schiller
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==== Leben ==== | ==== Leben ==== | ||
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//Paten//: | //Paten//: | ||
* der Regimentskommandeur des Regiments, in dem der Vater stand: Oberst Christoph Friedrich von der Gabelenz; | * der Regimentskommandeur des Regiments, in dem der Vater stand: Oberst Christoph Friedrich von der Gabelenz; | ||
* ein Vetter des Vaters, der akademische Schwindler Johann Friedrich Schiller | * ein Vetter des Vaters, der akademische Schwindler Johann Friedrich Schiller | ||
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- sieben weitere Paten in Marbach, u.a. der Bürgermeister der von Vaihingen und vier wohlangesehene Jungfrauen, kümmerten sich um den Jungen\\ | - sieben weitere Paten in Marbach, u.a. der Bürgermeister der von Vaihingen und vier wohlangesehene Jungfrauen, kümmerten sich um den Jungen\\ | ||
- die beiden erstgenannten wichtigsten Paten waren so gut wie nie in Marbach anwesend\\ | - die beiden erstgenannten wichtigsten Paten waren so gut wie nie in Marbach anwesend\\ | ||
- | - ab 1773 auf der [[Solitude]] | + | - seit 1773 auf der [[Solitude]]\\ |
- | - der Herzog befahl keineswegs die Eleven in seine Pflanzanstalt, | + | |
- | - die höchste Klasse zu Tisch sind in der Akademie diejenigen mit den meisten Auszeichnungen (man benötigte übers Jahr verteilt acht Belobigungen für einen ständig zu tragenden Orden), dann kamen in der Hackordnung erst die Söhne der Adligen, deren Eltern sich einen Sondertisch bei den Essen beim Herzog erwirkt hatten\\ | + | |
- | - zwar herrschte Zucht, aber kein Drill; es gab Freiräume, u.a. besaß jeder, der wollte, ein eigenes kleines Beet, wo er Pflanzen seiner Wahl anbauen durfte: die einzelnen Betten in den Schlafsälen waren umgittert; jeder besaß seinen eigenen Nachtschrank und ein eigenes Licht, das er nicht um neun (Nachtruhe) auslöschen mußte; es bestand kein Uniformzwang in den nichtöffentlichen Zeiten, derer es jeden Tag mehrere Stunden gab\\ | + | |
- | - mittags gab es Landwein für die Knaben, abends nichts Alkoholisches; | + | |
- | - Adlige und Bürgerliche wurden gemeinsam unterrichtet\\ | + | |
- erste Dramenerfahrung über das Lesen und Vorführen einzelner Textpassagen aus dem [[http:// | - erste Dramenerfahrung über das Lesen und Vorführen einzelner Textpassagen aus dem [[http:// | ||
- | - [[Erziehung]] durch [[Bengel]] im [[Sinn# | + | - [[Erziehung]] durch [[Bengel]] im [[Sinn# |
in [[Rousseau]] fand der düstere [[Zorn]] des genialen Jünglings „die Indignation seiner verletzten Menschenwürde“ (Hettner)\\ | in [[Rousseau]] fand der düstere [[Zorn]] des genialen Jünglings „die Indignation seiner verletzten Menschenwürde“ (Hettner)\\ | ||
- erst durch die Beschäftigung mit der [[Geschichte]] löste sich Schiller vollends von Rousseau\\ | - erst durch die Beschäftigung mit der [[Geschichte]] löste sich Schiller vollends von Rousseau\\ | ||
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- verließ Stuttgart bei einem Schuldenstand von etwa 700 Gulden (15000 €), die sein Vater (Jahresgehalt 400 Gulden) nach und nach abzahlte und dabei auch das Mitgiftgeld von Schillers Schwester angreifen mußte → Schiller verdiente mit seinen ersten drei Stücken etwa 1000 Gulden und erklärte, daß das Leben in Mannheim teuer sei, zahlte also nichts zurück\\ | - verließ Stuttgart bei einem Schuldenstand von etwa 700 Gulden (15000 €), die sein Vater (Jahresgehalt 400 Gulden) nach und nach abzahlte und dabei auch das Mitgiftgeld von Schillers Schwester angreifen mußte → Schiller verdiente mit seinen ersten drei Stücken etwa 1000 Gulden und erklärte, daß das Leben in Mannheim teuer sei, zahlte also nichts zurück\\ | ||
- seine Zeit in Bauerbach, 1783, wurde durch zahlreiche persönliche Bekanntschaften mit patriarchalisch-protestantischen Pfarrern aus Südthüringen geprägt: Sauerteig in Walldorf, Scharfenberg in Ritschenhausen, | - seine Zeit in Bauerbach, 1783, wurde durch zahlreiche persönliche Bekanntschaften mit patriarchalisch-protestantischen Pfarrern aus Südthüringen geprägt: Sauerteig in Walldorf, Scharfenberg in Ritschenhausen, | ||
- | - fünf Frauen waberten in Schillers sexuellen Hoffnungen jener Tage, alle unglücklich: | + | - fünf Frauen waberten in Schillers sexuellen Hoffnungen jener Tage, alle unglücklich: |
- trug zu Weihnachten 1784 in Darmstadt am [[Hof# | - trug zu Weihnachten 1784 in Darmstadt am [[Hof# | ||
- | - ab [[April]] 1785 [[Freundschaft]] zu Körner: Schiller gesundete zu innerer Versöhnung, | + | - ab [[April]] 1785 [[Freundschaft]] zu [[Körner]]: Schiller gesundete zu innerer Versöhnung, |
- in Weimar 1787 angekommen versuchte sich Schiller an der Lösung seines Konfliktes zwischen Natursehnsucht und Kulturwelt und löste es durch die Hinwendung zum Bildungsideal, | - in Weimar 1787 angekommen versuchte sich Schiller an der Lösung seines Konfliktes zwischen Natursehnsucht und Kulturwelt und löste es durch die Hinwendung zum Bildungsideal, | ||
- geschult am plastischen Blick der [[Griechen]] wird sein Empfinden gegenständlicher → daraus erhebt sich auch sein idealer moralischer Anspruch: statt philosophischer [[Aufklärung]] ästhetisches [[Denken]], statt politisch-kritischen Denkens die moralische Versöhnung der Gegensätze\\ | - geschult am plastischen Blick der [[Griechen]] wird sein Empfinden gegenständlicher → daraus erhebt sich auch sein idealer moralischer Anspruch: statt philosophischer [[Aufklärung]] ästhetisches [[Denken]], statt politisch-kritischen Denkens die moralische Versöhnung der Gegensätze\\ | ||
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- Ernennung zum Mitglied der Kurmainzischen Akademie am 3.Januar 1791: abends bei der Feierstunde, | - Ernennung zum Mitglied der Kurmainzischen Akademie am 3.Januar 1791: abends bei der Feierstunde, | ||
- Carl August setzte ihm eine Pension über 200 Taler (16500 €) aus, da Schiller in diesem Jahr kaum arbeiten konnte, Schiller allerdings führte einen aktiven Hausstand mit ca. 1200 Talern p.a. (100000 €)\\ | - Carl August setzte ihm eine Pension über 200 Taler (16500 €) aus, da Schiller in diesem Jahr kaum arbeiten konnte, Schiller allerdings führte einen aktiven Hausstand mit ca. 1200 Talern p.a. (100000 €)\\ | ||
- | - 1791 kam Nachricht vom dreijährigen Stipendium des Augustenburgers aus Kopenhagen (ins. 3000 Taler, d.s. 240000 €), das Schiller gern nahm, allerdings wegen seiner angeschlagenen Gesundheit nicht nach Dänemark reiste, statt dessen lange schlief, oft und gern Karten spielte (L' | + | - 1791 kam Nachricht vom dreijährigen Stipendium des Augustenburgers aus Kopenhagen (ins. 3000 Taler, d.s. 240000 €), das Schiller gern nahm, allerdings wegen seiner angeschlagenen |
