Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


zeitgestaltung

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen angezeigt.

Link zu dieser Vergleichsansicht

Beide Seiten der vorigen RevisionVorhergehende Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorhergehende Überarbeitung
Nächste ÜberarbeitungBeide Seiten der Revision
zeitgestaltung [2017/12/26 20:22] Robert-Christian Knorrzeitgestaltung [2018/03/26 07:55] Robert-Christian Knorr
Zeile 1: Zeile 1:
-[[Interner Link]]====== ZEITGESTALTUNG ======+====== ZEITGESTALTUNG ======
  
  
Zeile 249: Zeile 249:
 ==== III. Vertiefung der Analyse ==== ==== III. Vertiefung der Analyse ====
    
-“Zeitgestaltung in Thomas Manns Joseph-Tetralogie“ heißt das Thema der vorliegenden Arbeit. So ist es nunmehr an der Zeit, zu fragen, wie Zeit überhaupt gestaltet werden kann beziehungsweise dies im konkreten Fall geschehen ist. Die Reihenfolge des Vorgehens mag überraschen, denn in den meisten wissenschaftlichen Arbeiten steht am Anfang ein methodenformulierendes Fragen, von dem aus das Folgende abgeleitet wird. Das ist auch für viele Arbeiten eine angemessene Methode. Im vorliegenden Fall jedoch verbietet es sich geradezu, denn die Geschichte, die erzählt wird, war da, bevor irgend jemand über das Vorhandene reflektierte. Zumindest ist nichts Überliefertes zuhanden, dem das Merkmal “Reflexion“ zugeschrieben werden könnte. TM reflektiert erst spät (V 825 ff.) über das Tatsächliche seiner Geschichte, seines Plots: Niemals sind wir darauf ausgegangen, die Täuschung zu erwecken, wir seien der Urquell der Geschichte Josephs. Bevor man sie erzählen konnte, geschah sie; sie quoll aus demselben Born, aus dem alles Geschehen quillt, und erzählte geschehend sich selbst. (V 827) \\+“Zeitgestaltung in Thomas Manns Joseph-Tetralogie“ heißt das Thema der vorliegenden Arbeit. So ist es nunmehr an der Zeit, zu fragen, wie Zeit überhaupt gestaltet werden kann beziehungsweise dies im konkreten Fall geschehen ist. Die Reihenfolge des Vorgehens mag überraschen, denn in den meisten wissenschaftlichen Arbeiten steht am Anfang ein methodenformulierendes Fragen, von dem aus das Folgende abgeleitet wird. Das ist auch für viele Arbeiten eine angemessene Methode. Im vorliegenden Fall jedoch verbietet es sich geradezu, denn die Geschichte, die erzählt wird, war da, bevor irgend jemand über das [[Vorhandene]] reflektierte. Zumindest ist nichts Überliefertes zuhanden, dem das Merkmal “Reflexion“ zugeschrieben werden könnte. TM reflektiert erst spät (V 825 ff.) über das Tatsächliche seiner Geschichte, seines Plots: Niemals sind wir darauf ausgegangen, die Täuschung zu erwecken, wir seien der Urquell der Geschichte Josephs. Bevor man sie erzählen konnte, geschah sie; sie quoll aus demselben Born, aus dem alles Geschehen quillt, und erzählte geschehend sich selbst. (V 827) \\
 Somit ist nichts anderes möglich, als eine sukzessive, grundsätzlich chronologische Gestaltung. Allerdings wird die Chronologie des Geschehens, die in der Genesis (Kapitel 25 bis 50) vorgezeichnet ist, eingehalten. Dennoch, oder gerade deshalb schaltet TM einige vorhergehende Kapitel dazwischen (z.B. die Abram-Geschichte oder Eliezers Geschichte oder flechtet historische „Tatsachen“-Sphinxabenteuer Josephs im Angesicht des Steines von Tutmosis III. ein), die die Schichtung des Romans verkomplizieren. Selbst im oben zitierten Text gehen Vergangenheitsform (quoll) und Gegenwartsform (quillt) ein friedliches Miteinander ein, stehen so kataphorische und anaphorische (quillt muß als ein fortdauernder Prozeß mit Zukunftsoption aufgefaßt werden) Elemente einander ergänzend und den zeitlichen Rahmen umschließend nebeneinander. Da zudem gelegentliche essayistische Einsprengsel (Roman der Seele, Höllenfahrt) ebenfalls vergangene Zeiten beziehungsweise vorvergangene Zeiten vergegenwärtigen, wird die Chronologie ständig gebrochen. Dennoch: Der chronologische Grundcharakter des Erzählten verliert sich nicht in Parallelhandlungen oder Perspektivenwechsel auf eine Nebenfigur (Hauptakzent der Betrachtung durch den Erzähler), sondern wird immer wieder auf den vorgegebenen Erzählboden zurückgeführt.  Somit ist nichts anderes möglich, als eine sukzessive, grundsätzlich chronologische Gestaltung. Allerdings wird die Chronologie des Geschehens, die in der Genesis (Kapitel 25 bis 50) vorgezeichnet ist, eingehalten. Dennoch, oder gerade deshalb schaltet TM einige vorhergehende Kapitel dazwischen (z.B. die Abram-Geschichte oder Eliezers Geschichte oder flechtet historische „Tatsachen“-Sphinxabenteuer Josephs im Angesicht des Steines von Tutmosis III. ein), die die Schichtung des Romans verkomplizieren. Selbst im oben zitierten Text gehen Vergangenheitsform (quoll) und Gegenwartsform (quillt) ein friedliches Miteinander ein, stehen so kataphorische und anaphorische (quillt muß als ein fortdauernder Prozeß mit Zukunftsoption aufgefaßt werden) Elemente einander ergänzend und den zeitlichen Rahmen umschließend nebeneinander. Da zudem gelegentliche essayistische Einsprengsel (Roman der Seele, Höllenfahrt) ebenfalls vergangene Zeiten beziehungsweise vorvergangene Zeiten vergegenwärtigen, wird die Chronologie ständig gebrochen. Dennoch: Der chronologische Grundcharakter des Erzählten verliert sich nicht in Parallelhandlungen oder Perspektivenwechsel auf eine Nebenfigur (Hauptakzent der Betrachtung durch den Erzähler), sondern wird immer wieder auf den vorgegebenen Erzählboden zurückgeführt. 
  
