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vergangenheit [2023/01/22 08:19] – [Vergangenheit als poetisches Potential] Robert-Christian Knorr | vergangenheit [2025/02/13 16:52] (aktuell) – [Vergangenheit als poetisches Potential] Robert-Christian Knorr |
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* motorische Mechanismen | * motorische Mechanismen |
* unabhängige [[Erinnerung#Erinnerungen]] ([[Bergson]]) | * unabhängige [[Erinnerung#Erinnerungen]] ([[Bergson]]) |
| - ein Leichnam ([[Croce]])\\ |
- die [[Liebe]] zu Vergangenem entspricht Erleiden, nicht Tun (Dierks)\\ | - die [[Liebe]] zu Vergangenem entspricht Erleiden, nicht Tun (Dierks)\\ |
- soziale Konstruktion (Halbwachs)\\ | - soziale Konstruktion (Halbwachs)\\ |
Die Stadt, in der er lebte, stand beizeiten auf und ging auch zeitig schlafen. Die Zeit floß im [[Rhythmus]] und ließ Spielräume; die Menschen jedoch behaupteten häufig, sie hätten keine [[Zeit]]. Derweil meinten die Einheimischen damit das Nichtzuhandene einer wesend-gegenwärtigenden Zukunft und verwechselten das vulgäre Nacheinander herkömmlichen Zeitempfindens mit dem ihnen innewohnenden nichtvulgären Vertrautsein in dem ewigen Fließen alles Gewesen-Gewordenen. Es ist wohl einfacher zu sagen, man habe keine Zeit. Das ist zeitgemäß! \\ | Die Stadt, in der er lebte, stand beizeiten auf und ging auch zeitig schlafen. Die Zeit floß im [[Rhythmus]] und ließ Spielräume; die Menschen jedoch behaupteten häufig, sie hätten keine [[Zeit]]. Derweil meinten die Einheimischen damit das Nichtzuhandene einer wesend-gegenwärtigenden Zukunft und verwechselten das vulgäre Nacheinander herkömmlichen Zeitempfindens mit dem ihnen innewohnenden nichtvulgären Vertrautsein in dem ewigen Fließen alles Gewesen-Gewordenen. Es ist wohl einfacher zu sagen, man habe keine Zeit. Das ist zeitgemäß! \\ |
Eine gewisse Stumpfheit, diese degenerierte Gleichgültigkeit im warmherzig-volkstümlichen Gewande erzogenen Kleinbürgertums, ließ Neuankömmlinge zu der Ansicht kommen, daß man hier gut aufgenommen würde. Das stimmte nicht. Man wurde überhaupt nicht aufgenommen! Der optimistische Neuankömmling verwechselte nämlich Toleranz mit Gleichgültigkeit. Kratzte er nach einigen Irritationen an der Oberfläche seines vorschnell gefaßten Meinungsbildes, so barst die äußerliche [[Höflichkeit]] des dressierten Kleinbürgers; zutage trat das spießige Naturell des Provinzlers, der nur in Ruhe gelassen werden möchte. Dennoch unterschied sich die [[Stadt]] von vielen anderen durch die aus der Vergangenheit in die [[Gegenwart]] hineinreichende Bedeutung ihrer Universität. Manche behaupteten, die Stadt wäre nichts ohne die Universität, die wiederum könnte aber ohne die Stadt sein. Stadt und Universität aber überdauerten einander seit langer Zeit. Die Stadt wuchs, die [[Universität]] entwuchs allen Veränderungen. Auch die schrecklichsten Zeiten maß man leidvoll aneinander; man rechnete gegenseitig auf und überdauerte jede Veränderung, Veränderungen durch innere oder äußere Einflüsse, Veränderungen durch friedliche und kriegerische Destruktoren. \\ | Eine gewisse Stumpfheit, diese degenerierte Gleichgültigkeit im warmherzig-volkstümlichen Gewande erzogenen Kleinbürgertums, ließ Neuankömmlinge zu der Ansicht kommen, daß man hier gut aufgenommen würde. Das stimmte nicht. Man wurde überhaupt nicht aufgenommen! Der optimistische Neuankömmling verwechselte nämlich Toleranz mit Gleichgültigkeit. Kratzte er nach einigen Irritationen an der Oberfläche seines vorschnell gefaßten Meinungsbildes, so