magdeburg
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magdeburg [2019/07/28 16:16] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1 | magdeburg [2024/01/20 15:22] (aktuell) – [Geschichte] Robert-Christian Knorr | ||
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- wichtiger Umschlagplatz mit dem Osten\\ | - wichtiger Umschlagplatz mit dem Osten\\ | ||
- Otto I. wollte Magdeburg zum Ausgangspunkt der Bekehrung des Ostens machen → Errichtung eines Erzbistums 968 gegen den Widerstand von Mainz und Halberstadt\\ | - Otto I. wollte Magdeburg zum Ausgangspunkt der Bekehrung des Ostens machen → Errichtung eines Erzbistums 968 gegen den Widerstand von Mainz und Halberstadt\\ | ||
- | - als der [[Papst]] die Errichtung des Erzbistums 962 bestätigte, | + | - als der [[Papst]] die Errichtung des Erzbistums 962 bestätigte, |
+ | - 1524 wurde die erste humanistisch-orientierte Schule protestantischer Prägung eröffnet; | ||
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- Das Gesicht der Stadt Magdeburg kann ich nicht erkennen. Sie trägt eine Maske aus gelbem Backstein. So blickt ein Beamter, der niemals [[Mensch]] ist. ([[Lessing# | - Das Gesicht der Stadt Magdeburg kann ich nicht erkennen. Sie trägt eine Maske aus gelbem Backstein. So blickt ein Beamter, der niemals [[Mensch]] ist. ([[Lessing# | ||
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Von Magdeburg aus verbreitete sich das im Sachsenspiegel durch [[Eike]] von Repgow (sein Denkmal steht beim Kamilla-Bad, | Von Magdeburg aus verbreitete sich das im Sachsenspiegel durch [[Eike]] von Repgow (sein Denkmal steht beim Kamilla-Bad, | ||
Am Beginn des 16. Jahrhunderts zählte Magdeburg mit Köln und Augsburg zu den drei bedeutendsten und reichsten Städten des Reiches und wurde zur ersten und wirtschaftlich wichtigsten Hochburg des Protestantismus. \\ | Am Beginn des 16. Jahrhunderts zählte Magdeburg mit Köln und Augsburg zu den drei bedeutendsten und reichsten Städten des Reiches und wurde zur ersten und wirtschaftlich wichtigsten Hochburg des Protestantismus. \\ | ||
- | Erst die Vernichtung Magdeburgs 1631 durch den Generallieutenant der katholischen Liga, [[Tilly]], machte Schluß mit der magdeburger Herrlichkeit. Das Gemetzel des katholischen | + | Erst die Vernichtung Magdeburgs 1631 durch den Generallieutenant der katholischen Liga, [[Tilly]], machte Schluß mit der magdeburger Herrlichkeit. Das Gemetzel des katholischen |
- | Im 10. Jahrhundert erhob der deutsche [[König]] und spätere römische Kaiser Otto I. Magdeburg zu einem dritten Rom, zumindest im [[Urteil]] vieler Zeitgenossen. Der Ort war für die deutsche Expansion nach Osten bestens geeignet, lag er doch auf einer Höhe am westlichen Elbufer gegenüber dem slawischen Siedlungsgebiet, | + | Im 10. Jahrhundert erhob der deutsche [[König]] und spätere römische Kaiser Otto I. Magdeburg zu einem dritten Rom, zumindest im [[Urteil]] vieler Zeitgenossen. Der Ort war für die deutsche Expansion nach Osten bestens geeignet, lag er doch auf einer Höhe am westlichen Elbufer gegenüber dem slawischen Siedlungsgebiet, |
