====== MANN ====== - von [[Natur]] zur Herrschaft über das [[Weib]] gesetzt → muß in [[Ehe]] diese Herrschaft erweisen ([[Aristoteles]])\\ - [[Genuß]] des [[Augenblick]]s\\ - [[subjektiv]]-individualistisch\\ - physische [[Kraft]] \\ - bedarf geoffenbarter [[Mysterium#Mysterien]], weil nicht gegeben, sondern gemacht ([[Bachofen]])\\ - Klarheit, [[Objektivität]], aber seine [[Seele]] vermag sich nicht durchzusetzen → bleibt unfrei ([[Bäumler]])\\ - ist entweder ein [[Hase]], ein Stier oder ein [[Pferd]] (Gordon)\\ - gebärunfähige Variationen-Generatoren mit der einzigen biologischen Aufgabe, Vielfalt in die Population zu bringen, während weibliche Säuger relativ einförmige Eizellen beisteuern (Kutschera)\\ - [[Titan]], [[Prometheus]], [[Arier]]\\ - bei dem Versuch, über den [[Bann]] der [[Individuation]] hinauszuschreiten und das eine Weltwesen [[selbst]] sein zu wollen begeht er den titanisch-notwendigen [[Frevel]] des strebenden [[Individuum#Individuums]], d.i. ein [[Urphänomen]] ([[Nietzsche]]) ===== Ernst Mann ===== um 1930\\ [[Schriftsteller]]\\ - trat im Sinne der [[Nationalsozialismus#nationalsozialistischen]] Euthanasieüberlegungen für entsprechende Handlungen bei Kranken ein und führte seine Überlegungen publizistisch aus → Teilvorstellung dessen im [[Reichstag]] durch den kommunistischen Abgeordneten [[http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w5_bsb00000129_00088.html|Gräf]] ===== Mann vs. Frau ===== - durch den Mann erhält die Frau das [[Leben]] (Bachofen)===== gemeiner Mann ===== - der [[Bauer]], der [[Bürger]] der landsässigen [[Stadt]], der von reichsstädtischen Ämtern ausgeschlossene Städter, der Bergknappe (Blickle) ===== Heinrich Mann ===== 1871-1950\\ - kein [[Ziel]] in der Biederkeit der Lübecker [[Patrizier]]\\ - [[Italien]]: um 1890 [[Erlebnis]] des ewig jünglingshaften Volkes\\ - Sympathie für das Renaissancebild [[Nietzsche]]s: Geschichtsbewußtsein\\ - [[Begeisterung]] für die italienische Malerei: Einfluß des Pittoresken \\ - Loslösung vom determinativen Kausalismus \\ Thomas: Heinrich ist Civilisationsliterat → [[Zivilisation]]: u.a. Klopapier; Kultur: u.a. Beethoven ==== Geist und Tat ==== 1910\\ - der Autoritätsmensch muß der öffentlichem [[Bewußtsein]] entspringende Feind sein\\ - die [[Vollendung]] des Geistes: [[Wahrheit]] und [[Gerechtigkeit]] ins öffentliche Bewußtsein transportieren\\ Deutschland: was anderswo gemacht wurde, hat man in der [[Theorie]] bereits überholt\\ - Deutschland hat keine große [[Nation]], weil sich alles in den großen Männern ausdrückt. Der Typus des geistigen Menschen muß der herrschende werden. → hieran knüpft sich Thomas Manns Kritik ===== Thomas Mann ===== 1875-1955\\ [[Schriftsteller]]\\ - las selektiv und assimilatorisch, wiedererkennend: das [[fremd#Fremde]] wird Eigenes (Dierks)\\ - fühlte sich von der [[Psychoanalyse]] lange (erstmalige Lektüre Freuds 1925/26) beunruhigt, verkleinert, sah eine Verletzung des Geheimnisses seiner Schöpfertat: mißbräuchlich ins [[Volk]] gebracht kann die Psychoanalyse zu einem Instrument boshafter [[Aufklärung]], einer kulturwidrigen Manie der Enthüllung und Diskreditierung werden \\ - das sinngebende [[Prinzip]] seiner [[Dichtung]]: der politische Kampfruf der [[Humanität]] → der [[Mensch]] muß gedacht werden als ein dynamisches [[Drama]] zwischen [[Körper]], [[Seele]] und [[Geist]], als existierende Einheit und organische Totalität\\ - das Sehnsuchtsmotiv seiner Helden ist der Übergang von Bindung und [[Form]] in Unform (Hamburger) ==== Betrachtungen eines Unpolitischen ==== 1918\\ - scharfe Abgrenzung von H.Mann - der sei französisierend\\ - warnt vor Umfälschung des Geistbegriffs; führt zur [[Terror]] der [[Vernunft]] → Unterscheidung von Geist und [[Politik]]\\ - [[Opposition]] von [[Freiheit]] und Stimmrecht; Kunst und Literatur; Seele und Gesellschaft\\ - Betonung der Rollenverteilung gewachsener nationaler Kulturen - Differenz selbiger\\ - Integrität der vielen Nationen durch Eigentümlichkeiten: [[Synthese]] der vielen\\ - die Demokratisierung des [[Reich#Reiches]] ist nicht aufzuhalten, aber vielleicht gelingt es, Dichtung, Musik und Philosophie weitgehend von politischen Einflüssen freizuhalten, so, wie das bislang geschah ==== Buddenbrooks ==== - Darstellungsform: ererbter, lebensnaher [[Naturalismus]] (Berger)\\ - [[sterben]] aus, weil sie geschwächt und degeneriert den Forderungen des Lebens nicht standhalten können\\ - musikalischer [[Pessimismus]] [[Schopenhauer]]s, dazu die Verfallspsychologie Nietzsches → bilden Allgemeingut der [[Zeit]] und sind für Lübeck nicht spezifisch (Hamburger)\\ - geistig-seelische Selbstbewältigung \\ - der Verfall als [[Leitmotiv]] wird schließlich zum Schicksalsthema \\ - der [[Tod]] wird als [[Möglichkeit]] begriffen, zum Gegenteil der Möglichkeiten, dem [[Leben]], zu gelangen \\ - Dekuvrierung der die Humanität zerstörenden Tendenzen der bürgerlichen Gesellschaft (Hermsdorf) === Personen === == Johann sr. == - gesunder [[Egoismus]] und Tatkraft\\ - von moralischen Skrupeln verschonter, ungestörter Lebensgenuß == Johann jr. == - zwischen [[Geschäft]] und Religion nicht fest stehend\\ - uneindeutig in allem == Thomas == - das geistige Prinzip siegte zuungunsten des Lebensprinzips\\ - übertrieben elegant, feingeschliffen → lebensuntüchtig\\ - Dekadenzphänomenologie;\\ - federhalterkauernder Ästhet, der sich bei Lampenschein das Hirn mit nervenaufreibenden Problemen martert\\ - sein Tod ist [[Zufall]] (Zahnverlust), nicht strukturell und ästhetisch-innerer [[Ausdruck]] → Gegensatz zum [[Wahnsinn]] Myschkins bei [[Dostojewski]] ([[Rosenberg]]) ==== Essay zum Frühwerk ==== Dualismus von [[Künstlertum]] und Bürgerlichkeit. Sind das Kernbegriffe des jungen Thomas Mann? Das vorliegende [[Essay]] ist ein Tappen im Dunkeln des Labyrinths eines nur erahnbar Genauen, als das der Autor Manns Dichterwerk ansieht. Derweil könnte man gerade das [[Gegenteil]] davon annehmen, denn reflektierte Mann nicht selbst oft genug über seine Arbeiten? Viele Interpreten tappten deshalb in Manns Texten herum, um biographisch auszudeuten. Sie glaubten sich mit folgenden Argumenten ausgestattet: \\ - Das literarische Werk Thomas Manns wird getragen von bestimmten Konstanten - werden im Laufe der [[Arbeit]] noch deutlich -, die sich in immer neuen Modifikationen thematisieren. Es sind die wechselnden [[Perspektive|Perspektiven]], die Gestaltung finden, seinen [[Geist]] uns dartun und im Vexierten doch [[Verständnis]] herbeiführen. Man ist das Versteckspiel von ihm gewohnt, erwartet es geradezu. Das ist ein Indiz für die auf der Hand liegende lebensnah gefärbte Betrachtung des Dichterwerks. - In Manns Anfangsschaffen offenbart sich eine enge Verknüpfung von Lesen und Schreiben. Manns Forschen umkreist in