barst die äußerliche [[Höflichkeit]] des dressierten Kleinbürgers; zutage trat das spießige Naturell des Provinzlers, der nur in Ruhe gelassen werden möchte. Dennoch unterschied sich die [[Stadt]] von vielen anderen durch die aus der Vergangenheit in die [[Gegenwart]] hineinreichende Bedeutung ihrer Universität. Manche behaupteten, die Stadt wäre nichts ohne die Universität, die wiederum könnte aber ohne die Stadt sein. Stadt und Universität aber überdauerten einander seit langer Zeit. Die Stadt wuchs, die [[Universität]] entwuchs allen Veränderungen. Auch die schrecklichsten Zeiten maß man leidvoll aneinander; man rechnete gegenseitig auf und überdauerte jede Veränderung, Veränderungen durch innere oder äußere Einflüsse, Veränderungen durch friedliche und kriegerische Destruktoren. \\ |
<html><img src="https://www.vonwolkenstein.de/texte/herbstzeitlos/herbstzeitlos_baumbild.jpg" width="370" height="510" border="4" align="left" style="margin-right:5mm" alt="Edgar unter seinem Baum"></html>Ach, der letzte [[Krieg]]: Er lastete wie ein ewiges Verhängnis über der Stadt, ja, dem ganzen Land. Die Gründe, die das Land in den Krieg trieben, waren nach dem bewaffneten Konflikt nicht wieder [[Sprache]] geworden; ersatzweise wurde der weltweit einzigartige Charakter der Landeskinder deformiert und dem der Triumphatoren angepaßt, worin Sieger und der Großteil der Besiegten allgemein die Lehre aus der Geschichte sahen. Die Tat der Verstümmelung entsprach vollkommen dem Charakter der zivilisierteren Sieger, die mit den Besiegten dasselbe taten, was schon immer ihrem Naturell entsprach: Schwächere dem eigenen [[Charakter]] annähern und so von vornherein den Keim der Auflehnung als bestenfalls rebellischen artifizieren, als Auflehnung gegen sich [[selbst]]! Das betrieben die Sieger mit den Ureinwohnern ihres Kontinents wie auch mit aufsässigen Secessionisten. Im Ergebnis dieser Fehlentwicklungen liegt ein erneuter Krieg, worauf man vor allem im Ausland bei Gelegenheit vorwurfsvoll die dann über sich selbst erschrockenen Landeskinder aufmerksam zu machen wußte. Diese nahmen den Fingerzeig an, denn die Siegermächte hatten das besiegte Land umgekrempelt. Die Sieger stülpten dem Land eine Gesellschaftsform über, von der sie borniert glaubten, daß diese die einzig glücklich machende sei, und erhielten extra- und intraordinierende Hilfe. Die Selbstverleugnung lag im Naturell der Landeskinder, zudem waren die Siegerideen gerade weltweit in Mode, und es war die Angst vor dem niedergeworfenen Gegner immer noch so groß, daß man ihn mit dem eigenen [[Geist]] so tief affizieren mußte, bis man glauben konnte, den letzten Widerstand schon im Keimstadium zu erkennen. \\ | {{ :herbstzeitlos_baumbild.jpg?400|}}Ach, der letzte [[Krieg]]: Er lastete wie ein ewiges Verhängnis über der Stadt, ja, dem ganzen Land. Die Gründe, die das Land in den Krieg trieben, waren nach dem bewaffneten Konflikt nicht wieder [[Sprache]] geworden; ersatzweise wurde der weltweit einzigartige Charakter der Landeskinder deformiert und dem der Triumphatoren angepaßt, worin Sieger und der Großteil der Besiegten allgemein die Lehre aus der Geschichte sahen. Die Tat der Verstümmelung entsprach vollkommen dem Charakter der zivilisierteren Sieger, die mit den Besiegten dasselbe taten, was schon immer ihrem Naturell entsprach: Schwächere dem eigenen [[Charakter]] annähern und so von vornherein den Keim der Auflehnung als bestenfalls rebellischen artifizieren, als Auflehnung gegen sich [[selbst]]! Das betrieben die Sieger mit den