poesie
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- Das Wunderbare der Poesie ist die äußere Staffel des Neuen. //pictura poesis// - Laß die Poesie Bilder malen! ([[Bodmer]])\\ | - Das Wunderbare der Poesie ist die äußere Staffel des Neuen. //pictura poesis// - Laß die Poesie Bilder malen! ([[Bodmer]])\\ | ||
- davon abhängig, wo man sich gerade befindet \\ | - davon abhängig, wo man sich gerade befindet \\ | ||
- | - neue [[Religion]] für neue Kritizisten; | + | - neue [[Religion]] für neue Kritizisten; |
- [[Prinzip]] für alle ([[Gottsched]])\\ | - [[Prinzip]] für alle ([[Gottsched]])\\ | ||
- | - die Muttersprache des menschlichen Geschlechts ([[Hamann]])\\ | + | - die [[Muttersprache]] des menschlichen Geschlechts ([[Hamann]])\\ |
- die [[Kunst]], die die [[Sprache]] zum [[Element]] hat ([[Hegel]])\\ | - die [[Kunst]], die die [[Sprache]] zum [[Element]] hat ([[Hegel]])\\ | ||
- ist älter als [[Prosa]]\\ | - ist älter als [[Prosa]]\\ | ||
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- Natur + Naivität + [[Gemüt]] + [[Phantasie]]\\ | - Natur + Naivität + [[Gemüt]] + [[Phantasie]]\\ | ||
- ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts ([[Herder]])\\ | - ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts ([[Herder]])\\ | ||
+ | - beginnt dort, wo Tendenz vorliegt ([[Hermlin]])\\ | ||
- redet [[Wahrheit]]\\ | - redet [[Wahrheit]]\\ | ||
- enthält Gericht über Dinge; Poesie und Taten sind Elemente, in welchen der innere Gehalt einer [[Gemeinschaft]] sich ausdrückt - [[Genie]]n, die zusammenwirkend nationales [[Pathos]] entwickeln ([[Hofmannsthal]])\\ | - enthält Gericht über Dinge; Poesie und Taten sind Elemente, in welchen der innere Gehalt einer [[Gemeinschaft]] sich ausdrückt - [[Genie]]n, die zusammenwirkend nationales [[Pathos]] entwickeln ([[Hofmannsthal]])\\ | ||
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- Ausgeburt von Subjektivität ([[Schelling]])\\ | - Ausgeburt von Subjektivität ([[Schelling]])\\ | ||
- muß aus dem Wirklichen der [[Zeit]], aus dem Leben kommen, damit eins ausmachen und darin zurückfließen\\ | - muß aus dem Wirklichen der [[Zeit]], aus dem Leben kommen, damit eins ausmachen und darin zurückfließen\\ | ||
- | - ästhetische Aufhebung des [[Realismus]] ([[Schiller]])\\ | + | - ästhetische |
- bildet Gebildetes weiter ([[Schlegel]])\\ | - bildet Gebildetes weiter ([[Schlegel]])\\ | ||
- die drei Faktoren der Poesie sind: [[Geist]], Phantasie, Gemüt - dem entspricht [[Gedanke]], | - die drei Faktoren der Poesie sind: [[Geist]], Phantasie, Gemüt - dem entspricht [[Gedanke]], | ||
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===== Wesen der Poesie ===== | ===== Wesen der Poesie ===== | ||
- | - Verdichten der im Leben herumirrenden Gefühle ([[Wackenroder]]) | + | - Verdichten der im Leben herumirrenden Gefühle ([[Wackenroder]])\\ |
+ | ===== Wirkung der Poesie ===== | ||
+ | - wer früh der Poesie verfällt, entwickelt unrealistische Erwartungen, | ||
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+ | - auf ihr, als Herzenserhebung verstanden, ist die Sicherheit der Throne begründet ([[Gneisenau]]) | ||
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+ | ===== Wolkensteins Poesie ===== | ||
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+ | //Geweihte, reine Saiten im Scherz gerührt?\\ | ||
