====== SIMMEL ====== ===== Georg Simmel ===== 1856-1918\\ Philosoph\\ - erkennt den historischen [[Materialismus]] an, vertieft ihn durch das Hinzudenken dahinterliegender ewig-menschlicher Antriebe - typologische [[Evidenz]]\\ - wenn alle [[Form#Formen]] und Inhalte der [[Kultur]] aus den jeweiligen Verhältnissen der [[Wirtschaft]] emporwachsen sollen - historischer Materialismus -, so ist das nur die halbe [[Wahrheit]], denn die ökonomischen Wertungen und [[Bewegung#Bewegungen]] sind ihrerseits der [[Ausdruck]] tiefergelegener Strömungen des individuellen und gesellschaftlichen [[Geist#Geistes]]\\ - die [[Geschichte]] ist ein Wechselspiel zwischen den ideellen und materiellen Faktoren, in dem keiner der erste und keiner der letzte ist\\ - das Problem der Moderne besteht darin, daß nicht nur einzelne Dogmen, sondern der Bezug auf [[Transzendenz]] veraltet → die Zerstörungskraft der kritischen Philosophen, die keine Gegenstände fürs religiöse [[Bewußtsein]] übrig läßt, sondern alles seziert und somit zerstört ==== Philosophie des Geldes ==== 1900\\ - die moderne [[Gesellschaft]] beruht auf der Arbeitsteilung: in der [[Antike]] diente das [[Geld]] ausschließlich der Konsumtion, heute v.a. der Produktion → [[Wechsel]] der [[teleologisch#teleologischen]] Rolle des Geldes\\ __Bildung__: ging im 18. Jahrhundert auf einen persönlichen, inneren [[Wert]], im 19. aber auf die Ausprägung einer Summe objektiver Kenntnisse und Verhaltensweisen === Geld === * Abstraktum, die erstarrte Form des Tausches zwischen Individuen * sein Wert beruht auf der [[Sicherheit]] - die [[Bedeutung]] des Metalls für das Geldwesen tritt immer mehr hinter die Sicherung seines funktionellen Werts durch das Gemeinwesen zurück\\ - unterscheidet in den Wert des Endzwecks als absoluten und das Mittel dazu als relativen Wert UND: man kann für den Endzweck nichts Besseres tun, als das Mittel so zu behandeln, als wäre es er selbst === Freiheit === * eine innere Arbeitsteilung, eine gegenseitige Lösung und Differenzierung der [[Trieb#Triebe]], [[Interesse#Interessen]] und Fähigkeiten * das [[Denken]] ist [[frei]], wenn es eigenen, inneren [[Motiv#Motiven]] folgt und sich von Verknüpfungen mit [[Gefühl#Gefühlen]] und Wollungen gelöst hat * hat den [[Sinn]], [[Sein]] und Haben voneinander unabhängig zu machen === Geiz === * das Geld sieht auf als das absolute Mittel in seinem ausgenützten Besitz über den Genuß hinaus und läßt ihn unangerührt; * Gestaltung des Willens zur Macht; die [[Macht]] bleibt Macht und setzt sich nicht in ihre Ausübungen und ihren Genuß um → Erklärungsmoment für den Geiz des hohen Lebensalters ==== Wertung ==== - Kampf gegen die sozialen philosophischen Konsequenzen des Materialismus: es geht darum, dem historischen Materialismus ein Stockwerk unterzubauen, derart, daß der Einbeziehung des wirtschaftlichen Lebens in die Ursachen der geistigen [[Kultur]] ihr Erklärungswert bewahrt wird, aber eben jene wirtschaftlichen Formen selbst als das Ergebnis tieferer Wertungen und Strömungen psychologischer, ja metaphysischer Voraussetzungen erkannt werden\\ - Kampf gegen jede Art von Abbildung, jede Art von gedanklicher Wiedergabe der [[Wirklichkeit]], aber deistische Züge: die Gebilde des objektiven Geistes gehen, einmal entstanden, eigene Wege\\ - betrachtet das [[Leben]] als zwischen Sein und Bewußtsein stehend und fragt sich, welche Bedeutung das Leben für die Ausprägung von Sein und Bewußtsein hat → Ich stelle mich in den Lebensbegriff wie in das [[Zentrum]]; von da geht der Weg einerseits zu [[Seele]] und [[Ich]], andererseits zur [[Idee]], zum Kosmus, zum Absoluten...\\ - er glaubt an die Vergänglichkeit der Naturgesetze, die in einigen Jahrhunderten als [[Aberglaube]] erscheinen werden\\ - die alten [[Religion#Religionen]] und die alte [[Metaphysik]] sind zusammengebrochen → Weg in die [[Innerlichkeit]], die ihm von [[Schleiermacher]] noch zu zaghaft gewiesen wurde ==== Zusammenfassung ==== - die Religion bildet sich aus ihrer Substantialität beziehungsweise ihrer Bindung an transzendente Inhalte zu einer Funktion, zu einer inneren Form des Lebens selbst empor - das religiöse [[Verhalten]] muß radikal von jedweder inhaltlichen Gebundenheit getrennt werden, so daß eine eigene [[Welt]] entsteht, die unabhängig und gleichrangig neben den anderen ebenfalls von der menschlichen [[Subjektivität]] geschaffenen Welten - Kultur, [[Wissenschaft]], [[Erotik]] - steht - Simmel betont die Rolle des Geldes als [[Fundament]] wahren Schöpfertums: Sicherheit → Philosophie des Geldes - er arbeitet [[Kant]] um, um die bürgerlich-revolutionären [[Element#Elemente]] aus seiner Philosophie herauszuarbeiten, denn für Simmel gelten die Gleichheitspostulate nicht mehr: es gilt die Einzigartigkeit des [[Individuum#Individuums]] → die Individuen ergänzen sich - Simmel trägt selbstgefälligen [[Zynismus]] in das [[deutsche]] Bewußtsein, denn exoterisch werden die Unversöhnlichkeiten versöhnend abgestempelt, esoterisch weicht er vor den letzten Konsequenzen aus und somit löst sich alles in selbstgefälligen [[Nihilismus]] auf: man kann nichts ändern und der [[Kosmos]] tendiert sowieso zum [[Nichts]] - Simmels Zynismus ist ungewollt und ehrlich, aber er entspringt dem status quo ([[Lukacs]]) - der menschliche Geist kommt nie direkt zu sich selbst und geht Umwege über seine kulturellen Produkte, über die es sich abarbeitet