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deutschland [2021/08/23 13:25] – [Vorlesung von Kantorowicz zum Begriff "Geheimes Deutschland"] Robert-Christian Knorrdeutschland [2023/04/04 15:12] (aktuell) – [Literatur] Robert-Christian Knorr
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 ====== DEUTSCHLAND ====== ====== DEUTSCHLAND ======
 die Mitte\\ die Mitte\\
-das Schön-Menschliche;\\+das Schön-Menschliche; 
 - kann durch seine geographische Lage die anderen Länder zum [[Frieden]] zwingen; darum auch die erste dauernde Stätte der [[Freiheit]] und des Friedens sein\\ - kann durch seine geographische Lage die anderen Länder zum [[Frieden]] zwingen; darum auch die erste dauernde Stätte der [[Freiheit]] und des Friedens sein\\
 - die Deutschen sind [[historisch]] verpflichtet, das neue politische [[Element]] in [[Europa]] darzustellen\\ - die Deutschen sind [[historisch]] verpflichtet, das neue politische [[Element]] in [[Europa]] darzustellen\\
 - das [[Land]] der wahren [[Religion]] ([[Heß]])\\ - das [[Land]] der wahren [[Religion]] ([[Heß]])\\
 +- heilig Herz der Völker\\
 +- die Priesterin, die stillste Tochter Gottes, sie, die gern in tiefer Einfalt schweigt ([[Hölderlin]])\\
 - wird sich eines Tages auf dem Niveau des europäischen Verfalls befinden, bevor es jemals auf dem [[Niveau]] der europäischen [[Emanzipation]] gestanden hat ([[Marx]])\\ - wird sich eines Tages auf dem Niveau des europäischen Verfalls befinden, bevor es jemals auf dem [[Niveau]] der europäischen [[Emanzipation]] gestanden hat ([[Marx]])\\
 - der Ort, wo alle [[Pragmatik]] als Willensübersetzung transzendent-ethischer [[Wertung]] betrachtet werden muß ([[Rathenau]])\\ - der Ort, wo alle [[Pragmatik]] als Willensübersetzung transzendent-ethischer [[Wertung]] betrachtet werden muß ([[Rathenau]])\\
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 - [[Heine]] schrieb von einem geheimen Deutschland, das sich jenseits der offiziösen [[Politik]] im [[Volk]] ereigne\\ - [[Heine]] schrieb von einem geheimen Deutschland, das sich jenseits der offiziösen [[Politik]] im [[Volk]] ereigne\\
 - [[Wagner]] schrieb [[Nietzsche]], daß das Deutschsein etwas Metaphysisches sei\\ - [[Wagner]] schrieb [[Nietzsche]], daß das Deutschsein etwas Metaphysisches sei\\
-- der jüdische Germanist Wolfskehl 1910: Europa sei durch seine „entartung“ und „übervölkerung“ weiterhin unfähig, die „wirklichkeit der bilder“ zu begreifen. Einziger Lichtblick sei das „Geheime Deutschland“, das sich in den //Blättern für die Kunst// - [[https://www.wikiwand.com/de/Jahrbuch_für_die_geistige_Bewegung|Publikationsorgan]] des [[George]]-Kreises - artikuliere, nur dieses „geheime Deutschland“ könne eine Einheit jenseits „der tödlichen verwirrung und zerspaltung heutiger zustände“ bereiten. Ziel der „Bewegung“ sei es in diesem Kontext „dem deutschen wesen den eingeborenen ausdruck zu verleihen der ihm bis jezt versagt geblieben ist“. Von allen Völkern hätten sich nur die Deutschen „noch nicht erfüllt“, woraus die geschichtsphilosophisch privilegierte Stellung Deutschlands resultiere. Da die „dichtersprache jedes volkes“ auch dessen Schicksal beinhalte, könne das „geheime Deutschland“ diese Erlösung aber nur mittels der Dichtkunst bewirken.\\+- der jüdische Germanist Wolfskehl 1910: Europa sei durch seine „entartung“ und „übervölkerung“ weiterhin unfähig, die „wirklichkeit der bilder“ zu begreifen. Einziger Lichtblick sei das „Geheime Deutschland“, das sich in den //Blättern für die Kunst// - [[https://www.wikiwand.com/de/Jahrbuch_für_die_geistige_Bewegung|Publikationsorgan]] des [[George]]-Kreises - artikuliere, nur dieses „geheime Deutschland“ könne eine Einheit jenseits „der tödlichen verwirrung und zerspaltung heutiger zustände“ bereiten. Ziel der „Bewegung“ sei es in diesem Kontext „dem deutschen wesen den eingeborenen ausdruck zu verleihen der ihm bis jezt versagt geblieben ist“. Von allen Völkern hätten sich nur die Deutschen „noch nicht erfüllt“, woraus die geschichtsphilosophisch privilegierte Stellung Deutschlands resultiere. Da die „dichtersprache jedes volkes“ auch dessen Schicksal beinhalte, könne das „geheime Deutschland“ diese Erlösung aber nur mittels der [[Dichtkunst]] bewirken.\\