den [[Jahr#Jahren]] bis 1918 vor allem die Antithesen von [[Leben]] und [[Geist]], [[Bürger]] und [[Künstler]] und schließlich Literat und [[Dichter]]. Er sucht in den Schriften der [[Vergangenheit]] und [[Gegenwart]] philosophische, [[Schopenhauer]], und ästhetische, [[Goethe]], [[Tolstoi]] und [[Fontane]], Erklärungen, die in unmittelbarer Anwendung zu poetischen Bildern in seinen ersten Arbeiten führen. Das Augenscheinliche des jungen Manns ist Verzicht auf einen Konsens. Diesen Schritt wagt er erst - gereift? - 1918 in den „Betrachtungen“. Der junge Thomas Mann leistet Verzicht; seine Dichtungen sind Verdichtungen der genannten philosophisch-ästhetischen Väter, die oftmals ein konkurrierendes [[Dasein]] unmittelbar nebeneinander führen. Wollen wir nun genauer prüfen, inwiefern diese Annahmen ungerechtfertigt sind: Manns Begriff vom „Leben“ ist [[Dilthey]] geschuldet und verbindet sich mit dem Bürgerlichen, einer bestimmbaren ethisch-moralischen Haltung, die ihren festen [[Grund]] im pragmatischen [[Naturell]] des vernünftigen Schaffens besitzt. Leben ist Anwendung pragmatischer Grundsätze. Im Leben stehen heißt, [[vernünftig]] zu sein: Das [[Gebot]] der [[Nützlichkeit]] jeglichen Handelns, verbunden mit [[Fleiß]], Sparsamkeit und unbedingter Pflichterfüllung, ist seit dem 15. Jahrhundert höchstes [[Ideal]] bürgerlicher [[Tugend]]. In Opposition dazu steht das „Künstlertum“, welches sich an ästhetischen Maßstäben orientiert und alles Erleben dem reflektierenden Geist unterordnet. Und eben diese Schwierigkeit der Trennung ist es, die Mann über lange Jahre beschäftigt. Die Antithese ist ohne die These nicht denkbar, Leben bedarf des Geistes, [[Bergson]], der Künstler des Bürgers, der Ästhet des [[Dilettant]]en, der Mensch des [[Teufel#Teufels]], der Mann des Weibs. Mann laviert zwischen den [[Phänomen]]en umher und versucht, sie in akzeptablen poetischen [[Bild]]ern zu manifestieren, bezieht das seiner [[Zeit]] gegenwärtige Schaffen - décadence, [[Ästhetizismus]], [[Dilettantismus]] - mit ein, vergißt darüber jedoch nicht, seine [[Wurzel#Wurzeln]] in den Altvorderen festzumachen. Einmal in die Tiefen geschaut, findet er sich wieder und beschreibt die Verästelungen eines [[Baum]]es, dessen Wurzeln vom Geist aus nicht allzuferner Vorzeit gespeist werden. Somit wird schon in den Jahren vor 1918 Manns konservative Weltsicht deutlich. Einen Fixationspunkt dieser Auseinandersetzung mit den genannten Begriffen bildet seine Novelle „Tonio Kröger“ 1903, mit der ich mich jetzt näher beschäftigen möchte: __1. These__: Das Nebeneinanderbestehen von eigentlich unversöhnlichen Positionen ist das wesentliche Wirkungsprinzip der [[Novelle]]. Mann geht es nicht um eine Versöhnung des Künstlers mit dem Bürger, um eine [[Aufhebung]] der [[Antinomie]] Kunst-Leben.\\ Mann vermochte es, bereits von seinen frühen Arbeiten komfortabel zu leben. Sein Arbeiten ist Produktion, Produktion von Kunst. Mit stetigem Fleiß und entsprechendem Arbeitsethos schafft er Kunst-Werke von höchster [[Qualität]]. Das ist Bürgerlichkeit im künstlerischen Schaffensprozeß. Doch ist diese Bürgerlichkeit des Künstlers verallgemeinerbar? Anders gefragt: Hat Thomas Mann jemals eine Aufgabe bürgerlichen Lebensformen ernstlich erwogen, z.B. im Falle ausbleibenden [[Erfolg]]s? Ist seine Problematik der Antithese Künstler-Bürger nur ein Experiment im Geiste, ein Vaihingersches „[[als ob#als-ob]]“?\\ In „Tonio Kröger“ gestaltet er auf exemplarische Weise die inneren Widersprüche im Typus des deutschen Bürgers aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, der am Ende eines zeitlichen Kontinuums steht, gleichsam mit einem Fuße noch in tradiertem [[Pathos]] schaffen muß und andererseits entbürgerlicht Schaffen im künstlerischen [[Prozeß]] sublimiert. Aus dem tagtäglichen Produzieren eines meßbaren Wertgegenstandes wurde die [[Repräsentation]] des Geistes in nicht [[klar]] definierbarer Unbemeßbarkeit. Mißt jetzt der Bürger als Künstler den Künstler als Bürger mit den Wertvorstellungen seiner [[Herkunft]], so entsteht der Eindruck des Morbiden, der Zerrissenheit und des Verfalls. __Anmerkung__: Die Künstler entstammten dem [[Bürgertum]]. Die Arbeiter hatten keine Zeit und keine Ausbildung zum Künstlertum, der [[Adel]] hatte sich schon längst überlebt, gleichwohl selbst zu Zeiten einer kraftvollen Aristokratie Künstler selten Adelsschößen entsprossen. Wohlgemerkt, bei dieser Perspektive. Mann läßt sie zu, läßt sie stehen und wertet nicht neu. Nicht in seinem Frühschaffen. Die [[Ding#Dinge]] haben gleiches Gewicht. In seinen jungen Jahren entstand eine künstlerische [[Tendenz]] namens „décadence“, ein sich tragendes [[Bewußtsein]] von betroffener Weltferne gepaart mit Verlustängsten, Lebensferne durch Sinnenverlust, kompensiert durch Ausschweifungen und Stimuli etc. Stefan [[George]] und Rainer Maria [[Rilke]], vergleichbare Autoren dieses Zeitalters, entschlossen sich zur punktuelleren Darstellungsform, der [[Lyrik]]. Die Mannschen Narrationen bedurften eines größeren Raumes und fanden ihn in den Möglichkeiten der [[Epik]], als da wären * zeitabhängige Entwicklung; * Hinausgehen über Dramatisierung beziehungsweise alleinige [[Reflexion]] von [[Geschehen]] im lyrischen [[Ich]]; * Prozeßhaftigkeit von Geschehen auf mehreren Ebenen. Mann nimmt einerseits Anteil an den Wirrnissen seiner [[Klasse]], ist tatsächlich betroffen, doch andererseits schwebt er schon in einiger Höhe in seiner Riesenradgondel, so daß es ein als-ob bleibt, er auch nicht existentielle Gratwanderungen durchmachen muß: Er bleibt der Augenzeuge aller historischen und prähistorischen Zeiten, die sich in modifizierendem Gewande alten Inhalten annähern und deshalb geschaut werden können, bleibt bei Konstanten, die der Leser erwartet und die jederzeit abrufbar sind. Deshalb kann er die Antinomien nicht auflösen zugunsten einer von beiden, wagt nicht den dialektischen [[Schluß]] zu einem Dritten. Das widerspräche Schopenhauer und entspräche [[Hegel]], zu dem Mann zeitlebens keine Beziehung aufbaut. Die Spannung seiner Schriften entspringt dem Beibehalten der Widersprüche. Der Leser wird in der sich ausloten wollenden Spannung gehalten, gewinnt in den Darstellungen breiteste Flächen und tiefste Räume, auf die sich's vorzüglich projizieren und in denen sich's phantasieumschlungen träumen läßt. So ergibt sich auch die [[Form]], das Epische.