====== GOETHE ====== ===== Eosander von Göthe ===== schwedischer Architekt\\ - setzte Schlüters [[Werk]] nach 1706 fort ===== Johann Wolfgang von Goethe ===== 1749-1832\\ [[Dichter]] und [[Politiker]]\\ - war ein schlechter Gärtner, haßte Hunde und liebte Kinder\\ - [[Herder]] befreite Goethe, einen [[Mann]] von [[Eitelkeit]] und sordidem [[Egoismus]], der anderen schwerlich verzeiht, von den Fesseln der französierenden [[Bildung]] → Goethe fand den Weg zu echter Volkspoesie \\ **1782**: Tuchfühlung zum [[Illuminaten#Illuminatenorden]] - Codename [[ABARIS]] -, doch sind keine besonderen Aktivitäten bekannt\\ - fand sich in [[Italien]] und kehrte von dort zurück, weil er sehen wollte, //wie weit wir's im Wollen bringen können// (späterer [[Brief]] an [[Schiller]])\\ **1814**: [[Wandel]] in Goethes Schaffen, der [[naiv]]-lyrische Zug schwindet, die Gestalten werden zu Mittlern milderen Fühlens\\ - soll 38000 Kilometer gereist sein, meist mit Postkutschen ==== Interpretationsansatz zu Goethes Werk ==== Wer Goethes Werk interpretieren möchte, sollte darauf achten, die vier in ihm liegenden Grundwidersprüche zu finden: * Beschränkung aufs Maß vs. Erfassung eines Ganzen - Wissen ist Mittel, nicht [[Zweck]]: wer viel weiß ([[Wissen]] muß sich stets erneuern), ist noch lange nicht weise (//das alte Wahre//) → der Dichter ist stets bemüht, dem ewig Gültigen eine moderne Form zu geben, in dem das alte Wahre wieder auflebt\\ - Herstellung von Zusammenhängen des Denkens, Beziehungen von einem Teil zum anderen und von allen Teilen zum Ganzen; alles Dichten dient der Erweiterung des Herzens (Diastole), so ist die dem Dichten zugrundeliegende [[Idee]] ein Geistesorgan zur Erweiterung des Herzens\\ - der Meister des Dichtens beschränkt sich aufs Wesentliche, Symbolische, in dem die Wirklichkeit sich vollkommen darstellen läßt\\ - Einsetzung einer [[Kraft]], die fähig ist, [[Leben]] zu erzeugen: das Maß, die einzige Kraft, die fähig ist, dem [[Chaos]] eine Richtung zu geben * Unterscheiden vs. Verbinden - bezieht sich auf das Verhältnis des Menschen zu seiner nichtmenschlichen Umwelt und nur mittelbar auf das Verhältnis des Menschen als [[Erscheinung]] unter anderen * Monade ([[Persönlichkeit]]) vs. Gemeinsamkeit - betrifft das ausschließlich Zwischenmenschliche, die Ich-Du-Beziehung: die moralische, praktische und [[intellektuell#intellektuelle]] Förderung des Verhältnis, keine metaphysische Spekulation * Natur vs. Gott {{ :huiusgenioloci.jpg?400|}} - kein Bekenntnis Goethes zu Spinozas //deus sive natura// (Allgott oder Allnatur): Spinoza läßt das eine (auch als das Eine zu verstehen) im anderen (auch als das Andere zu verstehen) aufgehen; Goethe dagegen setzt ein polares Bedingungsverhältnis, in welchem das eine (das Eine als Gott) das andere (das Andere als Natur) fordert ==== Goethes Weltanschauung ==== Nach seiner Selbstauskunft: //Ich für mich kann nicht an einer Denkweise genug haben; als [[Dichter]] und [[Künstler]] bin ich Polytheist, [[Pantheismus#Pantheist]] hingegen als Naturforscher, und eins so entschieden als das andere. Bedarf ich eines Gottes für meine [[Persönlichkeit]] als sittlicher [[Mensch]], so ist dafür auch schon gesorgt.// ([[Brief]] an [[Jacobi]]) * Vor-Weimar - mystisch-pantheistisch und vitalistisch → Verbindung zu [[Freimaurer|Freimaurern]] dokumentiert in "Dichtung und Wahrheit", II, 8:\\ //Der Arzt //[Johann Friedrich Metz]//, ein unerklärlicher, schlaublickender, freundlich sprechender, übrigens abstruser Mann, der sich in dem frommen Kreise ein ganz besonderes Zutrauen erworben hatte. Tätig und aufmerksam, war er den Kranken tröstlich; mehr aber als durch alles erweiterte er seine Kundschaft durch die Gabe, einige geheimnisvolle selbstbereitete Arzneien im Hintergrunde zu zeigen, von denen niemand sprechen durfte, weil bei uns den Ärzten die eigene Dispensation streng verboten war. Mit gewissen Pulvern, die irgend ein Digestiv sein mochten, tat er nicht so geheim; aber von jenem wichtigen Salze, das nur in den größten Gefahren angewendet werden durfte, war nur unter den Gläubigen die Rede, ob es gleich noch niemand gesehen, oder die Wirkung davon gespürt hatte. Um den Glauben an die Möglichkeit eines solchen Universalmittels zu erregen und zu stärken, hatte der Arzt seinen Patienten, wo er nur einige Empfänglichkeit fand, gewisse mystische chemisch-alchimische Bücher empfohlen und zu verstehen gegeben, daß man durch eignes Studium derselben gar wohl dahin gelangen könne, jenes Kleinod sich selbst zu erwerben; welches um so notwendiger sei, als die Bereitung sich sowohl aus physischen als besonders aus moralischen Gründen nicht wohl überliefern lasse, ja daß man, um jenes große Werk einzusehen, hervorzubringen und zu benutzen, die Geheimnisse der Natur im Zusammenhang kennen müsse, weil es nichts Einzelnes, sondern etwas Universelles sei und auch wohl gar unter verschiedenen Formen und Gestalten hervorgebracht werden könne. Meine Freundin hatte auf diese lockenden Worte gehorcht. Das Heil des Körpers war zu nahe mit dem Heil der Seele verwandt; und könnte je eine größere Wohltat, eine größere Barmherzigkeit auch an andern ausgeübt werden, als wenn man sich ein Mittel zu eigen machte, wodurch so manches Leiden gestillt, so manche Gefahr abgelehnt werden könnte? Sie hatte schon insgeheim Wellings »Opus mago-cabbalisticum« studiert, wobei sie jedoch, weil der Autor das Licht, was er mitteilt, sogleich wieder selbst verfinstert und aufhebt, sich nach einem Freunde umsah, der ihr in diesem Wechsel von Licht und Finsternis Gesellschaft