====== LESSING ====== ===== Gotthold Ephraim Lessing ===== 22. Januar 1729 Kamenz bis 1781 [[Wolfenbüttel]]\\ - wurde erzogen im Geiste Tillotsons\\ - in Breslau (1762/3) vollzog sich seine [[Reife]] vom Werden zum [[Sein]] ==== Lehre ==== - Lessing war Determinist und [[Freimaurer]]; er zog aus der Abhängigkeit des Sittlichen vom Intelligiblen [[Entwicklung]] (Aufklärungszeitalter) als einzig möglicher Konsequenz. Denn nur für den Deterministen hat die Erziehungsidee (der [[Gedanke]] der stetigen sittlichen Entwicklung) Berechtigung. So fällt in Lessings theodizistischem [[Denken]] alles [[Böse]] auf [[Gott]] zurück. Die [[Geschichte]] der [[Theodizee]] ist ihm die Geschichte des [[Idealismus]], weil das Wirkliche an einem [[Ideal]] gemessen wird. Später führte ihn das in mystische Spekulationen.\\ - durch [[Gleim]] kam Lessing zur Beschäftigung mit alten Barden und Skalden und stellte fest, daß unter jedem Himmelsstriche [[Dichter]] geboren werden und daß lebhaftes Empfinden kein Vorrecht gesitteter Völker sei ==== Theologie ==== - Lessing entwickelt eine spekulative [[Theologie]], aus der er eine praktische folgen läßt\\ 1. Schritt - Lessing übernimmt [[Leibniz]]' Denkmodell → der [[Glaube]] wird zum [[Wissen]] erkoren und durch selbiges gerechtfertigt\\ 2. Schritt - weil Gott IST, kann eine natürliche [[Religiosität]] entwickelt werden\\ - durch Glauben zum werktätigen [[Christentum]], insbes. wird [[Herrnhut]] vorgezogen - Lessing wendet sich gegen die Theologie der [[Aufklärung]], sowohl gegen die Orthodoxen als auch gegen die [[Deist|Deisten]], denn [[Jesus Christus]] ist kein Mittelwesen von Gott und Welt (socianische Lehre)\\ - betont die [[Trinität]] gegen alle Unitaristen und reformatorischen Deisten\\ - gegen die Orthodoxen führt er ins Feld, daß sie eine Scheidewand zwischen sich und der [[Welt]] zögen, damit sie ungestört von der Welt einen Weg gehen könnten → Lessing will diese Wand niederreißen und will aus vernünftelnden Christen unvernünftige Philosophen machen\\ - Glauben ist evident im Inneren und unabhängig von Lehrmeinungen ==== Briefe, die neueste Literatur betreffend ==== - Lessing wettert gegen die Frömmelei Bodmers und Wielands ([[Wieland]] wird strafend begleitet → sein erzählerisches [[Genie]] solle die christliche Schwärmerei verlassen und die Menschenkinder so beschreiben, wie sie sind) - eigentlich aber sind [[Bodmer]] und Wieland Lessings Mitstreiter zur Erneuerung der deutschen [[Literatur]]\\ - attestiert [[Klopstock]] den [[Mangel]] an sinnlicher [[Anschauung]] und epischer Ruhe ==== Emilia Galotti ==== 1772\\ [[https://studyflix.de/deutsch/emilia-galotti-zusammenfassung-4081|Inhalt hier]]\\ - ausgezeichnet durch die einzigartige Exposition; die Minen werden im ersten [[Akt]] gelegt. Das Stück ist allerdings ohne episch-retardierende Momente. (Regelmäßigkeit, Gleichmaß)\\ - die Grundfrage des Dramas ist die Verwirklichung von [[Recht]] und Gleichheit in der [[Gesellschaft]] → die [[Tragik]] besteht eben darin\\ - Lessing muß sich den [[Vorwurf]] gefallen lassen, daß er selbst sein aufgestelltes Maß, nachdem die schlechteste Art von Tragik die Intrigentragödie sei, durch dieses Stück durchbrochen hat\\ - //Emilia Galotti// ist eine Intrigentragödie, also eine subjektive [[Tragödie]], d.h. von der objektiven Tragödie verschieden\\ - es existiert eine Äußerlichkeit der [[Motivation]] (im [[Gegensatz]] zu [[Shakespeare]] handeln die Helden nicht aus einer inneren [[Not]], sondern