- | Magdeburg war sein Hauptsitz und seine erklärte Lieblingsstadt und bildete den Ausgangspunkt seiner Osterweiterungen. Otto wußte die Leistungsfähigkeit dieser Stadt zu stärken, indem er [[Juden]] und Kaufleute der gerichtlichen Gewalt der Kirche unterwarf . Er stützte seine [[Macht]] auf die [[Kirche]], ganz im Gegensatz zu seinem Vater Heinrich I., der Krönung und Salbung der Kirche ablehnte und sich ausschließlich auf die Herzöge berief. Für Otto stand die Verbreitung des Christentums und die Missionierung der Ostgebiete im Vordergrund. So setzte er für die militärische Unterstützung die Markgrafen Hermann Billung und Gero ein, doch mit der Einsetzung der beiden Markgrafen war ein Teil des sächsischen Adels nicht einverstanden, | + | Magdeburg war sein Hauptsitz und seine erklärte Lieblingsstadt und bildete den Ausgangspunkt seiner Osterweiterungen. Otto wußte die Leistungsfähigkeit dieser Stadt zu stärken, indem er [[Juden]] und Kaufleute der gerichtlichen Gewalt der Kirche unterwarf . Er stützte seine [[Macht]] auf die [[Kirche]], ganz im Gegensatz zu seinem Vater Heinrich I., der Krönung und Salbung der Kirche ablehnte und sich ausschließlich auf die Herzöge berief. Für Otto stand die Verbreitung des Christentums und die Missionierung der Ostgebiete im Vordergrund. So setzte er für die militärische Unterstützung die Markgrafen Hermann Billung und Gero ein, doch mit der Einsetzung der beiden Markgrafen war ein Teil des sächsischen Adels nicht einverstanden, |
- | Bruder Brun wird 953 Erzbischof von Köln und gleichzeitig Herzog von Lothringen. Damit konstituiert Otto das Reichskirchensystem: | + | Bruder Brun wird 953 Erzbischof von Köln und gleichzeitig Herzog von Lothringen. Damit konstituiert Otto das Reichskirchensystem: |
- | Aber Otto wollte neues Land im Osten gewinnen, deshalb hatte Magdeburg hier eine beson-dere | + | Aber Otto wollte neues Land im Osten gewinnen, deshalb hatte Magdeburg hier eine besondere |
Wenn wundert es da nicht, daß sich die Magdeburger schon bald als Bistumssitz bewarben? Um dafür die Zustimmung des Papstes zu erhalten, schickte Otto bereits 955 Abt Hadamar von Fulda nach Rom. Aber es gab Widerstand aus den eigenen Reihen: Ottos Sohn Wilhelm, Erzbischof von Mainz, wandte sich an den Papst und sprach sich gegen die Kirchenpolitik seines Vaters aus. \\ | Wenn wundert es da nicht, daß sich die Magdeburger schon bald als Bistumssitz bewarben? Um dafür die Zustimmung des Papstes zu erhalten, schickte Otto bereits 955 Abt Hadamar von Fulda nach Rom. Aber es gab Widerstand aus den eigenen Reihen: Ottos Sohn Wilhelm, Erzbischof von Mainz, wandte sich an den Papst und sprach sich gegen die Kirchenpolitik seines Vaters aus. \\ | ||
- | Da Ottos Sohn mit dem Rücktritt drohte, | + | Da Ottos Sohn mit dem Rücktritt drohte, |
- | Und so wurde Magdeburg neben [[Rom]] und Aachen zur dritten Reichsmetropole, | + | Und so wurde Magdeburg neben [[Rom]] und Aachen zur dritten Reichsmetropole, |
Die Ottonen herrschten nicht lange genug. Nach ihrem Aussterben um die Jahrtausendwende verschoben sich die Machtschwerpunkte im [[Reich]] zurück nach Westen. Das neue Herrschergeschlecht der Salier (Salfranken aus dem Rheinfränkischen) setzte seine Schwerpunkte im Westen und Südwesten des Reiches. Magdeburg wurde bedeutungsärmer, | Die Ottonen herrschten nicht lange genug. Nach ihrem Aussterben um die Jahrtausendwende verschoben sich die Machtschwerpunkte im [[Reich]] zurück nach Westen. Das neue Herrschergeschlecht der Salier (Salfranken aus dem Rheinfränkischen) setzte seine Schwerpunkte im Westen und Südwesten des Reiches. Magdeburg wurde bedeutungsärmer, | ||