- machte nicht auf alle einen vorteilhaften Eindruck: [[Brun# | - machte nicht auf alle einen vorteilhaften Eindruck: [[Brun# | ||
- kaufte 1797 das Gartenhaus mit erstem eigenem [[Landbesitz]] für 1150 Taler bar (ca. 92000 €) von den Erben des verstorbenen Professors Schmidt → schrieb zuvor seinem Freund Hufeland, der ebenfalls Interesse an diesem Haus hatte, daß er es mehr benötige und sie beide den Preis nicht in die Höhe treiben sollten\\ | - kaufte 1797 das Gartenhaus mit erstem eigenem [[Landbesitz]] für 1150 Taler bar (ca. 92000 €) von den Erben des verstorbenen Professors Schmidt → schrieb zuvor seinem Freund Hufeland, der ebenfalls Interesse an diesem Haus hatte, daß er es mehr benötige und sie beide den Preis nicht in die Höhe treiben sollten\\ | ||
- | < | + | {{ : |
- | <img src = "http:// | + | - erhielt 1798 von [[Campe]] aus Braunschweig, |
- | </ | + | === Aussehen, Vorlieben, äußere Besonderheiten === |
- | - erhielt 1798 von [[Campe]] aus Braunschweig, | + | - kräftig gebaut und groß (1,82m), zeitlebens schlank; blaugraue Augen, rotblonde (lange) Haare → Simanowitz erfaßte Schiller in ihrem Bildnis sehr gut\\ |
+ | - trank Wein in Gesellschaft, | ||
+ | - achtete sehr auf seine Umgebung, man solle sich frei benehmen, und er genoß die Zeit mit seiner Familie nach vollendeter Arbeit\\ | ||
+ | - hatte Sinne für das Gute und Schöne im öffentlichen Leben, erkannte auch dessen Mängel, aber das Politische war seine Sache nicht\\ | ||
+ | - [[Napoleon]] beeindruckte ihn nicht (Unterschied zu Goethe), da dessen Macht nicht auf [[Gerechtigkeit]] und Wahrheit ruhte\\ | ||
+ | - beim Schreiben trank er Kaffee und hörte [[Musik]], die seine Kinder oder Freunde fabrizierten\\ | ||
+ | - liebte Blumen um sich, besonders lilafarbene\\ | ||
+ | - Spinnen waren ihm verhaßt\\ | ||
+ | - er trug einfache Kleidung, auf die er in späteren Jahren achtete\\ | ||
+ | - seine Stimme war weder hell noch vollklingend, | ||
+ | - achtete nicht auf Kunstgriffe beim Vorlesen, sondern vertrat die Meinung, daß das Herz nur zum Herzen sprechen könne\\ | ||
+ | - ging nachlässig, | ||
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__Kern__: das Überindividuelle → Schiller faßt es moralisch, nicht historisch → [[wir]] kommen nur durch den Teil (der ist bedingt) zum Ganzen (das ist unbedingt)\\ | __Kern__: das Überindividuelle → Schiller faßt es moralisch, nicht historisch → [[wir]] kommen nur durch den Teil (der ist bedingt) zum Ganzen (das ist unbedingt)\\ | ||
* glaubenslose Religion | * glaubenslose Religion | ||
- | - philosophischen [[Begriff]] und poetisches [[Bild]] zur Kongruenz bringen - Auseinandersetzung mit [[Moritz]] | + | - philosophischen [[Begriff]] und poetisches [[Bild]] zur Kongruenz bringen - Auseinandersetzung mit [[Moritz]] |
+ | - Schiller entzeitlicht seine [[Weltanschauung]] und läßt bei den [[Götter# | ||
=== anthropologische Fundamentalsätze === | === anthropologische Fundamentalsätze === | ||
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- Darstellung der leidenden Natur → der [[Held]] dringt auf absolute Realität, er soll alles zu Welt machen, was bloß Form ist und alle seine Anlagen zur [[Erscheinung]] bringen | - Darstellung der leidenden Natur → der [[Held]] dringt auf absolute Realität, er soll alles zu Welt machen, was bloß Form ist und alle seine Anlagen zur [[Erscheinung]] bringen | ||
- Darstellung der moralischen Selbständigkeit im [[Leiden]] → dringt auf absolute Formalität, | - Darstellung der moralischen Selbständigkeit im [[Leiden]] → dringt auf absolute Formalität, | ||
+ | - Das schöne Als-Ob Gottes ist subjektive Erfahrung, zumeist Projektion, wobei wir Attribute unserer Subjektivität als Freiheitsempfinden auf die Natur resp. Menschen übertragen, | ||
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- [[Kallias]]-Briefe | - [[Kallias]]-Briefe | ||
=== Anlaß und Absicht === | === Anlaß und Absicht === | ||
- | - Ideal einer Lebensführung, | + | - Ideal einer [[Lebensführung]], das nicht nur [[Sittlichkeit]], |
- geschrieben gegen das moralische Übel seiner Zeit [Verwilderung einerseits und Erschlaffung andererseits]\\ | - geschrieben gegen das moralische Übel seiner Zeit [Verwilderung einerseits und Erschlaffung andererseits]\\ | ||
- Schiller stellt die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit eines schönen Lebens\\ | - Schiller stellt die grundsätzliche Frage nach der Möglichkeit eines schönen Lebens\\ | ||
- | - eine ästhetische Handlung ist moralisch, aber nicht jede moralische Handlung ist ästhetisch → Ästhetik entsteht durch [[Anmut]] und [[Würde]]\\ | + | - eine ästhetische Handlung ist moralisch, aber nicht jede moralische Handlung ist ästhetisch → Ästhetik entsteht durch [[Anmut]] und [[Würde]]\\ |
- Schiller widerlegt die Abstrahierung des Menschen von der Kunst mit gleichzeitiger Postulierung des Menschseins | - Schiller widerlegt die Abstrahierung des Menschen von der Kunst mit gleichzeitiger Postulierung des Menschseins | ||
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- der Mensch müsse es lernen, edler zu begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen, also macht man den sinnlichen Menschen [[vernünftig]], | - der Mensch müsse es lernen, edler zu begehren, damit er nicht nötig habe, erhaben zu wollen, also macht man den sinnlichen Menschen [[vernünftig]], | ||
- | __Staatsidee__: | + | __Staatsidee__: |
- Schiller erklärt die Zusammenarbeit von autonomer [[Sittlichkeit]] und dem [[organisch# | - Schiller erklärt die Zusammenarbeit von autonomer [[Sittlichkeit]] und dem [[organisch# | ||
== Herrschaftsverhältnisse == | == Herrschaftsverhältnisse == | ||
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__Zustand__: | __Zustand__: | ||
__Stofftrieb__: | __Stofftrieb__: | ||
- | __Formtrieb__: | + | __Formtrieb__: |
- | - will Einheit und [[Notwendigkeit]] geben; diese empirische Betrachtung ist erkenntnistheoretisch jedoch wertlos, denn eine Erkenntnistheorie | + | - will Einheit und [[Notwendigkeit]] geben; diese empirische Betrachtung ist erkenntnistheoretisch jedoch wertlos, denn eine Erkenntnistheorie |
__sittlich__: | __sittlich__: | ||
- der Mensch muß freiwillig die Notwendigkeit der Natur bejahen, und dadurch das, was er nicht ändern kann, zu seiner eigenen Handlung machen | - der Mensch muß freiwillig die Notwendigkeit der Natur bejahen, und dadurch das, was er nicht ändern kann, zu seiner eigenen Handlung machen | ||
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|daß es eine Staatsaktion ist|die Größe des Vorwurfs und des Ziels| | |daß es eine Staatsaktion ist|die Größe des Vorwurfs und des Ziels| | ||