\\ Ein zweiter Aspekt dieser Art von Weltbewältigung ist im [[Zeitgeist]] auszumachen. Es galt damals, den Widersprüchen [[Gerechtigkeit]] widerfahren zu lassen, sie nicht aufzulösen in einem //tertium comparationis//, einem vermittelnden [[Ausgleich]] von Interessen, wie dies heute oftmals als der [[Weisheit]] letzter Schluß gefeiert wird. Thomas Mann, der Künstler, ist kein unter den äußeren Zuständen seiner [[Gegenwart]] Leidender, sondern ein [[kosmisch]] Suchender, der zwar traurig ist über die immer wiederkehrende Eintönigkeit des Alltags, doch in seiner traurigen Einsamkeit den Geist ausdeuten kann. Thomas Mann, der Bürger, war ein Gefolgsmann [[Bismarck]]s, ein Bewahrer und Achter des Bestehenden, ganz gleich wie es sich zu gerieren gedachte. Nun, „Tonio Kröger“! Eine Novelle. Eine [[Möglichkeit]], in nicht ausgreifendster Form darzustellen, also zu experimentieren ohne letzte Verbindlichkeit. Das ist dekadent. Es befriedigt persönliche Bedürfnisse und stellt sie in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Mann reizt diese [[Stimmung]] im Ausgang des 19. Jahrhunderts, sie spiegelt seine eigenen Interessen wider wie sie das [[Zeitalter]] wiedergab. Er bewegt sich gegen sich selbst, aber auch gilt es zu sichern und zu bewahren. Zwar stören Mann einsame, empörte und von innen verzehrte Künstler, die hungrig und stolz im Zigarettenqualm mit letzten und wüsten Idealen ringen, doch er ist sensibel genug, um die Doppeldeutigkeit auch seines künstlerischen Wollens in historisches Kolorit, vergegenwärtigte [[Vergangenheit]], tauchen zu können und in diesen Dekadenten eigene Wurzeln zu mutmaßen. Er fühlt sich verspätet und besitzt dennoch den [[Wille]]n zum Leben, was ihn Künstler sein läßt. Sein [[Profit]] soll sublimiert sein in die Aufgabe der [[Verantwortung]]. Das ist mehr als die bloße l´art pour l´art-[[Courtoisie]] des radikalen Ästhetizismus. Doch das Bewußtwerden von Verantwortung ist eine spätere ironische [[Wendung]] im Mannschen Schaffen, die uns jetzt nicht interessieren soll. \\ Nun, „Tonio Kröger“!! Eine Neuigkeit. Formen wir sie in einen [[Satz]] um: **Die Kunst ist eine Sache des Lebens**, könnte dieser Satz lauten. Und jetzt wollen wir nicht im Mannschen Leben nach etwaigen Verbindungslinien suchen. Die setzen wir als gegeben voraus. Wie alle Menschen trägt ihn zuerst eine Art von Zerfallensein mit seiner eigenen sozialen Bestimmung in die Welt. Er sucht. Er hält [[Distanz]], sprachlich manifestiert in der berühmten Ironie. Demungeachtet sucht er das Gegenteil, [[Herz]] und Würde. Er betrachtet; ungeachtet dessen sind es die Betrachtungen von Künstlern, die er mitteilt. So bricht sich die Distanz zugunsten von Sensibilität und [[Humanität]]. Ein einfühlsames Herz wird zerrissen von der kalten Welt, teilte es sich einfühlsam mit. Das Bild des kaltsinnigen Egoisten auf der einen und des feinnervigen Suchenden auf der anderen Seite; zwei Pole, die ihre Existenzberechtigung durch beidseitig geführte [[Ironie]] zugesprochen bekommen. All das sind Versuche zur Selbstbestimmung und Selbstbestätigung, mehr nicht und weniger auch nicht.\\ Nun, „Tonio Kröger“!!! Ein Fixationspunkt. Ein anzutreffender Mensch am Ausgang des vergangenen Jahrhunderts. Vielleicht hat Mann ihn selbst getroffen auf einer längeren Wanderung, vielleicht später als Aschenbach, da sein Weg ihn nach [[Italien]] führte, den Nordländer ins Sehnsuchtsland der [[Deutsche#Deutschen]] schaffte? Vielleicht wollte er der geographischen Dopplung seines Herkommens einen [[Nomen]] geben und äußerlich Teilhabe zelebrieren, vielleicht Zerrissenheit symbolisieren, vielleicht vielleicht vielleicht... Zwei Konstanten sind festzustellen: Erlebnishunger und die Gedankenwelt des Künstlers. Es ist das warme, holde, törichte Leben, wie es als [[Gegensatz]] dem Geiste gegenübersteht, das Mann manifestiert. Ein moderner Mensch steht da auf im „Tonio Kröger“, wahrlich ein gedoppelter als Angehöriger beider Welten, der eine nicht um der anderen Willen überwinden kann, was mancher Heiliger noch zu tun imstande gewesen. Der moderne Mensch kann es nicht mehr und belächelt alle, die es können, denn ihm ist Überwindung Verlust von [[Schöpfer]]kraft. Ja, der moderne Mensch ist Angehöriger beider Welten, der des Willens und der der [[Idee]]n. Im Finden dieses Zwiespalts findet der Künstler [[Ruhm]] und [[Not]], [[Armut]] und Existenz, [[Erkenntnis]] und Grenze. Es ist dies die Zeit, da für Thomas Mann Schopenhauer und [[Nietzsche]] zusammenfließen. War der [[Trost#metaphysische Trost]] zum Ende der „Buddenbrooks“ noch ganz und gar im Geiste Schopenhauers geschrieben, so tritt uns in der Modifikation des verirrten Bürgers in „Tonio Kröger“ eine schon beinahe glatte [[Figur]] im Geiste Nietzsches gegenüber, eine Figur, in der die Objektivationen des Willens mit denen der Erkenntissuche zusammenfließen und den neuen Künstlertypus bestimmen. Ergebnis ist der schaffende Künstler, der am Menschentum der Gegenwart verzweifelt, denn die will nicht begreifen, daß die Klüfte zwischen unreflektiertem Erleben und der Welt aus Wissen und [[Verstehen]] die Not des Künstlerdaseins ausmachen. \\ Die Entstehungszeit der Novelle ist gekennzeichnet von Manns [[Angst]], ein Eckensteherdasein zu fristen, sehnsüchtig auf die vom Geist Unbeschwerten hinüberzuschauen, welche quasi die Antinomie zu seinem ängstlichen [[Selbstverständnis]] jener Jahre bilden. Die Sehnsucht bezieht sich jedoch nicht auf die Unbeschwerten selbst, sondern auf das Leben selbst, welches ihm einerseits Stoff zu bieten und andererseits [[Kraft]] genug für die andere Seite zu erbringen hätte. Mann sehnt sich zeitlebens nach dieser Kraft, da er des Geistes voll genug sich schien, woraus ein anderes [[Thema]] immer wiederkehrt: Einsamkeit. Doch ist die naheliegende Folgerung ins [[Allgemein#Allgemeine]], ein allgegenwärtiges Niedergehen der [[Gesellschaft]], als ein Thema Manns, nicht korrekt beobachtet. Die bürgerliche Welt ist bis heute nicht selbstvernichtet, schon gar nicht durch die in Manns Werken bestenfalls ein Randgeschehen einnehmenden Personen aus den unteren gesellschaftlichen Schichten. Nein, der allgemeine Niedergang kann nicht das alles überlagernde Thema sein. Es muß ein übergesellschaftliches [[Problem]] sein, vielleicht ein psychologisches?