 - [[Kantorowicz]] 1934 in einer privaten Vorlesung: das geheime Reich besteht in einer Dreieinheit von Schönheit, [[Adel]] und Größe, womit das [[nationalsozialismus|nationalsozialistische]] Dritte Reich nichts gemein habe - [[Kantorowicz]] 1934 in einer privaten Vorlesung: das geheime Reich besteht in einer Dreieinheit von Schönheit, [[Adel]] und Größe, womit das [[nationalsozialismus|nationalsozialistische]] Dritte Reich nichts gemein habe
  
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 Das geheime Deutschland. Vorlesung, gehalten bei Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit am 14. November 1933 (Auszüge) Das geheime Deutschland. Vorlesung, gehalten bei Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit am 14. November 1933 (Auszüge)
  
-Das Thema dieser Antrittsvorlesung soll heißen: Das Geheime Deutschland. Manchen von Ihnen wird unbekannt sein, daß dieser Begriff ,das geheime Deutschland' schon seine Geschichte hat. Von [[Lagarde]] geprägt, hat [[Langbehn]], der ,Rembrandt-Deutsche', den [[Begriff]] übernommen und ihn in dem Sinn angewandt, daß er von Rembrandt, Beethoven, [[Goethe]] als den ,wahren Kaisern des geheimen Deutschland' sprach. Mit dieser Zuversicht, mit dem Glauben an das Sein eines ,geheimen Deutschland' verband sich, zunächst nur bei einigen wenigen, auch der Glauben an die Nation und ihre glänzende Wiedergeburt. In den Jahren der größten wirtschaftlichen Not Deutschlands nach dem Kriege, die manche sonst stumme Saite wieder spannte und leise anklingen ließ, fanden sich wohl einige mehr, die sich zu einem ,geheimen Deutschland‘ bekannten. Doch sie weiteten den Begriff nur auf, suchten sich das schwer zu Erringende etwas billiger zu gestalten, es mit ganz anderen Wesenheiten: Tageszielen und Sonderbelangen, Grüppchen und Bündchen zu verquicken, bis schließlich der Dichter selbst der Gefahr einer Verwässerung entgegentrat: in dem Gedicht ,Geheimes Deutschland‘ ward ein mythisches Bild gegeben und mit ihm das Mysterium des anderen Reiches geschaffen. Unter den Zeichen einzelner Begegnungen mit Menschen seines Freundeskreises hüllt der Dichter hier die fremdesten seltsamsten der wirkenden Mächte des ‚geheimen Deutschland' ein in die Unhebbarkeit von Lebensbildern, welche jeder Zersetzung trotzen und der Zerredung entrückt sind ...+Das Thema dieser Antrittsvorlesung soll heißen: Das Geheime Deutschland. Manchen von Ihnen wird unbekannt sein, daß dieser Begriff ,das geheime Deutschland' schon seine Geschichte hat. Von [[Lagarde]] geprägt, hat Langbehn, der ,Rembrandt-Deutsche', den [[Begriff]] übernommen und ihn in dem Sinn angewandt, daß er von Rembrandt, Beethoven, [[Goethe]] als den ,wahren Kaisern des geheimen Deutschland' sprach. Mit dieser Zuversicht, mit dem Glauben an das Sein eines ,geheimen Deutschland' verband sich, zunächst nur bei einigen wenigen, auch der Glauben an die Nation und ihre glänzende Wiedergeburt. In den Jahren der größten wirtschaftlichen Not Deutschlands nach dem Kriege, die manche sonst stumme Saite wieder spannte und leise anklingen ließ, fanden sich wohl einige mehr, die sich zu einem ,geheimen Deutschland‘ bekannten. Doch sie weiteten den Begriff nur auf, suchten sich das schwer zu Erringende etwas billiger zu gestalten, es mit ganz anderen Wesenheiten: Tageszielen und Sonderbelangen, Grüppchen und Bündchen zu verquicken, bis schließlich der Dichter selbst der Gefahr einer Verwässerung entgegentrat: in dem Gedicht ,Geheimes Deutschland‘ ward ein mythisches Bild gegeben und mit ihm das Mysterium des anderen Reiches geschaffen. Unter den Zeichen einzelner Begegnungen mit Menschen seines Freundeskreises hüllt der Dichter hier die fremdesten seltsamsten der wirkenden Mächte des ‚geheimen Deutschland' ein in die Unhebbarkeit von Lebensbildern, welche jeder Zersetzung trotzen und der Zerredung entrückt sind ...