leistete. Es bedurfte nur einer geringen Anregung, um auch mir diese Krankheit zu inokulieren. Ich schaffte das Werk an, das, wie alle Schriften dieser Art, seinen Stammbaum in gerader Linie bis zur neuplatonischen Schule verfolgen konnte. Meine vorzüglichste Bemühung an diesem Buche war, die dunklen Hinweisungen, wo der Verfasser von einer Stelle auf die andere deutet und dadurch das, was er verbirgt, zu enthüllen verspricht, aufs genauste zu bemerken und am Rande die Seitenzahlen solcher sich einander aufklären sollenden Stellen zu bezeichnen. Aber auch so blieb das Buch noch dunkel und unverständlich genug; außer daß man sich zuletzt in eine gewisse Terminologie hineinstudierte und, indem man mit derselben nach eignem Belieben gebarte, etwas, wo nicht zu verstehen, doch wenigstens zu sagen glaubte. Gedachtes Werk erwähnt seiner Vorgänger mit vielen Ehren, und wir wurden daher angeregt, jene Quellen selbst aufzusuchen. Wir wendeten uns nun an die Werke des Theophrastus Paracelsus und Basilius Valentinus; nicht weniger an Helmont, Starckey und andere, deren mehr oder weniger auf Natur und Einbildung beruhende Lehren und Vorschriften wir einzusehen und zu befolgen suchten. Mir wollte besonders die »Aurea Catena Homeri« gefallen, wodurch die Natur, wenn auch vielleicht auf phantastische Weise, in einer schönen Verknüpfung dargestellt wird; und so verwendeten wir, teils einzeln, teils zusammen, viele Zeit an diese Seltsamkeiten und brachten die Abende eines langen Winters, während dessen ich die Stube hüten mußte, sehr vergnügt zu, indem wir zu dreien, meine Mutter mit eingeschlossen, uns an diesen Geheimnissen mehr ergötzten, als die Offenbarung derselben hätte tun können.// * Nach-[[Italien]] - von der Botanik kommend, in den Naturwissenschaften Struktur suchend, überträgt er die Methodik der Naturwissenschaften auf die übrigen Interessengebiete * Schiller-Zeit - Veranlassung zu prinzipieller Besinnung auf Grundsätze, Voraussetzungen und Grenzen des [[Denken#Denkens]]\\ - gipfelt in der Anerkennung der höchsten Liebesoffenbarung und der [[Möglichkeit]] allgemeinen Verstehens → [[Philosophie]] des Verstehens trotz Farbenlehre-Fiasko (Leisegang) === Erkenntnistheorie === - die [[Idee]] tritt als [[Resultat]] aller [[Erscheinung]]en in den Erscheinungen zutage → sie ist erfahrbar durch die innere [[Wesen]]sschau → Problem [[Proteus]]': Wie ist die festbenamte Idee zu erhaschen? - [[Sinn]] fürs [[Wahre]] - Ordnungsprinzipien für die Fülle → [[Symbol]] des All-[[Eine]]n == Eckpunkte des Erkennens == * Entwicklung * Freiheit * [[Persönlichkeit]] → die Gefahr künstlicher Harmonisierungen - manche [[sehen]] in Goethe einen Vorgänger [[Schopenhauer#Schopenhauers]], der sie Frage nach der Erkennbarkeit der [[Natur]] und des Menschen an den [[Wille#Willen]] band → Goethe fragte: //Ob nicht Natur zuletzt sich doch ergründe?// ==== Ästhetik ==== - fußt auf [[Winckelmann]] und dessen [[Ästhetik]] der [[Form]], die [[Kunst]] als Geschaffenes, nicht Nachgeahmtes betrachtet → der [[Zwang]] zur Form führt den [[Künstler]] zu objektivierbaren und allgemeinen Formulierungen seiner subjektiven Abgeschlossenheit\\ - Kunst wird somit zu einem [[Schöpfung#Schöpfungsprodukt]] innerer Kräfte und wird durch [[Selbständigkeit]] kreiert, eine [[Einheit]] der hervorbringenden [[Kraft]], die [[historisch]] nicht verortbar ist, sondern ans [[Subjekt]] gebunden bleibt → die [[Kunstphilosophie]] ist somit eine Metamorphosenlehre und diese gibt stets den Naturspiegel seiner eigenen und lebenslang währenden und selbst gegen den [[Tod]] ungläubigen Herausproduzierung wider (Bloch)\\ - allerdings ist ein Wechselspiel von Schaffen und Zerstören festzustellen\\ - objektiver Gehalt liegt in der Fähigkeit der Kunst, dem [[Individuum]] [[Halt]] zu geben\\ - sucht Idee und Erscheinung zu assoziieren, doch ist er durch seine Urerlebnisse dazu bestimmt, die Idee als präfigurativ anzusehen → die Form genügt der Idee nie, sie drängt\\ - der All-Eine verschwindet, wobei die Ur-Pflanze eine Lösung widerspiegelt, so wird der [[Mythos]] ins Symbolische gehoben: Das ist die wahre [[Symbolik]], wo das Besondere das [[allgemein#Allgemeine]] repräsentiert, nicht als [[Traum]] und [[Schatten]], sondern als [[lebendig]] augenblickliche [[Offenbarung]] des Unerforschlichen.\\ - Goethe ist ein Vertreter der Theorie von der Keimkraft des Kunstwerkes → dieses muß aus der eigenen individuellen Keimkraft heraustreten ==== Goethe als Politiker ==== Goethe stand in der neuen Welt nach der Französischen Revolution wie ein [[Fremd]]er. Seit wann ist es ein [[Verbrechen]], seinen alten Waffenkameraden die Treue zu halten? - Karl August war ein [[Feind]] [[Napoleon|Napoleons]]\\ Goethe ist Gegner der [[Volksrechte]]. Er ist als ein Anhänger des aufgeklärten Absolutismus gegen ein Beteiligen des drängenden Volkes an der politischen Macht. - wichtig ist die innere Gelegenheit zur Entwicklung des Individuums nach der ihm zuträglichen Richtung, und diese wird durch sozialökonomische Verhältnisse gegeben → dagegen wirken die Lehren der politischen Freiheit und das Parteiwesen\\ - Goethe will lieber von einem einzelnen regiert werden, dessen [[Beruf]] es ist zu regieren und dessen Interesse an Bestand und Folge gebunden ist, denn die Einmischung einzelner ins Regiment mit löblichen Anfängen führt unweigerlich zu unglücklichen Folgen\\ - nichts ist widerwärtiger als die Majorität, denn sie besteht aus wenigen kräftigen Vorgängern, aus Schelmen, die sich akkomodieren (anpassen), aus Schwachen, die sich assimilieren, und der Masse, die