Im Jahr 1188 legte Erzbischof Wichmann erstmals Teile Magdeburger Stadtrechts schriftlich in einem [[Privileg]] nieder. Der Erzbischof mußte das Recht der Bürger auf Eigentum, Rechtssicherheit und [[Freizügigkeit]] anerkennen. Dieser Teil des Magdeburger Rechts war den Erzbischöfen abgerungen worden, die im christlichen Verdikt der [[Armut]] zumeist die der anderen meinten . Er sicherte den magdeburger Kaufleuten unter anderem zu, daß sie nicht der Gerichtsbarkeit des Klerus ausgesetzt waren; sie mußten sich keinem Gottesurteil fügen, auch keinen Zweikampf austragen, um Schuld oder Unschuld zu erweisen. Bei Streitigkeiten reichte ein Eineid (Eid ohne Gegenbeweis, | Im Jahr 1188 legte Erzbischof Wichmann erstmals Teile Magdeburger Stadtrechts schriftlich in einem [[Privileg]] nieder. Der Erzbischof mußte das Recht der Bürger auf Eigentum, Rechtssicherheit und [[Freizügigkeit]] anerkennen. Dieser Teil des Magdeburger Rechts war den Erzbischöfen abgerungen worden, die im christlichen Verdikt der [[Armut]] zumeist die der anderen meinten . Er sicherte den magdeburger Kaufleuten unter anderem zu, daß sie nicht der Gerichtsbarkeit des Klerus ausgesetzt waren; sie mußten sich keinem Gottesurteil fügen, auch keinen Zweikampf austragen, um Schuld oder Unschuld zu erweisen. Bei Streitigkeiten reichte ein Eineid (Eid ohne Gegenbeweis, | ||
- | Otto II. von Brandenburg aus dem Hause der Ballenstedter führte um 1190 einen Streit mit dem magdeburger Erzbischof. Otto II. hatte dem Kaiser Heinrich VI. Beteiligung am Kreuzzug zugesagt, sein [[Versprechen]] aber nicht gehalten. Daraufhin bannte ihn der magdeburger Erzbischof. Otto II. lachte darüber und prahlte vor Tisch, daß man Gott versuchen könne, denn der würde verhindern, daß selbst ein Hund keine Speise von einem Gebannten nähme. Er warf einem Hund ein Stück Fleisch zu. Der HUnd nahm es nicht. Otto II. steckte den Hund drei Tage weg, aber der Hund weigerte sich weiter, das Fleisch zu fressen. Nun lenkte Otto II. ein. In der magdeburger Domkirche (nicht dem Dom, der erst später gebaut wurde) übergab er alle anhaltischen Familiengüter dem Erzbischof, bedang sich aber aus, daß der Erzbischof ihn und seine Erben umgehend wieder in seine Rechte einsetzen würde. Dem Erzbischof war es recht, und er löste den Markgrafen vom Bann und dem Versprechen auf Mitfahrt nach Palästina. Otto II. konnte sich nun gegen den Dänenkönig wenden, der Otto II. im Norden angegriffen hatte.\\ | + | Otto II. von Brandenburg aus dem Hause der Ballenstedter führte um 1190 einen Streit mit dem magdeburger Erzbischof. Otto II. hatte dem Kaiser Heinrich VI. Beteiligung am Kreuzzug zugesagt, sein [[Versprechen]] aber nicht gehalten. Daraufhin bannte ihn der magdeburger Erzbischof. Otto II. lachte darüber und prahlte vor Tisch, daß man Gott versuchen könne, denn der würde verhindern, daß selbst ein Hund keine Speise von einem Gebannten nähme. Er warf einem Hund ein Stück Fleisch zu. Der Hund nahm es nicht. Otto II. steckte den Hund drei Tage weg, aber der Hund weigerte sich weiter, das Fleisch zu fressen. Nun lenkte Otto II. ein. In der magdeburger Domkirche (nicht dem Dom, der erst später gebaut wurde) übergab er alle anhaltischen Familiengüter dem Erzbischof, bedang sich aber aus, daß der Erzbischof ihn und seine Erben umgehend wieder in seine Rechte einsetzen würde. Dem Erzbischof war es recht, und er löste den Markgrafen vom Bann und dem Versprechen auf Mitfahrt nach Palästina. Otto II. konnte sich nun gegen den Dänenkönig wenden, der Otto II. im Norden angegriffen hatte.\\ |
