====== WEBER ====== ===== Adolph Weber ===== 1819-93\\ [[Jurist]] und [[Politiker]]\\ - [[http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_nb_bsb00000436_00392.html|behauptete]] in seiner ersten [[Rede]] im //norddeutschen Reichstag//, daß die preußische [[Regierung]] kurz nach dem [[Sieg]] 1866 die [[Möglichkeit]] besessen hätte, einen Bundesstaat unter preußischer [[Führung]] herzustellen, dann aber Staatsverträge einging, die einen Staatenbund bewirkten, in dem die Exekutive auf mehreren Schultern läge\\ - stellte klar, daß in [[Frankreich]] die Minister keine [[Verantwortlichkeit]] haben, sondern nur der [[Kaiser]]; in [[Preußen]] könne sich kein Minister hinstellen und behaupten, er habe keine Verantwortlichkeit, diese habe der [[König]]: ein solcher Minister wäre politisch tot → man brauche keine durch die Verfassung fixierte Verantwortlichkeit der Minister, denn die müssen für ihre Fehler politisch und zuweilen auch juristisch geradestehen\\ - [[http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_nb_bsb00000436_00446.html|präfigierte]] in seiner Rede zum Wahlrecht, § 20 (bei der Diskussion noch § 21), daß ihm ein durch allgemeine, direkte und geheime Wahlen, aber in seinen Rechten auf Beratung beschränktes Parlament lieber sei als ein mächtiges, aber durch etwaige Klauseln bei der Wahl behindertes, obgleich er kein Freund dieses allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrechts genannt werden mochte, denn es bringe manipulierende Kräfte zur [[Wirkung]], die geistig abhängige [[Individuum#Individuen]] beeinflußten und so Macht gewännen, was letztlich der [[Korruption]] die Türen öffne\\ - sprach sich gegen eine Beschränkung des passiven Wahlrechts aus, eher solle man das aktive Wahlrecht aus den oben genannten [[Grund#Gründen]] beschneiden\\ - sprach sich [[http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_nb_bsb00000436_00555.html|in der Diskussion]] zu Abschnitt IX (Schiffahrt) für den Erwerb deutscher [[Kolonie#Kolonien]] aus, wenngleich er anheimstellte, daß die [[Welt]] verteilt sei (1867!), wobei er die beinahe spöttisch anmutende Fragestellung aufwarf, ob nicht Holland und mit ihm dessen Kolonien erworben resp. nach dessen Willen (man sei ja miteinander verwandt!) an den //norddeutschen Bund// angeschlossen werden könnte, schließlich habe der [[König]] von [[Holland]] Luxemburg an [[Frankreich]] verhökert → dieses [[Gerücht]] hielt sich trotz einer gegenteiligen Klarstellung durch [[Bismarck]] hartnäckig im Reichstag\\ - griff nach [[Bebel#Bebels]] erster Rede im //norddeutschen Reichstag// diesen als Großdeutschen [[http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_nb_bsb00000436_00707.html|an]], der aus den Erfahrungen von 1866 (politische Ausbeutung des militärischen Erfolgs, v.a. der Verzicht auf eine verfassungslose militärische Macht der Krone Preußens, die möglich gewesen wäre und statt dessen allgemeine, gleiche und geheime Wahlen zu einem konstituierenden Reichstag, der die politische Richtung Deutschlands unter Ausschluß Österreichs im Einklang mit der Krone bewerkstelligen solle) nichts gelernt habe und immer noch von einer föderativen deutschen [[Republik]] träume\\ - rief dazu auf, Luxemburg nicht preiszugeben, denn Bayern und auch Baden würden zur Verteidigung des Großherzogums schreiten ===== Alfred Weber ===== 1868-1958\\ - jüngerer Bruder Max Webers\\ - faßt radikaler alles Rationale und Wissenschaftliche rein technisch-pragmatisch, agnostizistisch als bloß äußerliches, technisches Hilfsmittel, denn es gibt nur einen Zugang zum [[Leben]]: das unmittelbare Erlebnis in seiner Irrationalität\\ - wichtig sind die historischen Schicksale der Nationen, nicht die nationalen Charaktere\\ - Kritik am Massencharakter der [[Demokratie]]\\ - entwickelte [[Spengler#Spenglers]] Kulturkreistheorie weiter unterscheidet die dritte Etappe der