Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


stresemann

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Letzte ÜberarbeitungBeide Seiten der Revision
stresemann [2019/09/28 17:28] Robert-Christian Knorrstresemann [2019/10/03 10:29] – [Gambrinus-Rede] Robert-Christian Knorr
Zeile 32: Zeile 32:
  
 Manchen geht der Weg nicht schnell genug, und es gibt wieder andre, die glauben, daß dieser Weg nicht gradlinig genug gehe. Es gibt Menschen, die sagen, eine Politik der Kompromisse sei eine Politik der Schwäche. Wer das sagt, hat nicht das Leben eines einzelnen Menschen begriffen, und das Leben der Staaten ist schließlich die Zusammenfassung des Lebens des einzelnen. Wer gibt einem Menschen das Recht, sein Leben nach eignem Willen zu führen? Das Verstehen dessen, was ist, das Hineinfinden in die Situation, in der man lebt, dadurch allein ist doch überhaupt erst das Leben möglich. Man sollte sich doch nicht immer um die Methoden kümmern, wenn es nur überhaupt vorwärts geht. Denn schließlich entscheidet der Erfolg darüber, welche Methode richtig ist. Wir werden eben nur schrittweise vorwärts kommen, wir werden nicht immer nach den Wünschen der Theoretiker einen geraden Weg gehen. Wo eine Mauer ist, da umgehe ich sie und schlage mir nicht den Schädel daran ein. Das ist auch letzten Endes der Sinn der deutschen [[Außenpolitik]]. Zweifeln Sie nicht an dem einen, daß das Ziel dieser Politik nur eins ist: Deutschlands Freiheit und Deutschlands Größe. Eines brauchen wir dazu: das ist Einigkeit nach innen und außen. Als Hoffmann von Fallersleben das Deutschlandlied dichtete, da hat er in dieses Lied manches von [[Zweifel]] hineingelegt, weil er die Natur des Deutschen kannte. „Über alles in der Welt, wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält.“ Das haben wir meistens nicht getan. Wir Deutsche, von denen man einst sprach, daß wir den furor teutonicus hätten – wir haben ihn, wenn ein Deutscher gegen den andern kämpft. Aber wir haben ihn nicht, wenn es sich darum handelt, die Einigkeit einmal nach außen zu betonen. Wo wäre diese Empfindung mehr gegeben als da, wo Sie auf dem Außenposten stehen? Unser Weg ist jetzt ein mehr begrenzter als in frühern Zeiten. Heute handelt es sich darum, deutsche Souveränität auf deutschem Boden wieder herzustellen, darüber hinaus durch kluge und überlegte Politik den Weg zu finden, um im Zusammengehen mit andern Nationen in dem ganzen Europa das Selbstbestimmungsrecht der Völker einst da wieder herzustellen, wo es verletzt ist. Wir haben jetzt für den ersten Weg gekämpft. In Dortmund und Bochum war einst der Fleiß deutscher Produktion Ergebnis für die französischen Finanzen. Das Ruhrgebiet ist geräumt, die erste Zone ist geräumt. Und hier in Genf haben wir in diesen Tagen nicht gerungen um Verminderung der Besatzung, sondern haben die eine große Frage gestellt, ob die Besetzung deutschen Gebiets noch vereinbar ist mit der Lage, die geschaffen wurde durch unsern Eintritt in den Völkerbund. Wir haben darum gerungen, ob es noch möglich ist, ein Gebiet wie das Saargebiet besetzt zu halten, das deutsch ist und bleibt und zu Deutschland in kürzester Frist zurückkehren wird. Wir haben darum gerungen, daß andre Bezirke Europas, die heute nicht zu uns gehören, den Weg wieder zurückfinden in unsre deutsche [[Heimat]], daß in kurzer Zeit wieder ein Rheinland dastehe, wie es gewesen ist in alter Zeit. Und wenn wir dafür gewisse Belastungen finanzieller [[Natur]] auf uns nehmen, die wir nach unsrer Überzeugung tragen können, so glaube ich, wenn diese Frage vor uns steht, sollte das deutsche Volk einmütig sein in dem Gedanken: Nicht das materielle Leben ist das Entscheidende, sondern die politische Ehre und Freiheit der Nation. Man kann arm sein und eine große Nation sein. Das ist nicht das Entscheidende, ob der eine einen schlechtern Rock trägt als der andre, sondern ob er freien Charakters ist und stolz