Am Anfang des 13. Jahrhunderts stieg Magdeburg zu einem europäischen Rechtsvorort auf, welcher das geltende Stadtrecht für ganz Mittel- und Osteuropa bestimmte. Kaufleute und Siedler verbreiteten das Magdeburger Stadtrecht ostwärts der Elbe bis weit nach [[Rußland]]. Jetzt begann auch der Bau des gewaltigen Domes als Sinnbild einstiger und neuer magdeburger Größe, der erste gotische Dom in Deutschland, | Am Anfang des 13. Jahrhunderts stieg Magdeburg zu einem europäischen Rechtsvorort auf, welcher das geltende Stadtrecht für ganz Mittel- und Osteuropa bestimmte. Kaufleute und Siedler verbreiteten das Magdeburger Stadtrecht ostwärts der Elbe bis weit nach [[Rußland]]. Jetzt begann auch der Bau des gewaltigen Domes als Sinnbild einstiger und neuer magdeburger Größe, der erste gotische Dom in Deutschland, | ||
Das neue Bürgerrecht verbunden mit dem Magdeburger Kaufmannsrecht wurde als Magdeburger Recht bis zum 16. Jahrhundert zum Stadtrecht in rund 600 Neugründungen und bereits bestehenden Orten Mittel- und Osteuropas. Die Gemeinschaft der sogenannten Magdeburger Stadtrechtsfamilie reichte über Leipzig, Berlin, Breslau bis kurz vor Moskau. Bis zum Ende des 16. Jahrhundert kamen Schöffen aus der gesamten Stadtrechtsfamilie an die Elbe, um sich Rat und Belehrung zu holen. Die Zeitgenossen nannten dies den Magdeburger Rechtszug zum Haupt und Schirm Magdeburg. \\ | Das neue Bürgerrecht verbunden mit dem Magdeburger Kaufmannsrecht wurde als Magdeburger Recht bis zum 16. Jahrhundert zum Stadtrecht in rund 600 Neugründungen und bereits bestehenden Orten Mittel- und Osteuropas. Die Gemeinschaft der sogenannten Magdeburger Stadtrechtsfamilie reichte über Leipzig, Berlin, Breslau bis kurz vor Moskau. Bis zum Ende des 16. Jahrhundert kamen Schöffen aus der gesamten Stadtrechtsfamilie an die Elbe, um sich Rat und Belehrung zu holen. Die Zeitgenossen nannten dies den Magdeburger Rechtszug zum Haupt und Schirm Magdeburg. \\ | ||
- | Der bei Magdeburg verfaßte Sachsenspiegel des Eike von Repgow war gleichzeitig zum Landrecht in Mitteleuropa und im Baltikum | + | Der bei Magdeburg verfaßte Sachsenspiegel des Eike von Repgow war gleichzeitig zum Landrecht in Mitteleuropa und im Baltikum |
Nachdem der alles überragende Dom nach über dreihundertjähriger Bauzeit um 1520 vollendet war, wurde die Domstadt schnell zu einem Machtzentrum der Reformation. Der damalige Erzbischof, Albrecht von Brandenburg, | Nachdem der alles überragende Dom nach über dreihundertjähriger Bauzeit um 1520 vollendet war, wurde die Domstadt schnell zu einem Machtzentrum der Reformation. Der damalige Erzbischof, Albrecht von Brandenburg, | ||
