====== WEZEL ====== ===== Johann Karl Wezel ===== 1747-1819\\ [[Schriftsteller]], radikaler Spätaufklärer\\ - am Wezel-Platner-[[Streit]] 1781/2 maßgeblich beteiligt → kritisiert [[Platner|Ernst Platners]] philosophische Medizin, die sich noch auf metaphysische Auffassungen der [[Seele]] beruft und tritt für ein neues, empirisch-psychologisches [[Verständnis]] der Seele ein \\ - löste mit seinem aufklärungskritischen Buch //Belphegor// bei [[Hölderlin]], [[Schelling]] und [[Hegel]] in Tübingen große Begeisterung aus ==== Wezel-Platner-Debatte ==== 1781/82\\ * Wezel schreibt in seinem [[Buch]] //Über Sprache, [[Wissenschaft]] und Geschmack der Deutschen// 1781, daß [[Leibniz]]' [[Theodizee]] ein Buch sei, das niemand lesen könne, ein Meer von [[Gelehrsamkeit]], worauf das Raisonnement wie ein kleines Kähnchen schwimme * Platner nannte Wezel von der Kanzel in seinem Hörsaal in Leipzig einen Schöngeist, dessen [[Urteil#Urteile]] über erhabene Gegenstände wie das Leibnizsche [[Denken]] er nur für Denkschwäche halten könne, für unverbindliches Kaffeehausgeschwätz * Wezel schreibt Platner einen [[Brief]] und verlangt Genugtuung, droht im Falle der Verweigerung mit Veröffentlichung dieser Forderung in Zeitungen; außerdem bezeichnet Wezel Platner als getreuen Leibniz-Schüler, der nie ein eigenes [[Wort]] geschrieben, sondern bloß kompiliert habe, außerdem beschuldigte Wezel Platner, den Kirchenrat als [[Zensor]] zu Hilfe gerufen zu haben - der dritte genannte [[Vorwurf]] war bösartig, da Platner seinerseits 1777 wegen religionskritischer Bemerkungen von orthodoxen Kreisen in Leipzig angegriffen worden war → Aphorismen-Streit\\ - der Streit ging in die nächste Runde, bis 26 Streitschriften Für und Wider publiziert worden waren\\ - der Streit zeigt viel von der [[Freiheit]], die es im [[Reich]] um 1780 gab: hier freie Schriftsteller, die durch diesen Streit [[Geld]] verdienen konnten, dort fest besoldete [[Angestellte]], die sich an mancherlei Regel halten mußten, die sie insgeheim bekämpften → am Ende machte die [[Zensur]] dem Treiben ein Ende, doch die Platnerianer hatten das bessere Ende für sich, sie waren bösartiger === tieferer Inhalt === - ein Streit unter Aufklärern über die [[Zukunft]] der [[Aufklärung]] im Reich\\ - Kernvorwurf an Wezel: Haben Leibniz' [[Idee#Ideen]], selbst wenn sie nicht mehr dem neusten Denken entsprechen, das harte Urteil Wezels verdient?\\ - die Antwort im Sinne Wezels schrieb ein göttinger [[Student]], der meinte, daß Leibniz veraltet sei, denn man verstünde ihn nicht, außerdem kann ein [[Zeitalter]] nicht aufgeklärt heißen, das den [[Geist]] des ersten Aufklärers nicht verstünde (!)\\ - die Grenzen der [[Vernunft]] werden gesucht, ob der [[Mensch]] an der göttlichen Vernunft teilhat oder teilhaben kann: produktive göttliche Vernunft und reproduktive menschliche Vernunft → prästabilierte [[Harmonie]]?\\ - aber die Erfahrungen mit der Dynamisierung der [[Wirklichkeit]] fußten in der Kritik der Vernunft, worin [[Kant]] die Methodologie der Leibnizschen Vernunft unterzog, indem er die [[Selbst#Selbstbezüglichkeit]] der reinen Verstandesbegriffe, der Kategorien beziehungsweise Denkbegriffe in diesem [[System]] monierte\\ - Kant kritisierte das ontologische Defizit der Erscheinungswelt, der sinnlichen Erfahrungen bei Leibniz, denn das sei Intellektualismus, den Platner bestreite\\ - mit Wezel wird die [[Erkenntnis]] formuliert, daß seit Kant Denken und Erkennen zwei verschiedene Fähigkeiten sind \\ - zum Erkennen gehört gegenüber dem Denken nicht bloß die Möglichkeit der Aktivierung der reinen Verstandesbegriffe, sondern eine Synthese von Verstandesbegriffen und von durch die Sinne aufgenommenen Wirklichkeitselementen erforderlich → Gott kann also nicht erkannt werden - Leibniz und Platner wollen die absolute Vernunft und die [[Religion]] zusammendenken, meint Wezel, und glaubt, daß dabei die konkrete Vernunft, das Hier und Heute auf der Strecke blieben, deshalb der Vorwurf der Unzeitgemäßheit - Wezel ging es um die Öffnung der Gelehrtenrepublik gegenüber einer wie auch immer sich gerierenden Öffentlichkeit, die für einen freien Schriftsteller von größter [[Bedeutung]] ist