\\ Nehmen wir Nietzsches „Fall [[Wagner]]“ aus dem Drei-[[Kaiser]]-Jahr 1888. Wird da nicht der dekadente Künstler vorrangig als psychologisches Problem diskutiert? Das zum einen, dann geben zeitgenössische Tendenzen einen weiteren Aspekt wieder: Mann sei es gewohnt, sich symbolisch auszudrücken, eben als Künstler, schreibt er an den [[Verleger]]. Der König in „Tonio Kröger“ teilt mit dem Poeten die abgegrenzte und überhöhte Position gegenüber allem, was gewöhnlich und alltäglich ist. Das ist das psychologische Problem auch aus dem „Fall Wagner“, diese bedrückende und zugleich erhebende [[Ambivalenz]] des Künstlerdaseins. Das Thema ist der Künstler und sein Dasein, das Motiv die Sehnsucht nach dem normalen Leben, zu dem der Künstler eine zwiespältige Distanz hält, die bald ironisch bald wehmütig betrachtet wird. Das Ironische nennt er Literatur, das Wehmütige Dichtung; sich selbst fühlt er der Dichtung verpflichtet; den reinen [[Intellekt]], der kühl und tot verfluchte Litteratur verfaßt, betrachtet er als verworfenen, ohne jedoch hölderlinsche Not dabei zu empfinden. Nein, der junge Thomas Mann ist kein [[Hölderlin]], was man wegen der Emphase gegenüber Nietzsche doch beinahe vermuten dürfte. Mann lebt einhundert Jahre später und eine [[Dekadenz]]stufe höher; ihm sind modische Typen wie die des Bohemien, Ästhetizisten oder Dilettanten Abbilder der Wirklichkeit, zu denen er sich in vielfältiger Weise in Beziehung setzt und auch zu setzen weiß, denn alle diese Typoi sind Teile seiner selbst. Seine Beobachtungsgabe ist geschult an Bourget - „Théorie de la décadence“, 1881 -, wobei er in jungen Jahren schon eine Arbeitstechnik annimmt, die ihm in späteren Jahren manchen [[Vorwurf]] des Plagiats einbringen wird: Er transformiert wissenschaftliche Ergebnisse in [[Poesie]]. Das ist sein Wille, darin verbinden sich ihm [[Tradition]] und Gegenwart, darin findet er einen Ausdruck der Balance von Artistik und Bürgerlichkeit, keine Velleität wie bei obig beschriebenen kaltherzigen Ästhetizisten in kaltrauchigen Salons.\\ Nun, „Tonio Kröger“ zum vierten Male aufgerufen. __2. These__: „Tonio Kröger“ ist Manns letzter Versuch, einen Künstlertypus zu beschreiben, der Schöpfertum und Bürgerethos vereinigen will. \\ Die Schilderung ist sympathetisch, doch der ästhetischen Werten verpflichtete Künstler wird in seiner Welt zunehmend fragwürdiger. Aschenbach und Dr. Faustus verlieren im gewöhnlichen Dasein alle sympathisch machenden menschlichen Züge und enden in einer [[Sphäre]] jenseits des Humanitären. Doch das ist vorgegriffen und soll bloß dem [[Kontrast]] dienen.\\ Der [[Text]] ist essayistisch mit einer lyrischen Melodie. Das Essayistische ergibt sich durch die antithetische [[Konstruktion]]. Das Lyrische ist die Verwendung von Leit[[motiv]]en und bildhaften Vergleichen. Die Handlung ist gewohnt schmal und zirkulär und entbehrt beinahe jeder Entwicklung. Die Figuren sind Illustrationen und sollen das Thema in ein anschaulicheres [[Licht]] setzen. Alles dreht sich um Geist und Leben.\\ __Genauer__: Leben ist das Wohlanständige und Liebenswürdige, das Bürgerliche eben. Geist ist Schaffen und Künstlertum, ist auch Kälte der Kunst, antithetisch begriffen und doch beides ineinander verbunden habend. Beide Begriffe gehen die verschiedensten Symbiosen ein. Schon der Titelname verbindet Attribute ehrwürdiger Bürgerlichkeit mit den typischen Begabungen eines Künstlers, verbindet norddeutsch-protestantischen Selbstbehauptungswillen in Verantwortung zu Gott und den Menschen - Kröger, Krüger, Krug: [[Zeichen]] für [[Wirtschaft]] - mit schweren träumerischen Lidern des Südländers, dessen sehnsüchtige [[Leidenschaft]] den vollkommenen [[Natur]]en gilt. Die [[Macht]] des Geistes also! Dieser Geist verwirklicht sich im Schöpfertum, welches eine Ganzheit wiedererwecken soll, die seiner Existenz abhanden gekommen. Ganzheit aber ist Geist und Leben, ist die Verbindung von kalter [[abstrakt]]er Erkenntnis mit dem warmen sprudelnden Gestaden, die Lebensgeister wecken. Erst wenn das kalte Licht den dunklen Mutterboden erhellt, wird das Leben erträglich. Tonio Kröger ist kein Dilettant: sein [[Talent]] ist gepaart mit Gewissenhaftigkeit und großem Beharrungsvermögen, er ist zäh und von ehrsüchtigem Fleiß, hat [[Lust]] am Worte und der [[Form]]. Tonio Kröger ist sublimierte Leidenschaft am Leben.\\ Aber ist das nicht Ästhetizismus? Ja, doch. Man muß gestorben sein, um ein Schaffender sein zu können, muß ganz im Geiste aufgegangen sein und die Fähigkeit besitzen, den [[Frühling]] zu verdammen; man muß die Urwüchsigkeit des Lebendigen verachten können. Daß dann erst der Schaffende geboren ward, liegt nicht nur im Bereich des Möglichen. Es sind dies ästhetische Kontemplationen im Geiste Schopenhauers: Adalbert und Lisaweta leben eigentlich nicht, sie vertreten Positionen. Sie stehen still bei Schopenhauer; Thomas Mann alias Tonio Kröger ist den Schritt weiter zu Nietzsche gegangen. Er versucht, diese ästhetisierenden Ansichten an das gute und lebendige Leben zu binden, eine [[Interaktion]] aufzubauen, die aber keine Wertung schafft, sondern die zugespitzten Gegensätze beibehält. Zwar stellt sich der Titelheld dadurch in die Isolation der Einsamkeit, aber es ist eine hoffnungsvolle zugleich, denn diese Einsamkeit zielt auf den Ausgleich von Gegensätzen und Widersprüchen in ein harmonisches Ganzes und verschließt sich nichts Neuem. Das geht über den Ästhetizismus der Litteraten Adalbert und Lisaweta hinaus und könnte eine Kernaussage der Novelle sein. Der moderne Künstler kennt die Schwäche des Geistes vor dem Leben, der reinen [[Natürlichkeit]] und schämt sich dessen. Die neue Dichtung erfordere den reinen Geist, wird behauptet, um beim [[Publikum]] erwecken zu können, was verlorenging: warmes, unmittelbares Empfinden. Von Schopenhauer zu Nietzsche. Der neue Künstler ist [[Schauspieler]], ein großer Täuscher, er kalkuliert mit Effekten, um [[Ganzheit]] wiederherzustellen. Das Geschöpfte wird ein Konstrukt, wenn der Schaffende das Menschliche darzustellen wünscht, ohne am Menschlichen teilzuhaben. Der moderne Künstler schafft im [[Abgrund]] von Ironie, Unglaube - Bewußtsein einer verlorenen Totalität im Gewande des umfassenden Zweifels, der jedoch im Gegensatz zu Descartes vor dem eigenen Wirken nicht haltmacht - und Opposition - richtet sich gegen die vorhandene [[Ordnung]], doch alles Handeln ist Sünde in den Augen des Geistes. Dort ist sein Zuhaus; [[Genie]], [[Inspiration]] oder [[Irrationalität]] sind willkommene Dinge, zeichnen ihn jedoch nicht aus. Worauf zielt dieses Reüssieren? Auf die wohlbekannte [[Dichotomie]]: Zwischen Geist und Leben besteht jene Distanz, die durch Ironie überbrückbar scheint, doch tritt die geniale Reflexion hinter das Irrationale und der inspirierte Geist zerstört die [[Sinnlichkeit]]. Wohlgemerkt: die [[Rede]] war soeben vom Künstler, der in der Gesellschaft sein täglich Brot erwerben muß. Sein eigentliches Seyn ist damit längst nicht erfaßt. Das habe ich bereits weiter oben versucht. Die gegensätzliche Parteiung gegenüber Lisaweta und Adalbert, Hans und Ingeborg, steht mit beiden Beinen fest im Leben. Tonio Krögers Liebe zu beiden ist eine ferne, die in der Welt des Ordentlichen und Gewöhnlichen ebensowenig Erfolg haben kann wie seine Distinguierung der [[Zigeuner]]. Was er den einen zuviel, hat er den anderen zuwenig. Er ist die [[Mitte]] von allem, ein Ausgestoßener und doch Inniggeliebter; jeder erkennt in ihm ein Stück seiner selbst und verstößt den fremden Teil, das andere, handelt mithin ganz [[menschlich]], denn diese [[Prüfung]] hat der durchschnittliche Mensch noch nie