diese Not wird durch Äußeres erzeugt) → keine inneren Gegensätze beziehungsweise notwendigen Gegensätze \\ - abstrakte Tugendlichkeit statt der zur Zeit Lessings modernen IDEALE des Bürgertums \\ - das Lasterhafte ist eine Sache des Hofes, nicht der Bürgerstube: das Stück thematisiert das Selbstwertgefühl des Bürgertums, zugleich das Konnubium des Hochadels, der unter sich bleiben will, zugleich aber Freuden des Lebens auf Kosten anderer für sich beansprucht\\ Odoardo, der Vater: das neue Humanitätsideal geht von der Loslösung vom Hofe aus → dort muß man sich bücken und schmeicheln, um etwas zu erreichen. Odoardo ist Träger des [[https://www.litwiss-online.uni-kiel.de/wp-content/uploads/2015/09/X.pdf|stoischen Tugendideals]]; er ist mitschuld am Tode Emilias.\\ Emilia: eigentlich liebt sie den [[Fürst#Fürsten]] (Prinz) === Rezeption === - viele der in diesem Stück auftretenden Figuren dienten als Vorbilder für spätere Stücke: * Odoardo: führt eine lange Liste derb-polternder, aber durchaus ehrsamer Hausväter an; * Claudia, die Mutter Emilias, schwach, aber auf die Karriere ihrer schönen Tochter bedacht; * Gräfin Orsina. das Vorbild zahlreicher mondäner und ehrgeiziger Frauen, die schwankenden Männern Konkurrenz machen (Safranski) - unstreitig ein großes Exemple der dramatischen Algebra, aber es stammt nicht aus dem [[Gemüt]] und vermag nicht in dieses vorzudringen; es fehlt doch an jenem poetischen Verstande, der sich in einem Guarini, [[Gozzi]], [[Shakespeare]] so groß zeigt (Schlegel) ==== Ernst und Falk ==== 1777\\ - freimaurerische Gespräche\\ - Lessing behauptet, daß er in [[Europa]] für die Amerikaner fechte und die Grille habe, daß der Kongreß eine Loge sei, daß da endlich Freimaurer ihr [[Reich]] mit bewaffneter Hand gründen ==== Erziehung des Menschengeschlechts ==== 1777\\ - § 73: interpretiert die Offenbarungsreligion als dem jeweiligen Entwicklungsstand der [[Menschheit]] angepaßte Erziehungsmaßnahme Gottes → ein drittes [[Zeitalter]] wird die Vernunft zum Maßrichter bestellen und der [[Mensch]] kennte dann seinen Weg durch die Vernunft, nicht durch Gottes [[Offenbarung]]\\ //Z. E. die Lehre von der Dreyeinigkeit. – Wie, wenn diese Lehre den menschlichen Verstand, nach unendlichen Verirrungen rechts und links, nur endlich auf den Weg bringen sollte, zu erkennen, daß Gott in dem Verstande, in welchem endliche Dinge eins sind, unmöglich eins seyn könne; daß auch seine Einheit eine transcendentale Einheit seyn müsse, welche eine Art von Mehrheit nicht ausschließt? – Muß Gott wenigstens nicht die vollständigste Vorstellung von sich selbst haben? d. i. eine Vorstellung, in der sich alles befindet, was in ihm selbst ist. Würde sich aber alles in ihr finden, was in ihm selbst ist, wenn auch von seiner nothwendigen Wirklichkeit, so wie von seinen übrigen Eigenschaften, sich blos eine Vorstellung, sich blos eine Möglichkeit fände? Diese Möglichkeit erschöpft das Wesen seiner übrigen Eigenschaften: aber auch seiner nothwendigen Wirklichkeit? Mich dünkt nicht. – Folglich kann entweder Gott gar keine vollständige Vorstellung von sich selbst haben: oder diese vollständige Vorstellung ist eben so nothwendig wirklich, als er es selbst ist &c. – Freylich ist das Bild von mir im Spiegel nichts als eine leere Vorstellung von mir, weil es nur das von mir hat, wovon Lichtstrahlen auf seine Fläche fallen. Aber wenn denn nun dieses Bild alles, alles ohne Ausnahme hätte, was ich selbst habe: würde es sodann auch noch eine leere Vorstellung, oder nicht vielmehr eine wahre Verdopplung meines Selbst seyn? – Wenn ich eine ähnliche Verdopplung in Gott zu erkennen glaube: so irre ich mich vielleicht nicht so wohl, als daß die Sprache meinen Begriffen unterliegt; und so viel bleibt doch immer unwidersprechlich, daß diejenigen, welche die Idee davon populär machen wollen, sich schwerlich faßlicher und schicklicher hätten ausdrücken können, als durch die Benennung eines Sohnes, den Gott von Ewigkeit zeugt.