Zeile 318: Zeile 318:
 Was füllt v.a. auf, betrachtet man gestaltungsquantitative Unterschiede zwischen Bibelfülle und TMs Wiedergabe? Wo sparte der Autor aus, wo füllte er die logischen und fiktionalen Freiräume? Was füllt v.a. auf, betrachtet man gestaltungsquantitative Unterschiede zwischen Bibelfülle und TMs Wiedergabe? Wo sparte der Autor aus, wo füllte er die logischen und fiktionalen Freiräume?
  
-Es fällt auf, daß v.a. im ersten Teil der Tetralogie die Zeitläufte im Vergleich zur Bibeldarstellung bunt gemischt sind. Wer Jaakob war steht am Anfang der Darstellung, da man eine Geschichte mit der Geburt beginnen kann. Dann jedoch erfolgt bei TM ein Wechsel der Perspektive. Josephs Jugend steht nunmehr im Zentrum der Romangegenwart, so daß die Ontogenese Jaakobs vorerst keine Wiedergabe findet. TM stellt Haupterhebung und List um, weil er so eine psychologische Motivierung des Betrugs erreichen kann, im Gegensatz zur Heilsabsicht Gottes, der Jaakob quasi erst nach dem Betrug erhöht.21 Deshalb kann für TM auch die Ausgestaltung von Jaakobs Leben erst nach dem Betrug vollends erfolgen. Der Kreis schließt sich in TMs Darstellung mit Jaakobs Flucht aus Labanland und der Versöhnung mit Esau.22 Ab sofort hält sich TM an die vorgegebene Chronologie der Genesis. Den ersten Teil, Die Geschichten Jaakobs, könnte man wie folgt wiedergeben: +Es fällt auf, daß v.a. im ersten Teil der Tetralogie die Zeitläufte im Vergleich zur Bibeldarstellung bunt gemischt sind. Wer Jaakob war steht am Anfang der Darstellung, da man eine Geschichte mit der Geburt beginnen kann. Dann jedoch erfolgt bei TM ein Wechsel der Perspektive. Josephs Jugend steht nunmehr im Zentrum der Romangegenwart, so daß die Ontogenese Jaakobs vorerst keine Wiedergabe findet. TM stellt Haupterhebung und List um, weil er so eine psychologische Motivierung des Betrugs erreichen kann, im Gegensatz zur Heilsabsicht Gottes, der Jaakob quasi erst nach dem [[Betrug]] erhöht.21 Deshalb kann für TM auch die Ausgestaltung von Jaakobs Leben erst nach dem Betrug vollends erfolgen. Der Kreis schließt sich in TMs Darstellung mit Jaakobs Flucht aus Labanland und der Versöhnung mit Esau.22 Ab sofort hält sich TM an die vorgegebene Chronologie der Genesis. Den ersten Teil, Die Geschichten Jaakobs, könnte man wie folgt wiedergeben: 
  
 1.Schicht: 1. Hauptstück (Romangegenwart) 1.Schicht: 1. Hauptstück (Romangegenwart)
zeitgestaltung.txt · Zuletzt geändert: 2024/06/05 17:12 von Robert-Christian Knorr