überwinden mögen: das Fremde als kommendes Eigenes zu begrüßen. Vielleicht ist Tonio Kröger so ein gut Stück [[Deutschtum]], die Mitte, das Artistische des Ausgleichens, das Ungewollt-[[Geliebte]], das Unausgewogene und Zugebende jeglicher Position, die Verbindung aller Gegensätze in einem harmonischen Ganzen? Daß diese Möglichkeiten an Einsamkeit gebunden scheinen, betrübt, ist jedoch im weiteren [[Kontext]] der Mannschen Entwicklung - v.a. die „Betrachtungen“ - In diesem Buch beschreibt Mann das Deutschsein als das Pathos der Mitte! - plausibel. Heute müßte eine Definition des Deutschseins anders ausfallen. Es wäre sicherlich aufschlußreich, einmal zu prüfen, inwiefern sich damalige Selbstinitiationen von heutigen unterscheiden. Doch damit nicht genug. In Thomas Mann gären diese Gedanken, sie sind noch nicht klar formuliert in einer deutlichen [[Aussage]]. Wie auch? 1903. Der Mann ist gerade 28 Jahre alt. Außerdem fordert das Zeitalter der décadence die Abbildlichkeit des dekadenten Künstlertypus. Die äußerliche Gestaltung des Titelhelden entspricht also der Mode: Zartheit, mangelnde Stärke und Durchsetzungskraft prägen das Bild, dazu Termini wie Abbröckeln und Zersetzung, um den [[Zustand]] wiederzugeben, in dem sich Tonio Kröger befindet. Damit beschreibt Mann wortgetreu das Phänomen der décadence. Auch das Modewort nervös wird des öfteren angewandt. So wird eine [[Kausalität]] herbeigeredet - zumindest könnte man den Eindruck gewinnen -, die Künstlerschaft erst in dem Maße zugesteht wie [[Gesundheit]] geschwächt ward.\\ Zurück zu den Begabungen des Tonio Kröger. Es sind die Möglichkeiten zu tausend Daseinsformen, die ihn auszeichnen. Er vereinigt die Fähigkeit der verfeinerten Wahrnehmung- das ist keine Fertigkeit! -, dazu die Gabe der klaren Erkenntnis. Das sind Charakteristika aus klassischer Zeit, beinahe griechisch. Augen [[sehen]], ein Motiv. Gestalten gestalten. Der träumerisch dreinschauende Tonio Kröger eröffnet sich Einsichten bis auf den Grund der Dinge und versucht die analytische Selbstverständigung, [[Kapitel]] 4: * daß seine tausend Möglichkeiten im Grunde tausend Unmöglichkeiten sind; * daß die Hinwendung zum Geiste die Grunderkenntnis birgt, die Welt bestehe aus Elend und [[Komik]] und * daß nichtgelebte Zeit zur Erstarrung führt. __Ergebnis dieser Selbstverständigung__: Erkenntnisekel, [[Ekel]] vor dem Festlegen und Begrenzen, der Gefangenschaft in den eigenen Worten, die Bürgerlichkeit manifestieren. Der Mensch aber will! Er will Grenzen überwinden, ständig, und nicht zurückgeworfen sein unter das Limit. Thomas Mann legt sich die Meßlatte hoch, linst ab und an darüber und fällt doch immer wieder unter sie zurück. Vielleicht ist auch dies eine Formel des Deutschseins!? Das Leben ist [[unvollkommen]], kann jedoch nicht verändert werden, weil des Menschen Blick, erblindet von [[Empfindung]], sich bricht. Der Mensch weiß und ist gelähmt. Das Selbstverständliche seines Tuns ist gehemmt durch den immerwährenden [[Zweifel]] dialektischen Erkennens. Die Sprache wird zum Vehikel, die Gefühle zu erledigen (ein späteres Motiv im „Zauberberg“), aber Tonio Kröger hofft immer noch, der [[Kälte]] des Geistes zu entfliehen, indem er seine Liebe zum Leben bekennt. Letztlich ist das eine unverhoffte Schwärmerei, sich im Reiche der Sehnsucht zu sielen an den ewigen [[Gegensatz#Gegensätze]]n, die erkannt, nur ebenjenen Ekel hervorrufen, der erst entsteht, wenn die Unmöglichkeit eines Überwindens logische, irrationale und verstandesmäßige Klarheit besitzt.\\ NEIN!\\ Tonio Kröger wendet sich ab vom dilettierenden Literatentum und stellt sich den Widersprüchen. Er kann den Weg zu seinen biederen Vorfahren nicht wieder zurück gehen, doch glaubt er an die Formel des bürgerlichen Künstlers. Die Bürgerliebe zum Menschlichen, Lebendigen und Gewöhnlichen, von der Tonio Kröger in seinem Brief an Lisaweta schreibt, sind keine originären Gefühle, sie sind ihm überkommen aus einem Vorvergangenen. Die Novelle endet nicht mit einer Neuigkeit, sie zeigt die doppelte Optik, eine veränderbare Perspektive als Möglichkeit von Veränderungen überhaupt. Tonio Kröger setzt die Akzente neu, indem er aus dem Geschehen beinahe heraustritt, um die [[Funktion]] des Konstrukteurs zu übernehmen. Das ist schlechterdings ein Auftrag an den Leser, eine ironische Desillusionierung. ==== Friedrich und die Große Koalition ==== 1915\\ - Manns geistiger Beitrag zur Kriegsführung\\ - Vergleich zwischen dem Krieg 1756-63 und dem [[Weltkrieg#Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]]: Mann deutet den Durchmarsch durch [[Belgien]] als Defensivaktion und vergleicht die deutsche Lage 1914 mit der Bedrängnis Friedrichs des Großen 1756\\ - [[Spengler]] spielt hinein und dessen [[Vorurteil]] eines [[Fatalismus]] in der [[Geschichte]], wofür sich Mann anfänglich begeisterte ==== Joseph und seine Brüder ==== Bauprinzip des Romans: oben und unten verbinden, Henoch und [[Hermes]]\\ - Arbeit am [[Roman der Seele]]\\ - Darstellungsform: mythologisch \\ - [[Idee]] des Buches: der Mensch an sich im platonschen Sinn → Joseph ist das [[Geheimnis]] des Menschenwesens, das Alpha und [[Omega]]\\ - Mann ist gegen die materialistische Geschichtsauffassung, gegen [[Evolution]]- und Deszendenztheorien und gegen [[politisch]]-ökonomische Gesellschaftstheorien\\ - Stoff bilden hier die Brüder selbst, die Ägypter und die Märchenwelt Ägyptens aus der Sicht eines Nomadenvolkes → das Israel Jakobs fließt in unveränderlichen Zeitläuften; das [[Ägypten]] Josephs ist geprägt von der arbeitsteiligen Gesellschaft, vom ständig Neuen \\ - Mann will dahin zurückkehren, wo das [[Menschsein]] seinen Anfang nimmt, in den Mythen → er verwendet den [[Begriff]] [[Mythos]] ebenso wie Nietzsche als Philosophem, er will eine Verbindung aus Mythos und [[Logos]] schaffen, deshalb muß er zu den Anfängen zurück → er nähert sich im Mythos der Ur-Einfalt geheimnisvoll vorgeprägten Lebens \\ - Mann will den verborgenen Sinn ans [[Licht]] holen → Mann geht der Frage nach, wie sich Geschwisterhaß bilden kann, aber im Roman erlischt das Schema der feindlichen Brüder\\ - die sinnhaften Hintergründe bestimmen den Aufbau des Romans, nicht Romantheorien\\ - eine inkommensurable Dichtung, dennoch ein [[Bibel]]-Roman mit der [[Idee]] der [[Vergegenwärtigung]]\\ - keine [[Rahmenerzählung]], sondern gleich der [[Sprung]] in die [[Vergangenheit]]\\ - der [[Stoff]] dient hier der Rekonstruktion der historischen Wirklichkeit, nicht der gegenwärtigen Wirklichkeit wie noch in den //Buddenbrooks// oder im //Zauberberg// → d.i, die Steigerung des Dichterischen (Berger)\\ - Thomas Mann beantwortet seine Auseinandersetzung mit der [[Philosophie]] in der Weise, daß er vom metaphysischen [[Determinismus]] Schopenhauers zum