Ein ehemaliger magdeburger Schüler, dann Mönch in Erfurt und nunmehr Professor im nahen Wittenberg, argumentierte mit 95 Thesen gegen den Ablaßhandel in Magdeburg. Im [[April]] 1521 erklärte Martin Luther vor dem Reichstag in Worms: Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Kaiser Karl V. verhängte die Reichsacht über ihn, und das Wormser Edikt verbot jede Erneuerung der Kirche. Als später die [[Luther]] zugeneigten [[Stand# | Ein ehemaliger magdeburger Schüler, dann Mönch in Erfurt und nunmehr Professor im nahen Wittenberg, argumentierte mit 95 Thesen gegen den Ablaßhandel in Magdeburg. Im [[April]] 1521 erklärte Martin Luther vor dem Reichstag in Worms: Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Kaiser Karl V. verhängte die Reichsacht über ihn, und das Wormser Edikt verbot jede Erneuerung der Kirche. Als später die [[Luther]] zugeneigten [[Stand# | ||
Der Protestantismus, | Der Protestantismus, | ||
Magdeburg wurde die erste große [[Stadt]] des Reiches, welche zum [[Protestantismus]] übertrat! Der ausbrechende Bauernkrieg beschleunigte die Ereignisse, im August 1525 setzte die protestantischen Kräfte in Magdeburg Freiheiten und Rechte gegen den Erzbischof durch, welche die Stadtväter als Beginn einer städtischen Reichsfreiheit erstanden.\\ | Magdeburg wurde die erste große [[Stadt]] des Reiches, welche zum [[Protestantismus]] übertrat! Der ausbrechende Bauernkrieg beschleunigte die Ereignisse, im August 1525 setzte die protestantischen Kräfte in Magdeburg Freiheiten und Rechte gegen den Erzbischof durch, welche die Stadtväter als Beginn einer städtischen Reichsfreiheit erstanden.\\ | ||
- | Nach dem [[Sieg]] des Kaisers über das [[Heer]] der protestantischen Fürsten und Städte bei Mühlberg 1547 im Schmalkaldischen Krieg wurde Magdeburg mit der Reichsacht belegt, weil es seine Tore dem Kaiser nicht öffnen wollte. Zahllose Protestanten hatten hier Zuflucht gefunden. Der Exekutor der Reichsacht, Kurfürst Moritz von Sachsen, begann im Oktober 1550 eine merkwürdige Belagerung, die von Wilhelm Raabe in //Des Herrgotts Kanzlei// beschrieben wurde. Er blockierte Magdeburg, vermied aber jeden Kampf mit der Absicht, die mächtige Stadt als Basis für seinen Abfall vom Kaiser zu gewinnen. So kam es nach etwa einem Jahr zu einer Scheinkapitulation, | + | Nach dem [[Sieg]] des Kaisers über das [[Heer]] der protestantischen Fürsten und Städte bei Mühlberg 1547 im Schmalkaldischen Krieg wurde Magdeburg mit der Reichsacht belegt, weil es seine Tore dem Kaiser nicht öffnen wollte. Zahllose Protestanten hatten hier Zuflucht gefunden. Der Exekutor der Reichsacht, Kurfürst Moritz von Sachsen, begann im Oktober 1550 eine merkwürdige Belagerung, die von [[Raabe|Wilhelm Raabe]] in //Des Herrgotts Kanzlei// beschrieben wurde. Er blockierte Magdeburg, vermied aber jeden Kampf mit der Absicht, die mächtige Stadt als Basis für seinen Abfall vom Kaiser zu gewinnen. So kam es nach etwa einem Jahr zu einer Scheinkapitulation, |
In dieser Zeit hatte bereits ein gewisser Niedergang der Magdeburger Wirtschaftskraft begonnen, da der Ost-West-Handel Leipzig zu bevorzugen begann, Hamburg zum übermächtigen Konkurrenten im Getreide- und Seehandel aufgestiegen war und die kostspieligen Rüstungen gegen Kaiser, Erzbischof und andere Feinde die Stadt übermäßig beanspruchten. | In dieser Zeit hatte bereits ein gewisser Niedergang der Magdeburger Wirtschaftskraft begonnen, da der Ost-West-Handel Leipzig zu bevorzugen begann, Hamburg zum übermächtigen Konkurrenten im Getreide- und Seehandel aufgestiegen war und die kostspieligen Rüstungen gegen Kaiser, Erzbischof und andere Feinde die Stadt übermäßig beanspruchten. | ||
