====== GOTTSCHED ====== ===== Johann Christoph Gottsched ===== 1700-66\\ Germanist\\ - setzte die [[Arbeit]] von Ratichius, Helvicus und [[Harsdörffer]] fort\\ - ist darum bemüht, das [[Deutsche]] als gleichrangige [[Sprache]] durchzusetzen → 1727 gründete er in Leipzig die „Deutsche Gesellschaft“, die ein Pendant zur Französischen Akademie sein sollte und die Absicht hatte, auf die ungebundene [[Rede]] zu wirken\\ - sah durch [[Wolff]] [[Ordnung]] und [[Sinn]] in der [[Welt]]: //Vieles läßt sich natürlich erklären; man halte sich an die einfachsten Erklärungen.//\\ - 1725/26 gründete er in Leipzig die erste Zeitschrift, die sich der [[Bildung]] der [[Frau#Frauen]] annahm: „Die vernünftigen Tadlerinnen“; er hielt diese [[Zeitschrift]] bis 1728\\ - vergleicht die [[Griechen]] mit den Römern und die Franzosen mit den Deutschen und sieht darin die [[Perspektive]] [[Deutschland]]s → er klärte die Satzstrukturen im Deutschen und schuf so die Grundlage für die anschauliche und frische Prosa in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts\\ - war ein diskreter Gast in leipziger Bordellen ==== Grundlehre ==== - [[Gott]] greift nicht in das [[Weltgeschehen]] ein - [[Deismus]] → [[Ursache und Wirkung]] sind gedacht im Verbund; die Welt erwies sich als ein [[Körper]], der im Verbund mit anderen Körpern in einer Art Himmelsmechanik zu denken ist ABER: Wie können [[Bewegung]] und [[Geist]] zusammengehen?\\ - zwei Säulen, die Gottscheds Lebenswerk ausmachen: * Hinwendung zur deutschen Sprache - Wegfall der Doppelkonsonanten\\ - wendet sich gegen die Mundarten und versucht über die Heranziehung vieler [[Gelehrter]] eine Sprachreform - deutsch statt //teutsch//, spiritus rector der süddeutschen Sprachreform\\ Seine Sprachreformversuche wollen eine der Vernunft gemäße Umgangsform der Deutschen ermöglichen. * französischer Klassizismus - sah im französischen [[Klassizismus]] eine Formmöglichkeit für das deutsche [[Theater]]\\ ABER: er übersah, daß es in [[Frankreich]] eine [[Literatur]] gab, in Deutschland dagegen noch nicht\\ - [[Boileau]], der französische Gottsched, fußte auf [[Racine]], [[Moliere]] etc. und schuf in diesem [[Bewußtsein]] ein Darstellungsprogramm\\ - im Boileauschen Sinne war Gottscheds [[Dichtung]] ein aus der [[Natur]] geborener Drang nach Mitteilung. Gottsched verknüpfte allerdings das lose Band zwischen Bühne und Literatur. Die [[Fabel]] ist eine mögliche Begebenheit, die moralische Absicht ist das entscheidende. Damit engt er die deutsche Literatur ein. \\ - verlangt die Einhaltung der drei Einheiten: Ort, Zeit und [[Handlung]]\\ - ist gegen den [[Hanswurst]] und wünscht keine Aufführungen von Opern\\ - die [[Norm]] soll sich an der besten [[Mundart]] orientieren, für Gottsched das Meißnische Sächsisch ==== Gottsched versus Bodmer/Breitinger ==== ^Gottsched^[[Bodmer]]/Breitinger^ |- [[Ideal]] ist die klare, natürliche, aber nichtsdestoweniger vernünftige Sprache – [[vernünftig]], insofern sie alle ausländischen Extravaganzen ausschließt und der Vernunft die letzte Kontrolle überläßt|- metaphorische Sprache, die gehoben und gespannt der Bildungskraft unterworfen ist| ==== Von Tragödien oder Trauerspielen ==== - die [[Tragödie]] hat ihren [[Ursprung]] aus Liedern, die dem [[Bacchus]] zu [[Ehre|Ehren]] gesungen worden → aus τράγως, Bocksfell und τραγούδι, Lied\\ - zwischen den Liedern trat ein Erzähler auf, einer der Wegbereiter des Theaters wurde [[Thespis]], der für den Erfinder der Theater gehalten wird\\ - durch [[Äschylos]] traten mehrere Erzähler gegeneinander an, die hinter Larven versteckt wurden\\ - [[Euripides]] erweiterte das Dargestellte um den [[Ernst]], währenddessen sie [[Sophokles]] zur [[Vollkommenheit]] brachte - erweiterte den [[Dialog]] zum Trialog...