien, erklären lassen. Das ist legitim und nur allzu verständlich. \\ | Zieht man zudem in Betracht, daß die westlichen Siegermächte Deutschland die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zuschrieben und dementsprechend Reparationszahlungen forderten, so mag sich, u.a., Hans Grimms apodiktische Ablehnung dieser [[Schuld]], mithin des Verlustes der Kolonien, erklären lassen. Das ist legitim und nur allzu verständlich. \\ | ||
Warum sich Hans Grimm [[England]] als Bündnispartner zuwandte, läßt sich aus der Verflechtung der englischen und deutschen [[Wirtschaft]] erklären. Beide Länder standen an erster Stelle in den Auftragsbüchern der [[Industrie]]. Abgesehen davon spielten offensichtlich auch rassische Aspekte eine [[Rolle]] bei der Auswahl des „natürlichen“ Partners. Man darf nicht vergessen, daß Grimm in England eine [[Lehre]] als Bankkaufmann absolvierte und in Afrika viele Kontakte mit Engländern gehabt haben dürfte. Auch sind rassistische Vorstellungen keine deutsche Erfindung, sondern fußen auf einem Konvolut Darwinscher, | Warum sich Hans Grimm [[England]] als Bündnispartner zuwandte, läßt sich aus der Verflechtung der englischen und deutschen [[Wirtschaft]] erklären. Beide Länder standen an erster Stelle in den Auftragsbüchern der [[Industrie]]. Abgesehen davon spielten offensichtlich auch rassische Aspekte eine [[Rolle]] bei der Auswahl des „natürlichen“ Partners. Man darf nicht vergessen, daß Grimm in England eine [[Lehre]] als Bankkaufmann absolvierte und in Afrika viele Kontakte mit Engländern gehabt haben dürfte. Auch sind rassistische Vorstellungen keine deutsche Erfindung, sondern fußen auf einem Konvolut Darwinscher, | ||
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Aus diesem Grunde muß ich die sogenannte Zusammenfassung der 1286 Seiten „Volk ohne Raum“ als pränationalsozialistisches Manifest ansehen, worin handwerklich gekonnt mit vertrauten Worten ein Geflecht von demoralisierenden und Unruhe stiftenden Aussagen gesponnen wird, das letztlich nur dazu dienen kann, den Leser in einer unbefriedigenden Spannung zurückzulassen, | Aus diesem Grunde muß ich die sogenannte Zusammenfassung der 1286 Seiten „Volk ohne Raum“ als pränationalsozialistisches Manifest ansehen, worin handwerklich gekonnt mit vertrauten Worten ein Geflecht von demoralisierenden und Unruhe stiftenden Aussagen gesponnen wird, das letztlich nur dazu dienen kann, den Leser in einer unbefriedigenden Spannung zurückzulassen, | ||
+ | vertiefende Angaben zu den deutschen Kolonien im [[https:// |
kolonie.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/09 15:55 von Robert-Christian Knorr