|daß es abenteuerlich und unglaublich ist|das Interesse der Hauptperson| | |daß es abenteuerlich und unglaublich ist|das Interesse der Hauptperson| | ||
- | |daß es [[fremd]] und ausländisch ist|viele glänzende Situationen| | + | |daß es [[fremd]] und [[ausländisch]] ist|viele glänzende Situationen| |
- | |die Menge und Zerstreuung der Personen schadet dem [[Interesse]]|Beziehung auf [[Rußland]]| | + | |die Menge und [[Zerstreuung]] der Personen schadet dem [[Interesse]]|Beziehung auf [[Rußland]]| |
|die Größe und der Umfang, daß es kaum zu übersehen|der neue [[Boden]], auf dem, es spielt| | |die Größe und der Umfang, daß es kaum zu übersehen|der neue [[Boden]], auf dem, es spielt| | ||
|die Schwierigkeit es zu exekutieren auf dem [[Theater]]|daß das meiste daran schon erfunden ist| | |die Schwierigkeit es zu exekutieren auf dem [[Theater]]|daß das meiste daran schon erfunden ist| | ||
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=== Grundfragen === | === Grundfragen === | ||
- | - Was wird aus dem [[Individuum]], | + | - Was wird aus dem [[Individuum]], |
- Was wird aus der historischen [[Persönlichkeit]], | - Was wird aus der historischen [[Persönlichkeit]], | ||
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- Grischka entdeckt seine Geburt | - Grischka entdeckt seine Geburt | ||
- [[Vertrag]] mit dem Woiwoden und Verspruch mit Marina | - [[Vertrag]] mit dem Woiwoden und Verspruch mit Marina | ||
- | - Abschied von Lodoiska | + | - [[Abschied]] von Lodoiska |
- Polnischer [[Reichstag]] | - Polnischer [[Reichstag]] | ||
- Marfa im Kloster | - Marfa im Kloster | ||
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- ein idealistisches Transzendieren der Problematik im Begriff des Ideals\\ | - ein idealistisches Transzendieren der Problematik im Begriff des Ideals\\ | ||
^naiv^sentimental^ | ^naiv^sentimental^ | ||
- | |Überwiegen des Gedanklichen über das Empfindliche; | + | |Überwiegen des Gedanklichen über das Empfindliche; |
- | Der naive Dichter schöpft aus dem Leben, das er selbst ist, er hat die sinnliche Realität voraus. Die naive Dichtung steht für eine Aufgabe, die nie erfüllt werden kann. Die Karikatur ist der Empiriker oder auch der Philister. Der sentimentale Dichter kann lebendigen Trieb erwecken - keine wirkliche Existenz im Leben -, dafür kann er dem Trieb einen größeren Gegenstand geben, | + | Der naive Dichter schöpft aus dem Leben, das er selbst ist, er hat die sinnliche Realität voraus. Die naive Dichtung steht für eine Aufgabe, die nie erfüllt werden kann. Die Karikatur ist der Empiriker oder auch der [[Philister]]. Der sentimentale Dichter kann lebendigen Trieb erwecken - keine wirkliche Existenz im Leben -, dafür kann er dem Trieb einen größeren Gegenstand geben, |
Die sentimentale Dichtung ist die Geburt der Abgezogenheit und Stille. Die [[Karikatur]] ist der Phantast. | Die sentimentale Dichtung ist die Geburt der Abgezogenheit und Stille. Die [[Karikatur]] ist der Phantast. | ||
=== Empfindungsweisen als Ausdrücke des Widerspruchs zwischen Ideal und Wirklichkeit === | === Empfindungsweisen als Ausdrücke des Widerspruchs zwischen Ideal und Wirklichkeit === | ||
+ | - bei der naiven Dichtung gibt es keine Unterarten der Empfindungsweise, | ||
- [[Satire# | - [[Satire# | ||
- [[Elegie# | - [[Elegie# | ||
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==== Don Carlos ==== | ==== Don Carlos ==== | ||
- | - das liebende Umfassen der ganzen Menschheit, der Ruf nach Menschlichkeit auf Königsthronen: | + | - das liebende Umfassen der ganzen Menschheit, der Ruf nach Menschlichkeit auf Königsthronen: |
- das Stück ist ein utopisches Modell, erst im // | - das Stück ist ein utopisches Modell, erst im // | ||
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=== Aufbau === | === Aufbau === | ||
- Parallelität der Akte I und III\\ | - Parallelität der Akte I und III\\ | ||
- | - die Kehre im Drama ist der [[Moment]], wenn die Privatheit und Mächtigkeit neue Verbindungen eingeht, die Helden in ihrer Verletzlichkeit gezeigt werden und daraus handeln\\ | + | - die Kehre im Drama ist der [[Moment]], wenn die Privatheit und [[Mächtigkeit]] neue Verbindungen eingeht, die Helden in ihrer Verletzlichkeit gezeigt werden und daraus handeln\\ |
- | - Schillers Hauptproblem war das Entzünden der Katharsis, es geschieht durch selten unumgängliche Notwendigkeiten | + | - Schillers Hauptproblem war das Entzünden der [[Katharsis]], es geschieht durch selten unumgängliche Notwendigkeiten |
=== Sprache === | === Sprache === | ||
- | - synthetische Kunstsprache, | + | - synthetische Kunstsprache, |
=== Figuren === | === Figuren === | ||
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- sie gewährt dem König eine Liebesnacht\\ | - sie gewährt dem König eine Liebesnacht\\ | ||
**Posa**: en gros Gegenspieler des Großinquisitors\\ | **Posa**: en gros Gegenspieler des Großinquisitors\\ | ||
- | - Verkünder eines aufklärerisch-politischen Programms: die Poesie des politischen [[Idealismus]]\\ | + | - Verkünder eines aufklärerisch-politischen Programms: die [[Poesie]] des politischen [[Idealismus]]\\ |
- manipuliert Don Carlos für seine Ziele, die aber beider sind und predigt Ideale, ohne die Realität zu sehen, ist somit ein abstrakter Humanitätsidealist → ihre Freundschaft ist keine schwärmerische; | - manipuliert Don Carlos für seine Ziele, die aber beider sind und predigt Ideale, ohne die Realität zu sehen, ist somit ein abstrakter Humanitätsidealist → ihre Freundschaft ist keine schwärmerische; | ||
- verwickelt Ideal und Freundschaft und ist letztlich weder dem einen noch dem anderen gewachsen\\ | - verwickelt Ideal und Freundschaft und ist letztlich weder dem einen noch dem anderen gewachsen\\ | ||
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- inszeniert seine eigene Opferung - [[Brief]] der falschen Selbstbezichtigungen\\ | - inszeniert seine eigene Opferung - [[Brief]] der falschen Selbstbezichtigungen\\ | ||
- weiß um seine Wirkung beim König und spielt auch mit dem\\ | - weiß um seine Wirkung beim König und spielt auch mit dem\\ | ||
- | - schwankt zwischen dem aufgeklärten Staatsideal - politische | + | - schwankt zwischen dem aufgeklärten Staatsideal - politische |
- fordert die Freiheit der Gesellschaft und setzt selbst Menschenleben aufs Spiel\\ | - fordert die Freiheit der Gesellschaft und setzt selbst Menschenleben aufs Spiel\\ | ||
- dünkt sich reifer als das ganze Jahrhundert, | - dünkt sich reifer als das ganze Jahrhundert, | ||
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- das Schicksal trägt man nur in sich, weil der äußere Affront gemeistert werden kann über das gute Gefühl in der Brust\\ | - das Schicksal trägt man nur in sich, weil der äußere Affront gemeistert werden kann über das gute Gefühl in der Brust\\ | ||
