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hoelderlin [2024/06/29 07:42] – [Wertung/Rezeption] Robert-Christian Knorr | hoelderlin [2025/06/30 05:28] (aktuell) – [Wertung/Rezeption] Robert-Christian Knorr |
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- der volle Reichtum des Lebens ist nur in einer Seligkeit zu finden, welche Schmerz und Leiden in sich aufnahm | - der volle Reichtum des Lebens ist nur in einer Seligkeit zu finden, welche Schmerz und Leiden in sich aufnahm |
=== literaturhistorische Einordnung === | === literaturhistorische Einordnung === |
- findet Begeisterung an den Stürmern, insbesondere Schiller, Hölty, Thill, Stolberg, Bürger, [[Schubart]], keine an der Lyrik [[Klopstock|Klopstocks]], die ihm veraltet vorkömmt\\ | - findet Begeisterung an den Stürmern, insbesondere Schiller, Hölty, Thill, [[Stolberg]], Bürger, [[Schubart]], keine an der Lyrik [[Klopstock|Klopstocks]], die ihm veraltet vorkömmt\\ |
- daß Dichtung sich nur, Goethe!, aus Gegenständlichem speist, wäre ihm nie in den Sinn gekommen (Hultenreich)\\ | - daß Dichtung sich nur, Goethe!, aus Gegenständlichem speist, wäre ihm nie in den Sinn gekommen (Hultenreich)\\ |
- Hölderlins dichterische [[Individualität]], die Spezifik seiner [[Weltanschauung]] und Poesie prägt sich ganz entschieden in jenem Zeitraum aus, der sich durch die Zäsuren 1792/3 und 1796/7 begrenzen läßt. In historischem Betracht sind es die Jahre des 1.Revolutions- bzw. Koalitionskrieges; für das politische [[Denken]] beinhalten sie einen entscheidenden Differenzierungsprozeß; philosophiegeschichtlich vollzieht sich zu dieser Zeit die Entwicklung von Kants Kritizismus über Fichtes "Wissenschaftslehre" zu Schellings [[Naturphilosophie]]; und für die deutsche [[Literaturgeschichte]] bezeichnet dieser Zeitraum die erste Phase frühromantischen Denkens und Dichtens, die entscheidenden Jahre revolutionär-demokratischer [[Literatur]] und die ästhetische Formierung der Weimarer [[Klassik]]. (Mieth) | - Hölderlins dichterische [[Individualität]], die Spezifik seiner [[Weltanschauung]] und Poesie prägt sich ganz entschieden in jenem Zeitraum aus, der sich durch die Zäsuren 1792/3 und 1796/7 begrenzen läßt. In historischem Betracht sind es die Jahre des 1.Revolutions- bzw. Koalitionskrieges; für das politische [[Denken]] beinhalten sie einen entscheidenden Differenzierungsprozeß; philosophiegeschichtlich vollzieht sich zu dieser Zeit die Entwicklung von Kants Kritizismus über Fichtes "Wissenschaftslehre" zu Schellings [[Naturphilosophie]]; und für die deutsche [[Literaturgeschichte]] bezeichnet dieser Zeitraum die erste Phase frühromantischen Denkens und Dichtens, die entscheidenden Jahre revolutionär-demokratischer [[Literatur]] und die ästhetische Formierung der Weimarer [[Klassik]]. (Mieth) |
Hinweg das Feuer genommen.//\\ | Hinweg das Feuer genommen.//\\ |
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Die Grenzüberschreitung, die mit einem [[Zitat]] aus //Joel// bzw. aus der //Apostelgeschichte// eine apokalyptische Antwort der Himmlischen durch „Rauchdampf“ und „Feuer“ hervorrief, weist wohl auf den Begriff der [[Hybris]] hin. Palmyra bzw. der Orient ist in dieser Hinsicht die Geburtstätte des Tragischen, der dionysischen Entgrenzung und Überhebung überhaupt. Aber auch mehr. Die späten Gedichte geben die Vorstellung vom linearen Gang der Geschichte auf, und sie konstituiert sich neu in Raumverhältnissen. //Patmos// und //[[Lebensalter]]// werden außerdem von der Überzeugung geprägt, daß die Geschichten der [[Bibel]] als ein Teil orientalischer Mythologie mehr vom archaischen Wesen, vom rätselhaften Urwissen und von der Urreligion des Orients bewahrt hätten als die Griechen. Die Was-Frage, die direkt an die Ruinen gerichtet ist, anerkennt das [[Faktum]] des Enigmatischen, bekennt einerseits eine Distanz, andererseits das Unvermögen, das Gesehene sicher deuten zu können.\\ | Die Grenzüberschreitung, die mit einem [[Zitat]] aus //Joel// bzw. aus der //Apostelgeschichte// eine apokalyptische Antwort der Himmlischen durch „Rauchdampf“ und „Feuer“ hervorrief, weist wohl auf den Begriff der [[Hybris]] hin. Palmyra bzw. der Orient ist in dieser Hinsicht die Geburtstätte des Tragischen, der dionysischen Entgrenzung und Überhebung überhaupt. Aber auch mehr. Die späten Gedichte geben die Vorstellung vom linearen Gang der Geschichte auf, und sie konstituiert sich neu in Raumverhältnissen. //Patmos// und //[[Lebensalter]]// werden außerdem von der [[Überzeugung]] geprägt, daß die Geschichten der [[Bibel]] als ein Teil orientalischer Mythologie mehr vom archaischen Wesen, vom rätselhaften Urwissen und von der Urreligion des Orients bewahrt hätten als die Griechen. Die Was-Frage, die direkt an die Ruinen gerichtet ist, anerkennt das [[Faktum]] des Enigmatischen, bekennt einerseits eine Distanz, andererseits das Unvermögen, das Gesehene sicher deuten zu können.\\ |
