Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


vergangenheit

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste ÜberarbeitungBeide Seiten der Revision
vergangenheit [2015/05/30 16:22] Robert-Christian Knorrvergangenheit [2015/11/19 09:25] Robert-Christian Knorr
Zeile 42: Zeile 42:
 Da seh’ ich dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst, die Hüften schwingst und die ekstasebereiten Pölsterchen unter dem engen Kleid [[Hoffnung]] spendend unserem Ziel entgegenschweben.  Oh, das ist das Schönste an diesem Gang im Walde; daß ich es ahne und will.  Leider bist du im fernen Italien, mit deinem Freund, den du zu lieben vorgibst und es vermutlich auch tust.  Deine Tränen bei unserem Abschied aber werde ich nicht vergessen und wer weiß, vielleicht versprechen sie auch etwas.\\ Da seh’ ich dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst, die Hüften schwingst und die ekstasebereiten Pölsterchen unter dem engen Kleid [[Hoffnung]] spendend unserem Ziel entgegenschweben.  Oh, das ist das Schönste an diesem Gang im Walde; daß ich es ahne und will.  Leider bist du im fernen Italien, mit deinem Freund, den du zu lieben vorgibst und es vermutlich auch tust.  Deine Tränen bei unserem Abschied aber werde ich nicht vergessen und wer weiß, vielleicht versprechen sie auch etwas.\\
 Und SCHWUPPs! bin ich in eine Pfütze getreten.  Es macht mir Spaß.  Ich gehe nicht um sie herum.  Ich bin ein Frosch, fühle mich wohl im weichen und lauwarmen Ort, den die Natur zum Wühlen mir gegeben.  Unter meinen Füßen bildet sich eine schlurfende und schlabberige Schicht, die bei jedem Auftreten ein schmatzendes Geräusch von sich gibt, so daß ich es fast schon bereue, in diesen kleinsten Morasten Abwechslung von der Hitze des Tages gesucht zu haben. - Auch jetzt noch klebt der getrocknete Waldschlamm an meinen Schenkeln.\\ Und SCHWUPPs! bin ich in eine Pfütze getreten.  Es macht mir Spaß.  Ich gehe nicht um sie herum.  Ich bin ein Frosch, fühle mich wohl im weichen und lauwarmen Ort, den die Natur zum Wühlen mir gegeben.  Unter meinen Füßen bildet sich eine schlurfende und schlabberige Schicht, die bei jedem Auftreten ein schmatzendes Geräusch von sich gibt, so daß ich es fast schon bereue, in diesen kleinsten Morasten Abwechslung von der Hitze des Tages gesucht zu haben. - Auch jetzt noch klebt der getrocknete Waldschlamm an meinen Schenkeln.\\
-Am Wegesrand stehen Pflaumenbäume.  Die Wirtin mittags in der Schenke meinte, ich solle den Weg durch das freundliche Grün des ländlichen Pfads zurückgehen; wovon sie nicht sprach, das waren diese prallen und unreifen Früchte am Wegesrand.  Ich kann nicht widerstehen, reiße mir die erhoffte Süße von den Zweigen, aber entsetzt darüber, was sie mir antun, spucke ich aus, und dennoch: Immer wieder will ich glauben, es käme da noch eine Frucht, die Süße schenkt.  Ein Stück Wegs weiter plagt sich der Aufschwung und bedeckt die Bäume mit einem schmierigen tönernen Film.  Nachdem ich die Frucht mit meinem Speichel säuberte, tut sich das geahnte Blau schwer.  Ein Farbenspiel, eine Verwirrung.  Das äußerliche Blau kämpft mit der Unreife des Gelben.  Daraus wird Grün werden.  Vielleicht.  Die blaue Schönheit aber fließt samt meiner Spucke davon.  Ich werfe die Reste auf die Bagger und LKW, halt’ eben nicht viel davon.  Was soll diese Gaukelei?  Der Dreck versteckt kein süßes [[Blau]], sondern saures Gelb-Grün!  Wer will mir anderes weismachen? \\ +Am Wegesrand stehen Pflaumenbäume.  Die Wirtin mittags in der Schenke meinte, ich solle den Weg durch das freundliche Grün des ländlichen Pfads zurückgehen; wovon sie nicht sprach, das waren diese prallen und unreifen Früchte am Wegesrand.  