nachtrollt, ohne nur im mindesten zu wissen, was sie will ==== Goethe als Theaterdirektor ==== - zerhackte Stücke mißliebiger Konkurrenz, beispielsweise Kleists "Der zerbrochene Krug"\\ - konnte den Publikumsgeschmack in Weimar nicht maßgeblich verändern udn trat zurück, als er sich gegen den Wunsch (auch des Herzogs), den "Hund des Aubry" (mit einem Pudel als Hauptfigur) zu spielen, nicht behaupten konnte ==== Goethe über Schiller ==== - eine besondere [[Rolle]] spielte hierbei die Auseinandersetzung mit [[Kant]], dessen Philosophie der [[Freiheit]] ihm anfangs zusagte, doch über den platonischen [[Humanismus]] [[Shaftesbury]]s und die Nähe zu [[Humboldt]] und Winckelmann überwand er den trockenen und blutarmen Moralismus, der im ästhetischen Sinne aus Kants striktem [[Imperativ]] folgen mußte\\ - besonders sei hier die Stelle aus //Anmut und Würde// genannt \\ - er versöhnte synthetisch den [[Ästhetizismus]] mit der strikten Observanz eines Kant (bleibt jedoch nur zwiespältig, so daß Goethe ihm diese Distinktion gegenüber abstrakten Systemen immer als [[Dichter]] vorwarf) ==== Schiller über Goethe ==== **Charakter**: Ich glaube in der Tat, er ist ein Egoist in ungewöhnlichem Grade; er besitzt das [[Talent]], die Menschen zu fesseln.\\ **Verhältnis zu Goethe**: Das Ganze stellt sich dem Ganzen gegenüber.\\ **Goethes [[Poesie]]**: Verbindung von modernem [[Realismus]] mit einer Portion griechischen Geistes ==== Achilleus ==== - verkünsteltes [[Alexandriner#Alexandrinertum]]\\ - Wetteifer mit [[Homer]]; keine Wurzeldichtung\\ - [[Genuß]] der [[Tragik]] ==== Auf dem See ==== 1775 \\ - nach einer Schweizreise entstanden\\ - Liebe zu Marianne Schönbrunn, einer Bankierstochter, aber Unlauterkeit der schnöden Frankfurter Verhältnisse; Flucht vor Aussichten in Gesellschaft - [[Dekadenz]]\\ - mehrere Fassungen, symmetrischer Aufbau: drei Teile von Naturbeschreibung in mehreren Ebenen - Teil: jambischer [[Rhythmus]], Beschreibung //Hier auch lieb und leben ist// trochäisch, ohne Auftakt\\ __Inhalt__: [[Verdrängung]], keine Abfindung mit Zustand - Teil: Achse des Gedichts - Teil: [[Synthese]] von 1.+2. → freier Rhythmus - Trochäus und Daktylus - das begreifende Lösen - der Blick des tobenden [[Ich]] auf die Ruhe des Äußeren\\ - die Natur ist die Mutter\\ - Rückkehr ist Ausgangspunkt für Späteres, aber [[Bewußtsein]] des Verlustes der Natur ist immanent ==== Clavigo ==== - zurückgehen zu [[Lessing]], aber auch überschreiten\\ - echt dramatische Einheit der [[Handlung]]\\ - der Begriff der tragischen [[Schuld]] a la [[Shakespeare]]\\ __Aristotelisches Gesetz__: keine der dargestellten Personen darf niedrig [[schlecht]] sein, d.i. der Kampf gleichberechtigter Gegensätze ==== Egmont ==== - eigentliche Darstellung der Charaktereigentümlichkeit Egmonts, nicht des niederländischen Freiheitskampfes → Goethe lag das [[Pathos]] des niederländischen Freiheitskampfes fern, er zeichnet keine historische, sondern eine Charaktertragödie\\ - Egmont ist der ritterliche [[Mensch]]: „Ich sterbe für die Freiheit, für die ich lebte und focht, und der ich mich jetzt leidend opfere.“\\; Salto mortale in die Wunderwelt der [[Oper]], denn wo bleibt die [[Aussage]]? \\ - Egmont ist Familienvater: Er wird nicht mehr das [[Opfer]] einer blinden törichten Zuversicht, sondern der übertrieben zärtlichen Ängstlichkeit für die Seinigen. (Schiller) ==== Erlkönig ==== - hinter der [[Gewalt]] des Erlkönigs ist die der [[Element]]e, der [[Styx]], an dem die alten Weiden stehen, ist das [[Schweigen]] der Steine ==== Farbenlehre ==== 1810 === Inhalt === Das [[Auge]], höchstes Resultat des [[Licht#Lichts]] auf den [[Leib]], vollendet die Totalität des Innern und Äußern, hier ist die Nahtstelle zwischen Mikro- und Makrokosmos.\\ - Gegen die Physikermeinung, aber die Anregung für die Physiologie des Sehens, die feine Beobachtung der sinnlich-sittlichen Wirkung der [[Farbe]]. Doch die falschen Tendenzen entzünden im Menschen oftmals [[Leidenschaft#leidenschaften]]: Der lebhafte Mensch fühlt sich um sein [[Selbst]] willen und ist nicht fürs [[Publikum]] da.\\ - Was sich als ein Getrenntes im Gemälde zeigt, wird durch die Übereinstimmung der Farben in eine höhere Einheit aufgenommen, und was eins zu sein scheint, tritt, durch schnellen [[Wechsel]], reizende Übergänge der Farben, in ein zartes [[Leben]] sich spielend entgegen.\\ Mit der [[Sprache]] keimt [[Verwirrung]]. Die Sprachen trennen sich selbst unter sich und in sich; Begriffe treten streitend gegen Begriffe auf, und wechselseitige Zerstörung und [[Widerspruch]] scheinen dem Blicke die höhere Einheit des Lebens zu verbergen. Die Farben dagegen bekämpfen und zerstören sich nicht, sie treten scherzend im Gewande des leichten-lebendigen Farbenspiels als Grablied des Untergangs hervor. ==== Faust ==== - Verbindung der Gelehrten- mit der Geliebtentragödie, dazu ein [[Kindsmörderin|Kindsmörderinmotiv]]\\ - Sammlung loser [[Vers#Verse]]: Knittel-, Madrigalverse, [[Alexandriner]]\\ - [[Faust]] ist mehr als sich anmaßende Genialität, ihn trägt die [[Unzufriedenheit]] mit dem Abzufindenden\\ - er wendet sich vom gängigen [[Gottesbegriff]] ab und wendet sich dem Verbotenen zu, das interessant wird\\ - Faust will die Verbindung mit dem [[Teufel]], aber nicht, um reich und berühmt zu werden, sondern das [[Wesen]] hinter den Dingen zu schauen\\ === Interpretationsthesen === von Prof. Hense, Hannover, Sept. 1990\\ * 1. Goethes Faust ist ein Werk * 2. Goethes Faust ist keine Tragödie Die [[Tragödie]] muß Elemente der [[Komödie]] enthalten. Hohe [[Kunst]] muß [[Ernst]] enthalten. Es ist ein [[Vorurteil]] zu sagen: [[lachen]] passe nicht.