subjektiven [[Akt]] des //amor fati// Nietzsches übergeht; der //[[nunc stans]]// des Zauberbergs wird zur reinen Weltimmanenz, d.i. di Ersatz für die [[Wiederkehr#Wiederkehr des Gleichen]]\\ - gegen Schopenhauer artikuliert Mann eine Abkehr von dessen antiindividueller Lebensverneinung\\ - gegen Nietzsche artikuliert Mann, daß das [[Individuum]] die ewige Wiederkunft des Gleichen bewußt wolle → d.i. Goethes Bild der [[Metamorphose]], der geistverstärkenden [[Wiederholung]] des Lebens (Dierks)\\ - konstitutiv für den Roman ist [[Bachofen]]s Geschichtskonzeption \\ - kein Roman, an dem sich Realitätsprobleme oder Widerspiegelungsdebatten exemplifizieren ließen \\ - das [[Spiel]] des versatilen Erzählers statt dessen Ausschaltung ist der erzähltheoretische Grund der Darstellungstechnik, so daß die [[Erzählung]] zugleich quillt und sich erörtert (Heftrich)\\ - Buch des Anfangs (Mayer)\\ - Mann richtet sich mit seiner Darstellung des mythischen Stoffes gegen die intellektfeindliche Romantik [[Klages]]', gegen die phallische Verherrlichung des Gefühlsketzers von Soana, [[Hauptmann]], und auch gegen den albernen Selbstverleugner [[Benn]] (Wysling) === Konstruktion des Romans === - Schopenhauers [[Metaphysik]] mit der [[Ubiquität]] des Willens - nunc stans – [[Gedanke]] - Ideenhierarchie - Prinzip der doppelten Optik: a. Willensmetaphysik; b. Abspiegelung im [[Raum]]/[[Zeit]]-[[Denken]] → der [[Mythus]] wird Produktion approximativer Metaphysik ([[Spekulation]] an den und über die Grenzen der Empirie) → Beweis der naturhistorisch-metaphysischen Wahrheit a la [[Dacque]]: Mann übernimmt Dacques physikalisch-metaphysische Doppelperspektive samt der Konstruktion der Wiederkehr der Identifikation durch subjektive Zeitverkürzung, z.B. im [[Traum]]\\ - beschreibt die Wiederkehr des Immergleichen als orphische Apokatastasis (Erneuerung der Welt – die Gestirne stehen alle 24000 Jahre an der gleichen Stelle): Erneuerung des Lebens (nem-duch) und Wiederholung des Gewesenen (nem-masu) === Personen und Orte === == Isaak == - betrachtet die Geschichte Abrams als zu seiner Lebensgeschichte gehörig → das nach hinten offene [[Ich]] == Jakob == - assoziatives [[Denken]], bei dem sich seine Seele auf Schritt und Tritt durch Anklänge und Entsprechungen betroffen gemacht, abgelenkt und ins Weitläufige entführt wurde - Verbindung der Sondergeschichte des Stammes mit Mythenkomplexen anderer * § Adon - ägyptisch * § [[Adonis]] - griechisch * § [[Tammuz]] - phönizisch == Joseph == - übernimmt durch eine strengere, utilitaristischere Ausdeutung der Jakobschen Gottesgewißheit den [[Segen]] → wo Jakob ahnt, legt Joseph aus, d.i. eine modernere [[Prägung]] des Geistes, die das Vergangene kennt und den Segen vorwegnimmt, ohne ihn zu haben\\ - der Sturz in die Grube ist die Apotheose Josephscher Vorstellungen → der Brunnen ist nicht nur [[Motiv]], sondern auch der Eingang zur Unterwelt, aus der Joseph erst wieder emporsteigen muß\\ - Jakob kehrt aus seiner [[Unterwelt]], dem Labansreich zurück, und erfüllt den Mythus → Kehrt Joseph zurück? \\ - Joseph betrachtet den Mythus als [[Fiktion]], d.i. eine humoristische Lösung der Frage nach dem wirklichen Segensträger Israels, denn Joseph bleibt vom [[Stamm]] Israel weltlich abgetrennt\\ Joseph fällt drei Mal: - das verwöhnte Rahel-Kind fällt in den Brunnen - eine subtilere [[Schuld]] trifft Joseph beim Fall nach der Mut-Episode - der Fall des Judentums ins Materiale (keine Rückkehr?) - der in der Genesis 49,25 als sterbender Joseph erteilte Segen ließ Thomas Mann das Herz aufgehen: Schreibmotiv fürs ganze Werk\\ - die Erklärung dessen, was der Mensch ist und soll, V 1422 - das Ich erfüllt sich durchs Besondere, die Form und das Überlieferte → dadurch wird dem Menschen das Gottessiegel zuteil - das Musterhafte kommt aus der Tiefe und bindet - das Ich kommt von [[Gott]] und ist [[frei]] == Mut == - vornehme Distanziertheit, Lebenswandel, Unantastbarkeit → sublimierte Funktion ihrer Wünsche und Triebe\\ - eine der Hathor geheiligte Kuh; Schöpfergottheit → körperliches [[Sein]]\\ - eine Heimgesuchte zerstörerischer [[Leidenschaft]];\\ - subjektive Entsprechung des kollektiven, tellurischen Weibtums, das sich nach Verbindung sehnt mit dem rasenden [[Dionysos]] und darum selbst rasend wird (Dierks) == Petepre == - wurde kastriert, um sich mit Aton wieder zu versöhnen → Körper weg für Geist == Thamar == - ihre Geschichte wird um Judas, des Segensträgers, willen erzählt\\ - durch sie erlischt das täuschende Licht (Mythus) Israels → Geschichte beginnt als Trennung von heidnischer [[Umwelt]] == Adonishain == - soll deutlich machen, wie verbunden die Hebräer mit alten Riten sind → die Vorstellung des geopferten und zerrissenen Gottes, der in den Abgrund (Höllenfahrt) steigt, um daraus hervorzugehen und verherrlicht zu werden\\ - [[Opfer]] des eigenen Geschlechts, als Abram den eigenen [[Sohn]] opfern wollte und der Widder letztlich stellvertreterte → das Geheimnis der Stellvertretung === Technisches === == Erzählsituation == - [[Einst]] → Zeitdünen (Lion), unermeßlich aufeinanderfolgend und gleich: oben ist die reale Erzählung, darunter das [[Essay]]; die tiefste Zeit wird eingeschoben erzählt: kein chronologisches Erzählen\\ - [[Atlantis]]\\ - Geschichte == Gestaltung == - szenisch\\ - parabolisch\\ - reflexiv == Funktion des Mythos == - sichert Erzählung und ist Erzählung\\ - ermöglicht Nachfolge: Vaterbindung, -[[nachahmung]] → die Tiefe der Vergangenheit sichert die Gültigkeit des Erzählten, wobei Hermes hier den Mittler zwischen den Welten abgibt == Bezug zu Ideenlieferern == A) [[Goldberg]] * [[Polytheismus]] wird zu [[Monotheismus]] * Auserwähltheit und Erfüllung * Sonderstellung der Hebräer in der Weltgeschichte (Volk=Gott) * zentrale Bedeutung der Reinheitsgesetze - Goldberg-Thesen wurden eingearbeitet → Mann verneint Goldbergs jüdischen [[Faschismus]], obwohl Mann selbst dem [[Judentum]] ambivalent gegenüberstand, da er den Auserwähltheitsdünkel der Juden ablehnte und zugunsten einer humanistischen Botschaft umformulierte\\ B) Kerenyi * Sach- und Problemgemeinschaft, die Wiedergewinnung vergangener Lebensformen im hypothetischen Roman beziehungsweise wissenschaftlichen Diskurs * wissenschaftliche Details werden in lustiger Exaktheit spielerisch gehandhabt → der Ernst ist der Boden des Spiels === Mythus-Theorie === - Mythus ist die unvordenkliche Prägung\\ - besitzt eine Spur in jedem [[Zitat]] individuellen Lebens → geschichtliche Aneignung durch die wahrgenommene Wiederholung des Bekannten, das vergegenwärtigt, also angenommen werden kann\\ - die Frage lautet: Wie kann der Mythus vermittelt werden? - [[Blut]], Abstammung - Umgang, [[Sprache]], [[Bildung]] - beides == I.Prägung == - vor allem [[Handeln]] sind Geschichten: Erstmaligkeit ist eine [[Illusion]]\\ - im [[Fest]] kehrt der Mythos immer wieder als einmaliger Akt → kein [[Widerspruch]]!, denn d.i. die rollende Sphäre, die intransitive Form mythischer Wiederholung, die sich selbst wiederholende Form: dynamiz\\ - Erwähltheit ist der vertikale Anker des Mythus, ein elitäres Prinzip → [[Dünkel]]! == II.Vermittlung == - hochstaplerische [[Identifikation]] mit den Helden, die den Mythus weitertragen und in der Welt verwirklichen helfen\\ - durch Fest und [[Schule]], die den Mythus vergegenwärtigen (besonders bei den Juden, die das persönliche [[Gespräch]] einer institutionalisierten Festivität vorziehen)\\ - die Mythen wirken [[unbewußt]], hinzu tritt die kulturelle Vermittlung == III. Legitimierung == - bedarf des zitathaften Lebens, deshalb dazu zwei Voraussetzungen: * allgemein – Konzeption einer archaischen Bewußtseinslage und Ichkonstitution * spezifisch – Jakob (gehorsam gegenüber Gott) und Joseph (eher hoffärtig, deshalb Segensverlust) besitzen eine spezielle Veranlagung zur Wahrnehmung höherer Wirklichkeiten === Theologie des Romans === - die Grundidee dieser [[Theologie]] ist die Verleiblichung Gottes in der Welt bis zu ihrer (seiner in bezug auf Joseph) Rückkehr ins Metaphysische\\ - Joseph lebt das [[Schicksal]] der Welt: Knechtschaft, Erhöhung, Ernährertum === politische Konzeption Deutschlands === - Weltmitte, Weltgewissen, Bürgerlichkeit === Quellen === Erfaßt sind Werke, die mit Sicherheit als Quellen für den Joseph-Roman anzu­sehen sind, auch wenn unmittelbare Entlehnungen sich nicht nachweisen lassen. Nicht aufgeführt sind jedoch die für den mythologischen Aspekt des Romans unergiebigen Quellen. Den größten Teil von Thomas Manns Quellen hat Herbert Lehnert in zwei Untersuchungen veröffentlicht; über weiteres Quellenmaterial gibt die im Thomas-Mann-[[Archiv]] der ETH Zürich aufbewahrte Bibliothek des Dichters einen umfassenden Überblick. In einigen Fällen werden die Quellenwerke nach einer anderen als der von Thomas Mann benutzten Ausgabe zitiert. Es handelt sich um Franz Bolls „Sternglaube und Sterndeutung“ (Thomas Mann besaß die 3. Auflage von 1926), um Jung/ Kerenyis „Das göttliche Kind“ und um Kerenyis Kore-Studie, die Thomas Mann in der Erstausgabe von 1940/41 (Albae Vigiliae VI/VII; VIII/IX) benutzte (zitiert wird nach der 2., erweiterten Auflage von 1941; s. unter Jung/Kerenyi, Einführung); um Walter F. Ottos „Die Götter Griechenlands“, um die „Sagen der Juden“, von denen Thomas Mann die Bände I—III der Ausgabe von 1919 besaß, und um Freuds „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ (Thomas Mann besaß die Ausgabe von 1939). Bei der von Thomas Mann benutzten Auflage (1923) von Max Webers „Das antike Judentum“ handelt es sich um einen unver­änderten Nachdruck der zitierten Auflage von 1921. * ATAO = Jeremias, Alfred: Das [[Testament#Alte Testament]] im Lichte des Alten Orients, Leipzig 1916 * Bachofen/Bäumler = Der Mythus von Orient und Occident - Eine Meta­physik der alten Welt aus den Werken von J. J. Bachofen. Mit einer Einleitung von Alfred [[Bäumler]] hg. v. Manfred Schröter, München 1926 * Bachofen, Johann Jakob: Urreligion und antike Sym­bole - Systematisch angeordnete Auswahl aus seinen Werken in drei Bänden, hg. v. Carl Albrecht Bernoulli, Leipzig 1926 * Benzinger, Immanuel: Hebräische [[Archäologie]], Leipzig 1927 * Blackmann, Aylward Manley: Das hunderttorige [[Theben]] - Hinter den Pylonen der Pharaonen, Leipzig 1926 * Bock, Emil: Joseph und seine Brüder, in: Die Christengemeinschaft II, 1926, 326 ff. * Bohl, Franz M. Th.: Das Zeitalter Abrahams, in: Der Alte Orient XXIX, 1930, H. 1, 5 ff. * Boll, Franz/Bezold, Carl: Sternglaube und Sterndeutung - Die Geschichte und das Wesen der [[Astrologie]], Leipzig/Berlin 41931 * [[Brandes]], Georg: Die Jesus Sage, Berlin 1925 * Braun, Julius: Naturgeschichte der [[Sage]] - Rückführung aller religiösen Ideen, Sagen, Systeme auf ihren gemeinsamen Stammbaum und ihre letzte Wurzel, 2 Bde, München 1864/65 * Dacque, Edgar: Urwelt, Sage und [[Menschheit]] - Eine naturhistorisch-metaphysische Studie, München 1924 * Dornseiff, Franz: Antikes zum Alten Testament. 1. Genesis, in: Zeitschrift für die alttestamentliche [[Wissenschaft]] und die Kunde des nach­biblischen Judentums NF XI, 1934, 57 ff. * Erman, Adolf: Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum, neu bearb. v. Hermann Ranke, Tübingen 1923 * [[Frazer]], James George: Mensch, Gott und [[Unsterblichkeit]] - Gedanken über den menschlichen [[Fortschritt]], Leipzig 1932 * Freud, Sigmund: Gesammelte Schriften, [[Wien]] 1924-1934 * Freud, Sigmund: Der Mann Moses und die monotheistische Religion, Frankfurt a. M. 1964 * Goldberg, Oskar: Die [[Wirklichkeit]] der Hebräer - Einleitung in das [[System]] des Pentateuch, Berlin 1925 * Gorion, Joseph = Joseph und seine Brüder - Ein altjüdischer Roman, hg. v. M. J. bin Gorion [d. i. Berdyczewski], Frankfurt a. M. 1917 * HAOG = Jeremias, Alfred: Handbuch der altorientalischen Geisteskultur, Berlin und Leipzig 21929 * Held, Hans Ludwig: Das Gespenst des [[Golem]] - Eine Studie aus der hebräischen Mystik mit einem Exkurs über das [[Wesen]] des Doppelgängers, München 1927 * Hempel, Johannes: Gott und Mensch im Alten Testament - Studie zur Geschichte der Frömmigkeit, Stuttgart 1926 * Horovitz, Jakob: Die Josephserzählung, Frankfurt a. M. 1921 * Jeremias, Alfred: Die außerbib­lische Erlösererwartung - Zeugnisse aller Jahrtausende in ihrer Einheitlichkeit dargestellt, Berlin 1927 * Jeremias, Alfred: Die biblische Erlöser­erwartung, Berlin 1931 * Jeremias, Alfred: Der [[Schleier]] von [[Sumer]] bis heute, in: Der Alte Orient XXXI, 1931, H. 1-2, 4 ff. * Jung, Carl Gustav/Kerenyi, Karl: Einführung in das Wesen der Mythologie, Amsterdam 1941 * Kerenyi, Karl: Gedanken über Dionysos - Zum Erscheinen des Dionysos von Walter F. Otto, in: Studi e Materiali di Storia delle Religione XI, 1935, 11 ff. * Kerenyi, Karl: Die griechisch-orientalische Roman­literatur in religionsgeschichtlicher Beleuchtung, Tübingen 1927 * Kerenyi, Karl: [[Sophron]] oder der griechische Naturalismus, in: [[Apollo]]n - Studien über antike Religion und Humanität, Wien/Amsterdam/ Leipzig 1937, 142 ff. * Kris, Ernst: Zur [[Psychologie]] älterer Biographik (dargestellt an der des bildenden Künstlers), in: Imago XXI, 1935, 320 ff. * Lehmann-Haupt, Carl-Friedrich: [[Israel]] - Seine Entwick­lung im Rahmen der Weltgeschichte, Tübingen 1911 * Lublinski, Ida: Entstehung und Weiterentwicklung des Altorienta­lischen Mythos, in: Zeitschrift für [[Ethnologie]] LXI, 1930, 278 ff. * Märchen und Geschichten der alten Ägypter, in deutscher Sprache hg. v. Ulrich Steindorff, Berlin o. 