Ureinwohnern ihres Kontinents wie auch mit aufsässigen Secessionisten. Im Ergebnis dieser Fehlentwicklungen liegt ein erneuter Krieg, worauf man vor allem im Ausland bei Gelegenheit vorwurfsvoll die dann über sich selbst erschrockenen Landeskinder aufmerksam zu machen wußte. Diese nahmen den Fingerzeig an, denn die Siegermächte hatten das besiegte Land umgekrempelt. Die Sieger stülpten dem Land eine Gesellschaftsform über, von der sie borniert glaubten, daß diese die einzig glücklich machende sei, und erhielten extra- und intraordinierende Hilfe. Die Selbstverleugnung lag im Naturell der Landeskinder, zudem waren die Siegerideen gerade weltweit in Mode, und es war die Angst vor dem niedergeworfenen Gegner immer noch so groß, daß man ihn mit dem eigenen [[Geist]] so tief affizieren mußte, bis man glauben konnte, den letzten Widerstand schon im Keimstadium zu erkennen. \\ |
Doch seien hier einige Wort der Kritik an der Machtentfaltung der Starken angebracht: \\ | Doch seien hier einige Wort der Kritik an der Machtentfaltung der Starken angebracht: \\ |
**These**: Manch Starker dünkt sich, [[Gott]] als von seinen Gnaden auferstanden zu denken! \\ | **These**: Manch Starker dünkt sich, [[Gott]] als von seinen Gnaden auferstanden zu denken! \\ |
**Begründung des Einwandes**: Ein [[Subjekt]] erkennt ein [[Objekt]] und das verstandesgemäß, was bedeutet, daß es nicht mit dem Erkennenden identisch sein kann. - Einzige Identität ist möglich über das Versenktsein in den einen Gott, doch dies berührt andere Fragen als politische.\\ | **Begründung des Einwandes**: Ein [[Subjekt]] erkennt ein [[Objekt]] und das verstandesgemäß, was bedeutet, daß es nicht mit dem Erkennenden identisch sein kann. - Einzige Identität ist möglich über das Versenktsein in den einen Gott, doch dies berührt andere Fragen als politische.\\ |
Der Starke begreift sich als einzig Erkennenden des Außen und ordnet demgemäß die Umwelt dem eigenen Willen unter. So bildet sich nach Kämpfen der Schwache, der Schwächere heraus. Stark drückt somit ein Verhältnis aus: Der Starke benötigt Distanz gegenüber den Schwachen. Die schafft er sich über Definitionen des Guten, Wertvollen; Dinge, an die Schwache sich klammern können und über Gesetze einzuklagen glauben. Wir sehen, daß das Recht hierin Funktion besitzt, Funktion zwar, aber der Starke setzt sich über das [[Recht]] hinweg, das zeichnet ihn aus. (Der Zyniker meint hier: das zeichnet es aus.) | Der Starke begreift sich als einzig Erkennenden des Außen und ordnet demgemäß die Umwelt dem eigenen Willen unter. So bildet sich nach Kämpfen der Schwache, der Schwächere heraus. Stark drückt somit ein Verhältnis aus: Der Starke benötigt Distanz gegenüber den Schwachen. Die schafft er sich über Definitionen des Guten, Wertvollen; Dinge, an die Schwache sich klammern können und über Gesetze einzuklagen glauben. Wir sehen, daß das Recht hierin Funktion besitzt, Funktion zwar, aber der Starke setzt sich über das [[Recht]] hinweg, das zeichnet ihn aus. (Der Zyniker meint hier: das zeichnet es aus.) |