- Schillers [[Interesse]] galt von jeher dem Praktischerhabenen, | - Schillers [[Interesse]] galt von jeher dem Praktischerhabenen, | ||
- | - Konfrontation des Menschen mit den über die Grenzen des physischen Widerstehens hinausgehenden [[Phänomen# | + | - Konfrontation des Menschen mit den über die Grenzen des physischen Widerstehens hinausgehenden [[Phänomen# |
==== Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ==== | ==== Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ==== | ||
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=== Entstehungsgrund === | === Entstehungsgrund === | ||
- die antityrannische Politik ist Schiller zur Herzenssache geworden → er zeigt jedoch keine realen Gestalten, sondern Figuren, die aus dem Bauch reden\\ | - die antityrannische Politik ist Schiller zur Herzenssache geworden → er zeigt jedoch keine realen Gestalten, sondern Figuren, die aus dem Bauch reden\\ | ||
- | - die Grundstimmung des Dramas ist der Protest gegen die Verbildung und die verächtliche | + | - die Grundstimmung des Dramas ist der Protest gegen die Verbildung und die verächtliche |
=== Inhalt === | === Inhalt === | ||
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**Gianettino**: | **Gianettino**: | ||
**Verrina**: | **Verrina**: | ||
- | **Fiesko**: widerspruchsvoller Charakter; er tritt würdevoll auf und –los ab; effektgeladen → die Verschränkung von Erhabenheit und verbrecherischer Verstrickung; | + | **Fiesko**: widerspruchsvoller Charakter; er tritt würdevoll auf und –los ab; effektgeladen → die Verschränkung von Erhabenheit und verbrecherischer Verstrickung; |
=== Aufnahme des Stückes === | === Aufnahme des Stückes === | ||
Zeile 358: | Zeile 369: | ||
- Den //Fiesko// verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name - in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches [[Blut]]. (Schiller am 5.5.1784 an [[Reinwald]]) | - Den //Fiesko// verstand das Publikum nicht. Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name - in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches [[Blut]]. (Schiller am 5.5.1784 an [[Reinwald]]) | ||
- | ==== Die Geisterseher ==== | + | ==== Der Geisterseher ==== |
- Tendenzroman gegen die [[Jesuit# | - Tendenzroman gegen die [[Jesuit# | ||
- | - bleibt Fragment, weil Schiller in Weimar damit beginnt, seinen durch Spitzfindigkeit, | + | - bleibt |
Zeile 381: | Zeile 392: | ||
==== Jungfrau von Orleans ==== | ==== Jungfrau von Orleans ==== | ||
- | - Schiller hatte das Problem, jenes über die servile | + | - Schiller hatte das Problem, jenes über die servile |
=== Thema === | === Thema === | ||
Zeile 392: | Zeile 403: | ||
=== Idealität der Jungfrau === | === Idealität der Jungfrau === | ||
- sie setzt sich entsprechend ihrer Mission über Konventionen hinweg, sondern auch über ihre Natur - sie ist ein [[Weib]]\\ | - sie setzt sich entsprechend ihrer Mission über Konventionen hinweg, sondern auch über ihre Natur - sie ist ein [[Weib]]\\ | ||
- | - Schiller wählt eine Epoche aus dem Hundertjährigen Krieg, um ein Gleichnis für die eigene zu liefern, verflechtet soziale und Naturaspekte als neue Wirkungsmöglichkeiten des Dramas – Ist Vergeltung geschichtliche | + | - Schiller wählt eine Epoche aus dem Hundertjährigen Krieg, um ein Gleichnis für die eigene zu liefern, verflechtet soziale und Naturaspekte als neue Wirkungsmöglichkeiten des Dramas – Ist Vergeltung geschichtliche |
- das eigentliche [[Wunder]]: jenseits aller sozialen Problematik vollzieht sich die Identifikation von Volk und Königtum (Dunois)\\ | - das eigentliche [[Wunder]]: jenseits aller sozialen Problematik vollzieht sich die Identifikation von Volk und Königtum (Dunois)\\ | ||
- das Königtum erhält einen neuen sozial-nationalären Charakter | - das Königtum erhält einen neuen sozial-nationalären Charakter | ||
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== Tragödie Johannas == | == Tragödie Johannas == | ||
- sie macht sich Vorwürfe → Schiller stellt sie dar als [[Zusammenstoß]] ihres Idealismus mit der Realität, der realen Natur der Dinge\\ | - sie macht sich Vorwürfe → Schiller stellt sie dar als [[Zusammenstoß]] ihres Idealismus mit der Realität, der realen Natur der Dinge\\ | ||
- | - Johannas politisches Programm ist die große national-soziale [[Harmonie]], | + | - Johannas politisches Programm ist die große national-soziale [[Harmonie]], |
==== Kabale und Liebe ==== | ==== Kabale und Liebe ==== | ||
- | Schiller empfand die Dichtungsart [[Trauerspiel]] als eine ihm nicht gemäße; dennoch stand ihm der Versuch im Sinn → Die Rechtfertigung des Stückes als Tragödie resultiert aus der Verletzung des gesellschaftlichen [[Kodex]]: ein Adliger darf ein Bürgermädchen nicht heiraten! und dem vergeblichen Kampf der Liebenden gegen die die Gralshüter gesellschaftlicher Richtlinien um 1780: Miller, Walther. Der Feudalabsolutismus als Gesellschaftsform entlarvt sich in dem Maße, als daß er die Liebe dieser beiden Menschen zerstört. \\ | + | Schiller empfand die Dichtungsart [[Trauerspiel]] als eine ihm nicht gemäße; dennoch stand ihm der Versuch im Sinn → Die Rechtfertigung des Stückes als Tragödie resultiert aus der Verletzung des gesellschaftlichen [[Kodex]]: ein Adliger darf ein Bürgermädchen nicht [[heiraten]]! und dem vergeblichen Kampf der Liebenden gegen die die Gralshüter gesellschaftlicher Richtlinien um 1780: Miller, Walther. Der Feudalabsolutismus als Gesellschaftsform entlarvt sich in dem Maße, als daß er die Liebe dieser beiden Menschen zerstört. \\ |
Luise Millerin, so der Arbeitstitel des Werkes, sollte eine Synthese aus [[Shakespeare# | Luise Millerin, so der Arbeitstitel des Werkes, sollte eine Synthese aus [[Shakespeare# | ||
- | Es gibt kaum eine Figur, die von Schiller nicht mit einem gesellschaftskritischen Aspekt ausgestattet wurde. Der Impetus der Anprangerung zieht sich durch das ganze Stück und gipfelt in der Kammerdienerszene. \\ | + | {{ : |
- | Luise denkt realistischer als der trunkene Ferdinand. Der Konflikt Luises ist nicht der Ferdinands. Luise steht für die christlich-theologische Sicht, die mit dem Gefühl der paradiesischen Liebe kollidiert und so irdische | + | Luise denkt realistischer als der trunkene Ferdinand. Der Konflikt Luises ist nicht der Ferdinands. Luise steht für die christlich-theologische Sicht, die mit dem Gefühl der paradiesischen Liebe kollidiert und so irdische |
Ferdinand ist nichts mehr als ein Liebesbaron. \\ | Ferdinand ist nichts mehr als ein Liebesbaron. \\ | ||
Lady Milford läßt Luise in Ferdinand nicht mehr alles sehen, II/5. \\ | Lady Milford läßt Luise in Ferdinand nicht mehr alles sehen, II/5. \\ | ||