//\\ - der Mensch tut das Gute, weil er das [[Gute]] ist, nicht weil willkürliche Belohnungen darauf gesetzt sind, § 85 === Grundgedanke aller theologischen Schriften === - [[Bibel]] ist zwar [[Urkunde]], aber nicht Maß des Christentums oder gar das Christentum selbst\\ - [[Wahrheit]] ist in einem ewig währenden [[Prozeß]] zu finden\\ - Vernunftwahrheiten sind prozeduale Wahrheiten\\ Wähle den linken Apfel!\\ - der langsame Gang der [[Menschheitsgeschichte]] rechtfertigt die Frage nach der Wiedergeburt und nach der Seelenwanderung: Warum sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel weg, daß es der Mühe wieder zu kommen etwa nicht lohnet?\\ - Bonnet (//Palingenesies philosophiques//) schuf auf medizinischem Gebiet naturwissenschaftliche Denkvoraussetzungen → Lessing zieht Schlüsse: Was habe ich denn zu versäumen? Ist nicht die ganze [[Ewigkeit]] mein?\\ - die Geschichte ist eine zum Besseren → wird von einer festen [[Zahl]] an Seelen durchlaufen ==== Faust-Projekt ==== - der erste ernsthafte Versuch, diese Figur zu fassen\\ - Faust bricht aus dem Kerker der begrenzten Erkenntnissuche aus – die maroden sieben Künste der Akademieweisheit – und verbindet sich mit [[Luzifer]], um... ==== Hamburgische Dramaturgie ==== Hauptfrage: Wie ahmt die Dichtung [[Wirklichkeit]] nach?\\ - Lessing geht, wie [[Aristoteles]], von den gemischten Charakteren aus, diese bestimmen das Theater, nicht die [[Handlung]]. === Aspekte der Publikation === * der Charakter ist der Angelpunkt des Stückes; aus dem gelungenen Charakter folgt das gelungene Stück → Konsequenz - [[Streit]] mit [[Diderot]]; der zog die Handlung vor * die [[Katharsis]] ist das Ziel - durch Leidenschaften Leidenschaften reinigen, statt [[Schrecken]] [[Furcht]]\\ - Einhaltung der Spannungsebene Furcht - [[Mitleid]] * es leben die drei Einheiten, um die [[Wirkung]] zu erreichen - lachen, nicht verlachen, ist das Ziel der [[Komödie]] → die Lebensseele der //Hamburgischen Dramaturgie// ist die stolze [[Stimmung]] des Sieges über die Franzosen im Siebenjährigen Krieg ==== Henzi ==== 1749\\ Lessing stellt Gottsched nicht in Frage → Natur nicht ästhetisch, sondern [[moralisch]] auffassen, die Natur ist kunstlos\\ - erst die Verquickung von [[Kunst]] (Künstlichem) mit der Natur wird zum [[Kunstwerk]] ==== Laokoon oder die Grenzen von Malerei und Poesie ==== Das berühmte Denkmal schufen drei Rhodorianer ca. 50 v.Chr.. Es stellt einen Höhepunkt der spätklassischen Bildhauerkunst dar. [[Laokoon]] und seine beiden Söhne werden von den Göttern durch Schlangen getötet, weil sie die Trojaner vor dem Holzpferd warnten. === Grundgedanke === - die bildende Kunst ist an den [[Raum]] gebunden → sie kann nur punktuell erfassen\\ - die [[Poesie]] ist an die Zeit gebunden → sie entfaltet nacheinander, deshalb strikte Trennung __Item__: Wie steht es um die allgemein angenommene Gleichheit von Dichtung und bildender Kunst? **bildnerischer Künstler**: zuerst körperliche [[Schönheit]] anvisierend, es