Die Politik der Gleichmacherei stäupte den besonderen Menschentypus des Landes - manche Dichter behaupteten, daß nur gegen diesen Menschentyp die verheerenden Kriege geführt wurden! - in die Selbstherrlichkeit eines eingeführten Gemeinwesens. Ein importiertes Recht war es, was den Gerechtigkeitssinn von Jahrhunderten aushöhlte, aber der Import war sehr vernünftig und traf sich mit dem politischen [[Begriff]] des Rechtmäßigen. Und siehe: Die [[Politik]] verkleinerte das Land der Renitenten vergangener Zeitalter erst wirklich auf das Mindestmaß kontinentalen Ausgleichs der Machtsphären, drängte alles in jenes dumpfe Mittelmaß, das als [[Moral]] aus der [[Geschichte]] täglich in den Medien beschworen wurde. Demgemäß wäre es mit Wunderdingen zugegangen, wenn dieser Verlust der nationalen Unabhängigkeit nicht mit einem Absinken des öffentlichen Geistes und einem Überwuchern der Privatinteressen verbunden gewesen wäre. Die Sieger subsumierten historische Entwicklungslinien unter ferner liefen, begriffen solche alten Kamellen nicht, oder aber sie stellten diese gewinnbringend in den Kanon ihrer utilitaristischen Philosophie!\\ | Die Politik der Gleichmacherei stäupte den besonderen Menschentypus des Landes - manche Dichter behaupteten, daß nur gegen diesen Menschentyp die verheerenden Kriege geführt wurden! - in die Selbstherrlichkeit eines eingeführten Gemeinwesens. Ein importiertes Recht war es, was den Gerechtigkeitssinn von Jahrhunderten aushöhlte, aber der Import war sehr [[vernünftig]] und traf sich mit dem politischen [[Begriff]] des Rechtmäßigen. Und siehe: Die [[Politik]] verkleinerte das Land der Renitenten vergangener Zeitalter erst wirklich auf das Mindestmaß kontinentalen Ausgleichs der Machtsphären, drängte alles in jenes dumpfe Mittelmaß, das als [[Moral]] aus der [[Geschichte]] täglich in den Medien beschworen wurde. Demgemäß wäre es mit Wunderdingen zugegangen, wenn dieser Verlust der nationalen Unabhängigkeit nicht mit einem Absinken des öffentlichen Geistes und einem Überwuchern der Privatinteressen verbunden gewesen wäre. Die Sieger subsumierten historische Entwicklungslinien unter ferner liefen, begriffen solche alten Kamellen nicht, oder aber sie stellten diese gewinnbringend in den Kanon ihrer utilitaristischen Philosophie!\\ |
Je länger man aber trotzigerweise darüber nachdenkt, um so klarer dürfte es werden, daß einst die Schwachen die Starken sein müssen, daß es Spiel geben muß, wobei fraglich ist, ob eine daraus folgende Umwertung der Werte die Frage der Schuldzuweisung neu bestimmte oder eben nicht!? Vielleicht gab es in einer Frage keine andere Antwort als die eine, daß man nämlich doch schuldhaft in den Jahrhundertkrieg geraten war, weil Städte wie die eigene keine geistige Heimat mehr schufen, die sich verengende Enge ignoranter Intoleranz keine Athmosphäre für Not wendenden geistigen Austausch bot, sich deshalb das Man selbst die Herrschaft usurpierte und befahl, was es dem unpersönlichen Es der Vielen zu befehlen galt... Dieser [[Hitler#H.]] war kein [[Mensch]]; er war ein Anonymon! | Je länger man aber trotzigerweise darüber nachdenkt, um so klarer dürfte es werden, daß einst die Schwachen die Starken sein müssen, daß es Spiel geben muß, wobei fraglich ist, ob eine daraus folgende Umwertung der Werte die Frage der Schuldzuweisung neu bestimmte oder eben nicht!? Vielleicht gab es in einer Frage keine andere Antwort als die eine, daß man nämlich doch schuldhaft in den Jahrhundertkrieg geraten war, weil Städte wie die eigene keine geistige Heimat mehr schufen, die sich verengende Enge ignoranter Intoleranz keine Athmosphäre für Not wendenden geistigen Austausch bot, sich deshalb das Man selbst die Herrschaft usurpierte und befahl, was es dem unpersönlichen Es der Vielen zu befehlen galt... Dieser [[Hitler#H.]] war kein [[Mensch]]; er war ein Anonymon! |