\\ Das Gesamturteil über die Welt und die Menschen ist bejahend. * 3. Goethes Faust ist [[Theater#episches Theater]] - Selbständigkeit der Szenen\\ - Reihung als Bauprinzip\\ - Fülle und Totalität * 4. Goethes Faust ist eine ambivalente Figur - er ist abschreckend und zu bewundern\\ - Faust und Goethe sind verschieden voneinander; keine Vorbildwirkung\\ Faust ist eine Möglichkeit, der anderes entgegengesetzt werden muß. Es ist nichts unschöner anzusehen als der Versuch, das Unbedingte in diese bedingte Welt setzen zu wollen.\\ Die [[Ambivalenz]] besteht nunmehr darin: Nichts wird so, wie der eine oder andere es haben will. * 5. der Text ist verstümmelt [[Vers]] 4000: [[Sprung]] im Gefüge des dramatischen Kunstwerkes\\ A. Schöne: Aufsatz Verstümmelung - Götterzeichen, Liebeszeichen; 1982. === Kerker-Szene === Gretchens [[Wahnsinn]] wird mit einer alten Sage vom Machandelbaum (Wacholder) verbunden:\\ Meine Mutter: die mich schlachtete, mein Vater: der mich aß, meine Schwester: die Marlene, sucht all meine Gebeene, bindet sie in ein seiden Tuch, legt’s unter den Wacholderbaum. Kywitt, Kywitt, was für ein schöner Vogel ich bin! In diesem Märchen geht es um einen Jungen, dem die böse Stiefmutter (Mörderin) den Kopf abschlägt. Sie bindet den abgeschlagenen Kopf mit einem weißen Tüchlein fest auf den Hals, daß es scheine, als lebe der Tote noch (Totenfesselung). Zusätzlich legt sie dem Toten einen Apfel in die Hand. Die Schwester Marlene muß mit ansehen, wie die Stiefmutter den Toten später zu einer Suppe verarbeitet, die dem nach Hause kommenden Vater zum Essen vorgesetzt wird. Die Schwester bleibt still, der Vater ißt von seinem Sohne, ohne es zu wissen und verlangt immer mehr (Liebeskannibalismus, der die Kraft der Toten aufnimmt); die Schwester sammelt die Knochen ihres Bruders auf (Reliquienkult) und bindet sie in ein Seidentuch, das sie unter einem Wacholderbaum begräbt. Kurze Zeit später ist das Bündel mit den Knochen verschwunden und es ist ein schöner Vogel entstanden (Seelenwanderung; Totemismus), der verschiedenen Menschen obenstehendes Lied vorsingt (Einfluß der Toten auf die Lebenden) und dafür Gold, Schuhe und einen Mühlstein erhält. Zu seinem Elternhaus zurückgekehrt, beschenkt er seinen Vater mit dem [[Gold]], seine Schwester mit den Schuhen und erschlägt seine ängstlich gewordene und eine Bestrafung erwartende Stiefmutter (Zornwille der Toten) mit dem Mühlstein. Als seine Stiefmutter tot ist, verwandelt sich der Vogel in den kleinen Jungen, der fortan mit seiner Schwester und seinem Vater zusammenlebt. - Gretchen singt das [[Lied]] in der [[Hoffnung]] auf eine Wiederkehr ihrer vom Teufel/Mephistopheles getöteten Lieben ==== Faust II ==== 1832 \\ - Goethes höchste Visionskraft zum Invisiblen vermochte sein himmlisches [[Legende]]nland in Worte zu kleiden → die transparente [[Anschauung]] dessen im F. II\\ - das reale [[Weltbild]] mit dem optimistischen [[Schluß]], mit der verheißenen [[Zukunft]], d.i. der Faust!\\ __Probleme__: Nebenwerk, das allzu sehr wuchert\\ __Ziel__: Läuterung durch [[Schönheit]] - [[Zusammenleben]] mit [[Helena]] + die [[Identität]] des Wir und seiner Welt - [[Subjekt]]/[[Objekt]]-Problematik ==== Ganymed ==== 1774\\ __1. Teil__: Aus der Ferne erwächst im [[Frühling]] die nach Taten dürstende [[Sehnsucht]]. Die Schönheit will umworben und ergötzt sein.\\ __2. Teil__: Der [[Konjunktiv]] wird verlassen: Ruf nach Aufnahme.\\ - Tal, d.i. ein [[Antonym]] zu den Höhen des [[Olymp]]\\ - [[Zweifel]] am [[Aufbruch]] → [[Ganymedes]] kommt nicht\\ __3. Teil__: [[Hoffnung]]: er scheint zu kommen ==== Die Geheimnisse ==== - sollte ein religiöses [[Epos]] werden, blieb aber [[Fragment]]\\ - Goethes Auseinandersetzung mit den [[Rosenkreuzer]]n u.a. → //Wer hat dem Kreuze Rosen zugesellt?// - Vers 70\\ - die [[Religion]]en geben dem Geheimnisvollen Ausdruck durch symbolische [[Mythen]], die ihrerseits den Kern verhüllen → //Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch, der sich überwindet.// ==== Götz von Berlichingen ==== 1771\\ Selbstdruck\\ - genialer [[Naturalismus]], doch letztlich nur eine dramatisierte [[Biographie]], deren Quellen nicht bekannt sind\\ - das Shakespearestück Goethes: keine strenge Fabel, aber nach der Shakespearschen [[Historie]] gebaut → das historische [[Drama]] um 1770 will den Zeitgenossen eine Botschaft überbringen!\\ - der Selbsthelfer in wilder Zeit\\ __einfache Formel__: Faustrecht a la [[Möser]] = [[Naturrecht]] ([[Rousseau]]), aber undramatische Komposition, der Schluß ist traurig, nicht [[tragisch]]; [[Grund]]: Verfall des Rittertums wird als Verfall der [[Naturkraft]] betrachtet, nicht als [[Sieg]] einer wohlberechtigten [[Ordnung]]\\ - Quellpunkt fehlt\\ - Goethe war mit seinem in sechs Wochen entstandenen Stück selbst unzufrieden; ihm fehlte die innere Einheit === Rezeption === - in diesem Drama unterliegen bodenentstammte Volksart, heimisches Recht, der neuen, auf sklavische Unterwürfigkeit gegründeten volksfremden Ordnung mit dem [[Klemperer#artfremden]] römischen Rechte (Lindens) ==== Harzreise ==== 1777\\ Was passiert, wenn man mit dediziertem biographischem Interesse an einen solchen [[Text]] herangeht?