====== SCHELLING ====== ===== Friedrich Wilhelm Schelling ===== 1775-1854\\ Philosoph\\ - ein Greis, der nie ein Kind gewesen sein kann, dafür hat er zu früh mit dem Singen angefangen und wird sich bald versungen haben (Hölderlins Mutter)\\ __Entwicklungsphasen__: - [[Naturphilosophie]] 1797-99 - ästhetischer [[Idealismus]] 1800-01 - absoluter Idealismus 1801-3 - Freiheitslehre 1804-13 - positive [[Philosophie]] ==== Erkenntnistheorie ==== {{ :hegel_schelling_hoelderlin.jpg?400|}}- versucht aus dem absolut Unendlichen, die empirische [[Welt]], die //natura naturata//, mit ihren räumlichen Dimensionen und ihrer temporalen [[Entwicklung]] naturphilosophisch zu konstruieren → [[Thema]] seiner Philosophie, **das Absolute begreifen**\\ - will die Selbstkonstruktion der [[Natur]] und ihre Entwicklung zu höheren Potenzierungsstufen entschlüsseln, denn [[Raum]], [[Zeit]] und [[Materie]] werden nicht mehr als [[ewig]] vorausgesetzt – [[Kant]] hatte sie als apriorische Anschauungsformen gesetzt -, sondern als entstanden gedacht \\ - die Natur entfaltet sich intrinsisch, d.h. in eigener zeitlicher und räumlicher Organisation \\ - die Natur wird durch die Prozeßkategorien des Magnetismus, der Elektrizität und der chemischen Verknüpfung in eine dreidimensionale Struktur eingespannt \\ - die Zeit besitzt neben dem Lineargeschehen eine transzendente Potenz, die sie durch Sprünge in die nächsthöhere Epoche repräsentiert \\ - die Natur besitzt eine erkennbare, empirische Seite, /wesenatura naturata// und einen unsichtbaren inneren Produktionsprozeß, /wesenatura naturans// (Heuser) ==== Ästhetik ==== - die [[Kunst]] zu leben und zu genießen ^[[Allegorie]]^Schema^Symbol^ |Arithmetik|Geometrie|Philosophie| |Lyrik|Epik|Drama| |Musik|Malerei|[[Plastik]]| ==== Logik ==== - die alte tiefsinnige [[Logik]] differenzierte [[Subjekt]] und Prädikat als Vorangehendes und Folgendes, //antecedens et consequens//, und drückte damit den reellen [[Sinn]] des Identitätsgesetzes aus\\ - andere Erklärung: Subjekt und Prädikat werden als das Eingewickelte und Entfaltete entgegengesetzt, //implicitum et explicitum antecedens// → //consequens, inductio; implicitum// → //explicitum// - Rückfolgerung; //deductio// ==== Ideen zur Philosophie der Natur ==== 1797\\ - weil die spekulative [[Physik]] die Natur im [[Gegensatz]] zur empiristischen Naturforschung betrachtet, stößt sie auf den Gegensatz zum tätigen [[Urgrund]] des absoluten [[Ich#Ichs]] → wie wird etwas?\\ → daraus folgert die Aufgabe, aus der Natur des endlichen Geistes die [[Notwendigkeit]] einer Sukzession von [[Vorstellung#Vorstellungen]] abzuleiten und mit dieser zugleich die Entstehung zu urgünden, denn die Materie erklärt sich aus der Natur der Anschauung [[selbst]]\\ - die [[Anschauung]] beruht auf dem Wirken des Gegensatzes zweier ursprünglicher Tätigkeiten, deren eine ins Unendliche wirkt, Repulsion (Abstoßung), die andere aber begrenzend wirkt, Anziehung; im [[Objekt]] vereinigt\\ ==== Kritik zur „Mythologie” ==== 1793 Paulus Memorabilien\\ * [[historisch]]-kritische Einleitung → die sukzessionslose Zeit läßt den [[Mythus]] entstehen - [[Zusammenhang]] zwischen Völkerentstehung und Mythosentstehung → die geschichtliche und vorgeschichtliche Zeit sind relativ, es sind verschiedene Zeiten * Darstellung des [[Monotheismus]] * Philosophie der Mythologie im besonderen - ist Mythologie [[Dichtung]], ist sie unwahr: [[Mythologie]] ist aber keine Erdichtung\\ - allegorische Deutung möglich, aber nicht als [[Wahrheit]]; die religiöse Deutung setzt