====== ORPHISMUS ====== - war besonders in unteren Bevölkerungsschichten sehr verbreitet, da er von der offiziellen [[Religion]] ein nicht erfülltes Verlangen stillte\\ - es tritt hier zum ersten mal in der europäischen Geistesgeschichte eine ausgesprochen dualistische [[Geisteshaltung]] auf, deren eindrucksvolle Gegensatzpaare [[Gott]] und [[Welt]], [[Seele]] und [[Leib]], [[Reinheit]] und [[Sünde]], Himmel und [[Hölle]] sind\\ - in den beiden Hälften, in die er das All zerlegt, sucht der Orphismus je eine Einheit herzustellen\\ - die [[Götter]] des [[Polytheismus]] werden ihm zu personifizierten Begriffen, und obwohl er von dem Versuch, Theogonien zu bilden, nicht ganz loskommt und von der Göttervermischung nicht vollständig zu einer einheitlichen und einzigen [[Gottheit]] durchdringt, sind ihm doch die Namen der Götter im Grunde nur verschiedene Bezeichnungen der mannigfaltigen Kräfte des die Welt durchwaltenden göttlichen Wesens: „Eins ist [[Hades]] und [[Zeus]] und Helios und [[Dionysos]]; ein Gott wohnt in allen.“ \\ - hier hat der orphische Zeus mit dem homerischen Vater der Götter und Menschen fast nichts mehr gemein und ist zum Allgott geworden: „Anfang Zeus, Mitte ZEUS, in Zeus ist alles vollendet!“ → So tritt der Orphismus bis an die [[Schwelle]] des [[Pantheismus]] heran und wie die Gottheit, so sucht er auch die Welt der Erscheinungen einheitlich zu begreifen. \\ Der Ansatz zu einer gesetzmäßigen Auffassung alles Geschehens, der in der homerischen MOIRA liegt – wirklich so bei [[Homer]]? -, erscheint hier bewußt fortgebildet zu dem allerdings mystisch verhüllten [[Begriff]] des Weltgesetzes [[ANANKE]], das gleichermaßen das physikalische wie das moralische [[Gesetz]] in sich faßt - [[Schuld]] und [[Buße]] des Einzelwesens → Ananke ist die [[Notwendigkeit]], in der der [[Mensch]] steht\\ - wahrscheinlich sind es die [[Orphiker]] gewesen, die zuerst den bildlichen [[Ausdruck]] [[Kosmos]] für das geordnete und nach festen Gesetzen sich bewegende Weltall verwendet haben ===== orphische Theologie ===== - Kreislauf des Lebens: Zeugung, Geburt, Leben, Tod, Wiedergeburt\\ - zielt auf die Allmacht und Vaterschaft des Zeus, aber sie verwandelt ihn selbst ins [[Dionysos#Dionysische]], macht aus der olympischen Gestalt ein [[Pantheismus#pantheistisches]] [[Prinzip]]\\ - die anderen Gottheiten, durch die sie sich hindurchbewegt, wie das [[Chaos]], die Nacht, den Eros, die Ananke, halten die Mitte zwischen mythischen Gestalten und spekulativen Wesenheiten: sie sind theologische Begriffe, die die mythische Schale nicht abgeworfen haben ([[Rohde]])