\\ === Erklärungen === //Geyer// = Lied: verbunden miteinander durch den Optativ //schwebe// → [[Zweck]] des Schwebens: Beginn der Beizjagd mit dem Falken\\ - bedenkenloses Schweben über der [[Erde]], weil sowieso alles prädestiniert ist\\ Heteronymie: weder der Glückliche noch der [[unglücklich#Unglückliche]] sind für ihren Zustand verantwortlich, //denn//: man braucht nur zu warten, die //Beute// fällt irgendwann in den Schoß, //aber//: das Ergebnis ist zunächst negativ - das Pelztier schützt sich (das [[Bild]]) der Geyer - und die Sache (das Lied) sind differenziert, aber bedeutungsidentisch\\ Verwirrung: die Reichen - ein Bild\\ - die Wiedervereinigung von [[Dichter]] und Lied im Text ist problematisch; der Text als für sich Seiender läßt sich nicht in das biographische Ich integrieren ==== Herbstgefühl ==== 1775\\ - das erste [[Gefühl]] beim Lesen des [[Gedicht]]es ist ein Zwiespalt zwischen Form und Inhalt - Ausrufe ohne Satzzeichen!?\\ konkrete [[Situation]]: Standort [[Fenster]] - Goethe sitzt und säuft\\ - der [[Herbst]] ist das Symbol des Scheidens, auch der Einbringung der Jahresfrucht; Zeit zum besinnen\\ //heut löst sich aus den Zweigen// → [[Lenau]]: das negative Grunderlebnis des Vergehens; [[Puschkin]]: der positive Agens Herbst → Goethe: ein sowohl als auch\\ [[Klimax]]: //grünen// – //quellen// - //reifen//; Reihenfolge als Interjektionen\\ - [[Sonne]], //brüten// – //[[Himmel]]//, //umsäuseln// – //[[Mond]]//, //kühlen//: die Einheit des Reifeprozesses\\ __1. Teil__: im Wechsel betont-unbetont\\ - das [[Regulativ]] ist //euch//; es bestimmt den Text, ist Aufhänger und Aufnahmewort\\ Auch im Herbst setzt sich Goethe in eins mit der Natur und trauert ein wenig der verlorenen Lilly hinterher, um sich doch am Weine zu laben. Goethe ist nicht der Sänger des Volkes, er setzt seine [[Emanzipation]] in den Mittelpunkt seiner Intentionen. Das Persönlich-Erfahrene, die Gelegenheit, ist für ihn Ausgangsposition, das Verhältnis Mensch - Natur, Subjekt - Objekt darzustellen. Der Mensch selbst wird als Natur begriffen. ==== Hermann und Dorothea ==== - Gespräche mit dem Tod\\ - der Tod steht nicht als [[Schrecken]] dem Weisen und nicht als Ende dem [[Frommen]] ==== Iphigenie ==== 1786\\ - kein trotziges [[Titan#Titanentum]], sondern heitere Entfaltung einer reinen Menschennatur\\ Schiller: „Wirkung eigentlich dichterischer als tragisch. Das Eigentliche geschehe hinter den Kulissen.“\\ - seelenvolle Darstellung sittlicher [[Harmonie]] und Hoheit → der rächende Gott gehört nicht mehr ins 18.Jahrhundert\\ - [[Iphigenie]] durchbricht die Kette des Tantalidenmordens\\ - Übereinstimmung von Inhalt und Form\\ Goethe nennt sein Werk selbst „verteufelt human“, weil ein abstraktes Ideal höchster [[Charakter]]- und Seelenbildung die scharfen individuellen Züge verwischen half.; - Es war [[Herder]], dem Goethe bei der Drucklegung seiner //Iphigenie// vollkommen freie Hand zu jeder Versänderung ließ. Herder hat ihm zu Verwandlung des stockenden Silbenmaßes in fortgehende Harmonie (Blankvers) mit wunderbarer Geduld die Ohren geräumt. ([[Chamberlain]]) === Inhaltliches === - [[Artemis]], [[Apollo#Apollons]] Schwester, soll durch ein [[Opfer]] versöhnt werden → Artemis entrückt Iphigenie, die nunmehr als Priesterin im Skythenreich [[Dienst]] tut\\ - [[Orest]] will seine Schwester befreien, aber der skythische [[König]] Thoas will Iphigenie ehelichen\\ - weil Thoas nach inneren Kämpfen schließlich einwilligt, wird das Stück zum klassischen Drama → die [[Griechen]] ziehen friedlich ab\\ __[[punctum saliens]]__: die Untreue [[Klytämnestra#Klytämnestras]], ihr Mord am Gatten, Agamemnon, der seinerseits Fluch auf seinem Hause trug als Nachfahre [[Pelops]]', führten zum [[Frevel]] des Muttermordes → Orest war gezwungen, den Tod seines Vaters zu rächen und tötete die Mutter, was Apollon als Rachegott auf den Plan rief ==== Die Leiden des jungen Werthers ==== Leidensgeschichte eines ungebändigten, empfindsamen Herzens\\ - Dokument des Überschusses an erotischer [[Phantasie]] (Bloch)\\ - Werther krankt an der Lähmung, welche die übergroße Erweiterung des Sinnes mit sich bringt\\ - wird inmitten der Menschen allmählich stumm und stumpf; sobald er dagegen //in sich [[selbst]] zurückkehrt, findet er eine Welt// (Chamberlain)\\ - entfaltet das zentrale Motiv des Bürgertums im 18. Jahrhundert, den Konflikt zwischen ihren Illusionen und dem praktisch-banalen, bürgerlichen Leben\\ - Werther steht steht keinen individuellen Gegnern gegenüber, sondern Notwendigkeiten, die er nicht als vollkommen seelenlos und jeder Sinnhaftigkeit entkleidet ansieht, die er aber keineswegs über sich erhebt wie der tragische Held des Schicksals, das ihn vernichtet (Hauser)\\ - wird mit seiner abstrakten [[Moralität]] dem Realismus der tragischen Konfliktlösung nicht gerecht ([[Lichtenberg]]) === Inhalt === Das Wichtigste ist das Gefühl des behandelten Wesens. Werther ist kein [[Intellektuelle#Intellektueller]] wie sein wahrscheinliches Ebenbild, der [[Jurist]] Karl Wilhelm Jeruslaem. Er will nach seinem Herzen leben und nicht die Welt durch Erklärung verständlicher machen. Er hat keine karrieristischen Ambitionen. \\ Der Held verliebt sich. Es zieht ihn zu den Arbeitenden. Prompt ist er einer Krise ausgesetzt, die er nur lösen kann, indem er zu den Nicht-Arbeitenden zurückkehrt. Dies lehnt er jedoch ab. Motto: Lieber der kalten und harten Welt verachtend den Rücken zugekehrt, als das Recht seines Gefühlslebens kleinlaut verleugnet!\\ Das Grundmotiv ist krankhaft, doch unzerstörbar in der Wirkung.\\ - Werther will nach dem Herzen leben, benutzt aber ständig Vergleiche von Büchern der Weltliteratur, die ihm ganz spezielle Lebenshilfe bieten.\\ - Werthers Tod: liest [[lessing#emilia_galotti|Galotti]] und [[Macpherson#Ossian]]; er will den Tod für sich. Werther muß wahnsinnig sein. \\ Werther: der wahre [[Idealist]] - ein [[Phantast]]\\ [[Liebe]]: [[Möglichkeit]] an der [[Existenz]] erfahren! Sammlung von Perversionen.