+ | Und darum hast du, Dichter! des Orients\\ | ||
+ | Propheten und den Griechensang und\\ | ||
+ | Neulich die Donner gehört, damit du\\ | ||
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+ | Den Geist zu Diensten brauchst und die Gegenwart\\ | ||
+ | Des Guten übereilest, | ||
+ | Verleugnest, | ||
+ | Feil, wie gefangenes Wild, ihn treibest?// | ||
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+ | Die Verse 33 bis 40 aus [[Hölderlin# | ||
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+ | Erklärungen: | ||
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+ | //Aber die Sprache –\\ | ||
+ | Im Gewitter spricht der\\ | ||
+ | Gott.\\ | ||
+ | Öfters hab ich die Sprache\\ | ||
+ | sie sagte der Zorn sei genug und gelte für den Apollo –\\ | ||
+ | Hast du Liebe genug so zürn aus Liebe nur immer,\\ | ||
+ | Öfters hab ich Gesang versucht, aber sie hörten dich nicht.\\ | ||
+ | Denn so wollte die heilige Natur. Du sangest du für sie in\\ | ||
+ | deiner Jugend nicht singend\\ | ||
+ | Du sprachest zur Gottheit,\\ | ||
+ | aber dies habt ihr all vergessen, daß immer die Erstlinge\\ | ||
+ | Sterblichen nicht, daß sie den Göttern gehören.\\ | ||
+ | gemeiner muß alltäglicher muß\\ | ||
+ | die Frucht erst werden, dann wird \\ | ||
+ | sie den Sterblichen eigen.// | ||
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+ | Eine wort- und versgetreue Abschrift ohne Titel aus dem Nachlaß, vermutlich 1815, da Hölderlin bereits als umnachtet galt. | ||
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+ | Für einen Menschen, der der Sprache diese obwaltende Funktion zuweist, werden Welt und Geist (Gott) Orte der Noth. Die Welt ist in Noth, weil Gott - der Geist - fern ist! Sprache kann helfen, die Noth zu mindern, zu überwinden. Sprache kann Welt überwinden, | ||
+ | Sie ist mehr als ein Nirgends, Welt will angenommen und geformt sein, durch die Sprache ins rechte Bild gesetzt.Hölderlin hat ein zeitloses Wort geführt, aber er führte es unter einem falschen Vor-Bild! Statt dessen gilt uns Heutigen das Spiel sehr viel mehr: Spiel steht für Kräfteausgleich, | ||
+ | Wir verstehen unsere Aufgabe so, auch Hölderlin mitzunehmen, | ||
+ | Letztlich fällt Sprache ab, wenn das Inhaltliche gegen die alles überstrahlenden Ideale von Freiheit, Liebe und Schönheit steht. Und darum gibt es in dieser Poetik keine Gewalt, keine Formung nach einem Ideal: Das Ideal selbst verträgt keine Gewalt, eine Selbstaushöhlung wäre das. Ideale sind keine Inhalte, sondern Forderungen und Selbstverständnisse des Menschseins. Inhalte bewältigen Alltag, helfen, Leben zu strukturieren; | ||
+ | Wir wollen Spiel in die Ordnung des Verstandes bringen, denn beides bedingt einander, einst Unnützes wird durchs Spielen, eine sich drehende Artistik, neuerdings und künftig Bedeutung haben, was heute gilt, muß morgen nicht gelten, doch wenn wir etwas aus der Sprache und unserer Wahrnehmung tilgen, dann verlieren wir die Ordnung, dann verlieren wir an Kraft und Verstand.\\ | ||
+ | Deshalb Aufnahme und Erhaltung! Das ist die eigentliche Bedeutung der [[Tradition]], | ||
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poesie.txt · Zuletzt geändert: 2024/08/04 10:23 von Robert-Christian Knorr