Ich kann nicht widerstehen, reiße mir die erhoffte Süße von den Zweigen, aber entsetzt darüber, was sie mir antun, spucke ich aus, und dennoch: Immer wieder will ich glauben, es käme da noch eine Frucht, die Süße schenkt.  Ein Stück Wegs weiter plagt sich der Aufschwung und bedeckt die Bäume mit einem schmierigen tönernen Film.  Nachdem ich die Frucht mit meinem Speichel säuberte, tut sich das geahnte Blau schwer.  Ein Farbenspiel, eine Verwirrung.  Das äußerliche Blau kämpft mit der Unreife des Gelben.  Daraus wird Grün werden.  Vielleicht.  Die blaue Schönheit aber fließt samt meiner Spucke davon.  Ich werfe die Reste auf die Bagger und LKW, halt’ eben nicht viel davon.  Was soll diese Gaukelei?  Der Dreck versteckt kein süßes Blau, sondern saures Gelb-Grün!  Wer will mir anderes weismachen? \\ 
-Jetzt wird mir kalt.  Es ist Abend geworden.  Zum [[Glück]] steht vor mir eine Scheune.  Vorhin, beim Hinweg am Vormittag, waren Bauern damit beschäftigt, sie mit Strohballen zu füllen.  Ihr mürrischer Blick galt dem Eindringling: Als ob ich mit meinen schmutzigen Füßen in ihre Stuben Tapsen machte.  Was kümmert’s mich! Sie bereiteten unwissentlich mein Schlaflager.  Bald liege ich träumend im weichen Heu und sehe wieder nur dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst... hatte er vor Jahresfrist geschrieben.  Er erinnerte sich dieses Textes, der vor drei Tagen noch Hoffnung und Last zugleich ausdrückte, heute jedoch nur verblichene Literatur abgab.  Vor einem Pflaumenbaum blieb der Wanderer stehen, riß eine Frucht ab und wischte mit Spucke den Dreck ab.  Blau, nicht grün! ‚Dann wenigstens süß’, dachte er und biß in die madige Ernte eines Vormittags.  Hungrig griff er in die Zweige der Bäume und suchte die saftigsten Früchte.  ‚Wenigstens bleibt mir das, die Selbstversorgung.’  Er lächelte: ‚Sie haben es mir nicht verziehen, daß ich ihren Schablonen nicht folgen wollte oder konnte, was imgrunde genommen gleichgültig blieb’, dachte er versponnen.  \\+Jetzt wird mir kalt.  Es ist Abend geworden.  Zum [[Glück]] steht vor mir eine Scheune.  Vorhin, beim Hinweg am Vormittag, waren Bauern damit beschäftigt, sie mit Strohballen zu füllen.  Ihr mürrischer Blick galt dem Eindringling: Als ob ich mit meinen schmutzigen Füßen in ihre Stuben Tapsen machte.  Was kümmert’s mich! Sie bereiteten unwissentlich mein Schlaflager.  Bald liege ich träumend im weichen Heu und sehe wieder nur dich, wie du den Weg vor mir entlangläufst... hatte er vor Jahresfrist geschrieben.  Er erinnerte sich dieses Textes, der vor drei Tagen noch Hoffnung und Last zugleich ausdrückte, heute jedoch nur verblichene Literatur abgab.  Vor einem Pflaumenbaum blieb der Wanderer stehen, riß eine Frucht ab und wischte mit Spucke den Dreck ab.  Blau, nicht grün! ‚Dann wenigstens [[süß]]’, dachte er und biß in die madige Ernte eines Vormittags.  Hungrig griff er in die Zweige der Bäume und suchte die saftigsten Früchte.  ‚Wenigstens bleibt mir das, die Selbstversorgung.’  Er lächelte: ‚Sie haben es mir nicht verziehen, daß ich ihren Schablonen nicht folgen wollte oder konnte, was imgrunde genommen gleichgültig blieb’, dachte er versponnen.  \\
 Diese Heuchler! Wollten meinem Talent angeblich durch Erweiterung in den akademischen Disziplinen einen freieren Standpunkt verschaffen.  Statt dessen, wenn sie ganz ehrlich wären, so wollten sie mich nur zu einem Rädchen in ihrem Getriebe machen.  Diese Schweine!  System!  Ha!  Systematische Überlegungen, unzählige Vergleichsmöglichkeiten und gegebenenfalls punktuelle Genauigkeit in Detailfragen.  Na gut.  Methode.  Hab ich mitgenommen, aber ihr Ziel war es doch, mich zu kaufen.  Mein Denken zu ihrem Recht machen!’ trotzte Edgar.  ‚Übergenaues Hinsehen zerstört den Gesamteindruck und außerdem kann ein Mensch nicht ewig gegen seine Natur leben.  