Die Sieger des letzten Krieges schrieben die Kräfteverhältnisse für offenbar unbestimmbare Zeit fest, so schien es, und Entwicklung blieb in engen Bahnen befangen. Die tieferen Gründe des Wandels von vormals geistiger Höhe zu geistlosem Festhalten an politisch grundierten Lehrmeinungen zu erforschen, wäre ein sicherlich lohnenswertes Ziel an der Universität gewesen. Aber die Forschung konzentrierte sich insbesondere auf naturwissenschaftliche Gebiete, forcierte diese gegenüber den Geisteswissenschaften, deren führende Köpfe sich darin gefielen, personengebundene strukturalistische Nützlichkeitsfragen zu erörtern oder Anteil zu nehmen am Lebensgang bislang unbeachtet gebliebener zweitrangiger Landeskinder der ferneren Vergangenheit. Die entscheidenden Stellen bei der Vergabe von Forschungsgeldern befriedigten somit persönliche Ambitionen, derweil verlor allgemeininteressierende Fragen aus dem Blick verloren wurden. In die Geisteswissenschaften war ein Virus namens// correctio vitiosa// eingedrungen und befiel schon jahrzehntelang ungestört neue Wirte. Das Wesen des Geistes aber, frei sich den Gegenstand seiner Betrachtung zu suchen, wurde durch die willfährige Gewährung egomanischer Intentionen elementar pervertiert, denn eine Festlegung war allen Überlegungen, allen Absichten der einheimischen Denker durch die Sieger propädeutet, daß es nämlich in jedem anderen gesellschaftlichen System für sie nichts zu gewinnen gäbe. Und somit stand der politischen Herrschaftsform des Geldes, in der die thematisierten Landeskinder nunmehr leben mußten, die Forderung des Denkens nach Freiheit gegenüber. \\ | Die Sieger des letzten Krieges schrieben die Kräfteverhältnisse für offenbar unbestimmbare Zeit fest, so schien es, und Entwicklung blieb in engen Bahnen befangen. Die tieferen Gründe des Wandels von vormals geistiger Höhe zu geistlosem Festhalten an politisch grundierten Lehrmeinungen zu erforschen, wäre ein sicherlich lohnenswertes Ziel an der Universität gewesen. Aber die Forschung konzentrierte sich insbesondere auf naturwissenschaftliche Gebiete, forcierte diese gegenüber den Geisteswissenschaften, deren führende Köpfe sich darin gefielen, personengebundene strukturalistische Nützlichkeitsfragen zu erörtern oder Anteil zu nehmen am Lebensgang bislang unbeachtet gebliebener zweitrangiger Landeskinder der ferneren Vergangenheit. Die entscheidenden Stellen bei der Vergabe von Forschungsgeldern befriedigten somit persönliche Ambitionen, derweil verlor allgemeininteressierende Fragen aus dem Blick verloren wurden. In die Geisteswissenschaften war ein Virus namens// correctio vitiosa// eingedrungen und befiel schon jahrzehntelang ungestört neue Wirte. Das Wesen des Geistes aber, frei sich den Gegenstand seiner Betrachtung zu suchen, wurde durch die willfährige Gewährung egomanischer Intentionen elementar pervertiert, denn eine Festlegung war allen Überlegungen, allen Absichten der einheimischen Denker durch die Sieger propädeutet, daß es nämlich in jedem anderen gesellschaftlichen System für sie nichts zu gewinnen gäbe. Und somit stand der politischen Herrschaftsform des Geldes, in der die thematisierten Landeskinder nunmehr leben mußten, die Forderung des Denkens nach Freiheit gegenüber. \\ |