 Unnötig, Ihnen nach dem Angedeuteten noch ausdrücklich zu erklären, daß man das ‚geheime Deutschland' weder als einen verbotenen Geheimbund suche, der irgendwo noch als ein utopisches Himgebilde höhne, das nirgendwo zu treffen sei. Das ‚geheime Deutschland' ist gleich einem Jüngsten Gericht und Aufstand der Toten stets unmittelbar nahe, ja gegenwärtig ... ist tödlich-faktisch und seiend. Es ist die geheime Gemeinschaft der Dichter und Weisen, der Helden und Heiligen, der Opferer und Opfer, welche Deutschland hervorgebracht hat und die Deutschland sich dargebracht haben ... die Gemeinschaft derer, die - obwohl bisweilen fremd erscheinend - dennoch allein das echte Antlitz der Deutschen erschufen. Es ist als Gemeinschaft ein Götterreich wie der Olymp, ist ein Geisterreich wie der mittelalterliche Heiligen- und Engelsstaat, ist ein Menschenreich wie Dantes als ‚Humana civilitas' erschaute Jenseitswelt der drei Bezirke ... es ist die in Stufen und Ränge geordnete Heroenwelt des heutigen, des künftigen und des ewigen Deutschland. Von dem ‚geheimen Deutschland‘ - gebunden diesmal an den tatsächlichen deutschen Raum, obwohl weit über ihn hinausgreifend - gelte daher das Nämliche wie von allen Mysterien, ‚dieses hat sich nie zugetragen, hat sich niemals begeben, aber es ist immerwährend und ewig'.\\ Unnötig, Ihnen nach dem Angedeuteten noch ausdrücklich zu erklären, daß man das ‚geheime Deutschland' weder als einen verbotenen Geheimbund suche, der irgendwo noch als ein utopisches Himgebilde höhne, das nirgendwo zu treffen sei. Das ‚geheime Deutschland' ist gleich einem Jüngsten Gericht und Aufstand der Toten stets unmittelbar nahe, ja gegenwärtig ... ist tödlich-faktisch und seiend. Es ist die geheime Gemeinschaft der Dichter und Weisen, der Helden und Heiligen, der Opferer und Opfer, welche Deutschland hervorgebracht hat und die Deutschland sich dargebracht haben ... die Gemeinschaft derer, die - obwohl bisweilen fremd erscheinend - dennoch allein das echte Antlitz der Deutschen erschufen. Es ist als Gemeinschaft ein Götterreich wie der Olymp, ist ein Geisterreich wie der mittelalterliche Heiligen- und Engelsstaat, ist ein Menschenreich wie Dantes als ‚Humana civilitas' erschaute Jenseitswelt der drei Bezirke ... es ist die in Stufen und Ränge geordnete Heroenwelt des heutigen, des künftigen und des ewigen Deutschland. Von dem ‚geheimen Deutschland‘ - gebunden diesmal an den tatsächlichen deutschen Raum, obwohl weit über ihn hinausgreifend - gelte daher das Nämliche wie von allen Mysterien, ‚dieses hat sich nie zugetragen, hat sich niemals begeben, aber es ist immerwährend und ewig'.\\
 Das will besagen: ein solches geheimes Reich, das niemals da war und doch ewig ist, erschließt sich uns so wenig wie die Mysterien einem jeden. Aber wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der weiß, daß fast zu allen Zeiten, seit es ein ‚Deutsches’ im emphatischen Sinne des Worts gab, bis zum heutigen Tag unabhängig von dem jeweiligen Zustand, der jeweiligen Verfassung des Reichs immer noch ein andres Deutschland gewesen ist, welchem jenseits des öffentlich sichtbaren Reiches Wesen und Leben beschieden war. Es ist ein Seelenreich, in welchem immerdar die gleichen deutschesten Kaiser eigensten Ranges und eigenster Artung herrschen und thronen, unter deren Zepter sich zwar noch niemals die ganze Nation aus innerster Inbrunst gebeugt hat, deren Herrentum aber dennoch immerwährend und ewig ist und in tiefster Verborgenheit gegen das jeweilige Außen lebt und dadurch für das ewige Deutschland. ,Das Beste ist (um hier Goethe, einen der Herrscher jenen geheimen Reiches, sprechen zu lassen) die tiefe Stille, in der ich gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.' Das