- | 63 Jahre nach dem Abschluß des Augsburger Religionsfriedens eröffneten die Habsburger den Kampf um die Schaffung eines katholischen Großreiches deutscher Nation, was für Magdeburg mit einer Stunde Null enden sollte: Im Sommer 1630 war der Schwedenkönig Gustav Adolf II. als selbsternannter Schirmherr aller Protestanten in der Odermündung gelandet. Am 30. März 1631 begann der kaiserliche Feldherr Graf Johann Tilly die Belagerung Magdeburgs. Die Magdeburger hofften verzweifelt auf Entsatz durch Gustav Adolfs Truppen, mit dem sie sich sofort verbündet hatten, um ihre eben erst errungene Unabhängigkeit gegen den Kaiser zu verteidigen. Aber der schwedische König vertrödelte die Zeit mit Verhandlungen und dem Ausbau seiner Herrschaft in Norddeutschland. Magdeburgs Stadtkommandant von Falkenberg hatte zu wenige Soldaten zur Verfügung. Am 10. Mai glückte der Sturm der Kaiserlichen, | + | 63 Jahre nach dem Abschluß des Augsburger Religionsfriedens eröffneten die Habsburger den Kampf um die Schaffung eines katholischen Großreiches deutscher Nation, was für Magdeburg mit einer Stunde Null enden sollte: Im Sommer 1630 war der Schwedenkönig Gustav Adolf II. als selbsternannter Schirmherr aller Protestanten in der Odermündung gelandet. Am 30. März 1631 begann der kaiserliche Feldherr Graf Johann Tilly die Belagerung Magdeburgs. Die Magdeburger hofften verzweifelt auf Entsatz durch Gustav Adolfs Truppen, mit dem sie sich sofort verbündet hatten, um ihre eben erst errungene Unabhängigkeit gegen den Kaiser zu verteidigen. Aber der schwedische König vertrödelte die Zeit mit Verhandlungen und dem Ausbau seiner Herrschaft in Norddeutschland. Magdeburgs Stadtkommandant von Falkenberg hatte zu wenige Soldaten zur Verfügung. Am 10. Mai glückte der Sturm der Kaiserlichen, |
- | Von dieser Zerstörung sollte sich Magdeburg kaum jemals erholen. Zwar schritt der Wiederaufbau unter dem berühmten Physiker und tat-kräftigen | + | Von dieser Zerstörung sollte sich Magdeburg kaum jemals erholen. Zwar schritt der Wiederaufbau unter dem berühmten Physiker und tatkräftigen |
Im Oktober 1806 hatte Kaiser Napoleon I. bei Jena die preußische Armee empfindlich geschlagen, und in den nächsten Wochen kapitulierten fast alle preußischen Festungen, oft nur vor wenigen französischen Soldaten. So ergab sich am 8. November 1806 die mächtigste preußische Festung Magdeburg mit über zwanzigtausend Mann Besatzung kaum siebentausend Franzosen. Keine Kampfmoral? | Im Oktober 1806 hatte Kaiser Napoleon I. bei Jena die preußische Armee empfindlich geschlagen, und in den nächsten Wochen kapitulierten fast alle preußischen Festungen, oft nur vor wenigen französischen Soldaten. So ergab sich am 8. November 1806 die mächtigste preußische Festung Magdeburg mit über zwanzigtausend Mann Besatzung kaum siebentausend Franzosen. Keine Kampfmoral? | ||