- | Die große [[Leistung]] des Stückes ist das Geltendmachen von dem Anspruch eines irdischen Glückes. | + | Die große [[Leistung]] des Stückes ist das Geltendmachen von dem Anspruch eines irdischen Glückes.\\ |
- | < | + | |
- | <img src = "http://www.vonwolkenstein.de/ | + | |
- | </ | + | [[https:// |
- | === Inhalt | + | |
- | **1. Akt**: der Vater will den Sohn mit der Favoritin des Arbeitgebers verheiraten, | + | === Rezeption |
- | - der Sohn, Ferdinand, will dagegen eine bürgerliche [[Ehe]] führen, keine Konvenienzehe → der Held – Selbstbezeichnung //deutscher Jüngling// - kann und will nicht zwischen Ehefrau und Geliebter unterscheiden\\ | + | |
- | **2. Akt**: in II/3 das [[Gespräch]] zwischen Ferdinand und der Lady, die er heiraten soll → das Gesprächsthema ist u.a. der [[Fürst]], der hier als [[Libertin]], | + | |
- | - ironischerweise fühlt sich Mylady in ihrer [[Ehre]] gekränkt, als ob sie niemals in ihrem Leben über diese Begriffe hätte nachdenken müssen → die Verbindung scheint zu platzen\\ | + | |
- | - Ferdinands Vater, der Präsident, will daraufhin den Ruf Luises verschlechtern durch Vorwürfe der Kuppelei u.ä., II/6\\ | + | |
- | **3. Akt**: in III/1 spinnen der Präsident und seine Kreatur Wurm in Steigerung des Geschehens eine neue Brief-Intrige: | + | |
- | - Schiller thematisiert die Macht und ihren Mißbrauch - die Intriganten sind Regierungskriminelle\\ | + | |
- | - Luise kritisiert in III/4 Ferdinand, weil dieser eine Art von Liebesabsolutismus hinsichtlich reiner Liebe, ständischer Herkunft, Ehrbarkeit, Pflichtbewußtsein predigt\\ | + | |
- | - die Peripetie wird in III/6 vollendet, als Luise den befohlenen Brief schreibt und die Intrige ihren Lauf nimmt\\ | + | |
- | **4. Akt**: [[Hoffnung]] auf Rettung in IV/5, als der Präsident Luises Tugend hochbewertet und sich scheinbar einverstanden mit einer Ehe seines Sohnes und Luises erklärt\\ | + | |
- | - Lady kommt aus der Rolle der Mätresse nicht heraus und flieht aus [[Ehrgefühl]], | + | |
- | **5. Akt**: lange Reden täuschen nicht darüber hinweg, daß die Dinge entschieden sind → Luise und Ferdinand liegen bald tot auf der Bühne | + | |
+ | - das Stück führt nicht aus der politischen Realität heraus, sondern gerade mitten hinein (Nast) | ||
==== Die Künstler ==== | ==== Die Künstler ==== | ||
- Schiller unterscheidet sittliches Leben als das Leben der freien Gesetzmäßigkeit des Geistigen von dem sinnlichen, unfreien Leben → Reich der Freiheit von dem der Sinnlichkeit\\ | - Schiller unterscheidet sittliches Leben als das Leben der freien Gesetzmäßigkeit des Geistigen von dem sinnlichen, unfreien Leben → Reich der Freiheit von dem der Sinnlichkeit\\ | ||
- | Die Vermittlung beider liegt in der Schönheit. In einem erkenntnistheoretischen Sinne verliert das Sittliche | + | Die Vermittlung beider liegt in der Schönheit. In einem erkenntnistheoretischen Sinne verliert das Sittliche |
Zeile 439: | Zeile 440: | ||
=== Intentionen === | === Intentionen === | ||
- | - moralische [[Bewährung]] der Helden als Voraussetzung | + | - moralische [[Bewährung]] der Helden als Voraussetzung |
- das historische Sujet spielt eine akzidentielle Rolle\\ | - das historische Sujet spielt eine akzidentielle Rolle\\ | ||
- Schiller sucht in dem Stück nach der Entscheidung für den einen oder den anderen Trieb, der idealistischen Behauptung des freien Willens. In der Szene der persönlichen Auseinandersetzung gewinnt Maria ihre moralische Freiheit. Die ästhetische Freiheit, die Maria erlingt, erreicht sie durch den Schillerschen Kunstgriff der ästhetischen [[Autonomie]], | - Schiller sucht in dem Stück nach der Entscheidung für den einen oder den anderen Trieb, der idealistischen Behauptung des freien Willens. In der Szene der persönlichen Auseinandersetzung gewinnt Maria ihre moralische Freiheit. Die ästhetische Freiheit, die Maria erlingt, erreicht sie durch den Schillerschen Kunstgriff der ästhetischen [[Autonomie]], | ||
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**Lester**: macht aus dem politischen einen persönlichen Konflikt\\ | **Lester**: macht aus dem politischen einen persönlichen Konflikt\\ | ||
- | - die Genialität des Dramas entsteht durch die Zwiespältigkeit | + | - die Genialität des Dramas entsteht durch die Zwiespältigkeit |
**Mortimer**: | **Mortimer**: | ||
- Schiller veredelt Mortimer zu einem ideellen Helden, der um abstrakte Begriffe mehr, als um das reale Ziel streitet\\ | - Schiller veredelt Mortimer zu einem ideellen Helden, der um abstrakte Begriffe mehr, als um das reale Ziel streitet\\ | ||
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- gesellschaftliches und ästhetisches Selbstverständnis Schillers 1781 → Schiller setzt sich mit dem Tenor der beherrschenden Gesellschaftskritik auseinander und verarbeitet [[Schubart]], | - gesellschaftliches und ästhetisches Selbstverständnis Schillers 1781 → Schiller setzt sich mit dem Tenor der beherrschenden Gesellschaftskritik auseinander und verarbeitet [[Schubart]], | ||
- | - Die Wirkung basiert auf diesem | + | - Die Wirkung basiert auf diesem |
- | - bei der Premiere am [[Dalberg# | + | - bei der Premiere am [[Dalberg# |
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=== Figuren === | === Figuren === | ||
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- Einfluß auf die Gestaltung der Charaktere hatte auch Ferguson - setzte eine Beziehung zwischen Denken und Handeln, zwischen Vernunft und [[Sittlichkeit]] -, der die naturnotwendige Gebundenheit moralischer Haltung an das frei gewählte Ideensystem des Einzelwesens lehrte | - Einfluß auf die Gestaltung der Charaktere hatte auch Ferguson - setzte eine Beziehung zwischen Denken und Handeln, zwischen Vernunft und [[Sittlichkeit]] -, der die naturnotwendige Gebundenheit moralischer Haltung an das frei gewählte Ideensystem des Einzelwesens lehrte | ||
- | **Karl**: sein [[Selbstmord]] ist makaberweise ein Sieg der religiös motivierten Moralität - als Kritik an der pervertierten Gesellschaft zu verstehen\\ | + | **Karl**: sein [[Selbstmord]] ist makaberweise ein Sieg der religiös motivierten Moralität - als Kritik an der pervertierten Gesellschaft zu verstehen\\ |
- sein Aufbegehren ist eines gegen das Ordnungssystem, | - sein Aufbegehren ist eines gegen das Ordnungssystem, | ||
- Schiller exemplifiziert an Karl das Motiv des Selbsthelfers, | - Schiller exemplifiziert an Karl das Motiv des Selbsthelfers, | ||
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- er restituiert die Ordnung, indem er sich dem [[Gesetz]] übergibt\\ | - er restituiert die Ordnung, indem er sich dem [[Gesetz]] übergibt\\ | ||