Eines Tages mußte der angestaute Groll herausplatzen, ich konnte die Hundsdemut gegenüber der formalen Entwürdigung des eigenen Denkens nicht hinnehmen’, dachte er und rief laut: „Drum rede ewig, wie du’s willst!“ \\ Diese Heuchler! Wollten meinem Talent angeblich durch Erweiterung in den akademischen Disziplinen einen freieren Standpunkt verschaffen.  Statt dessen, wenn sie ganz ehrlich wären, so wollten sie mich nur zu einem Rädchen in ihrem Getriebe machen.  Diese Schweine!  System!  Ha!  Systematische Überlegungen, unzählige Vergleichsmöglichkeiten und gegebenenfalls punktuelle Genauigkeit in Detailfragen.  Na gut.  Methode.  Hab ich mitgenommen, aber ihr Ziel war es doch, mich zu kaufen.  Mein Denken zu ihrem Recht machen!’ trotzte Edgar.  ‚Übergenaues Hinsehen zerstört den Gesamteindruck und außerdem kann ein Mensch nicht ewig gegen seine Natur leben.  Eines Tages mußte der angestaute Groll herausplatzen, ich konnte die Hundsdemut gegenüber der formalen Entwürdigung des eigenen Denkens nicht hinnehmen’, dachte er und rief laut: „Drum rede ewig, wie du’s willst!“ \\
 Aufgeweichter Weg stülpt Gedanken um.  Man(n) vergräbt sich im Morast, lädt das Denken in die Dunkelheit des Mütterlichen, wo des Kindes Sehnsucht Geborgenheit fand.  Edgar hörte die Vögel und verstand sie.  Sie sangen sein Lied, zogen im Herbst in den Süden, dort weiter zu träumen.  Wovon auch immer!  Das Wort Zweck verschwand wegen der Vielzahl unsinniger, sich gegenseitig gleichhebender Argumente, schwand zu einem Klumpen harschgrauer Enge, weggeworfen und aufgehoben in den Tiefen des Wegmorastes, in dem als Kind schon die Füße Grund suchten - oder auch nicht -, die Mutter schimpfte, der Vater lachte, sich am Sohn erfreute..  Das war aus dem Kreis.  Lächelnd zertrat er einen Klumpen hartgewordenen Morast, spie aus, als ob die saure Pflaume noch dazu drängte.  Drängen, um etwas zu sein oder zu werden!  Heute konnte er an der Vorstellung keine Freude empfinden, daß der Mensch Zweck sei.  Edgar degoutierte diese Kantsche Anmaßung, zumal die daraus folgende Forderung des Sosollesseins nur utopisch bleiben konnte.  „Der Mensch ist nur eine Kleinigkeit, niemals Endzweck der Schöpfung.  Er kann nur ein Mittel sein“, murmelte Edgar und stocherte in einem Ameisenhaufen auf der Suche nach den Transportwegen.  Alles andere erschien Edgar ruchlos, banal und überkandidelt.\\ Aufgeweichter Weg stülpt Gedanken um.  Man(n) vergräbt sich im Morast, lädt das Denken in die Dunkelheit des Mütterlichen, wo des Kindes Sehnsucht Geborgenheit fand.  Edgar hörte die Vögel und verstand sie.  Sie sangen sein Lied, zogen im Herbst in den Süden, dort weiter zu träumen.  Wovon auch immer!  Das Wort Zweck verschwand wegen der Vielzahl unsinniger, sich gegenseitig gleichhebender Argumente, schwand zu einem Klumpen harschgrauer Enge, weggeworfen und aufgehoben in den Tiefen des Wegmorastes, in dem als Kind schon die Füße Grund suchten - oder auch nicht -, die Mutter schimpfte, der Vater lachte, sich am Sohn erfreute..  Das war aus dem Kreis.  Lächelnd zertrat er einen Klumpen hartgewordenen Morast, spie aus, als ob die saure Pflaume noch dazu drängte.  Drängen, um etwas zu sein oder zu werden!  Heute konnte er an der Vorstellung keine Freude empfinden, daß der Mensch Zweck sei.  Edgar degoutierte diese Kantsche Anmaßung, zumal die daraus folgende Forderung des Sosollesseins nur utopisch bleiben konnte.  „Der Mensch ist nur eine Kleinigkeit, niemals Endzweck der Schöpfung.  Er kann nur ein Mittel sein“, murmelte Edgar und stocherte in einem Ameisenhaufen auf der Suche nach den Transportwegen.  Alles andere erschien Edgar ruchlos, banal und überkandidelt.\\
vergangenheit.txt · Zuletzt geändert: 2023/10/28 08:53 von Robert-Christian Knorr