Magdeburg wurde die östliche Grenzstadt des eigens für Napoleons Bruder Jérôme errichteten Königreiches Westphalen und Hauptstadt seines Elb-Departements. Von dort aus rückten 1813 etliche Truppen der Rheinbundstaaten aus, um gegen die Patrioten zu ziehen. Bis zum Mai 1814 blieb Magdeburg von Napoleons Soldaten besetzt, welche die Bewohner ausplünderten und in der Stadt zahllose Verwüstungen hinterließen.\\ | Magdeburg wurde die östliche Grenzstadt des eigens für Napoleons Bruder Jérôme errichteten Königreiches Westphalen und Hauptstadt seines Elb-Departements. Von dort aus rückten 1813 etliche Truppen der Rheinbundstaaten aus, um gegen die Patrioten zu ziehen. Bis zum Mai 1814 blieb Magdeburg von Napoleons Soldaten besetzt, welche die Bewohner ausplünderten und in der Stadt zahllose Verwüstungen hinterließen.\\ | ||
- | Der Wiener Friedenskongreß von 1815 sprach dem wiedergeborenen Preußen den Großteil seiner Gebietsverluste von 1807 wieder zu, auch Magdeburg wurde wieder preußisch. Preußen liebäugelte mit dem Gewinn ganz Sachsens, aber Österreich, | + | Der Wiener Friedenskongreß von 1815 sprach dem wiedergeborenen Preußen den Großteil seiner Gebietsverluste von 1807 wieder zu, auch Magdeburg wurde wieder preußisch. Preußen liebäugelte mit dem Gewinn ganz Sachsens, aber Österreich, |
- | Von 1817 bis 1848 regierte ein großer Bürgermeister, | + | Von 1817 bis 1848 regierte ein großer Bürgermeister, |
Elbschiffahrt und Eisenbahnkreuz wurden zu Impulsen für den industriellen Aufschwung. Nach 1840 entstanden in Magdeburg zahlreiche Unternehmen vom Maschinenbau bis zur Chemieindustrie. Im Jahr 1855 gründete Hermann Gruson in Magdeburg eine Maschinenfabrik, | Elbschiffahrt und Eisenbahnkreuz wurden zu Impulsen für den industriellen Aufschwung. Nach 1840 entstanden in Magdeburg zahlreiche Unternehmen vom Maschinenbau bis zur Chemieindustrie. Im Jahr 1855 gründete Hermann Gruson in Magdeburg eine Maschinenfabrik, | ||
- | Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 verlor die Stadt endgültig militärstrategische Aufgaben. Magdeburg lag nunmehr mitten im neuen zweiten Reich und mußte keinen Angriff befürchten. Und so konnte die Stadt wachsen und sich neu orientieren: | + | Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 verlor die Stadt endgültig militärstrategische Aufgaben. Magdeburg lag nunmehr mitten im neuen zweiten Reich und mußte keinen Angriff befürchten. Und so konnte die Stadt wachsen und sich neu orientieren: |
Bis 1886 entstand auf der Rotehorn-Insel einer der größten Landschaftsparks Deutschlands. Magdeburg war zu einer Industrie- und Verwaltungsmetropole Mitteldeutschlands mit über 100000 Einwohnern geworden, aber auch zu einer gepflegten Stadt mit großen Parks und vielen Erholungsstätten. Mit der [[Aufhebung]] des Festungsstatus im Jahr 1912 bekam die Stadt Freiraum für die jetzt bereits über 280000 Einwohner. Allerdings prägen die Folgen der Festungszeit die Domstadt bis heute. Das Bildungsbürgertum blieb ihr fern, eine Universität aller Wissenschaften konnte erst 1993 gegründet werden.\\ | Bis 1886 entstand auf der Rotehorn-Insel einer der größten Landschaftsparks Deutschlands. Magdeburg war zu einer Industrie- und Verwaltungsmetropole Mitteldeutschlands mit über 100000 Einwohnern geworden, aber auch zu einer gepflegten Stadt mit großen Parks und vielen Erholungsstätten. Mit der [[Aufhebung]] des Festungsstatus im Jahr 1912 bekam die Stadt Freiraum für die jetzt bereits über 280000 Einwohner. Allerdings prägen die Folgen der Festungszeit die Domstadt bis heute. Das Bildungsbürgertum blieb ihr fern, eine Universität aller Wissenschaften konnte erst 1993 gegründet werden.\\ | ||