\\ Krise: Erfassung der [[Realität]], um neue Wege gehen zu können\\ Lotte: das Ebenbild von dem, was Werther mangelt - Lebensrealitätssinn → die grenzenlose Liebe zu Lotte erscheint selber als das Grenzenlose in Lotte, im [[Glück]], mit ihr nach ferneren, verhüllteren Seligkeiten der Welt zu ahnden \\ Werthermode: gelbe Weste, blauer Frack, Messingknöpfe, [[Stiefel]]\\ [[Bibliothek]]: Garten der [[Weisheit]], [[Topos]] der [[Weltliteratur]] === Rezeption === - der Selbstmord Werthers löste erstmals aufgrund einer hohen [[Identifikation]] mit der literarischen [[Figur]] den heute so genannten Werther-Effekt aus, einen kurzzeitigen Anstieg der Selbstmordrate in einem Bezugsgebiet um 10%; - wenn du ausgeweinet hast, so hebe den Kopf fröhlich auf und stemme die Hand in die Seite ([[Claudius#Matthias Claudius]])\\ - die Gefahr liegt in der Wirkung auf biedere Seelen, die man vor diesem Buch schützen muß: Da macht eine Herde von euch [ausgeklärte junge Menschen] einen großen Spektakel von Toleranz und Bruderliebe, - als wenn die christliche Religion, die der hunderste unter euch gar nicht einmal kennt und sie doch verachtet, was anderes lehrte! Habt ihr uns da etwan etwas Neues gesagt? Ich weiß es wohl, daß es sogar Narren aus eurer Schule gegeben hat - und noch gibt -, die einen ganzen Staat von Atheisten für möglich halten. ([[Göchhausen]])\\ - kontemplativ-egoistischer Individualismus, das selbstzerstörerisch und unnütz ist und positiven Auswirkungen aufs Gemeinwohl entgegensteht ([[Nicolai]])\\ ==== Mahomet ==== - Produkt des 18. Jahrhunderts mit einer dato typischen Fragestellung: Wie entstanden die kirchlichen Einrichtungen und Lehren?\\ - der [[Ursprung]] dieser Frage ist die ausschließliche [[Suche]] des Rationalisten nach der Übereinstimmung des Christentums mit der [[Vernunft]], nach Goethe einer Naturreligion\\ - die Frage nach dem Ewigen [[Juden]], dem [[Sinnbild]] für [[Verrat]], lautet auch: Wie konnte Verderben der [[Kirche]] entstehen? ==== Pandora ==== - hochsymbolischer Inhalt, eine niemand erwärmende [[Allegorie]]\\ - aller Unfrieden wird durch göttliche Gaben der Kunst gestillt\\ [[Pandora]]: die Schönheit selbst\\ Epimetheus: der Dichter\\ Prometheus: Vertreter des fähigen, auf [[Arbeit]] und [[Sicherheit]] bedachten Mannes; fürderhin der Widersacher der [[Götter]], der Kulturbringer der [[Menschheit]] und die Existenz aus eigener [[Kraft]] lebend ==== Torquato Tasso ==== 1779\\ - thematisiert den [[Traum]] des Dichters von einem Goldenen [[Zeitalter]], in dem die Dichter mit den Königen gehen;\\ - bejaht ganz das [[Recht]] und die Überlegenheit seines traumerfüllten, wenn auch libertinistischen [[Held#Helden]]\\ - Tasso ist ganz ungebärdig, vom Drang des Inneren überfüllt, blind überströmend, er nennt sich selbst [[Welle]], aber Antonio, den Weltmann, nennt er zuletzt den festen, stillen Fels (Bloch)\\ - die [[Seele]] wird unwiderstehlich in eine unwiderrufliche [[Verbannung]] gezogen (Grüning) === Thema === - das innere mit dem äußeren Leben ausgleichen\\ - Standesbewußtsein → es ist der [[Stand]] der Prinzessin, den Torquato Tasso liebt ([[Bahr]])\\ - die erzieherische Macht edler und reiner Weiblichkeit === Charaktere === * Tasso - leidet an störender Zwiespältigkeit der [[Motiv#Motive]]\\ - [[Mangel]] an zwingender Einheit und Folgerichtigkeit und innerer [[Wahrheit]] des Grundgedankens → es bleibt bei der „Hohlheit ästhetischen Scheins“ (Bloch)\\ 1. + 2. Akt: Verherrlichung der Rechte des [[Genius]] gegenüber anmaßender, vornehmer Beschränktheit, Antonio * Antonio - nicht der verständnislose [[Feind]], er spricht Tasso als älterer [[Freund]] besondere [[Menschenrechte]] und höchsten Rang ab\\ - in der ersten Fassung trug er alle Züge seiner verhaßten [[Herkunft]] aus der Gegenwelt des [[Sturm und Drang]] - Mischung aus Emporkömmling und [[Philistertum]]: schroff, hämisch, hochmütig und neidisch * Prinzessin - wird geliebt, weil sie eine Prinzessin ist\\ - das Soziale bestimmt unsere [[Sexualität]] (Bahr) - soll langweilig sein? → es wird zwar nur deklamiert, aber wunderschön und der [[Verstand]] wird angeregt\\ - ein Mensch in seinem hysterischen Zustand\\ - Goethe will die Grenzen seiner Natur hüten, d.i. eher [[Renaissance]], [[Beethoven]] sich seinem [[Dämon]] opfern → die Griechen ertrugen beides\\ - wer das Stück inszenieren will, muß Goethe aufbrechen, denn weder nur das Problem - Standesbewußtsein und Anspruch - noch nur Goethe interessieren allein → man muß zuspitzen und vermitteln\\ - es bleibt das Formproblem des Verses → eventuell den [[Zuschauer]] an die Entstehung des Verses zurückführen! (Bahr)\\ - inwendig lernt kein Mensch sein Innerstes erkennen → [[Erkenntnis]] nur über den Mitmenschen (Reimann) ==== Von deutscher Bauart ==== 1771 in Straßburg geschrieben - der Münster und Goethe\\ - Differenzierung von [[Kultur]] (d.i. deutsch) und [[Zivilisation]] ([[Frankreich]]): //das ist deutsche Baukunst, unsere Baukunst, da sich der Italiener keiner eigenen rühmen darf, vielweniger der Franzos//\\ - Hinwendung zum [[Gotik#Gotischen]], Barbarischen, im [[Gegensatz]] zum Ungeheuren der humanisierten Waldwelt, das lyrisch Furchtbare in den Oden der Altvorderen aus Griechenland: //Wenigen ward es gegeben, einen Babelgedanken in der [[Seele]] zu zeugen, ganz, groß und bis in den kleinsten Teil [[notwendig]] schön, wie Bäume Gottes; wenigern, auf tausend bietende Hände zu treffen, Felsengrund zu graben, steile Höhen drauf zu zaubern, und dann sterbend ihren Söhnen zu sagen: Ich bleibe bei euch, in den Werken meines Geistes; vollendet das Begonnene in den Wolken!