jedem andern ins Auge sehen kann. Wir wollen den andern Nationen frei und stolz in die Augen sehen, wieder einen freien [[Boden]] in Deutschland haben. Und ich glaube, daß wir hier in Genf einen großen Schritt vorwärts zur Erreichung dieses Zieles getan haben. Lassen Sie mich hoffen, daß, wenn wir in künftigen Tagungen des Völkerbundes zurückkehren, wir die Möglichkeit haben, uns des in hartem Kampf Erreichten zu freuen. \\ Manchen geht der Weg nicht schnell genug, und es gibt wieder andre, die glauben, daß dieser Weg nicht gradlinig genug gehe. Es gibt Menschen, die sagen, eine Politik der Kompromisse sei eine Politik der Schwäche. Wer das sagt, hat nicht das Leben eines einzelnen Menschen begriffen, und das Leben der Staaten ist schließlich die Zusammenfassung des Lebens des einzelnen. Wer gibt einem Menschen das Recht, sein Leben nach eignem Willen zu führen? Das Verstehen dessen, was ist, das Hineinfinden in die Situation, in der man lebt, dadurch allein ist doch überhaupt erst das Leben möglich. Man sollte sich doch nicht immer um die Methoden kümmern, wenn es nur überhaupt vorwärts geht. Denn schließlich entscheidet der Erfolg darüber, welche Methode richtig ist. Wir werden eben nur schrittweise vorwärts kommen, wir werden nicht immer nach den Wünschen der Theoretiker einen geraden Weg gehen. Wo eine Mauer ist, da umgehe ich sie und schlage mir nicht den Schädel daran ein. Das ist auch letzten Endes der Sinn der deutschen [[Außenpolitik]]. Zweifeln Sie nicht an dem einen, daß das Ziel dieser Politik nur eins ist: Deutschlands Freiheit und Deutschlands Größe. Eines brauchen wir dazu: das ist Einigkeit nach innen und außen. Als Hoffmann von Fallersleben das Deutschlandlied dichtete, da hat er in dieses Lied manches von [[Zweifel]] hineingelegt, weil er die Natur des Deutschen kannte. „Über alles in der Welt, wenn es stets zu Schutz und Trutze brüderlich zusammenhält.“ Das haben wir meistens nicht getan. Wir Deutsche, von denen man einst sprach, daß wir den furor teutonicus hätten – wir haben ihn, wenn ein Deutscher gegen den andern kämpft. Aber wir haben ihn nicht, wenn es sich darum handelt, die Einigkeit einmal nach außen zu betonen. Wo wäre diese Empfindung mehr gegeben als da, wo Sie auf dem Außenposten stehen? Unser Weg ist jetzt ein mehr begrenzter als in frühern Zeiten. Heute handelt es sich darum, deutsche Souveränität auf deutschem Boden wieder herzustellen, darüber hinaus durch kluge und überlegte Politik den Weg zu finden, um im Zusammengehen mit andern Nationen in dem ganzen Europa das Selbstbestimmungsrecht der Völker einst da wieder herzustellen, wo es verletzt ist. Wir haben jetzt für den ersten Weg gekämpft. In Dortmund und Bochum war einst der Fleiß deutscher Produktion Ergebnis für die französischen Finanzen. Das Ruhrgebiet ist geräumt, die erste Zone ist geräumt. Und hier in Genf haben wir in diesen Tagen nicht gerungen um Verminderung der Besatzung, sondern haben die eine große Frage gestellt, ob die Besetzung deutschen Gebiets noch vereinbar ist mit der Lage, die geschaffen wurde durch unsern Eintritt in den Völkerbund. Wir haben darum gerungen, ob es noch möglich ist, ein Gebiet wie das Saargebiet besetzt zu halten, das deutsch ist und bleibt und zu Deutschland in kürzester Frist zurückkehren wird. Wir haben darum gerungen, daß andre Bezirke Europas, die heute nicht zu uns gehören, den Weg wieder zurückfinden in unsre deutsche [[Heimat]], daß in kurzer Zeit wieder ein Rheinland dastehe, wie es gewesen ist in alter Zeit. Und wenn wir dafür gewisse Belastungen finanzieller [[Natur]] auf uns nehmen, die wir nach unsrer Überzeugung tragen können, so glaube ich, wenn diese Frage vor uns steht, sollte das deutsche Volk einmütig sein in dem Gedanken: Nicht das materielle Leben ist das Entscheidende, sondern die politische Ehre und Freiheit der Nation. Man kann arm sein und eine große Nation sein. Das ist nicht das Entscheidende, ob der eine einen schlechtern Rock trägt als der andre, sondern ob er freien Charakters ist und stolz jedem andern ins Auge sehen kann. Wir wollen den andern Nationen frei und stolz in die Augen sehen, wieder einen freien [[Boden]] in Deutschland haben. Und ich glaube, daß wir hier in Genf einen großen Schritt vorwärts zur Erreichung dieses Zieles getan haben. Lassen Sie mich hoffen, daß, wenn wir in künftigen Tagungen des Völkerbundes zurückkehren, wir die Möglichkeit haben, uns des in hartem Kampf Erreichten zu freuen. \\