Magdeburg blieb also eine Soldaten- und Beamtenstadt mit starker proletarischer Beimischung. Vielleicht veranlaßte diese bizarre Mischung den Philosophen Theodor Lessing dazu, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zu folgender Aussage: Das Gesicht der Stadt Magdeburg kann ich nicht erkennen. Sie trägt eine Maske aus gelbem Backstein. So blickt ein Beamter, der niemals Mensch ist. \\ | Magdeburg blieb also eine Soldaten- und Beamtenstadt mit starker proletarischer Beimischung. Vielleicht veranlaßte diese bizarre Mischung den Philosophen Theodor Lessing dazu, in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zu folgender Aussage: Das Gesicht der Stadt Magdeburg kann ich nicht erkennen. Sie trägt eine Maske aus gelbem Backstein. So blickt ein Beamter, der niemals Mensch ist. \\ | ||
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In Magdeburg fand der berühmteste Prozeß der [[Weimarer Republik]] statt, der Verleumdungsprozeß, | In Magdeburg fand der berühmteste Prozeß der [[Weimarer Republik]] statt, der Verleumdungsprozeß, | ||
Der zweite Weltkrieg sollte den Aufstieg der Stadt beenden, welche damals ca. 335000 Einwohner zählte. Am 16. Januar 1945 wurde in diesem kriegsverbrecherischen Akt die wehrlose Stadt durch anglo-amerikanische Bomber fast völlig zerstört. Über sechstausend Einwohner starben. Unersetzliche Bauten wurden zerstört, neben großen Kirchen auch die schönste Barockstraße Deutschlands, | Der zweite Weltkrieg sollte den Aufstieg der Stadt beenden, welche damals ca. 335000 Einwohner zählte. Am 16. Januar 1945 wurde in diesem kriegsverbrecherischen Akt die wehrlose Stadt durch anglo-amerikanische Bomber fast völlig zerstört. Über sechstausend Einwohner starben. Unersetzliche Bauten wurden zerstört, neben großen Kirchen auch die schönste Barockstraße Deutschlands, | ||
- | Die fünftgrößte Stadt der neugegründeten DDR erlangte 1952 den Rang einer Bezirkshauptstadt und erhielt die westlichste Großgarnision des russischen Reiches, das derzeit Sowjetunion hieß. Der Wiederaufbau ging schleppend voran, erst nach 1960 war die Innenstadt zu großen Teilen neugebaut, klotzige Stalinbauten und Neublockensemble eines sehr eigenen Schönheitsempfindens künden von der ewigen und drängenden Kraft der jugendlichen Sozialisten, | + | Die fünftgrößte Stadt der neugegründeten DDR erlangte 1952 den Rang einer Bezirkshauptstadt und erhielt die westlichste Großgarnision des russischen Reiches, das derzeit Sowjetunion hieß. Der Wiederaufbau ging schleppend voran, erst nach 1960 war die Innenstadt zu großen Teilen neugebaut, klotzige Stalinbauten und Neublockensemble eines sehr eigenen Schönheitsempfindens künden von der ewigen und drängenden Kraft der jugendlichen Sozialisten, |
Die Jahre der DDR konnten am magdeburger Naturell nicht viel verändern. Im Gegenteil. Die besondere Eigenart der Magdeburger, | Die Jahre der DDR konnten am magdeburger Naturell nicht viel verändern. Im Gegenteil. Die besondere Eigenart der Magdeburger, | ||
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- ostfälische Mundart: palatalisierend, | - ostfälische Mundart: palatalisierend, | ||
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