will besagen: ein solches geheimes Reich, das niemals da war und doch ewig ist, erschließt sich uns so wenig wie die Mysterien einem jeden. Aber wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der weiß, daß fast zu allen Zeiten, seit es ein ‚Deutsches’ im emphatischen Sinne des Worts gab, bis zum heutigen Tag unabhängig von dem jeweiligen Zustand, der jeweiligen Verfassung des Reichs immer noch ein andres Deutschland gewesen ist, welchem jenseits des öffentlich sichtbaren Reiches Wesen und Leben beschieden war. Es ist ein Seelenreich, in welchem immerdar die gleichen deutschesten Kaiser eigensten Ranges und eigenster Artung herrschen und thronen, unter deren Zepter sich zwar noch niemals die ganze Nation aus innerster Inbrunst gebeugt hat, deren Herrentum aber dennoch immerwährend und ewig ist und in tiefster Verborgenheit gegen das jeweilige Außen lebt und dadurch für das ewige Deutschland. ,Das Beste ist (um hier Goethe, einen der Herrscher jenen geheimen Reiches, sprechen zu lassen) die tiefe Stille, in der ich gegen die Welt lebe und wachse und gewinne, was sie mir mit Feuer und Schwert nicht nehmen können.'
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 Lassen Sie mich von diesen Kaisern und von diesem Adel jetzt sprechen. Gewiß wäre es eine lockende Aufgabe, die Heldenschau dieses geheimen Reiches zu geben, die deutschen Hierarchien zu ordnen und ein genaueres Bild jener Heerscharen hervorzuzaubem. Aber wollte ich eine solche ‚Divina Commedia teutsch‘ schreiben, so reichte ein Leben nicht aus und ich müßte ein Dante sein und nicht bloß ein Professor der Historik. Als solcher jedoch zunächst ein paar Worte über die Genealogie dieses Reiches und seine geschichtliche Stellung ... In diese Reihe der mythischen Politeien - hellenische Götterwelt, civitas Dei, humana civilitas - fügt sich das ‚geheime Deutschland‘ für alle kommende Zeit, die uns angeht, als das letzte Glied an. Wohl zeigt es als ein Menschenreich gewisse Verwandtschaft mit dem letztvorangegangenen Reich Dantes. Aber aus der universalen Christenheit war Europa geworden: nicht das christliche Denken blieb Maßstab der Werte im ‚geheimen Deutschland‘, und nicht die einheitliche Kultur der universalen Menschheitsgemeinde hat es zu wirken, sondern das ‚geheime Reich‘, wie es George zu sehen lehrte und in seinem Werk einfing, beschränkt sich auf den deutschen Raum, in dem es wurzelt und den es zu formen hat – gleichgültig, wie weit der Dichter über die engeren Grenzen hinausgreifend das Unsterbliche der Genien andrer Rassen und Zeiten einbezog oder einzudeutschen versuchte, das heißt: der Substanz nach als deutsch begriff.\\ Lassen Sie mich von diesen Kaisern und von diesem Adel jetzt sprechen. Gewiß wäre es eine lockende Aufgabe, die Heldenschau dieses geheimen Reiches zu geben, die deutschen Hierarchien zu ordnen und ein genaueres Bild jener Heerscharen hervorzuzaubem. Aber wollte ich eine solche ‚Divina Commedia teutsch‘ schreiben, so reichte ein Leben nicht aus und ich müßte ein Dante sein und nicht bloß ein Professor der Historik. Als solcher jedoch zunächst ein paar Worte über die Genealogie dieses Reiches und seine geschichtliche Stellung ... In diese Reihe der mythischen Politeien - hellenische Götterwelt, civitas Dei, humana civilitas - fügt sich das ‚geheime Deutschland‘ für alle kommende Zeit, die uns angeht, als das letzte Glied an. Wohl zeigt es als ein Menschenreich gewisse Verwandtschaft mit dem letztvorangegangenen Reich Dantes. Aber aus der universalen Christenheit war Europa geworden: nicht das christliche Denken blieb Maßstab der Werte im ‚geheimen Deutschland‘, und nicht die einheitliche Kultur der universalen Menschheitsgemeinde hat es zu wirken, sondern das ‚geheime Reich‘, wie es George zu sehen lehrte und in seinem Werk einfing, beschränkt sich auf den deutschen Raum, in dem es wurzelt und den es zu formen hat – gleichgültig, wie weit der Dichter über die engeren Grenzen hinausgreifend das Unsterbliche der Genien andrer Rassen und Zeiten einbezog oder einzudeutschen versuchte, das heißt: der Substanz nach als deutsch begriff.\\