//\\ - Geistesprodukt der deutschen Gesellschaft zu Straßburg, mitsamt [[Wagner]], [[Salzmann]] und [[Lenz]];\\ - der Straßburger Münster ist der materielle Abdruck der Seele Erwin von Steinbachs ([[Emerson]]) === Auseinandersetzung mit Lenz === - [[Erbsünde]] und körperliche Liebe: Lenz sieht im geschlechtlichen [[Trieb]] das Hauptagens menschlichen [[Handeln#Handelns]]\\ - Lenz schafft den Anti-Helden, der nicht den Dingen schwebt - Prä-[[Büchner]]\\ - Catharina von Siena fragt den Leser, warum es auf der Welt keine wahre Liebe gäbe! Sie gibt sich [[Jesus Christus]] hin, statt dem Maler, der nur seine Kunst liebt ==== Die Wahlverwandtschaften ==== 1808 \\ - eigentlich ein Oxymoron, da man entweder verwandt ist oder nicht, allerdings verweist Goethe in diesem [[Roman]] auf das Problem der freien Valenzen, die die Elemente auch in ihrer Verbindung noch haben\\ Der [[Stoff]] ist für ein dramatisches Motiv zu zart und lyrisch, zu innerlich. Goethe fragt sich nach dem Grundsätzlichen allen [[Dasein]]s. Er terminiert diese Frage als das Verhältnis von Vernunftsfreiheit und unauflöslicher Naturabhängigkeit. Aufzulösen versucht er dieses [[Verhältnis]] durch die Einwirkung des Allerpersönlichsten. * 1. Teil: Schürzung des Knotens * 2. Teil: [[Katastrophe]] bringend [[Thema]] ist weder die unbedingte Unauflöslichkeit der Ehe noch die prädestinierte fatalistische Naturverzauberung: beide können nicht ewiglich [[Schicksal]] spielen → daraus entspringt der Begriff des Dämonischen ==== Wanderers Sturmlied ==== - ganz dicht am Ursprung der Goetheschen Produktion\\ - erregt Betroffenheit, sowohl, indem der Sturm entführt, wie dadurch, daß er sich um einen fortschaffenden Mittelpunkt, dem helleuchtend umwärmenden [[Feuer]], legt ==== Westöstlicher Diwan ==== //Ich bin nun einmal einer dieser ephesischen Goldschmiede, der sein ganzes Leben im Anschauen und Anstaunen und Verehren des wunderwürdigen [[Tempel|Tempels]] der Göttin und in Nachbildung ihrer geheimnisvollen [[Gestalt|Gestalten]] zugebracht hat, und dem es unmöglich eine angenehme Empfindung erregen kann, wenn irgendein Apostel seinen Mitbürgern einen anderen und noch dazu formlosen [[Gott]] aufdrängen will.// === Rezeption === - Diese Prosa ist so durchsichtig wie das grüne Meer, wenn heller Sommernachmittag und Windstille und man ganz klar hinabschauen kann in die Tiefe, wo die versunkenen Städte mit ihren verschollenen Herrlichkeiten sichtbar werden; - manchmal aber auch ist jene Prosa so magisch, so ahnungsvoll wie der Himmel, wenn die Abenddämmerung heraufgezogen, und die großen Goetheschen Gedanken treten danan hervor, rein und golden, wie die Sterne. ([[Heine]]) ==== Wilhelm Meisters Lehrjahre ==== - zwischen 1777/86 entstanden, 1795/6 überarbeitet veröffentlicht, während das ursprüngliche Manuskript erst 1911 gefunden wurde\\ - durch [[Sterne]] und [[Diderot]] beeinflußt\\ - Diderot fragt in „Jacques der Fatalist und sein Herr“, wer wann was entscheidet → so ist Goethes Buch eine [[Reise]] ins [[Unbekannte]], wovon der Autor selbst keine Auskunft zu geben weiß, eben ein Entwicklungsroman in der Konzeption\\ Darstellung im 2.-6. Buch: gleißende [[Phantastik]] bloßlegen * Wilhelm Meister - sucht Glück zu verwirklichen mit junger und schöner Schauspielerin, Marianne \\ - flieht die Wirklichkeit, anfangs\\ - er lebt nicht selbst, sondern wird von der Turmgesellschaft gelenkt, obwohl er selbst von sich glaubt, [[frei]] zu handeln\\ - die große Täuschung darüber, was notwendig und was [[zufällig]] geschieht * Mignon - entlegenste und heimatloseste seiner Gestalten → das Subjekt einsamer, unerfüllter Sehnsucht, das auf keinem [[Boden]] steht, also nicht einmal sexuell ist: nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide\\ - das [[Konzept]] idealen Weibtums\\ - der Mignonraum: Italien, der Saal der [[Vergangenheit]] → Goethe wurde in Italien an [[Hamann]] erinnert ([[Lukacs]]) === Wertung === - Goethe gab jene Charakteristik "[[Shakespeare#Hamlet|Hamlets]]", die wie ein Schlüssel zu allen Werken des Dichters [Shakespeares] ist: hier ist aller Teil und getrennte Schönheit verschmäht und das Ganze erklärt aus dem Ganzen, die Seele der äußern Glieder und ihr lebendiger Hauch ist nachgewiesen, der das unsterbliche Werk erschuf und organisierte ([[Gervinus]])\\ - //Wilhelm Meisters Lehrjahre// sind die Bildungsgeschichte eines Menschen, der von einem leeren, unbestimmten Ideal in ein bestimmtes, werktätiges Leben tritt, ohne die idealistischen Kräfte dabei einzubüßen. (Schiller) ==== Wilhelm Meisters Wanderjahre ==== 1796 \\ Anregung von Schiller \\ Der //Wilhelm Meister// ist Goethes geliebtes dichterisches Ebenbild, ein [[Kind]] der Ruhe.\\ Goethe ist durch seine ästhetische [[Reife]] [[Realist]] genug, um der Philosophie nicht zu bedürfen.\\ Wilhelms [[Krankheit]] ist die Feindschaft gegen alles Feste, Wirkliche. Doch er überwindet die falsche Idealistik der Jugend. Er lernt mit der unüberspringbaren Realität umzugehen.