**Franz**: ein Triebmensch und so leichte Beute übersteigerter Erregungen - sein eigentlicher Gegenspieler ist das [[Gewissen]]\\ | **Franz**: ein Triebmensch und so leichte Beute übersteigerter Erregungen - sein eigentlicher Gegenspieler ist das [[Gewissen]]\\ | ||
- | - erkennt auch die sittliche [[Notwendigkeit]] seines Untergangs, so nimmt er ihn selbst in die Hand und stürzt von [[Verbrechen]] zu Verbrechen, schließlich in den Abgrund der [[Verzweiflung]], | + | - erkennt auch die sittliche [[Notwendigkeit]] seines Untergangs, so nimmt er ihn selbst in die Hand und stürzt von [[Verbrechen]] zu Verbrechen, schließlich in den [[Abgrund]] der [[Verzweiflung]], |
- sein Untergang ist ihm eine Tat der sittlichen Freiheit; er ist Sieger über das Schicksal\\ | - sein Untergang ist ihm eine Tat der sittlichen Freiheit; er ist Sieger über das Schicksal\\ | ||
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- der Mensch wird konstruiert als ein Mit- und Gegenspieler der [[Gottheit]]\\ | - der Mensch wird konstruiert als ein Mit- und Gegenspieler der [[Gottheit]]\\ | ||
- im theodizistischen Rahmen ist die Zuspitzung allen Geschehens Zweck, um diesem Gedanken Rechnung zu tragen, denn beide haben gefehlt, da sie an die Berechtigung einer sittlichen Ordnung nicht geglaubt haben \\ | - im theodizistischen Rahmen ist die Zuspitzung allen Geschehens Zweck, um diesem Gedanken Rechnung zu tragen, denn beide haben gefehlt, da sie an die Berechtigung einer sittlichen Ordnung nicht geglaubt haben \\ | ||
- | - Probleme mit der Motivation, denn ein Brief allein macht noch keinen Räuber; der pathetische Grundakkord des Dramas jedoch setzt auf die Zurkenntnisnahme außerordentlicher Menschen a la [[Plutarch]], | + | - Probleme mit der Motivation, denn ein Brief allein macht noch keinen |
- Schiller stellt deshalb v.a. Fragen nach Gewissensverantwortung, | - Schiller stellt deshalb v.a. Fragen nach Gewissensverantwortung, | ||
- ist das menschliche Leben lenkbar über die Irrationalität des Gewissens - Wieviel Kraft verträgt die Selbstbehauptung in einer entarteten Gesellschaft? | - ist das menschliche Leben lenkbar über die Irrationalität des Gewissens - Wieviel Kraft verträgt die Selbstbehauptung in einer entarteten Gesellschaft? | ||
- Schiller fragt nach der Moral der Rebellen: [[Brutus]] oder [[Catilina]]? | - Schiller fragt nach der Moral der Rebellen: [[Brutus]] oder [[Catilina]]? | ||
- | - Schiller ersetzt abstrakt-philosophisch, was sozial aufgelöst sicherlich Schwierigkeiten bereitet hätte \\ | + | - Schiller ersetzt abstrakt-philosophisch, was sozial aufgelöst sicherlich Schwierigkeiten bereitet hätte \\ |
__Indiz__: Karl erkennt, daß man nicht auf den Schultern der Schande zu den Sternen des [[Ruhm# | __Indiz__: Karl erkennt, daß man nicht auf den Schultern der Schande zu den Sternen des [[Ruhm# | ||
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- der Wanderer betritt in scheinbar zufälliger Reihe Orte, die auch geschichtlich aufeinanderfolgen\\ | - der Wanderer betritt in scheinbar zufälliger Reihe Orte, die auch geschichtlich aufeinanderfolgen\\ | ||
- das [[Subjekt]] wird gleichsam austapeziert mit den Elementen der Wiese, des [[Wald# | - das [[Subjekt]] wird gleichsam austapeziert mit den Elementen der Wiese, des [[Wald# | ||
- | - [[Wechsel]] zwischen dem Almanach der Weisen und dem reinen Altar der Natur | + | - [[Wechsel]] zwischen dem [[Almanach]] der Weisen und dem reinen Altar der Natur |
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* Kant-Grundsätze der [[Ästhetik]] verarbeitet, | * Kant-Grundsätze der [[Ästhetik]] verarbeitet, | ||
- Probe aufs Exempel der Schillerschen Unterscheidung von Realismus und Idealismus\\ | - Probe aufs Exempel der Schillerschen Unterscheidung von Realismus und Idealismus\\ | ||
- | * Durchspielen der Antithetik Menschheit-Mode im Hinblick auf die praktischen politischen | + | * Durchspielen der Antithetik Menschheit-Mode im Hinblick auf die praktischen politischen |
- Relativierung darauf - deshalb ist die Wallenstein-Tragödie keine Prinzipien-, | - Relativierung darauf - deshalb ist die Wallenstein-Tragödie keine Prinzipien-, | ||
* Zuschickung der [[Fabel]] an Goethe → diese Genesis der Gesamtform wird kategorial gefaßt: | * Zuschickung der [[Fabel]] an Goethe → diese Genesis der Gesamtform wird kategorial gefaßt: | ||
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- Wallensteins Konflikt ist der mit der etablierten Traditionsmacht, | - Wallensteins Konflikt ist der mit der etablierten Traditionsmacht, | ||
//[[punctum saliens]]// ist die Meldung der Gefangennahme Sesinas; statt einer raschen Handlung erstarrt Wallenstein. Diese blinde Unterwürfigkeit unter das Schicksal ist demütigend, | //[[punctum saliens]]// ist die Meldung der Gefangennahme Sesinas; statt einer raschen Handlung erstarrt Wallenstein. Diese blinde Unterwürfigkeit unter das Schicksal ist demütigend, | ||
- | Seine Unternehmung ist moralisch schlecht und sie verungleicht physisch; er berechnet alles auf die Wirkung und diese mißlingt; er kann nicht wie ein [[Idealist]] sich über die [[Materie]] erheben, er will sie unterwerfen und es gelingt ihm nicht. Er ist kein großer, edler Charakter, denn es ist nur notwendig, dem Hauptcharakter genug moralischen Gehalt zu geben, um im Zuschauer [[Furcht]] und Mitleid zu erregen. Die Hauptfigur darf nicht von anderen moralisch überragt werden. Wallenstein erniedrigt alle anderen Figuren zu Figuren in seinem Spiel, ist aber auch der nationale Held, dessen verräterisch anmutende Manipulation mit dem schwedischen Gegner nur Mittel zum Zweck der nationalen Einigungspolitik sind. Wenn Wallenstein von [[Deutschland]] spricht, glaubt man, ihn selbst zu hören, denn Deutschland ist ihm ein Synonym für die Rechtfertigung seines Handelns. Er selbst handelt jedoch sprunghaft und unausgeglichen, | + | Seine Unternehmung ist moralisch schlecht und sie verungleicht physisch; er berechnet alles auf die Wirkung und diese mißlingt; er kann nicht wie ein [[Idealist]] sich über die [[Materie]] erheben, er will sie unterwerfen und es gelingt ihm nicht. Er ist kein großer, edler Charakter, denn es ist nur notwendig, dem Hauptcharakter genug moralischen Gehalt zu geben, um im Zuschauer [[Furcht]] und Mitleid zu erregen. Die Hauptfigur darf nicht von anderen moralisch überragt werden. Wallenstein erniedrigt alle anderen Figuren zu Figuren in seinem Spiel, ist aber auch der nationale Held, dessen verräterisch anmutende |