Wahrheit voraus __Deutungsmuster__: moralisch, philosophisch, ethnologisch\\ Begriff: nach § 38 der //Philosophie der Kunst//\\ - die notwendige Bedingung und der erste [[Stoff]] aller Kunst ==== Lehre ==== - der [[Gegensatz]] gehört in den Mittelpunkt einer [[Bewußtsein]] und [[Natur]] zur Einheit verbindenden [[Identität#Identitätsphilosophie]]\\ - mit der bloßen Vernunft ist an die [[Wirklichkeit]] nicht heranzukommen\\ - Einheit von der Natur und des menschlichen Geistes, also des Dings und des Urteils über das Ding, deshalb auch Identitätsphilosophie genannt === Potenzenlehre === - drei Potenzen sind nicht aufeinander reduzierbar - menschliches [[Denken]] ist triplizitär: Subjekt, Objekt, Subjektobjekt heißen die Konstituenten des Satzes → der Subjekt-Objekt-Gegensatz bildet den Schwerpunkt seiner Philosophie, nicht der [[Mann]]-[[Weib]]-Gegensatz ([[Bäumler]])\\ - Grund der Schellingschen Philosophie\\ - die [[Wirklichkeit]] geht nur um den Preis ihrer [[Vergewaltigung]] im [[Gedanke#Gedanken]] auf, weil das Denken als [[Faktum#Fakt]] zuvor an [[Erfahrung]] gebunden ist\\ - Option aufs Irrationale als Konstituente der [[Vernunft]]\\ - zwischen Inhalt und [[Form]] kann nicht getrennt werden - Gegensatz zu [[Hegel]] ==== System des transzendentalen Idealismus ==== 1800\\ __Item__: Wie muß mein System beschaffen sein, um alle Tatsachen fassen zu können?\\ - Darstellung der fortlaufenden Geschichte des Selbstbewußtseins\\ - aus dem Absoluten, Subjekt, entsteht die Natur – ohne [[Bewußtsein]] -, später die bewußte [[Handlung]] → deshalb gibt es die theoretische, ohne Bewußtsein schaffende Natur, und die praktische, der sich selbst entwickelnde Gott des Protestantismus, Philosophie\\ - die theoretische Philosophie geht durch [[intellektuell#intellektuelle]] Selbstanschauung vom Akte des Selbstbewußtseins aus, woraus alles Empirische allmählich entsteht\\ - das Selbstbewußtsein als Wollen, d.i. Ursein und keine Sache wie noch bei [[Spinoza]], fußt auf einem Sollen, dem Inbegriff gegebener Forderungen, die aus dem Außerhalb der Individuen/[[Intelligenz]], d.i. die [[Gemeinschaft]] vernünftiger [[Wesen]], ihren Sinn beziehen: Nur Intelligenzen außer dem [[Individuum]] und eine nie aufhörende [[Wechselwirkung]] mit solchem vollenden das ganze Bewußtsein mit allen seinen Bestimmungen.\\ - ins Praktische wirkt die Bestimmung durch eine Rechtsordnung gebracht, die zu erhalten der [[Staat]] angehalten ist → [[Einheit]] von [[Theorie]] und Praxis\\ - das [[Schöne]] ruht auf dem Unendlichen, das durch das [[Genie]] zur Anschauung gebracht wird → die Kunst ist das eigentliche Organon der Philosophie, auch in [[Harmonie]] von Bewußtlosem, Unbewußten, und Bewußtem, denn die Kunst öffnet Pforten zum Allerheiligsten ==== Über die menschliche Freiheit ==== 1809\\ - der [[Wille]] ist das eine Weltprinzip, das die Wechseldurchdringung von Realem und Idealem deutlich macht ==== Untersuchungen zur menschlichen Freiheit ==== - Antwort auf Hegels [[hegel#phaenomenologie_des_geistes|Phänomenologie]]\\ - will mit dem [[Begriff]] Gottes, //causa sui//, beginnen, d.i. der Begriff, von dem sich alles andere ableitet ==== Vom Ich als Prinzip der Philosophie ==== 1795\\ === Prämisse === - wir brauchen einen Realgrund all unseres Wissens, der nicht weiter befragt wird, unbedingt ist → in dem absoluten, alles Entgegengesetzte ausschließenden Ich gegeben\\ - in diesem Ich fallen Mechanismus und [[Teleologie]] zusammen, denn die physische Welt ist die [[Manifestation]] der geistigen\\ - das große [[Prinzip]], das den Menschen Einheit gibt, ist die [[Freiheit]]: das Alpha und Omega der Philosophie ist Freiheit ==== Von der Weltseele ==== 1798\\ - die Urkraft wirkt auf [[organisch#organische]] und anorganische Natur → aus Anorganischem kann Organisches entstehen\\ - was lebt, setzt sich in Beziehung zu den es umgebenden [[Kraft#Kräften]] → Einheit des Konflikts - Dualität beziehungsweise [[Polarität]] - der Kräfte\\ - das organisierende und die Welt selbst zum System bildende Prinzip ist die [[Weltseele]] ==== Rezeption ==== - Naturphilosophie als Tochter des philosophischen Idealismus → erstarrte Intellektualität der Natur\\ - Gegenstück zur Philosophie des Ich, analog zur produzierenden Intelligenz\\ - das [[Zentrum]] seiner Lehre ist der Organismus-Begriff, eine lautere Produktivität eines freudigen und aktiven Geistes ohne [[Tod]]\\ - die Natur ist das verkleidete Ich ohne weibliche Konnotationen\\ - seine Methodik konstruiert idealiter den theogonischen Prozeß (Bäumler)\\ - Es gibt nur einen Schelling!\\ - die von Jaspers in die Rezeption gebrachte Vorstellung eines durch [[Böhme]], Oettinger und [[Baader]] ins Dunkel von Größe und Verhängnis geratenen Schelling ist falsch, denn Schelling blieb bis ins hohe Alter der rationalen Darstellung seines Prinzips gewidmet (Ehrhardt)\\ - behauptete, einzeln könne nichts eigentlich gewußt werden\\ - die Geschichte war ihm ein wissenschaftlich undurchdrungener Glauben ([[Gans]])\\ - kommt verschieden von Hegel von der Naturphilosophie, bricht jedoch im späten Alter mit der Konzeption der Einheit Menschwesenatur, denn unser Selbstbewußtsein ist keineswegs das Bewußtsein jener durch alles hindurchgegangenen Natur, es ist nur eben unser Bewußtsein und schließt keineswegs eine [[Wissenschaft]] allen Werdens in sich; dieses allgemeine Werden bleibt uns ebenso [[fremd]] und undurchsichtig, als wenn es gar nie einen Bezug auf uns gehabt\\ - benutzt unbedenklich [[Fichte#Fichtes]] Methode der Dialektik → die objektive Methode der Dialektik + subjektive Wissenschaftslehre = neue Naturphilosophie\\ - aus ihm sind links [[Goethe]], [[Oken]] und [[Treviranus]] und rechts Baader und [[Görres]] ableitbar\\ - der dialektische [[Widerspruch]] ist [[Kategorie]] der objektiven Wirklichkeit selbst → deshalb hat Schelling große Affinität zum [[Materialismus]] → anders als bei Kant und Fichte\\ - Philosophie will dem Menschen zum Bewußtsein heben, was die unbewußten Naturprozesse produziert haben → der Geist arbeitet an der Bewußtwerdung bewußt: „Odyssee des Geistes“\\ - die intellektuelle Anschauung beinhaltet ein irrationalistisches Zurückschrecken vor den ungeheuren Perspektiven und logischen Schwierigkeiten, die mit dem Hinausgehen über das bloß Verstandesmäßige verknüpft sind\\ - statuiert starre Trennung zwischen Vernunft und [[Verstand]]: es gibt keine dialektischen Übergänge\\ - betont Gegensatz zu Hegel: Die Philosophie, die Hegel dargestellt, ist die über über ihre Schranken getriebene negative, sie schließt das Positive nicht aus, sondern hat es ihrer [[Meinung]] nach in sich, sich unterworfen. \\ - die Entwicklung der [[Menschheit]] erfolgte nicht //sine numine//, gleichsam tappend: diese Auffassung ist irrig; deshalb existiert so etwas wie [[Evolution]] nicht, denn man müßte wirkliche, sukzessive Schöpfungen annehmen \\ - versucht, die Philosophie auf die Höhe der Zeit zu heben - [[Dialektik]] als Zentralproblem der philosophischen Methode - diskursiv-intuitiv: entscheidende [[Dichotomie]] in Schellings Philosophie ([[Lukacs]])