Die Linien der Geschichte bilden ein vielfältiges, kaum mehr deutbares Netz von Verbindungen, Assoziationen und widersprüchlichen Beziehungen zwischen geographischen Orten, Personen und Begebenheiten bzw. zwischen Textlandschaften. So werden verdeckte Zitate aus dem [[Buch]] des Exodus mit [[Pindar]]s Olympischer Ode in Verbindung gesetzt, die Gestalt Jesu aus der [[Gruppe]] anderer mythischer „Lastträger“, wie Herakles und [[Peleus]], hervorgehoben. Der [[Orient]] wird immer mehr zum Rätsel individuellen, nationalen, ja sogar menschlichen Geschicks überhaupt, er wird zum bodenlosen, tiefen Abgrund des Ursprungs, überhaupt: „Vom Abgrund nemlich haben wir angefangen…“. Von diesem „Abgrund“ führen ganz unterschiedliche Wege in die Antike und in die Moderne. | Die Linien der Geschichte bilden ein vielfältiges, kaum mehr deutbares Netz von Verbindungen, Assoziationen und widersprüchlichen Beziehungen zwischen geographischen Orten, Personen und Begebenheiten bzw. zwischen Textlandschaften. So werden verdeckte Zitate aus dem [[Buch]] des Exodus mit [[Pindar|Pindars]] olympischer Ode in Verbindung gesetzt, die Gestalt Jesu aus der [[Gruppe]] anderer mythischer „Lastträger“, wie Herakles und [[Peleus]], hervorgehoben. Der [[Orient]] wird immer mehr zum Rätsel individuellen, nationalen, ja sogar menschlichen Geschicks überhaupt, er wird zum bodenlosen, tiefen Abgrund des Ursprungs, überhaupt: „Vom Abgrund nemlich haben wir angefangen…“. Von diesem „Abgrund“ führen ganz unterschiedliche Wege in die Antike und in die Moderne. |
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=== III. Was lehrt uns der Untergang antiker Kulturen? === | === III. Was lehrt uns der Untergang antiker Kulturen? === |
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==== Tod des Empedokles ==== | ==== Tod des Empedokles ==== |
| - will der Naturreligion lebendigen Ausdruck verleihen, indem ein Held erschaffen wird, der, wie Hölderlin selber, an der Unvollkommenheit des Einzeldaseins, an der Urteilung der Dinge leidet und von daher die Vereinigung mit der Natur, mit dem Ganzen des Seins, durch den Sprung an den Urgrund, den Boden des Ätna, herzustellen versucht; |
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- die [[utopie|Todesutopie]] des Schweigens → der Eintritt in den Ätna ist der [[Tod]] im [[Licht]], der Eingang in die Einheit des Unbewußten, das die Natur, vorzüglich in anorganischer Naturschönheit, zu versprechen scheint ([[Bloch]])\\ | - die [[utopie|Todesutopie]] des Schweigens → der Eintritt in den Ätna ist der [[Tod]] im [[Licht]], der Eingang in die Einheit des Unbewußten, das die Natur, vorzüglich in anorganischer Naturschönheit, zu versprechen scheint ([[Bloch]])\\ |
- setzt das Seelendrama von [[Sophokles]], [[Racine]] und [[Goethe]] fort ([[Dilthey]])\\ | - setzt das Seelendrama von [[Sophokles]], [[Racine]] und [[Goethe]] fort ([[Dilthey]])\\ |
- Wer zuerst Hölderlin liest und danach mich, der versteht beides nicht. ([[Heinse]])\\ | - Wer zuerst Hölderlin liest und danach mich, der versteht beides nicht. ([[Heinse]])\\ |
- ihm war es wie keinem gelungen, in klassischer [[Form]] die [[Romantik#romantische]] Seele zu binden, ohne daß sie von ihrer Würze verlor ([[Huch]])\\ | - ihm war es wie keinem gelungen, in klassischer [[Form]] die [[Romantik#romantische]] Seele zu binden, ohne daß sie von ihrer Würze verlor ([[Huch]])\\ |
| - es ist völlig verfehlt Hölderlin oder auch Heidegger in die Nähe christlicher Theologie zu rücken, wenn sie vom Göttlichen sprechen (Otto)\\ |
- Größter der Sehnsucht nach Urbarem\\ | - Größter der Sehnsucht nach Urbarem\\ |
- keine [[Kontemplation]]\\ | - keine [[Kontemplation]]\\ |
- aus der Dumpfheit eines [[Allgemein]]gefühls in ein ästhetisch-willenhaftes Sehnsuchtsmotiv → Richtung spannen\\ | - aus der Dumpfheit eines Allgemeingefühls in ein ästhetisch-willenhaftes Sehnsuchtsmotiv → Richtung spannen\\ |
- elementar ([[Rosenberg]])\\ | - elementar ([[Rosenberg]])\\ |
| - machte sich auf den Spuren Schillers auf die Suche nach einer lyrischen Sprache für die mythische Erfahrung, voller Trauer darüber, daß wir die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit dieser Erfahrung verloren haben, die für das Griechentum eine alltägliche gewesen sein mußte (Safranski)\\ |
- eine heftig subjektive Natur, verzärtelt und eigensüchtig, nur in sich lebend (Schiller)\\ | - eine heftig subjektive Natur, verzärtelt und eigensüchtig, nur in sich lebend (Schiller)\\ |
- die [[Tapferkeit]] einer zarten Seele ([[Volkelt]]) | - die [[Tapferkeit]] einer zarten Seele ([[Volkelt]]) |
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