Wallenstein hält sich für frei, mit den Schweden zu paktieren, muß sich jedoch nach der kaiserlichen Acht sagen, daß er diese Freiheit nun nicht mehr besitzt. So wird klar, daß sich Wallenstein nur in der Rolle des Rebellen gefällt; Wirklichkeit und Phantasie verwischt. Wallenstein meint das Gesagte für den [[Augenblick]], | Wallenstein hält sich für frei, mit den Schweden zu paktieren, muß sich jedoch nach der kaiserlichen Acht sagen, daß er diese Freiheit nun nicht mehr besitzt. So wird klar, daß sich Wallenstein nur in der Rolle des Rebellen gefällt; Wirklichkeit und Phantasie verwischt. Wallenstein meint das Gesagte für den [[Augenblick]], | ||
Er zeigt sich als ein Exzentriker der Macht: In seiner machtgegründeten Selbstisolierung wird er zum [[Objekt]] der Wünsche und Handlungen anderer: | Er zeigt sich als ein Exzentriker der Macht: In seiner machtgegründeten Selbstisolierung wird er zum [[Objekt]] der Wünsche und Handlungen anderer: | ||
- | Max möchte ihn als Friedensfürsten; | + | Max möchte ihn als Friedensfürsten; |
Wallenstein trägt Schillers Nemesis-Vorstellungen: | Wallenstein trägt Schillers Nemesis-Vorstellungen: | ||
- | - Wallenstein will mathematische Sicherheit für sein Handeln; er glaubt diese Sicherheit durch [[Astrologie]] berechnen lassen zu können → Schiller fragt, ob die ungefährdete Handlungsweise ohne [[Substanz]] ihre Handlungsfähigkeit durch einen Schicksalsschlag | + | - Wallenstein will mathematische Sicherheit für sein Handeln; er glaubt diese Sicherheit durch [[Astrologie]] berechnen lassen zu können → Schiller fragt, ob die ungefährdete Handlungsweise ohne [[Substanz]] ihre Handlungsfähigkeit durch einen Schicksalsschlag |
- | - die Zeichnung des Generalissimus entspricht dem antiken Muster der Dramenkonstellation → Friedlands Untergang ist ein [[Triumph]] der Nemesis; aber die Gerechtigkeit seines Falles schafft die Schändlichkeit | + | - die Zeichnung des Generalissimus entspricht dem antiken Muster der Dramenkonstellation → Friedlands Untergang ist ein [[Triumph]] der Nemesis; aber die Gerechtigkeit seines Falles schafft die Schändlichkeit |
=== Wallensteins Lager === | === Wallensteins Lager === | ||
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=== Piccolomini === | === Piccolomini === | ||
- politische Exposition des Dramas | - politische Exposition des Dramas | ||
- | - Ebene: Vater - Sohn → psychologische | + | - Ebene: Vater - Sohn → psychologische |
- Ebene: Octavio - Wallenstein → politische Auseinandersetzung | - Ebene: Octavio - Wallenstein → politische Auseinandersetzung | ||
- Ebene: Max - Wallenstein → übergreifend vom Politischen ins Menschliche | - Ebene: Max - Wallenstein → übergreifend vom Politischen ins Menschliche | ||
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**Octavio**: | **Octavio**: | ||
- Gegenspieler Wallensteins → indem Octavio der alten Ordnung dient, hütet er das Eigentum, den Privatbereich, | - Gegenspieler Wallensteins → indem Octavio der alten Ordnung dient, hütet er das Eigentum, den Privatbereich, | ||
- | - der Generalissimus zwischen eigener Hybris, d.i. die subjektiv-moralische Schuld, und dem [[Verrat]] der anderen, d.i. das objektive politische Gegenspiel\\ | + | - der Generalissimus zwischen eigener Hybris, d.i. die subjektiv-moralische Schuld, und dem [[Verrat]] der anderen, d.i. das objektive politische Gegenspiel\\ |
**Max**: Sprachröhre Schillers: keine Figur zitiert so direkt gesellschaftliche Ideale des Dichters, aber im [[Unterschied]] zu Schiller hat Max keine Schicksalsgelassenheit\\ | **Max**: Sprachröhre Schillers: keine Figur zitiert so direkt gesellschaftliche Ideale des Dichters, aber im [[Unterschied]] zu Schiller hat Max keine Schicksalsgelassenheit\\ | ||
- ist der positive, ideale Wallenstein; | - ist der positive, ideale Wallenstein; | ||
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=== Wallensteins Tod === | === Wallensteins Tod === | ||
- | - eine für Schiller typische [[Ironie]]: die Sterne lügen nicht, als sie Wallensteins Untergang mit der Verdunklung des Jupiter anzeigen. \\ Wallenstein schiebt die Himmelserscheinung auf den Tod von Max: der Neid des Schicksals ist gesättigt → er glaubt nunmehr an eine neue, glücklichere [[Zukunft]], | + | - eine für Schiller typische [[Ironie]]: die Sterne lügen nicht, als sie Wallensteins Untergang mit der Verdunklung des Jupiter anzeigen. \\ Wallenstein schiebt die Himmelserscheinung auf den Tod von Max: der [[Neid]] des Schicksals ist gesättigt → er glaubt nunmehr an eine neue, glücklichere [[Zukunft]], |
=== Zusammenfassung === | === Zusammenfassung === | ||
- | Das Wallenstein-Drama handelt von der verzweifelten Kühnheit des provozierten einzelnen, zugleich von der objektiven Determiniertheit dieses einzelnen und der Schwierigkeit, | + | Das Wallenstein-Drama handelt von der verzweifelten Kühnheit des provozierten einzelnen, zugleich von der objektiven Determiniertheit dieses einzelnen und der Schwierigkeit, |
Das Wallenstein-Drama ist ein Geschichtsdrama: | Das Wallenstein-Drama ist ein Geschichtsdrama: | ||
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==== Wilhelm Tell ==== | ==== Wilhelm Tell ==== | ||
| | ||
+ | - Rebell und Mörder ([[Bismarck]])\\ | ||
+ | - die //magna charta// des politischen Dramas (Hochhuth)\\ | ||
+ | - Die konservativen Schweizer bezeugen noch heute dem Terroristen Wilhelm Tell ihr offizielles Lob. ([[Trotzki]]) | ||
=== Thema === | === Thema === | ||
- Schiller beantwortet in diesem Stück die Frage nach der Relation von [[Historie]] und Poesie. Er stellt dichterisch die patriarchalisch strukturierte nationale Gemeinschaft auf die eine Seite und die politische Modellhaftigkeit einer aufgeklärten Gesellschaft auf die andere Seite und versucht so zu einer Bewertung aktueller Entscheidungen zu kommen. Schillers politischer Realitätssinn zeigt sich in der aufgeworfenen Frage, ob denn der erste politische Sieg auch schon der Sicherung der revolutionären Errungenschaft gleichkommt → Figur des Walter Fürst - prompte Erfüllung zu übernehmender Verpflichtungen. | - Schiller beantwortet in diesem Stück die Frage nach der Relation von [[Historie]] und Poesie. Er stellt dichterisch die patriarchalisch strukturierte nationale Gemeinschaft auf die eine Seite und die politische Modellhaftigkeit einer aufgeklärten Gesellschaft auf die andere Seite und versucht so zu einer Bewertung aktueller Entscheidungen zu kommen. Schillers politischer Realitätssinn zeigt sich in der aufgeworfenen Frage, ob denn der erste politische Sieg auch schon der Sicherung der revolutionären Errungenschaft gleichkommt → Figur des Walter Fürst - prompte Erfüllung zu übernehmender Verpflichtungen. | ||
=== Inhalt === | === Inhalt === | ||
- | - Die Schweizer sprechen dem System die Rechtmäßigkeit nicht ab; ihre Unabhängigkeit muß jedoch in einer positiven | + | - Die Schweizer sprechen dem System die Rechtmäßigkeit nicht ab; ihre Unabhängigkeit muß jedoch in einer positiven |