\\ Des Menschen Bestreben muß sich selbst die Grenzen setzen. Die verschidenen Stände zeigen ihm einen Spiegel, seine Befindlichkeit zu lokalisieren. Das [[System]] ist das Metier, seine Befindlichkeit technisch zu meistern. Der Meister wirkt auf Gegenstände zurück, zeitigt Ergebnisse; d.i. [[Leistung]]. In diesem Sinne ist Schaffen mehr als Leistung, Schaffen veredelt das Geschaffene des [[Bürger#Bürgers]], der keinen [[Wert]], wohl aber [[Güter]] zu leisten vermag. Das Tun des Edelmannes hat keinen Geldwert, ist aber wesentlich. Das [[Sein]] ist keine [[Ware]], nur Symbol; das Symbol muß scheinen. Der Widerspruch: der Bürger will am Sein teilhaben. [Goethe spielt auf den Königsweg [[Aristoteles]]' an, [[Muße]]-Sein-[[Schein]]! aus der [[Metaphysik]] Buch I]: //primum de vivere deinde philosophiae//, siehe: [[Scholastik]]\\ Wilhelm suchte seine Idealität in der Welt des schönen Scheins und fand sie in der schönen Wirklichkeit. Er sucht seine Träume mit der jungen und schönen Marianne zu verwirklichen. Er flieht mit ihr aus der Enge.\\ Wilhelm lebt nicht selbst, obwohl er das glaubt, sondern wird von der Turmgesellschaft gelenkt → Goethe gibt den [[Roman]] heraus! Wilhelms Leben wird von der Turmgesellschaft aufgezeichnet. Er täuscht sich darüber, was notwendig und was zufällig geschieht. siehe [[Jean Paul]]: Die unsichtbare Loge;\\ - Antipode zu Werther: Meister verliert den [[Trieb]] zu handeln, denn die Ereignisse sind es, die Bestimmungsgewalt über ihn gewinnen, denn Meister nimmt auf, giert nach Aufnahme (Chamberlain)\\ - der arme Meister hat in seinem Leben nichts anderes gelernt, als sich von jedem Geschöpf regieren zu lassen (Nicolai) === Novelle in den Wanderjahren: Ein Mann von 50 Jahren === - [[Analogie]] zu „Wahlverwandtschaften“\\ __Unterschied__: „Wahlverwandtschaften“ gehen tragisch aus, weil der Blick aus der [[Konstruktion]] nicht erfolgt\\ - das Gleichgewicht der Kulturehe zwischen Edmund und Charlotte wird durch den Hauptmann zerstört\\ aber: Charlotte gestattet dem Hauptmann nicht, sie zu besitzen\\ Ottilie: wird zum Opfer, denn sie kann ihre [[Neigung]] nicht [[zähmen#bezähmen]] → sie läßt sich [[sterben]]!\\ Charlotte: die [[Frau#Frauen]] sehen den [[Zusammenhang]], die Männer schauen auf [[einzelne#einzelnes]]\\ Einladung: weil sie sich selbst nicht ausreichen! → Ottilie und der Hauptmann werden eingeladen\\ - die Frauen stehen im [[Gegensatz]] zu Edgar, auf eine jeweils andere Weise ==== Rezeption ==== - Goethe gab den Deutschen das Gefühl, nie fertig zu werden (Bahr)\\ - Goethen war die Nachtseite des Ichs und der Natur nicht [[fremd]], er wußte aber auch, daß nur die [[Sonne]] die Früchte reift ([[Grillparzer]])\\ - In Goethe vollendete sich, was der Kern der Kämpfe des 18. Jahrhunderts gewesen. Durch Goethe haben wir Deutsche gelernt, was ein Leben der Weisheit und Schönheit ist, was es heißt, ein reiner und schöner Mensch zu sein. ([[Hettner]])\\ - Neigung zum spontanen [[Materialismus]] und zur [[Dialektik]]\\ - in seiner Diderot-Studie gelangt er zu einer kritischen Theorie der mechanischen Widerspiegelung der Wirklichkeit \\ - steht in der Entwicklungsgeschichte des deutschen [[Idealismus]] inmitten der Vermittlung Kants und Hegels, doch geht er über [[Hegel]] hinaus\\ - stellte sich nicht das Ziel, die Leitsätze der Philosophie zu formulieren\\ - ist Hegel insofern überlegen, als er bei allen Überlegungen von einer materialistischen [[Basis]] ausging\\ - er ist kein Empiriker, denn er fragt sich, wie die [[Phänomen]]e und Begebenheiten sinnvoll verbunden werden können (Lukacs)\\ - ...sehe ihn am intimsten von allen: aus biedermeierischen Zügen deutscher Lebensbürgerlichkeit wächst Goethe gleichsam empor zu mephistophelischer Dämonie und sehr unbürgerlicher Lebensproblematik\\ - Goethe steht für die Möglichkeit, wie psychische Spannungen, die problematische kollektive Folgen haben, überwunden und aufgehoben werden können ([[Mann]])\\ - Goethes Größe ist die Befreiung der Kunst von den Fesseln der Religion. ([[Marx]])\\ - für das eigentlich [[Tragische]] ist seine Natur zu [[Konzilianz#konziliant]] gewesen ([[Nietzsche]])\\ - Bei Goethe ist alles [[Tat]], wie bei anderen alles [[Tendenz]] nur ist. ([[Novalis]])\\ - Analogon zu [[Plato#Platon]] – das Werdende ([[Spengler]]) ==== Rede zum Schäkspeare-Tage ==== - die [[Rede]] stammt aus dem [[Jahr]]e 1771, wurde aber erst 1854 in Braunschweig gefunden\\ - der theoretische Auftakt des Sturm und Drang - [[Herder]]s Journal 1769: Goethes Text fußt auf Herders [[Meinung]], daß die aristotelische Dichtform ungeeignet für die wahrhaftige Darstellung der Verhältnisse ist → also will er eine ästhetische [[Anarchie]]: so, wie bisher, so kann nicht länger [[Literatur]] geschrieben werden\\ **Item**: Sind die Stürmer nur Anti-Kantianer?\\ dagegen: Volksdichtung ist wahr und unverfälscht \\ //Oh, fasse mich, ich bin es selbst\\ im Herzen reifen schönste Träume//\\ - Loblied auf Shakespeare\\ - Goethe vergleicht Shakespeare mit den Werken der eigenen Zeit und bewundert diesen: /wesenatur, Natur... nirgends ist so viel Natur, wie in Schäkspeares Charakteren.//\\ - Shakespeare nimmt sich in jedem seiner Stücke einen menschlichen Problemfall vor, um den er dann die Handlung kreisen läßt. \\ **Grundidee**: ausgelassenes Sollen wird durch äußeren Anstoß zum Muß. Charaktertheater\\ - die Subjekt-Objekt-Problematik wird von Goethe als der //geheime Punkt// - //wo das Eigentümliche unseres Ichs mit dem Notwendigen zusammenstößt// - bezeichnet, um den Shakespeares Stücke sämtlich kreisen; Konfrontation ist der Angelpunkt von Kunst\\ Im Sinne einer ästhetischen Erziehung tritt uns Goethe als Erneuerer entgegen.\\ //Den Franzosen ist die griechische Rüstung zu schwer//.\\ → das Aristotelische Theater wird nicht vollends außer Kraft gesetzt\\ dagegen: die Welt ist ein [[Kreislauf]] und die Begehrer von heute werden morgen diejenigen sein, von denen morgen begehrt wird\\ __Extrakt__: {{:goetheextraktshakespearerede.jpg?600|}}