Wenn es stimmen soll, daß der [[Romantiker]] den Blick in die Vergangenheit richtet, da er es in der Gegenwart nicht auszuhalten glaubt, der Zyniker aber in der Gegenwart verweilt, weil er es in der [[Zukunft]] nicht auszuhalten denkt, so gilt für den einsamen Liebenden nur der Blick in die Zukunft, die sich aber ergibt aus der Vergangenheit, weswegen oft [[Romantik]] und Liebe in Eins gesetzt werden. - Edgar liebte diese Konklusionen, die nicht entscheidbare Voraussetzungen durch Verwirbelungen wahr machten. „Lirum larum Löffelstiel, nun ist der Verwirrung viel“, sang er und sprang hopsend über fast ausgetrocknete Lachen des letzten großen Regens. \\ | Wenn es stimmen soll, daß der [[Romantiker]] den Blick in die Vergangenheit richtet, da er es in der Gegenwart nicht auszuhalten glaubt, der Zyniker aber in der Gegenwart verweilt, weil er es in der [[Zukunft]] nicht auszuhalten denkt, so gilt für den einsamen Liebenden nur der Blick in die Zukunft, die sich aber ergibt aus der Vergangenheit, weswegen oft [[Romantik]] und Liebe in Eins gesetzt werden. - Edgar liebte diese Konklusionen, die nicht entscheidbare Voraussetzungen durch Verwirbelungen wahr machten. „Lirum larum Löffelstiel, nun ist der Verwirrung viel“, sang er und sprang hopsend über fast ausgetrocknete Lachen des letzten großen Regens. \\ |
Edgar hoffte auf die Wiederkehr des Früheren im Gewande des Zukünftigen: Er wollte es greifen! Das Gewand war ihm nicht gleichgültig, schließlich bestimmt auch Form den Inhalt, dessen war er gewiß: Warum sollte meine Mutter mich sonst erzogen haben? Da blieben seine Gedanken stehen. „Mutter!“ sagte er laut. Er schniefte in der unnachahmlichen Art der Wolkensteins und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Die Unterlippe straffte sich, wurde hart wie ein zu schnell trocken gewordenes Stück Leder. Die Mutter war längst gestorben. Der Vater lebte weit weg. Edgars Onkel hatte ihn nach einem Streit um moralische Werte aus dem Familienhaus verjagt. Der Vater arbeitete ein Vierteljahr in seinem [[Beruf]] eines Architekten, um dann ein Vierteljahr im Ausland irgendwo zu lachsen. Edgar wußte nicht, ob er ihn um dieses Leben beneiden sollte. Er tat es schließlich nicht. Statt seinen Vater an irgend einem Gebirgsbach in Schottland oder Norwegen zu suchen, legte er sich ins trockene Gras, ein paar Meter weg vom Weg und döste. An so gar nichts zu denken und darauf zu warten, was geschehen würde, was das erste wäre, woran er Freude empfände; diesen Zustand gedehnter Zeit nahm er oft wahr. Und die Unterlippe wurde wieder weicher.\\ | Edgar hoffte auf die Wiederkehr des Früheren im Gewande des Zukünftigen: Er wollte es greifen! Das Gewand war ihm nicht gleichgültig, schließlich bestimmt auch Form den Inhalt, dessen war er gewiß: Warum sollte meine Mutter mich sonst erzogen haben? Da blieben seine Gedanken stehen. „Mutter!“ sagte er laut. Er schniefte in der unnachahmlichen Art der Wolkensteins und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Die Unterlippe straffte sich, wurde hart wie ein zu schnell trocken gewordenes Stück Leder. Die Mutter war längst gestorben. Der Vater lebte weit weg. Edgars Onkel hatte ihn nach einem Streit um moralische Werte aus dem Familienhaus verjagt. Der Vater arbeitete ein Vierteljahr in seinem [[Beruf]] eines Architekten, um dann ein Vierteljahr im Ausland irgendwo zu lachsen. Edgar wußte nicht, ob er ihn um dieses Leben beneiden sollte. Er tat es schließlich nicht. Statt seinen Vater an irgend einem Gebirgsbach in Schottland oder Norwegen zu suchen, legte er sich ins trockene Gras, ein paar Meter weg vom Weg und döste. An so gar nichts zu denken und darauf zu warten, was geschehen würde, was das erste wäre, woran er Freude empfände; diesen Zustand gedehnter Zeit nahm er oft wahr. Und die Unterlippe wurde wieder weicher.\\ |
