====== GOTTESURTEIL ====== - Beweismittel im Gerichtsverfahren\\ - die körperliche Unversehrtheit wurde aufgehoben\\ - entscheidend bei der Bewertung war, daß der [[Körper]] des geschundenen Betroffenen drei Tage (!) erhielt, um den Heilungsprozeß anzuzeigen: bei wem das ausblieb, der war schuldig\\ - förmliches Verfahren zur Feststellung, auf wessen Seite in einem Rechtsstreit das [[Recht]] war → die [[Götter]] stehen dem Rechthabenden bei\\ - wurde auf dem [[Laterankonzil]] 1215 als Versuchung Gottes angeprangert und 1222 durch den [[Papst]] endgültig als Beweismittel untersagt * **Abendmahlsprobe**: die [[Hostie]] mußte mühelos geschluckt werden * **Bahrrecht**: die verdächtige Person wird an die Bahre des Toten geführt und dabei an die mutmaßliche Mordtat erinnert, zugleioch muß sie einen Finger auf den Nabel oder eine [[Wunde]] legen; sobald diese zu bluten beginnt, ist der Täter überführt * **geweihter Bissen**: einem Beweisführer darf ein großes Stück nicht im Halse stecken bleiben * **Eisenprobe**: ein Stück glühendes Eisen muß eine Wegstrecke getragen werden * **[[Feuerprobe]]**: Wunden verheilen in der normalen [[Zeit]], das gilt als Unschuld * **Kesselfang**: der Beweisführer muß einen Gegenstand aus einem Kessel mit kochendem [[Wasser]] herausholen * **Kreuzprobe**: aus einem [[Kreis]] von beschuldigten Tätern wird derjenige als Täter ermittelt, dessen Arme zuerst die gebildete Figur des Kreuzes verlassen müssen * **Loswurf** * **Pflugscharengang**: v.a. [[Frau]]en müssen über glühende Pflugscharen gehen * **Scheingehen**: eine im nördlichen Sachsen übliche Probe: der Verdächtigte wurde zur aufrecht erhobenen Hand des Ermordeten geführt: sofern diese zu bluten begann, war der Täter überführt * **Wasserprobe**: der Beweisführer wurde mit gebundenen Händen und Füßen ins Wasser geworfen → der Beweis für das Recht galt als erbracht, wenn das reine [[Element]] des Wassers den Beweisführer aufnahm - der war dann zwar zumeist tot, doch hatte dann das Recht auf seiner Seite → [[Sippe]] * **Zweikampf**: unter 21- und über 60jährige durften sich vertreten lassen, wobei hinsichtlich der [[Zweikampf#Zweikampfregeln]] entscheidend war, wer die Anklage führte: klagte ein Knappe einen [[Ritter]], Grafen oder Ministeralen an, wurde nach dessen Kampfweise gekämpft; klagte ein Ritter einen Knappen an, mußte mit der niedrigeren Kampfweise gekämpft werden, also zu Fuß oder nur mit dem Prügel... [[Prinzip]]: eine übernatürliche [[Kraft]] wird in einem streng ritualisierten Rahmen zur [[Entscheidung]] genötigt - was später zurecht als Lästerung kritisiert werden sollte\\ Bereitstellung einer [[Situation]], die nach menschlichem Ermessen nur einen möglichen Ausgang haben und nur durch ein [[Wunder]] einen anderen Verlauf nehmen konnte - einseitige Gottesurteile \\ - bestand in der Bereitstellung eines Rahmens, in dem Gott durchdirektes Eingreifen die [[Wahrheit]] an das [[Licht]] bringen konnte. ===== Das Beispiel des glühenden Eisens ===== „Kaiser [[Otto#Otto III.]] hatte zum Ehegemahl Maria, des Königs Tochter aus Aragonien, die ein [[Weib]] war, das sich der Unzucht nicht enthalten konnte. Sie warf ihre [[Auge#Augen]] auf einen jungen Edelmann. Dem mutete sie Unkeuschheit an. Er aber erschrak davor und riß sich von ihr los, wie er immer mochte. Als sie nun sah, daß sie von ihm verachtet würde, ergrimmte sie, maß ihm die Schande, die sie ihm angemutet hatte, gleichwohl unschuldigerweise zu und gab ihn bei dem [[Kaiser]] an, als hätte er ihr eine Unehre angemutet. Solches glaubte der Kaiser bald, wie denn die Männer zu solcher [[Eifersucht]] geneigt sind, und ließ ihn alsbald gefangen nehmen und ihm den Kopf abschlagen. Der Edelmann, als er sah, daß er [[sterben]] müsse, befahl seine Unschuld [[Gott]] dem Herrn, klagte es seinem Weibe und ging mit weinenden Augen zum [[Tod]]e. Da ihm sein Kopf abgeschlagen war, nimmt ihn sein Weib und küsset ihn. Es wird ihr auch nicht gewehret, dieweil sie sich billig zu betrüben hatte. Danach gibt sie acht auf den Kaiser. Als er sich zu Gericht setzt, läuft sie hinzu, heulet und schreit und begehrt, er wolle über öffentliche [[Gewalt]] und Unrecht, so ihr widerfahren wäre, das Urteil ergehen lassen. Und als sie sehr jämmerlich heulte und weinte, wandte sich der Kaiser zu ihr und fragte sie, wer sie denn beleidigt, wer ihr Gewalt angetan hätte. Du, sagte sie, lieber Kaiser; warf ihm mit diesen Worten ihres Mannes Kopf vor die Füße und sprach: Diesen meinen Mann hast du mir mit höchster Gewalt und [[Unrecht]] erwürgen lassen. Sie hatte auch zur Hand ein glühendes Eisen. Das faßte sie vor aller [[Welt]] in ihre Hände und hält es ohne Verletzung und sagt: ‚So wenig mich dieses glühende Eisen verletzt, also wenig hatte mein Mann [[Schuld]] an dieser [[Tat]], so ihm zugemessen ward.’ \\ Darüber entsetzte sich jedermann, der dabei stand, und gedachte daran, daß bei der Enthauptung des Edelmannes das [[Blut]] wie Milch zu [[sehen]] gewesen war.\\ Des verwundert sich der Kaiser, trachtet und forschet dem [[Handel]] fleißiger nach und kommt dahinter, daß der unschuldige Mann fälschlich von der Kaiserin sei angegeben worden. Da fuhr er aus Eifer für die [[Gerechtigkeit]] zu und befahl, man solle die Kaiserin verbrennen. Sich selber aber legte er eine große Buße auf, darum, daß er mit dem Urteil zu eilend und geschwinde verfahren, und stellte dem Weibe etliche Schlösser zu für ihren entleibten Mann.“ (aus: „Sachsenchronik“, zit. nach Helbing, Die [[Tortur]], S. 28/29.)