 Diese Erkorenen, welche dann bald die, bald jene abendländische Seinsart oder urmenschliche Kraft in deutscher Gestaltung verkörpern: sie sind die eigentlichen Träger, sind Kaiser und Adel des ‚geheimen Deutschland‘, und nur in ihnen enthüllt sich das deutsche Sein. Ihren Rang aber bestimmt das Maß ihres Teilhabens an jenen Grundmächten der Tiefe. Denken Sie überhaupt an die deutschen Kaiser des Mittelalters! Wirken sie denn nur fort als die Beginner einer glücklichen Ostpolitik, als die Leiter einer wenig glücklichen Innenpolitik und als die Erliegenden in Italien? Wahrhaftig, es wäre allzu viel nutzlos verschwendet, und enttäuscht könnte man fragen: Diese Erkorenen, welche dann bald die, bald jene abendländische Seinsart oder urmenschliche Kraft in deutscher Gestaltung verkörpern: sie sind die eigentlichen Träger, sind Kaiser und Adel des ‚geheimen Deutschland‘, und nur in ihnen enthüllt sich das deutsche Sein. Ihren Rang aber bestimmt das Maß ihres Teilhabens an jenen Grundmächten der Tiefe. Denken Sie überhaupt an die deutschen Kaiser des Mittelalters! Wirken sie denn nur fort als die Beginner einer glücklichen Ostpolitik, als die Leiter einer wenig glücklichen Innenpolitik und als die Erliegenden in Italien? Wahrhaftig, es wäre allzu viel nutzlos verschwendet, und enttäuscht könnte man fragen:
-Tut so der Väter Berg sich auf? gäbe es nicht die Antwort: als Träger eines großen tragischen Volkgeschicks, als die tieftragischen Figuren, die sie selbst gewesen, gehören diese Kaiser mit zu dem Erschütterndsten in der Weltgeschichte! Und als Gestalten einer heut fremden Welt wirken die Ottonen, Salier und Staufer fort im ‚geheimen Deutschland‘! Oder fragen Sie sich, ob nicht noch ein unbekannter Holbein ist: jener, dessen unzugänglich gläserne Klarheiten ihn im Zeitalter der gefeiertsten Seelenaufrührer - eines völkischen Luthers und faustischen Dürers - zum Wächter des andern Reiches machte. Oder denken Sie an die unnennbare Einsamkeit, welche Friedrich dem Großen die deutschen Urtiefen gebaren und welche — mehr vielleicht als mancher Waffensieg - ihn wie sein Land ‚überpreußisch‘ machte! Für sie alle und noch manch einen der wirklich Großen, welche man feiert und die volkstümlich scheinen, gelte das gleiche wie für Goethe, von dem jeder weiß, daß er insgeheim noch unendlich viel Ungehobnes verschließt und +Tut so der Väter Berg sich auf? gäbe es nicht die Antwort: als Träger eines großen tragischen Volkgeschicks, als die tieftragischen Figuren, die sie selbst gewesen, gehören diese Kaiser mit zu dem Erschütterndsten in der Weltgeschichte! Und als Gestalten einer heut fremden Welt wirken die Ottonen, Salier und Staufer fort im ‚geheimen Deutschland‘! Oder fragen Sie sich, ob nicht noch ein unbekannter Holbein ist: jener, dessen unzugänglich gläserne Klarheiten ihn im Zeitalter der gefeiertsten Seelenaufrührer - eines völkischen Luthers und faustischen Dürers - zum Wächter des andern Reiches machte. Oder denken Sie an die unnennbare [[Einsamkeit]], welche Friedrich dem Großen die deutschen Urtiefen gebaren und welche — mehr vielleicht als mancher Waffensieg - ihn wie sein Land ‚überpreußisch‘ machte! Für sie alle und noch manch einen der wirklich Großen, welche man feiert und die volkstümlich scheinen, gelte das gleiche wie für Goethe, von dem jeder weiß, daß er insgeheim noch unendlich viel Ungehobnes verschließt und 
  