Die häßliche lästige Fliege mit goldgelbem Hinterteil kümmerte sich nicht um die Gedanken dieses Eindringlings. Edgar war ein Stück Fleisch, dem sie sich beinahe ungestört widmen konnte. Sie flog einmal rechts um den immer wütender Werdenden herum, dann tat sie so, als ob sie nun genug des Spiels hätte und nahm auf einem beiliegenden Geäst Platz. Nach kurzer Zeit überkam sie eine ungeheure Sehnsucht nach dem süßlich-duftenden Menschenfleisch, sie putzte die Flügel und SSSt! war sie erneut bei ihrem höchst eigenen, sehr speziellen Langschläfer, dessen Artistik nie und nimmer einen Bewegungsablauf hervorbrächte, der sie von diesem zwar alten, aber immer noch vorzüglich schmeckenden Stück Schwitzfleisch jagen könnte. Die Fliege, zu der sich bald eine Schwester gesellte, und noch eine.. Die Fliegen hatten Edgar zurück in die Stadt getrieben. Wer will das schon glauben? Er stand vor der Erlöser-Kirche, ging hinein, wollte reden.. Oder doch nicht? Was kann einen jungen Mann antreiben? Erlösung? Erinnerung an eine schöne Frau? Lust? Immer nur Lust?\\ | Die häßliche lästige Fliege mit goldgelbem Hinterteil kümmerte sich nicht um die Gedanken dieses Eindringlings. Edgar war ein Stück Fleisch, dem sie sich beinahe ungestört widmen konnte. Sie flog einmal rechts um den immer wütender Werdenden herum, dann tat sie so, als ob sie nun genug des Spiels hätte und nahm auf einem beiliegenden Geäst Platz. Nach kurzer Zeit überkam sie eine ungeheure Sehnsucht nach dem süßlich-duftenden Menschenfleisch, sie putzte die Flügel und SSSt! war sie erneut bei ihrem höchst eigenen, sehr speziellen Langschläfer, dessen [[Artistik]] nie und nimmer einen Bewegungsablauf hervorbrächte, der sie von diesem zwar alten, aber immer noch vorzüglich schmeckenden Stück Schwitzfleisch jagen könnte. Die Fliege, zu der sich bald eine Schwester gesellte, und noch eine.. Die Fliegen hatten Edgar zurück in die Stadt getrieben. Wer will das schon glauben? Er stand vor der Erlöser-Kirche, ging hinein, wollte reden.. Oder doch nicht? Was kann einen jungen Mann antreiben? Erlösung? Erinnerung an eine schöne Frau? Lust? Immer nur Lust?\\ |
Edgar stand schließlich irgendwann auf und lief den Waldweg weiter. Ganz in der Nähe glitzerten polierte Fensterscheiben, luden zum Verweilen ein. Edgar setzte sich in den Garten des Waldwirtshauses, bestellte ein großes Bier und erfreute sich an der Schönheit der ranken und schlanken Saaltochter. | Edgar stand schließlich irgendwann auf und lief den Waldweg weiter. Ganz in der Nähe glitzerten polierte Fensterscheiben, luden zum Verweilen ein. Edgar setzte sich in den Garten des Waldwirtshauses, bestellte ein großes Bier und erfreute sich an der Schönheit der ranken und schlanken Saaltochter. |
Edith war nicht sehr groß, etwas größer als Isa. Die festen Arme trugen gewandt die schweren Tabletts zu den durstigen Gästen. Ein tiefroter Mund lächelte unentwegt den Gästen zu, bei Edgar lächelten auch die großen schwarzen Augen, denen sie jeden Morgen die sicherste Wirkung zu verschaffen wußte. Edgar zog sie an der schmiegsamen Taille nach unten und küßte ihren Mund. Sie wendete nach dieser Begrüßung schelmisch den Kopf. Edgar verstand, blieb jedoch sitzen. | Edith war nicht sehr groß, etwas größer als Isa. Die festen Arme trugen gewandt die schweren Tabletts zu den durstigen Gästen. Ein tiefroter Mund lächelte unentwegt den Gästen zu, bei Edgar lächelten auch die großen schwarzen Augen, denen sie jeden Morgen die sicherste Wirkung zu verschaffen wußte. Edgar zog sie an der schmiegsamen Taille nach unten und küßte ihren Mund. Sie wendete nach dieser Begrüßung schelmisch den Kopf. Edgar verstand, blieb jedoch sitzen. |
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