====== STAHL ====== ===== Friedrich Julius Stahl ===== Joel Goldsohn\\ 1802-61\\ (jüdischer) Rechtsgelehrter und [[Politiker]]\\ - aus innerer Überzeugung 1819 zum [[Protestantismus]] konvertierter bayrischer [[Juden#Jude]] aus einer Kaufmannsfamilie\\ - vermittelte zwischen positivem und [[Naturrecht]] bzw. Vernunftrecht (das es per se nicht geben kann), denn es gibt nur das geltende, zu anwendbaren Normen ausgestaltete positive Recht, und stellte der politischen [[Romantik]] das Konzept einer konstitutionellen [[Ordnung]] entgegen, das er aus dem [[Prinzip]] des persönlichen [[Gott#Gottes]] und dessen [[Schöpfung]] entwickelte\\ - stärkte die konservativen Elemente in [[Preußen]]\\ - im Kirchenrecht der Versuch einer neuen Apostelei (Bußmann) ==== Lehre ==== __Prämisse__: der lebendige und persönliche [[Gott]] \\ - Als beherrschende und einigende [[Macht]] des menschlichen Zusammenlebens müßte demnach zwangsläufig eine [[Theokratie]] gefordert werden, denn im gegebenen Zustande würde diese Herrschaftsform das Gesamtziel einer sittlichen [[Welt]] realisieren wollen. Doch wäre eine solche Herrschaftsform eine gefährliche Anmaßung, denn diese Herrschaftsform würde durch menschliche Organe in selbständiger Macht ohne göttlichen Einfluß vertreten werden müssen. Daher ist die sittliche Welt in dieser Übereinstimmung (mit dem persönlichen und lebendigen Gott) die bürgerliche [[Ordnung]].\\ - [[Gerechtigkeit]] wird über die Durchsetzung einer anerkannten ethischen Ordnung erreicht, was gegeben ist, wenn die göttliche Weltordnung als [[Gesetz]] und Ansehen des Staates und das [[Recht]] des einzelnen auf Entfaltung in seinen persönlichen Lebensverhältnissen gleichermaßen in Geltung stehen\\ - die [[Stand#Stände]] sind beizubehalten (weil historisch entwickelt), aber ein Partikularismus der Stände oder eine Scheidung der menschlichen [[Gesellschaft]] in zwei Klassen, eine höhere der Kopfarbeit und eine niedere Klasse der Handarbeit, ist abzulehnen: das [[Volk]] soll einen Mittelstand bilden, weil das wirtschaftlich und sittlich gesund ist\\ - dem [[Kommunismus]] liegt eine sittliche [[Wahrheit]] zugrunde, daß jedes [[Individuum]] absoluter [[Zweck]] ist und daß jedes besitzende Individuum die [[Masse]] der Nichtbesitzenden nicht ihrem Geschicke überlassen darf → [[Verantwortung]] (!) === Staatsbegriff und politische Prinzipien === - die Mitte zwischen den liberalen und demokratischen Staatsentwürfen, die auf der [[Autonomie]] der Einzelpersönlichkeit aufbauen, und dem auf dem [[Prinzip]] der ungebundenen personalen Herrschaft aufbauenden monarchischen Staatsentwurf - z.B. [[Müller#Adam Müller]] -, also ein Staatsentwurf, der sowohl [[konservativ]] ist als auch demokratische und liberale Elemente enthält, eine Art von konservativem Konstitutionalismus, also ein Staat, der jedem sein Recht auf Entwicklung beläßt und ihm zugleich aus der [[Tradition]] gewonnene Pflichten auferlegt, ein [[Rechtsstaat]] * [[Prinzip]] der Legitimität (das steht gegen die Annahme einer [[Volkssouveränität]]): //Es soll nämlich das Volk zwar nicht souverän sein //[das ist der König]//, wohl aber Mitträger und Mitbürge des sittlichen [[Reich#Reichs]], das der Staat ist.// * Prinzip der Konstitutionalität (das steht gegen das personengebundene Herrschaftsprinzip des [[Konservatismus]]): Bricht der König die Gesetze, die Verfassung, so darf sein [[Befehl]] keinen [[Gehorsam]] finden. * Prinzip der [[Repräsentation]] (setzt das in Gesetzen fixierte Recht durch; an die Gesetze müssen sich alle halten) → Ob eine [[Verfassung]] letztlich [[Kraft]] und Bestand hat, ist eine Frage der politischen [[Kultur]]: //So beruht die Schranke gegen den [[König]] zuletzt doch nur auf der sittlichen Macht der öffentlichen Denkart und der Stärke, die sie den Institutionen verleiht.// Die [[Nation]] erhält im geschichtlichen Wandel durch die Verfassung ihre [[Identität]] und bildet sie fort, daher kann die Verfassung nicht einseitig, sondern nur //durch den Fürsten und die ganze Landesvertretung zusammen// geändert werden. * Prinzip des Parlamentarischen: Die [[Elite]] wirkt mit, allerdings ständisch geordnet, da die Berufsstände gemeinsame politische Interessen durch Grundaristokratie, Städte und Landgemeinden artikulieren, ein qualitatives Vertretungsprinzip, nach Einkommen und gesellschaftlichem Ansehen geordnet, damit die Tagelöhner und [[Proletarier]] nicht ihre numerische [[Mehrheit]] durchsetzen können. Ein [[Parlament]] soll bewirken, daß die [[Regierung]] auf der [[Gesinnung]] des Volkes ruhe. Nur die Regierung darf Gesetze zum Vorschlag bringen. Dem Parlament soll die Herrschaft über Steuern und die Obacht über die Gesetze obliegen, darf aber bestehende Steuern nicht abschaffen. Das Parlament besitzt jedoch das Recht, vorgeschlagene Gesetzesentwürfe abzulehnen. ==== Rezeption ==== - Wir entdecken bei ihm überall, mitten in seinem strengen theologischen, fast bürokratischen Konservatismus, liberale Züge, Neigungen und Anschauungen, ob es nun seine Vorliebe für den englischen Konstitutionalismus ist, oder ob es die Fortschrittsvorstellungen sind, in die er unwillkürlich verfällt. Das dritte Reich des christlichen Staates, das er lehrte, war eine verstandesmäßige Klitterung aus protestantischen und katholischen, ständischen und konstitutionellen, mittelalterlichen und neuzeitlichen Bestandteilen. ([[Möller#Möller van den Bruck]]) ===== Georg Ernst Stahl ===== um 1700\\ Mediziner\\ - entwickelte die Lehre des [[Animismus]] für die Neuzeit\\ - wurde von [[haller|Albrecht von Haller]] kritisiert, der Fröschen die Köpfe abtrennte und deren Muskelkontraktionen beschrieb