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Das antike Judentum, Tübingen 1921 * Weigall, Arthur: Echnaton - König von Ägypten und seine Zeit, Basel 1923 * Wiedemann, Alfred: Das alte Ägypten, Heidelberg 1920 * Yahuda, Abraham Schalom: Die Sprache des Pentateuch in ihren Beziehungen zum Ägyptischen, Berlin und Leipzig 1929 ==== Königliche Hoheit ==== - Darstellungsform: allegorisch (Berger)\\ - die Wonnen der Gewöhnlichkeit \\ Motto: Du bist Kaiser: lebe allein!\\ zentrales Thema: [[Verhältnis]] des Exzeptionellen → [[Dativ]] als Kennzeichen außerordentlicher [[Einsamkeit]] zur Gesellschaft → Repräsentanz der Menschlichkeit\\ - mündet aus überhöhtem Anspruch im Kollektiv - übermütiger [[Absolutismus]]\\ - baut einen Gegensatz zwischen Künstlertum und Bürgerlichkeit auf - der Roman steht am Anfang der Auseinandersetzung zwischen Manns Individualismus und dem Verhältnis zur [[Demokratie]] - hier als Schwebezustand zwischen beidem\\ Entwicklungslinie: Individualismus → aristokratische Variante → Demokrat (Hermsdorf) ==== Manns Philosophie ==== - Rückkehr ins Altertum, das Spekulative vermischt sich mit dem Exakten nicht ohne [[Zusammenhang]] zur Psychoanalyse\\ - Bekenntnis zu Max [[Scheler]] im //Zauberberg//, einer neuidealistischen-phänomenologischen Philosophie, die die Versöhnung von Geist und Leben propagierte: Der Geist ideiert das Leben, den Geist aber zu verwirklichen, vermag das Leben allein. → dagegen Klages und seine Verneinung des Geistes als Widersacher der Seele\\ - Mann sträubte sich während der 20er Jahre gegen die (modern gewordene) bedenkenlose Denunzierung all dessen, was den Geist und die Kraft gesitteter Vernunft auf seiner Seite hatte, er wollte ein Gleichgewicht der Kräfte\\ - Kampf gegen O. Spengler, dessen apokalyptischen Ausklang und Grabgesang Mann als Geisteshaß und philosophischen Amoralismus bekämpft\\ - das [[Romantische]] steht dem Leben der Zusammenhänge entgegen → in den //Betrachtungen// sah Mann das noch anders ==== Der Tod in Venedig ==== 1912\\ - die erzählte Welt: bis zum letzten [[Augenblick]] innere Unterhöhlung und der biologische Verfall vor der Welt\\ - Überfahrt nach [[Venedig]] mit [[Acheron]]\\ - ins Mythische transportierte Landschaftszeichnungen, mit daktylischem [[Rhythmus]] und archaischer Metaphorik den homerischen Hexameter nachahmend\\ - Aschenbachs [[Ohnmacht]] gegenüber der Allmacht des Lebens, die Kraft aus dem [[Reich]] des Geistes holt\\ - so predigt er einen [[Heroismus]] der [[Schwäche]]\\ - Aschenbach bezeichnet den kleinen Jungen als [[Phäaken]], d.i. ein unmittelbarer Bezug zu Atlantis und dem Ur-Menschlichen, einer Dichterkunde von anfänglichen Zeiten, vom Ursprung der Form und von der Geburt der Götter\\ - für Aschenbach verschmilzt die [[Schönheit]] des geliebten Knaben mit der Schönheit als der [[Vorstellung]] einer einzigen Form des Geistigen, die nur sinnlich empfangen und ertragen werden kann → Bezug zu Phaidros von [[Plato#Platon]]\\ - ein weiteres Thema neben den Mannschen Standardthemen [[Liebe]], Tod, Schönheit, Mythos wird aufgegriffen: Künstlertum → bei Aschenbach ist es die Bewußtheit einer tiefen Instinktverschmelzung von [[Zucht]] (Geist) und Zügellosigkeit (Natur)\\ - ein Bezug zu Nietzsche ist die Nennung des Wortes DIONYSOS, der mit dem Tod in Form eines festlichen Umzugs erscheint, d.i. die Unzucht und Raserei des Untergangs\\ - dionysischer Todesrausch, d.i. die Schlußapotheose der [[Novelle]]: ein phallisch-mänadischer Opferreigen (Berger) ==== Der Zauberberg ==== - Darstellungsform: typisiert\\ - setzt Kontrapunkt der bürgerlichen Welt mit mythologischen Motiven fort → Schneevision des verirrten Helden ist ein vom Mythus inspirierter Traum, weil er dem Träumer den Stand und [[Staat]] des //homo Dei// auf Erden enthüllt, die Wahrheit über den Menschen\\ - das Buch ist ein großes Dokument der Selbstüberwindung → es löst den ästhetischen Konflikt durch den sittlichen Entschluß, einem Ja zum Leben \\ - methodisch wechselt Mann zwischen Typik und [[Realismus]], die realistische Prägnanz → Mann steht hier in der Traditionslinie zum epischen Realismus, der sich ins Symbolische steigert und ins Mythische wächst \\ - [[Erfahrung]], daß Geist und Form dann nicht mehr im [[Gegensatz]] zueinander stehen, wenn die Liebe im Wesen des Menschenwesens aufgenommen ward\\ - in der Abgeschlossenheit der Davoser Berge könnte für die betrachteten sieben Jahre des Romans das gelten, was für Jahrtausende zu [[Moses]]' Zeiten galt → die Zeit als stehendes Jetzt\\ - Hermes durchzieht als mondverbundener Spukgott den [[Roman]], er ist der Schlüsselpunkt in einem weitläufig miteinander verbundenen Motivsystem, das Geist und [[Charakter]] des griechischen Gottes in immer neuen Figurationen zutage treten läßt → Bezüge zu [[Thor]] und dem im [[Gilgamesch]]-Epos genannten Erzgescheiten (XI.[[Tafel]]: [[Epitheton]] für Utnapischtim), der vor der [[Sintflut]] die aufgezeichneten Weisheiten der Welt vergrub und so rettete (Berger)\\ - Buch des Endes (Mayer) ==== Rezeption ==== - Manche seiner späteren Bücher finde ich bis zur Grenze der Unlesbarkeit manieriert [...] Meine Begegnung mit ihm schien mir eine Erklärung zu bieten für einen bestimmten Aspekt von Manns Kunst, der mir immer rätselhaft blieb: ich meine das Fehlen der Barmherzigkeit. In Manns Universum wird sie durch Ironie ersetzt, die manchmal gütig ist und manchmal nicht; seine Einstellung zu seinen Figuren hat selbst dort, wo sie am wohlwollendsten ist, eine Spur olympischer Herablassung.\\ Manns Humanismus - sein Lieblingswort für die Bezeichnung seiner eigenen Philosophie - ist etwas recht Abstraktes, eine [[Weltanschauung]] in verdünnter Luft. ([[Köstler]])\\ - Thomas Mann 1910: der gefühlvoll-zitternde Krankheitsstolz impotenter Tränenseligkeiten (Lessing)\\ - kein Protest gegen [[Versailles]] im Herzen\\ - arbeitete mit der jüdischen Presse (Berliner Tageblatt) und der [[Börse]] zusammen ([[Rosenberg]])\\ - realisiert mit außerordentlichen Mitteln diese Art, vom Abnormen, von der Welt einer verfallenden Familie her das Dasein zu begreifen ([[Steding]]) ===== der zehnte Mann ===== - [[Prinzip]] der Entscheidungsfindung in Israel\\ - wenn neun Entscheidungsträger bei einer Sicherheitsfrage einer Meinung sind, muß der zehnte Mann widersprechen und bestimmt, was zur Sicherheit des Ganzen getan werden muß ===== Männer ===== - Männer von hoher [[Bedeutung]] können überhaupt nie ersetzt werden, denn die Bedingungen müßten sich wiederholen, aus denen ihre individuelle Stellung erwachsen ist. Große Männer schaffen sich ihre Zeiten nicht, aber sie werden auch nicht von ihnen geschaffen. Es sind originale [[Geister]], die in den Kampf der Ideen und Weltkräfte selbständig eingreifen, die mächstigsten derselben, auf denen die [[Zukunft]] beruht, zusammenfassen, sie fördern und durch sie gefördert werden. ([[Ranke]])