 //…dass an ihm dem strahlenden schon viel //…dass an ihm dem strahlenden schon viel
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 //Feind unsres vaterlands, opfrer an falschem altar.// //Feind unsres vaterlands, opfrer an falschem altar.//
  
-Niemals verzieh man ihm, daß er wie [[Hölderlin]], wie Jean Paul, wie zeitweise auch [[Hegel]] in dem ‚Allgenannten‘, in [[Napoleon]], den antikischen Heros der Zeit und die gleichgestimmte ‚Weltseele‘ erspürte. Diese Fremdheit galt auch für Hölderlin, den man als Griechenromantiker abtat, dessen Kritik an den Deutschen man gern überhörte, als ‚Entdeutschung‘ empfand und der sich doch selber genannt hat: Gruft und Tempel, zu denen er die Künftigen mit Kränzen zu wallen lud. Und nicht weniger fremd blieben - ganz zu schweigen von einer Macht wie Jean Paul - unzählbare andre Deutsche von den kleineren Sternen wie [[Platen]], der in sonst nicht gekannter Reinheit dem Schönen Altäre errichtete, bis zu den größten Gestirnen, bis zu Nietzsche, der die Macht des wahnsinnigen Gottes erfuhr und der deutschen Umwelt fremd blieb und bis zu George, den man wirklichkeitsfern und fremdländisch nannte, weil man ihn in die Bürgerwelt des öffentlichen Deutschland nicht einzureihen wusste. Immer galten die größten Genien als ,undeutsch‘, weil sie einem billigen Einheitsschlag, den man jeweils ‚deutsch‘ hieß, gewiß nicht entsprachen und dies bis in die Körperbildung und Gesten hinein. Denn so vergessen ist dem 20. Jahrhundert die wahrhaft königliche Haltung, daß der die echtesten Gestalten der Nation beschwörende [[Dichter]] den staufisch-fränkischen Königstyp des ‚Bamberger Reiters’ ansprechen konnte als den ‚Fremdesten‘, dessen Wiederkunft er freilich verhieß:+Niemals verzieh man ihm, daß er wie [[Hölderlin]], wie Jean Paul, wie zeitweise auch [[Hegel]] in dem ‚Allgenannten‘, in [[Napoleon]], den antikischen Heros der Zeit und die gleichgestimmte ‚Weltseele‘ erspürte. Diese Fremdheit galt auch für Hölderlin, den man als Griechenromantiker abtat, dessen Kritik an den Deutschen man gern überhörte, als ‚Entdeutschung‘ empfand und der sich doch selber genannt hat: Gruft und Tempel, zu denen er die Künftigen mit Kränzen zu wallen lud. Und nicht weniger fremd blieben - ganz zu schweigen von einer Macht wie Jean Paul - unzählbare andre Deutsche von den kleineren Sternen wie Platen, der in sonst nicht gekannter Reinheit dem Schönen Altäre errichtete, bis zu den größten Gestirnen, bis zu [[Nietzsche]], der die Macht des wahnsinnigen Gottes erfuhr und der deutschen Umwelt fremd blieb und bis zu George, den man wirklichkeitsfern und fremdländisch nannte, weil man ihn in die Bürgerwelt des öffentlichen Deutschland nicht einzureihen wusste. Immer galten die größten Genien als ,undeutsch‘, weil sie einem billigen Einheitsschlag, den man jeweils ‚deutsch‘ hieß, gewiß nicht entsprachen und dies bis in die Körperbildung und Gesten hinein. Denn so vergessen ist dem 20. Jahrhundert die wahrhaft königliche Haltung, daß der die echtesten Gestalten der Nation beschwörende [[Dichter]] den staufisch-fränkischen Königstyp des ‚Bamberger Reiters’ ansprechen konnte als den ‚Fremdesten‘, dessen Wiederkunft er freilich verhieß:
  
 // Du Fremdester brichst noch als echter spross // Du Fremdester brichst noch als echter spross
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 Den glanz des göttlichen des Inselmeers//  Den glanz des göttlichen des Inselmeers// 
  