- | - Schiller wirft die Frage des Rechtsproblems jeder Revolution auf. In Wilhelm Tell reduziert sich die Revolution auf den durchaus | + | - Schiller wirft die Frage des Rechtsproblems jeder Revolution auf. In Wilhelm Tell reduziert sich die Revolution auf den durchaus |
=== Figuren === | === Figuren === | ||
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==== Schiller als Historiker ==== | ==== Schiller als Historiker ==== | ||
+ | - seine Anstellung in Jena bewirkten die Geheimräte von Voigt und von Goethe 1789\\ | ||
- großer Einfluß von [[Schlözer]] aus Göttingen, durch dessen entwicklungsgeschichtlichen Blick | - großer Einfluß von [[Schlözer]] aus Göttingen, durch dessen entwicklungsgeschichtlichen Blick | ||
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=== Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? | === Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? | ||
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Antrittsrede zur Professur an der Uni Jena am 26.Mai 1789\\ | Antrittsrede zur Professur an der Uni Jena am 26.Mai 1789\\ | ||
- Schiller entwickelt den Charakter und die Aufgaben des philosophischen Kopfes im Gegensatz zu den Eigenschaften des bloßen Brotgelehrten\\ | - Schiller entwickelt den Charakter und die Aufgaben des philosophischen Kopfes im Gegensatz zu den Eigenschaften des bloßen Brotgelehrten\\ | ||
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- nach Kant gibt es allgemeingültige, | - nach Kant gibt es allgemeingültige, | ||
- für Kant beruht das [[Schöne]] auf eigenen Gesetzen, die in keiner Beziehung zum sittlichen Soll-Gesetz stehen → [[Schönheit]] läßt sich nur fühlen: man könne dieses [[Gefühl]] zwar mitteilen, beweisen läßt es sich aber nicht \\ | - für Kant beruht das [[Schöne]] auf eigenen Gesetzen, die in keiner Beziehung zum sittlichen Soll-Gesetz stehen → [[Schönheit]] läßt sich nur fühlen: man könne dieses [[Gefühl]] zwar mitteilen, beweisen läßt es sich aber nicht \\ | ||
- | - Schiller sieht dies anders: er sucht die objektiv | + | - Schiller sieht dies anders: er sucht die objektiv |
→ Schiller will den [[Gegensatz]] zwischen Natur und [[Vernunft]], | → Schiller will den [[Gegensatz]] zwischen Natur und [[Vernunft]], | ||
* der [[Mensch]] als sinnlich-sittliches [[Wesen]] solle sich die [[Pflicht]] zur Neigung machen und nicht in Tugenden ersticken | * der [[Mensch]] als sinnlich-sittliches [[Wesen]] solle sich die [[Pflicht]] zur Neigung machen und nicht in Tugenden ersticken | ||
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==== Schiller als Philosoph ==== | ==== Schiller als Philosoph ==== | ||
- Schiller bezog aus den Widersprüchen seines philosophischen Ringens [[Kraft]] und Ansporn für sein dichterisches Schaffen \\ | - Schiller bezog aus den Widersprüchen seines philosophischen Ringens [[Kraft]] und Ansporn für sein dichterisches Schaffen \\ | ||
- | - der sozialphilosophische Ausgangspunkt seiner | + | - der sozialphilosophische Ausgangspunkt seiner |
- | - Zwiespalt zwischen der Totalität des [[Individuum# | + | - Zwiespalt zwischen der Totalität des [[Individuum# |
- Mittelpunkt seines philosophischen Denkens war die ästhetische [[Theorie]] des Spiels, was Schiller zum Vorläufer der [[Dialektik]] [[Hegel# | - Mittelpunkt seines philosophischen Denkens war die ästhetische [[Theorie]] des Spiels, was Schiller zum Vorläufer der [[Dialektik]] [[Hegel# | ||
- Schiller will in die geheimen Triebkräfte der [[Seele]] schauen\\ | - Schiller will in die geheimen Triebkräfte der [[Seele]] schauen\\ | ||
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==== Schiller als Politiker ==== | ==== Schiller als Politiker ==== | ||
+ | __Paradigma__: | ||
- hielt politische Veränderungen in [[Deutschland]] für nicht wünschenswert, | - hielt politische Veränderungen in [[Deutschland]] für nicht wünschenswert, | ||
- lehnt Revolution ab, denn bei der bestünde die Gefahr, daß die Ideale, die eine Revolution benötigte, in der [[Realität]] verlorengingen - statt dessen spricht Schiller vom Vernunftsstaat, | - lehnt Revolution ab, denn bei der bestünde die Gefahr, daß die Ideale, die eine Revolution benötigte, in der [[Realität]] verlorengingen - statt dessen spricht Schiller vom Vernunftsstaat, | ||
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- Schröder, Hans: Schiller als dramatischer Dichter. Bonn 1974. | - Schröder, Hans: Schiller als dramatischer Dichter. Bonn 1974. | ||
- Teutschmann, | - Teutschmann, | ||
- | - Thalheim, Günther: Zum Problem des geschichtlich | + | - Thalheim, Günther: Zum Problem des geschichtlich |
- Wertheim, Ursula: Schiller-Studien. Jena 1984 | - Wertheim, Ursula: Schiller-Studien. Jena 1984 | ||
==== Rezeption ==== | ==== Rezeption ==== | ||
+ | - kannte keine religiöse [[Libido]] | ||
+ | |||
- Schiller wird in [[Wien]] 1880 ungestrichen gespielt, jeder Buchstabe ist heilig → d.i. töricht, weil theaterunwirksam\\ | - Schiller wird in [[Wien]] 1880 ungestrichen gespielt, jeder Buchstabe ist heilig → d.i. töricht, weil theaterunwirksam\\ | ||
- | - er vergewaltigte Kunst des Schauspielers, | + | - er vergewaltigte Kunst des Schauspielers, |
+ | - Mangel an Leichtigkeit ([[Wieland]]) | ||
=== Schillers Dramen === | === Schillers Dramen === | ||
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- sein Pathos dient dabei der Initiierung der Phantasie und setzt diese gleichzeitig, | - sein Pathos dient dabei der Initiierung der Phantasie und setzt diese gleichzeitig, | ||
- die Antinomien dienen dabei einer Prämisse, die durchschritten werden muß, um sich Freiheit zu erringen \\ | - die Antinomien dienen dabei einer Prämisse, die durchschritten werden muß, um sich Freiheit zu erringen \\ | ||
- | - diese Erhabenheit durchbricht die Immanenz der Geschichte und erweist den Menschen als einen freiwillig Handelnden, der über den Tod hinaus wirkt, in diesem Sinne zerreißt Schiller auch die [[Teleologie]] | + | - diese Erhabenheit durchbricht die Immanenz der Geschichte und erweist den Menschen als einen freiwillig Handelnden, der über den Tod hinaus wirkt, in diesem Sinne zerreißt Schiller auch die [[Teleologie]]; |
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+ | - erreicht in seinen Dramen die würdige Selbstbehauptung aller Gestalten (Hegel) | ||
== Schillers Jugenddramen == | == Schillers Jugenddramen == | ||
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- Schillers Geist ist tapfer; er wird sich durch den Staub hindurchkämpfen. (Nietzsche) | - Schillers Geist ist tapfer; er wird sich durch den Staub hindurchkämpfen. (Nietzsche) | ||
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schiller.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/08 19:14 von Robert-Christian Knorr