-Wir sollten uns erinnern an die Worte des griechischen Philosophen ([[Hesiod]]), daß die [[Götter]] vor den Erfolg den Schweiß gesetzt haben, sollten uns klar sein darüber, daß wir naturgemäß als das heutige Geschlecht nur die eine Aufgabe haben, den Weg zu bereiten für eine glücklichere [[Zukunft]] derjenigen, die nach uns kommen, so, wie wir Nutznießer gewesen sind der Taten derjenigen, die vor uns waren. Und schließlich sind wir nicht von der Natur andrer Nationen, von denen die eine die Idee des Ausruhens wohl wundervoll verbunden hat mit der Idee der werktätigen [[Arbeit]], und von denen eine andre die Lebensphilosophie hat, in einem bestimmten Lebensalter sich zurückzuziehen von der Arbeit, um nur noch geruhsamer Behaglichkeit zu leben. Es ist nicht wahr, daß im alten hebräischen Text die Worte stehen: „Wenn das Leben köstlich ist, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen“ (Ps. 90, 10), sondern die deutsche Auffassung eines Luther hat das Wort köstlich hineingebracht, wie sie das Schöne der Tätigkeit bis zum letzten Moment in unsre deutsche Auffassung hineingebracht hat. Wir werden mehr tätig sein müssen als die andern. Über unserm Leben wird der römische Spruch stehen: „Ohne Urlaub werden wir geboren.“ (sine missione nascimur) Wenn wir hineingekommen sind in diese schwere Zeit der [[Not]], so lassen Sie uns hoffen, daß man uns einst dankt, was wir getan; lassen Sie mich hoffen, daß unser deutsches Vaterland den Weg gehe zu neuer [[Freiheit]], zu neuer Größe, zu einer guten Zukunft. Lassen Sie mich in diesem Sinne Sie bitten, mit mir einzustimmen in den Ruf: Es lebe das heilige Deutschland! +Wir sollten uns erinnern an die Worte des griechischen Philosophen ([[Hesiod]]), daß die [[Götter]] vor den Erfolg den Schweiß gesetzt haben, sollten uns klar sein darüber, daß wir naturgemäß als das heutige Geschlecht nur die eine Aufgabe haben, den Weg zu bereiten für eine glücklichere [[Zukunft]] derjenigen, die nach uns kommen, so, wie wir Nutznießer gewesen sind der Taten derjenigen, die vor uns waren. Und schließlich sind wir nicht von der Natur andrer Nationen, von denen die eine die Idee des Ausruhens wohl wundervoll verbunden hat mit der Idee der werktätigen [[Arbeit]], und von denen eine andre die Lebensphilosophie hat, in einem bestimmten Lebensalter sich zurückzuziehen von der Arbeit, um nur noch geruhsamer Behaglichkeit zu leben. Es ist nicht wahr, daß im alten hebräischen Text die Worte stehen: „Wenn das Leben köstlich ist, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen“ (Ps. 90, 10), sondern die deutsche Auffassung eines Luther hat das Wort köstlich hineingebracht, wie sie das Schöne der [[Tätigkeit]] bis zum letzten Moment in unsre deutsche Auffassung hineingebracht hat. Wir werden mehr tätig sein müssen als die andern. Über unserm Leben wird der römische Spruch stehen: „Ohne Urlaub werden wir geboren.“ (sine missione nascimur) Wenn wir hineingekommen sind in diese schwere Zeit der [[Not]], so lassen Sie uns hoffen, daß man uns einst dankt, was wir getan; lassen Sie mich hoffen, daß unser deutsches Vaterland den Weg gehe zu neuer [[Freiheit]], zu neuer Größe, zu einer guten Zukunft. Lassen Sie mich in diesem Sinne Sie bitten, mit mir einzustimmen in den Ruf: Es lebe das heilige Deutschland! 
  
  
stresemann.txt · Zuletzt geändert: 2022/04/11 15:35 von Robert-Christian Knorr