-wenn also die deutsche Landschaft schließlich Bilder des ganzen Europa hervorzaubern kann und dennoch nicht fremd und nicht undeutsch wird - sofern man nicht bloß nützliche Rübenäcker als die deutsche Landschaft anspricht, dann darf man auch nicht die Menschen, die solcher Landschaft entsprechen, als fremd oder undeutsch empfinden. Nur das Eine trifft zu: daß alles in seiner Art Vollkommene über seine Art hinausgeht, daß also die Genien wie die Landschaft des ‚geheimen Deutschland‘, weil sie über ihre Art hinausgehen und überdeutsch scheinen in Wahrheit nur das Vollkommen-Deutsche herausstellten. So ging das vollkommene Preußentum Friedrichs des Großen über Preußisches hinaus und griff schon ins Deutsche hinüber und so gilt immer wieder das Wort Goethes: ,es müsse der vollkommene Deutsche stets mehr sein als [[deutsch]]‘, das heißt über-deutsch. Und so - im Sinne des Überdeutschen - ist dann auch das so gefährlich scheinende Paradox Nietzsches zu verstehen: ,um deutscher zu werden müsse man sich entdeutschen!‘\\+wenn also die deutsche Landschaft schließlich Bilder des ganzen Europa hervorzaubern kann und dennoch nicht fremd und nicht undeutsch wird - sofern man nicht bloß nützliche Rübenäcker als die deutsche [[Landschaft]] anspricht, dann darf man auch nicht die Menschen, die solcher Landschaft entsprechen, als fremd oder undeutsch empfinden. Nur das Eine trifft zu: daß alles in seiner Art Vollkommene über seine Art hinausgeht, daß also die Genien wie die Landschaft des ‚geheimen Deutschland‘, weil sie über ihre Art hinausgehen und überdeutsch scheinen in Wahrheit nur das Vollkommen-Deutsche herausstellten. So ging das vollkommene Preußentum Friedrichs des Großen über Preußisches hinaus und griff schon ins Deutsche hinüber und so gilt immer wieder das Wort Goethes: ,es müsse der vollkommene Deutsche stets mehr sein als [[deutsch]]‘, das heißt über-deutsch. Und so - im Sinne des Überdeutschen - ist dann auch das so gefährlich scheinende Paradox Nietzsches zu verstehen: ,um deutscher zu werden müsse man sich entdeutschen!‘\\
 Indessen: kein Irrtum wäre größer als der, daß unsre Anbetung jener ewigdeutschen und über-deutschen Heroen des geheimen Reiches irgendetwas gemein hätte mit ästhetisch Blassem oder unverbindlich Allgemein-Menschlichem oder gar mit dem Wünschen derer, die einem all-europäischen Einheits-Mischmasch das Wort reden wie jene modernen Literaten, deren unsaubere Hand an das Mysterium des ‚geheimen Deutschland‘ rührt, um sich somit den Verpflichtungen gegen die Nation zu entziehen und sich ‚europäisch-weltbürgerlich‘ zu heißen. Das ‚geheime Deutschland‘ darf nicht als Schutzschild dienen, hinter dem sich undeutsches und die Nation auflösendes [[Wesen]] bequem breit machen kann,  sondern im Gegenteil: im ‚geheimen Deutschland‘ ist der innerste wesenhafte Kem der Nation selbst geborgen, und wer ihn einmal erschaut, ist auf ihn auch verpflichtet wie der Soldat auf die Fahne.\\ Indessen: kein Irrtum wäre größer als der, daß unsre Anbetung jener ewigdeutschen und über-deutschen Heroen des geheimen Reiches irgendetwas gemein hätte mit ästhetisch Blassem oder unverbindlich Allgemein-Menschlichem oder gar mit dem Wünschen derer, die einem all-europäischen Einheits-Mischmasch das Wort reden wie jene modernen Literaten, deren unsaubere Hand an das Mysterium des ‚geheimen Deutschland‘ rührt, um sich somit den Verpflichtungen gegen die Nation zu entziehen und sich ‚europäisch-weltbürgerlich‘ zu heißen. Das ‚geheime Deutschland‘ darf nicht als Schutzschild dienen, hinter dem sich undeutsches und die Nation auflösendes [[Wesen]] bequem breit machen kann,  sondern im Gegenteil: im ‚geheimen Deutschland‘ ist der innerste wesenhafte Kem der Nation selbst geborgen, und wer ihn einmal erschaut, ist auf ihn auch verpflichtet wie der Soldat auf die Fahne.\\