zählt der [[Augenblick]], **Raum als Maß**\\ **Dichter**: die körperliche Schönheit ist unerheblich, es zählt der [[Ursprung]], **Zeit als Maß**\\ ABER: Der Körper existiert nicht allein im, sondern auch in der Zeit, das bedingt eine Handlungsdarstellung in der Malerei, mitunter. Der Körper ist koexistierend zum anderen, die Handlung ist konsekutierend zur anderen. Das Häßliche verliert durch Beschreibung an Häßlichkeit, das [[Schöne]] verliert auch durch Beschreibung. Der agierende Mensch steht im Mittelpunkt der Betrachtung.\\ Die Natur darf man nicht ästhetisch, sondern moralisch auffassen. Die Natur ist kunstlos. Die Verquickung von Natur und Kunst macht den [[Begriff]] Kunstwerk aus. ==== Minna von Barnhelm ==== 1767\\ - (nord)deutscher Nationalgehalt, getragen von der Siegesstimmung gegen die Franzosen im 7jährigen Krieg\\ - Minna steht in der vordersten Front der Entwicklung bürgerlicher Wertvorstellungen\\ - der ehrenhafte [[Held]] wird kritisiert und entwickelt\\ - [[Liebe]] setzt alle äußerlichen Rücksichten außer Kraft\\ - Lessings Intentionen gingen gegen den stoischen Nichtlebemann Tellheim → muß seine stoischen Grundfesten vor Minna in der Alltagssprache rechtfertigen und tut sich sehr schwer, was zur allgemeinen Erheiterung führt\\ - Minna, eine der geistreichsten Frauengestalten der [[Weltliteratur]], will Tellheim und setzt alles daran ==== Miß Sara Sampson ==== 1755\\ - Anzeichen für einen Umschwung; weg von den Franzosen (Ablehnung der französischen Tragik)\\ - das erste deutsche Trauerspiel\\ - Lessing entwickelt die Lehre vom regelmäßigen Stück (nach Franzosen)\\ __Inhalt__: Durchbrechung der Ständeklausel. Mit Miß Sara Simpson haben wir ein erstes [[Werk]], das die Emotionalisierung der Beziehungen thematisiert. Die emotionale geht über die traditionelle Bindung. (vergleiche Soerensen) === literarische Vorlage === George Lillo „The London merchant“; die Queen war bei der Uraufführung zu [[Träne#Tränen]] gerührt\\ Die geschuldete Tochter fühlt sich als solche, obwohl sie es nicht ist. Sie erwartet Verstoßung aufgrund ihres hohen Tugendideals. ==== Nathan der Weise ==== 1779\\ eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur\\ - entspringt Lessings [[Gemüt]] und dringt wieder hinein → der schwebende [[Geist]] Gottes ist unverkennbar (Wirkung der [[Parabel]], die ohne [[Entscheidung]] endet: Der rechte Ring vermutlich ging verloren.)\\ - Lessing verlegt den Schwerpunkt der [[Tragödie]] aus dem Lehrbegriff in das sittliche werktätige Handeln\\ - das [[Hohelied]] der [[frei]] in sich selbst ruhenden Menschennatur\\ - Wie gelingt es, die Welt des Kopfes in die Welt der Herzen zu bringen? → Versuch einer Antwort zu dem [[Problem]], daß reine Begriffe die Schwierigkeit haben, nicht in die Herzen zu gelangen\\ - Lessings Auseinandersetzung in religiöse Fragen gipfelt in dem [[Schluß]], daß die Geistesgegenwart des [[einzelne#einzelnen]] vor dem [[Untergang]] vieler retten kann. Allein die menschliche [[Praxis]] der [[Religion]] ist der Gradmesser der Güte und Wahrhaftigkeit: Es strebe jeder von euch um die [[Wette]], die Kraft des Steines zu offenbaren.