Kulturkreistheorie, zivilisatorischer Verfall, - siehe [[Vico]] - in: * kontinuierlich-fortschreitendes Wachsen des Zivilisationsprozesses * morphologisch zu deutendes Aufblühen und Verfallen des Kulturprozesses - der Fortschrittsglaube ist illegitim, weil eine Übertragung des für den Zivilisationsprozeß gültigen Schemas auf den Kulturprozeß ==== Lehre ==== Perioden der Gedankengeschichte, deren dritter Anfang nach [[Weltkrieg#Weltkrieg I]] beginne → deshalb solle mit der klassischen [[Tradition]] gebrochen werden, v.a. mit [[Descartes]], [[Rationalismus]], und seinen Nachfolgern, reichen bis [[Marx]] → die Aufgabe der [[Soziologie]] besteht darin, eine Vision über den Strom ([[Bergson#Bergsons]] Strom des Lebens) zu erlangen und sie in Gefühlssymbolen auszudrücken\\ - differenzierende Bewegungstendenzen - Gesellschaftsprozeß - Zivilisationsprozeß - Kulturbewegung - [[Kunstwerk]] und Idee sind Formen der Kultur - die [[Evolution]] ist rationalistisch und hat deshalb nur außerhalb des Kulturgebiets einen methodologischen [[Sinn]]; in der [[Kultur]] gibt es keine Entwicklung, nur einen lebendigen Strom\\ - die [[Zukunft]] ist geheimnisvoll ([[Lukacs]]) ===== Max Weber ===== - in [[Erfurt]] geboren, 1864\\ - Freundschaft zu [[Naumann#F. Naumann]]\\ - eine Krankheit zwang ihn zur Ruhe mit der Folge, daß er sein berühmtes [[Werk]] //Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus// schrieb\\ - vergebliche Bewerbung um Parlamentssitz 1919, Wahlkreis Frankfurt/M\\ - ab Wintersemester 1919 an Uni München\\ - starb an Lungenentzündung im Juni 1920 ==== Geschichte ==== - es gibt keine Objektivität des Historikers, denn ohne [[Subjekt]] ist keine [[Geschichtsschreibung]] möglich ==== Hauptfragen und -thesen ==== * Warum ist der Kapitalismus nur in [[Europa]] entstanden? → Das Aufkommen des [[Protestantismus]] war die Voraussetzung für die Entstehung des Kapitalismus, der von Europa aus in die ganze Welt exportiert wurde. Rationale [[Lebensführung]], Rückzug in die [[Innerlichkeit]], harte Arbeit, Verdienst und Gewinn, Jenseitsbelohnung für ein gutes [[Leben]]: darum stieg Europa auf * Warum wurde der Einfluß der Religion seit dem 16. Jahrhundert in Europa schwächer und welche Konsequenzen hat die daraus folgende [[Rationalisierung]] des Weltbildes für [[Mensch]] und Gesellschaft? * Das Postulat der Wertefreiheit ist von den Naturwissenschaften auf die Sozialwissenschaften zu übertragen: objektive Betrachtung der zu untersuchenden Gegenstände. * Welche Eigenschaften müssen Führer (Könige, Politiker, Religionsstifter) haben, damit die Menschen sie als [[Führer]] wahrnehmen? ==== Lehrziel ==== - Marx auseinanderdividieren und von unwissenschaftlicher Prophetie reinigen === Methode === - alle Arbeitsergebnisse werden auf den jeweilig ([[historisch]], sozial, psychologisch) vorherrschenden Menschen bezogen → Weber verzichtet auf die Erfassung eines Grundes alles Geschehens oder darauf, das beherrschende [[Gesetz]] aller Dinge zu finden, d.i. der grundrationale Ansatz gegen die [[Metaphysik]] - die Ersetzung historischer Betrachtungsweisen durch pragmatische Analysen - Dynamik in Begriffen statt Suche nach statischen Deutungsmustern - die Konstruktion idealtypischer Modelle - die Forderung wertfreier Analyse - aus der [[Erfahrung]] heraus lassen sich keine Normen und Ideale ableiten, die auf die Praxis zurückwirkten === Kategorien === * soziale Beziehung - [[Brauch]] * Sitte - legitime [[Ordnung]]: Konvention * [[Recht]] - Geltungsgründe der legitimen Ordnung: Tradition * [[Glauben]] * Satzung – Kampf - Vergemeinschaftung und [[Vergesellschaftung]] - offene und geschlossene Beziehungen - Zurechnung des Handelns * Vertretungsbeziehungen - [[Begriff]] und Arten der Verbände - Ordnungen eines Verbandes - Verwaltungsordnung und Regulierungsordnung - Betrieb und Betriebsverband * Verein * Anstalt - Macht * [[Herrschaft]] - politischer Verband [[Staat]] * hierokratischer Verband [[Kirche]] === Fragen === - Welche Freiheitsgrade kann der [[Mensch]] sich in seinem Gehäuse, das sich der werktätige Mensch zu seiner und der seiner Lieben erbaut, bewahren? - Wie schafft sich der handelnde Mensch Recht als Werkzeug seines Handelns und Herrschens? ==== Politik ==== __Prämisse__: ein [[Gelehrter]] und Erfahrungswissenschaftler besitzt nicht die Aufgabe, bindende Normen und Ideale zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte abzuleiten\\ - vertrat bei den bürgerlichen Linken die Gesichtspunkte der Rechten, v.a. das Primat der nationalen [[Macht]] gegenüber den Idealen der sozialen Gerechtigkeit...\\ - setzte sich bis zu seinem Austritt 1899 bei den [[Alldeutscher Verband#Alldeutschen]] für eine Schließung der Ostgrenze ein, um die polnischen Wanderarbeiter nicht nach [[Deutschland]] kommen zu lassen\\ - [[Politiker]] müssen der Beamtenherrschaft das Gegengewicht geben\\ - die vielköpfige Versammlung eines Parlaments kann nicht regieren und [[Politik]] machen: das kann immer nur eine Minderheit\\ - das [[Prinzip]] der kleinen [[Zahl]], die überlegene politische Manövrierfähigkeit kleiner führender Gruppen beherrscht stets das politische Handeln, die [[andere#anderen]] sind nur Gefolgschaft und folgen dem Erfolgreichen\\ - Kontrolle der Mächtigen durch [[Plebiszit|Plebiszite]] (Wahlen), wobei die Gefahr der Bestechung des Volkes geringer einzuschätzen ist als eine sich vom [[Volk]] ablösende Clique ohne Kontrolle ==== Rezeption ==== - will nicht den einheitlichen Sinn der Geschichtsentwicklung aufdecken, denn die Soziologie ist eine Hilfswissenschaft der Historik\\ - untersucht die Wechselwirkung zwischen Wirtschaftsformationen und Religionen bei schroffer Ablehnung der Priorität der Wirtschaft: Wie tiefgreifend auch immer die ökonomisch und politisch bedingten sozialen Einflüsse auf eine religiöse [[Ethik]] im Einzelfalle waren, - primär empfing diese ihr Gepräge doch aus religiösen Quellen. → Weber bekämpft den historischen [[Materialismus]] wegen dessen Priorität des Wirtschaftlichen, sein Primat liegt im Religionsethischen, die ethisch rationale Religiosität\\ __Item__: Warum ist nur in [[Europa]] der [[Kapitalismus]] entstanden?\\ - bezeichnet die Demokratie als die geeignetste [[Form]] für die imperialistische Expansion einer modernen Großmacht\\ - stellt Idealtypen auf, um eine soziologische Analyse bewerkstelligen zu können - dadurch keine Entwicklung, sondern nur Nebeneinander? → sie dienen letztlich der pragmatischen Begriffsbildung, eine Zweckmäßigkeitsfrage\\ - bildet den Begriff des Gesetzes: Die Gesetze, als welche man manche Lehrsätze der verstehenden Soziologie zu bezeichnen gewohnt ist, sind durch Beobachtung erhärtete typische Chancen eines bei Vorliegen gewisser Tatbestände zu gegenwärtigenden Ablaufes von sozialen Handlungen, welche aus typischen Motiven und typisch gemeintem Sinn der Handelnden verständlich sind.\\ - die [[Entzauberung]] der Welt: durchs Entstehen der modernen Prosa, in welcher die mythischen Gestalten der kämpfenden [[Götter]] ihre mythisch-sinnlich-religiöse Gestalt verlieren und nur in ihrer abstrakten Antinomik existieren; - eine der edelsten und tragischsten Gestalten des wilheminischen, insofern verschweizerten und verniederländerten Zeitalters, weil er ein glühender Patriot war und das Reich immer größer und mächtiger haben wollte, durch seine Mittel aber notwendig das Reich von sich abziehen und in das Verderben führen mußte ([[Steding]]) ==== Fazit ==== * einerseits → bejaht demokratische Entwicklung Deutschlands im [[Dienst]] eines schlagfertigen [[Imperialismus]], demokratischer [[Cäsarismus]] * andererseits → Kritik an Demokratie, an kapitalistischer Kultur überhaupt mit tiefem Pessimismus - keine andere Wahl nach verlorenem [[Krieg]] - war aus patriotischen Gründen gegen das wilhelminische [[System]] (Lukacs)