 Kein deutscher [[Shakespeare]] ohne Herder und Goethe, kein deutscher [[Dante]] ohne die Großen der katholischen Kirche, ohne Stefan George kein deutsches Caesarbild ohne Karolinger, [[Ottonen]], [[Salier]] und insbesondere die Staufer. Und vor allem: die geheime Verbundenheit des Deutschen mit Hellas - wo wäre sie sichtbar geworden, wenn nicht durch Winckelmann, wenn nicht durch Hölderlin, wenn nicht - um von anderen zu schweigen - durch Nietzsche und George? So gehören hierher jene ‚Opferbereiten, die sterben für einen Traum‘. An den dritten Ottonen, das ‚Wunder der Welt‘, sei hier erinnert und an Konradin, die beiden letzten Sprossen der machtvollen Herrscherhäuser. Knaben, in denen der deutsche Herrschertraum mit solcher Dichte zur Tat rief, daß es fast schien, Künder könnten ihm Wirklichkeit geben. Und hierher gehören auch die Bewohner des ‚geheimen Deutschland‘, welche durch Anmut geadelt sind - seltsam verwandt den Opferbereiten, welche einem breiten Glück entsagend früh entrückt werden. Wer wollte unter ihnen einen Manfred, der um des sizilischen Reichstraumes willen bei Benevent das Leben ließ, wer wollte unter den Anmutigen einen Mozart missen, dessen Werk seine zarten Kräfte verzehrte. Immer ist Anmut einem inneren Adel verbunden und vom Opfer untrennbar: Kein deutscher [[Shakespeare]] ohne Herder und Goethe, kein deutscher [[Dante]] ohne die Großen der katholischen Kirche, ohne Stefan George kein deutsches Caesarbild ohne Karolinger, [[Ottonen]], [[Salier]] und insbesondere die Staufer. Und vor allem: die geheime Verbundenheit des Deutschen mit Hellas - wo wäre sie sichtbar geworden, wenn nicht durch Winckelmann, wenn nicht durch Hölderlin, wenn nicht - um von anderen zu schweigen - durch Nietzsche und George? So gehören hierher jene ‚Opferbereiten, die sterben für einen Traum‘. An den dritten Ottonen, das ‚Wunder der Welt‘, sei hier erinnert und an Konradin, die beiden letzten Sprossen der machtvollen Herrscherhäuser. Knaben, in denen der deutsche Herrschertraum mit solcher Dichte zur Tat rief, daß es fast schien, Künder könnten ihm Wirklichkeit geben. Und hierher gehören auch die Bewohner des ‚geheimen Deutschland‘, welche durch Anmut geadelt sind - seltsam verwandt den Opferbereiten, welche einem breiten Glück entsagend früh entrückt werden. Wer wollte unter ihnen einen Manfred, der um des sizilischen Reichstraumes willen bei Benevent das Leben ließ, wer wollte unter den Anmutigen einen Mozart missen, dessen Werk seine zarten Kräfte verzehrte. Immer ist Anmut einem inneren Adel verbunden und vom Opfer untrennbar:
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 - [[voelkisch|völkische]] Methusalems, Schlafwandler und Wanderscholaren ([[Hitler]]) - [[voelkisch|völkische]] Methusalems, Schlafwandler und Wanderscholaren ([[Hitler]])
 +
 +===== Verzweifeln an Deutschland =====
 +
 +- Ich bitte [[Gott]] um ein gnädiges letztes Stündlein, daß er mich von hier fornehme und nicht sehen lasse den Jammer, der über Deutschland kommen muß. Denn ich behaupte: Wenn zehn [[Moses|Mose]] dastünden und für uns beteten, würden sie doch nichts ausrichten. So fühle ich's auch, wenn ich für mein liebes Deutschland beten will, daß mir das [[Gebet]] zurückprallt und nicht hinaufdringen will, wie es sonst tut, wenn ich um andere Dinge bitte. Denn es wird geschehen, daß Gott Lot erlösen wird und Sodom vernichten. Gott gebe, daß ich lüge und in dieser Sache ein falscher Prophet bin. ([[Luther]])
  
 ===== Literatur ===== ===== Literatur =====
 P. Joachimsen: [[Natur]] und Geisteswelt - vom deutschen [[Volk]] zum deutschen [[Staat]] P. Joachimsen: [[Natur]] und Geisteswelt - vom deutschen [[Volk]] zum deutschen [[Staat]]
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