\\ - unsere Ergebenheit gegenüber Gott ist nicht abhängig von unserem Wähnen über Gott __[[Ring]]__: [[Zeichen]] des Besitzes der allgemeinen Oberhoheit, der allgemeinen Beliebtheit\\ Nicht das [[Blut]] allein schafft das kräftigste Band, sondern das Tun. === Entstehungsgeschichte Nathan === {{:nathanhettner1.jpg?660|}} {{:nathanhettner2.jpg?660|}} ==== Philotas ==== 1759\\ - der Freitod des Prinzenhelden zerstört einen möglichen Verständigungsfrieden und liefert einen [[Staat]] der Erpressung eines anderen aus, zudem zerstört er die [[Sprache]] zwischen Vater und [[Sohn]]\\ - ein Held alten Musters, der im [[Krieg]] eine [[Möglichkeit]] sieht zu glänzen ==== Was ist Aufklärung? ==== 1779\\ - setzt die Offenbarung gegen die [[Aufklärung]], denn die [[Offenbarung]] ist die [[Erziehung]] des gesamten Menschengeschlechts\\ - Offenbarungen besitzen Werdecharakter ==== Wie die Alten den Tod gebildet ==== 1769\\ - eine der wärmsten antikischen Kampfschriften gegen das [[Mittelalter]]\\ - [[Trost]] des Sterbenmüssens: Austausch von [[Emblem#Emblemen]], mit der [[Verschiebung]] von Stundenglas und Hippe zugunsten eines schönen Frauenbildes → der [[Genius]] mit gesenkter [[Fackel]]\\ - Lessing erneuert die Gleichung [[Tod]] = [[Schlaf]] auf der Grundlage der Leibnizschen Einfaltung (//involutio//), aber er trieb die letzten Reflexe auf die gotische Entfaltung aus dem Todesbild aus\\ - die Religion bringt [[uns]] auf das Schöne und [[Richtige]] zurück ==== Wertung/Rezeption ==== Durch ihn gibt es in [[Deutschland]] eine nationale Literatur. Lessing ergreift die Widersprüche seiner Zeit und bringt sie an den einzigen Ort, der in Deutschland dafür offene Ohren fand, ans Theater. Bis zu Lessing galten die Kritikgesetze der [[Antike]]; nunmehr wird die konkrete Gesetzlichkeit im Volke gesucht und damit in der [[Gegenwart]].\\ Lessing fixierte die Umwandlung seiner [[Epoche]]; er war einer der Protagonisten des Bildungsumschwunges. Lessing nahm die freien Wissenschaften in Besitz und führte sie in die allgemeinen Sitten und in das Denken ein. Die [[Bildung]], die sich bislang streng an den Franzosen orientiert hatte, wandte sich dem eigentlichen Naturell der Deutschen zu und suchte einen neuen Orientierungspunkt, den Lessing in den Engländern ausmachte. Die französischen Nationaldichter verwandten das mit dem französischen [[Naturell]] verwachsene antike Formgefühl, da dies in deutscher Übersetzung nicht darzustellen war, weil die Deutschen keine Ausdrucksform besaßen, die dem entsprach, folgte platte [[Unverständlichkeit]] oder Manieriertheit. Lessing machte mit seiner [[Orientierung]] dem ein Ende und ist so einer der Protagonoisten des klassischen Zeitalters der deutschen Literatur.\\ Er wirkte auf die juristische Praxis „durch seine mit sprachlicher Klarheit vorgebrachten kritischen Gedanken zum [[Verhältnis]] von Recht, [[Politik]] und [[Moral]].“ (J. Heller)\\ - sagte nicht alles, was er dachte, aber dachte alles, was er sagte ([[Kant]])\\ - hat am schärfsten und liberalsten über die Kunst gedacht ([[Schiller]])\\ - seit Lessing wird die deutsche Sprache nicht mehr nur antiquarisch-[[historisch]] betrachtet, sondern auch ästhetisch-poetisch (Wilke) === Thesen === * Lessing verbindet Volkstümlichkeit und künstlerisches Ideal. * Lessing besitzt eine Vorliebe für antithetische Wendungen. * Lessing ist ohne Gottsched nicht denkbar - die Antithese nicht ohne die These. * Das Bleibende erwächst aus der Zeit, es ist nicht für alle Zeiten bestimmt. === zu seinen Dramen === - seine Helden handeln durch den moralischen [[Affekt]], der die Sprungfeder ihres [[Wesen#Wesens]] ist __Beispiele__:\\ 1. Komödie (Minna) → Held gerät moralisch in [[Widerspruch]] zu den zarten Regungen der Liebe\\ 2. Tragödie (Emilia) → Held gerät in den Widerspruch mit dem Eingriff in die [[Autonomie]] des Willens, indem er seine Tochter tötet, um ihre sittliche Unschuld ([[Freiheit]]) zu bewahren\\ 3. Lehrstück (Nathan) → Held gerät in Konflikt mit religiösem [[Fanatismus]] und besiegt ihn durch kluge [[Humanität]]\\ - alle Helden erkennen keine [[Macht]] des [[Schicksal#Schicksals]] über sich an, d.i. ein eminent wichtiger [[Unterschied]] zu Shakespeare und Schiller\\ - Lessings Komödien fehlt die Verwegenheit der Laune und die sorglose Benutzung des Zufalls, d.i. das Fehlen der Leichtigkeit\\ - Lessings Tragödien fehlt die innere Entwicklung des Wahns, die den Helden zerrüttet ([[Dilthey]])\\ - seine Komödien büßen den geistlosen [[Charakter]] ihrer Natur \\ - beobachtet ungleich besser als [[Leisewitz]]; war der Aufseher seiner Helden\\ (Schiller)\\ - sein sittliches Selbstentscheidungsdrama hält an der [[Harmonie]] des Weltganzen fest\\ - der [[Mensch]] steht seiner Gewissensautonomie im Widerspruch zur [[Umwelt]] (von Wiese) === zu seiner ästhetischen Theorie === - Lessing dient als [[Basis]] die [[Poetik]] des Aristoteles\\ - seine Fabeln und Epigramme basieren auf der [[Regelpoetik]], d.h., ein allgemeiner moralischer [[Satz]] wird auf einen besonderen Fall zurückgeführt\\ - Lessing geht vom [[Mittel]] aus, dann schafft er Farben und Formen; in zweiter Linie bleibt er innerhalb des Mittels, d.h., er sucht nach [[Rhythmus]], Melodie und [[Wort]]\\ - verschiedene Techniken dienen der Analyse bereits bekannter Dichter, deren Techniken er sich so anzueignen hofft\\ - am Anfang seiner Werke steht die psychologische [[Analyse]], deren Ergebnisse er auf den [[Stoff]] überträgt (Dilthey) ===== Theodor Lessing ===== 1872-1933\\ [[Philosoph]]\\ - entwickelte die //Philosophie der Not// gegen die Philosophie der [[Tat]], ohne jedoch diese Ideen in einem abschließenden [[System]] zu verifizieren → [[Not]], Schmerzen, Leiden (d.i. Lessings Trinität), woran Gewicht, [[Notwendigkeit]] und [[Zusammenhang]] zu prüfen sind\\ - faßt Überzeugungen als Gegenwartsbewußtsein der [[Unvollkommenheit]] und sieht das Disparate als Wesensmerkmal historischer [[Vergegenwärtigung]] → jeder glaubt zu jeder Zeit, er lebe im Übergang\\ - verweigerte die [[Kommunikation]] mit wesensverwandten Philosophien\\ - glaubt an die Erzeugung des Emotionellen, indem sich ins andere [[Ich]] versenkt wird\\ - in ihm balgen sich der [[Moralist]] und der [[Zyniker]] um die jeweils angemessene Diktion\\ - glaubt nicht, daß sich der Rang/[[Wert]] einer Theorie daran messen läßt, wieviel [[Würde]] sie aus dem [[Gegenstand]] des von ihr bestimmten Denkens schöpft\\ - Bezug zu [[Valery]] [[möglich]] ==== Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen ==== - ein luziferisch kühner Versuch, ergreifend in seiner bleichen Nichtschönheit und eisklaren Logizität, vielleicht der erste, die Frage, was denn eigentlich Geschichte sei, zu Ende zu denken\\ - gelangt zu dem gleichen Ergebnis wie [[Spinoza]] in der [[Naturphilosophie]]: zum [[Nichts]], d.i. ein kalter [[pyrrhos|Pyrrhussieg]] des Geistes, der im Selbstmord seinen letzten Triumph feiert\\ - ein großes, abscheuliches Werk, voll von giftigen Tiefgasen (Friedell) === Grundidee === - durch die Geschichte zieht sich ein Zusammenhang von Ursachen, der sich in der Zeit nicht unmittelbar und ohne menschliche Zutat offenbart\\ - Geschichte ist Stiftung dieses Sinnes; die Setzung von Zusammenhängen, die Erfindung dieser Entwicklung\\ - gibt der Welt ihren Sinn, den sie ohne Mensch nicht hat