\\ → so entwickelte sie sich aus den besoffenen Liedern der Bauern zu ernsthaften und poetischen Stücken voller Tiefe, die in der [[Nachahmung]] einer kultischen Handlung in bezug auf vornehme Personen auch Unglücksfälle und Übertretungen thematisiert, wodurch der Zuschauer erschreckt und gereinigt wird\\ - der [[Chor]] entstand durch die Manifestierung der [[Öffentlichkeit]], die in der [[Antike]] stets an den wichtigsten staatspolitischen Handlungen beziehungsweise Entscheidungen teilnahm\\ - der Chor trat zwischen den Akten auf → die [[Zahl]] 5 scheint willkürlich, wiewohl ¼ Stunde für jeden Akt und ein Zwischenspiel durch den Chor das Schauspiel ca. zwei Stunden dauern lassen, welches eben die rechte Zeit ist, die sich ohne Überdruß einem Schauspiele widmen läßt → Gottsched verfällt einem [[Irrtum]], wenn er die fünf Akte antiken Ursprungs betrachtet, denn die [[Renaissance]] nahm die alten Pergamentrollen auf und bildete aus diesen Niederschriften die theoretische Theaterlehre samt ihrer 5-Akt-[[Theorie]]\\ - am wichtigsten für die Schaffung eines Theaters ist der moralische Lehrsatz, den der [[Autor]] beweisen oder exemplifizieren will; zu diesem [[Zweck#Zwecke]] dienen ihm alle Maßnahmen - die [[Suche]] nach der Fabel, die Suche nach Personen, denen ein ähnliches bereits geschah, Nebenpersonen...\\ - tritt für die aristotelischen Einheiten auf ([[Raum]], [[Zeit]], [[Handlung]]), weil sonst gegen die [[Wahrscheinlichkeit]] gehandelt werden würde\\ - Bewegung darf es in der [[Konstruktion]] der Fabel geben, weil z.B. unvermutete Glückswechsel vom [[Zuschauer]] als schön empfunden werden, αναγνώρισης \\ - in den [[Charakter|Charakteren]] darf es keine Widersprüche geben, d.h. ein Geiziger bleibt geizig, ein Verzagter verzagt etc., gleichwohl nur Hauptcharaktere, [[Cothurnus]], Charakter haben müssen\\ - die Lösung der dramatischen Knoten darf nicht durch ein Eingreifen Gottes geschehen, //Dea et machina//, der Beistand vom [[Himmel]] kann angerufen, darf aber nicht lösend wirken ==== Wertung ==== - viele nahmen Gottscheds [[Gedanke]]n auf, aber es gab heftiges Für und Wider\\ - Grundfrage bei der Gottschedrezeption: Wie kann man [[Wissenschaft]] begreifen?\\ → die von Gottsched angenommene Unveränderbarkeit des menschlichen [[Wesen]]s ließ ihn den Idealzustand der [[Kunst]] schon in der [[Vergangenheit]] [[ahnen]]\\ - bemühte die Antike als Gradmesser, als ersten Orientierungspunkt und stieß bei der nach Neuem suchenden [[Jugend]] so auf heftigen Widerstand; diese stellte die überzeitliche [[Bedeutung]] der Alten in Frage \\ - barg ebenso traditionelle als auch reformatorische - Vernunft in Dichtung, Himmelsmechanik...- Ansätze in der [[Ästhetik]] in sich;\\ - vielumstrittener Leipziger, der ebenso viele [[Element]]e traditioneller wie reformatorischer Ästhetik in sich barg (Mayer)\\ - sein Wirken zielte auf die grammatische Regelung und Feststellung der deutschen Schriftsprache in praktischem und literarischem Gebrauch, was er 1748 mit seinem Buch „Grundlegung einer deutschen Sprachkunst“ erreicht zu haben glaubte ([[Raumer]])