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diskurs

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diskurs [2015/03/01 13:30] Robert-Christian Knorrdiskurs [2019/07/28 16:09] (aktuell) – Externe Bearbeitung 127.0.0.1
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 ====== DISKURS ====== ====== DISKURS ======
-das, worum und womit man kämpft;\\+das, worum und womit man kämpft\\ 
 +- in der poststrukturalistischen Philosophie dasjenige, was die Suche nach der Wahrheit ersetzt → was außerhalb des Diskurses (Sagbaren) liegt, ist nicht intelligibel und muß erst Sprache werden, bevor darüber gesprochen werden kann; 
 + 
 - die als Äußerung begriffene [[Sprache]] unter Einbezug der sprechenden und schreibenden [[Subjekt#Subjekte]] (Benveniste)\\ - die als Äußerung begriffene [[Sprache]] unter Einbezug der sprechenden und schreibenden [[Subjekt#Subjekte]] (Benveniste)\\
 - etwas, das auf den [[allgemein#allgemeinen]] [[Zustand]] der [[Welt]] verweist ([[Eagleton]])\\ - etwas, das auf den [[allgemein#allgemeinen]] [[Zustand]] der [[Welt]] verweist ([[Eagleton]])\\
 +- historisch produzierte Formen des Wissens, die sich durch das Sprechen des Gegenstandes konstruieren und im Diskurs ebenso dekonstruiert werden können\\
 +- der Diskurs verliert seine Realität, wenn er sich der Ordnung des Signifikanten unterwirft\\ ([[Foucault]]) → [[Poststrukturalismus]]\\
 +- besteht aus Elementen, die beim Sprechen zu Momenten werden und ihre [[Identität]] verlieren (Laclau)\\
 - das geregelte Ensemble von Redeformen, Genres, Ritualen usw. innerhalb einer [[historisch]] ausdifferenzierten und institutionalisierten Praxisart - z.B. [[Nation]]\\ - das geregelte Ensemble von Redeformen, Genres, Ritualen usw. innerhalb einer [[historisch]] ausdifferenzierten und institutionalisierten Praxisart - z.B. [[Nation]]\\
 - schränkt Konnotate ein und fördert [[Denotat#Denotate]] (Link)\\ - schränkt Konnotate ein und fördert [[Denotat#Denotate]] (Link)\\
-- der Diskurs verliert seine Realität, wenn er sich der Ordnung des Signifikanten unterwirft\\+
  
  
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 Ein zugegebenermaßen simplifizierendes Beispiel hierzu ergibt sich aus der Betrachtung der Bibelgeschichte:\\ Ein zugegebenermaßen simplifizierendes Beispiel hierzu ergibt sich aus der Betrachtung der Bibelgeschichte:\\
-Die Gesetze [[Gott#Gottes]], die Jesus in seiner [[Funktion]] als Messias verkündet, können als primärer [[Sprechakt]] gesehen werden, da aus diesen Äußerungen heraus eine schöpferische Kraft entfaltet wurde, die die Artikulation einer Vielzahl weiterer diesbezüglicher Akte erlaubte und die sich in der praktikablen Umsetzung im täglichen [[Leben]], z.B. im Rahmen der „Zehn Gebote“ und der aus ihnen resultierenden [[Jurisprudenz]] in Form kommentierender Aussagen manifestierten. Wenn man davon ausgeht, daß die [[Apostel]] direkte Empfänger der Aussagen Jesu waren, so waren deren Wiedergaben hiervon, namentlich die Evangelien, zunächst einmal Kommentare, sekundäre Äußerungen des Diskurses, der „Gottes Gesetze“ thematisierte. Die von Foucault dargelegte Möglichkeit der sekundären Äußerung, eine primäre zu werden, zeigt sich darin, daß eben diese Evangelien trotz ihres kommentierenden Verhältnisses bezüglich ihres „Ursprungs“ ebenso [[Quelle]] neuartiger Diskurslandschaften geworden sind. +Die Gesetze [[Gott#Gottes]], die Jesus in seiner [[Funktion]] als [[Messias]] verkündet, können als primärer [[Sprechakt]] gesehen werden, da aus diesen Äußerungen heraus eine schöpferische Kraft entfaltet wurde, die die Artikulation einer Vielzahl weiterer diesbezüglicher Akte erlaubte und die sich in der praktikablen Umsetzung im täglichen [[Leben]], z.B. im Rahmen der „Zehn Gebote“ und der aus ihnen resultierenden [[Jurisprudenz]] in Form kommentierender Aussagen manifestierten. Wenn man davon ausgeht, daß die [[Apostel]] direkte Empfänger der Aussagen Jesu waren, so waren deren Wiedergaben hiervon, namentlich die Evangelien, zunächst einmal Kommentare, sekundäre Äußerungen des Diskurses, der „Gottes Gesetze“ thematisierte. Die von Foucault dargelegte Möglichkeit der sekundären Äußerung, eine primäre zu werden, zeigt sich darin, daß eben diese Evangelien trotz ihres kommentierenden Verhältnisses bezüglich ihres „Ursprungs“ ebenso [[Quelle]] neuartiger Diskurslandschaften geworden sind. 
  
 Ein weiterer Begriff Foucaults, der die innere Ordnung des Diskurses betrifft, ist der Begriff des //Autors//, der in gewisser Weise auch das Ordnungsprinzip des Kommentars betrifft. Die Funktion des Autors besteht darin, den Diskurs zu verknappen, indem er das Verteilungsprinzip der diskursiven Informationen bestimmt. Einfacher gesagt: es ist der [[Stil]] der Formierung von [[Idee]]n, sozusagen ein [[Modus]], der die Art und Weise bestimmt, in der [[Gedanke]]n überhaupt hervorgebracht werden. \\ Ein weiterer Begriff Foucaults, der die innere Ordnung des Diskurses betrifft, ist der Begriff des //Autors//, der in gewisser Weise auch das Ordnungsprinzip des Kommentars betrifft. Die Funktion des Autors besteht darin, den Diskurs zu verknappen, indem er das Verteilungsprinzip der diskursiven Informationen bestimmt. Einfacher gesagt: es ist der [[Stil]] der Formierung von [[Idee]]n, sozusagen ein [[Modus]], der die Art und Weise bestimmt, in der [[Gedanke]]n überhaupt hervorgebracht werden. \\
-So war es in archaischen [[Zeit]]en üblich, grundlegende soziale Normen nicht als solche „beim Namen zu nennen“, sondern sie im Kontext von [[Mythen]] zu plazieren, in denen der Diskurs des Übernatürlichen Leitlinien für das tägliche Leben setzt. Die Mythen der „alten“ Völker, das [[Gilgamesch]]-Epos der [[Sumer#Sumerer]], das Ramajana der [[Inder]], die Traumzeit der Aborigines, sie alle sind solche Modi der Gedankenbildung, sie alle bewegen sich innerhalb einer Autorenidentität, die den Gedanken in [[Form]] eines metaphorischen Ausdrucks bindet, welcher zugleich an seiner [[Relation]] zum Mythischen festhält und eine entsprechend auf das Übernatürliche bezogene Sinnhaftigkeit der Handlungen hervorbringt. Dagegen kann die Autoren[[identität]], die die Äußerungen in Texten der griechischen Antike betrifft, wohl darin gesehen werden, daß zum einen aus welchen Gründen auch immer (vielleicht politische) die Produktion von Sinngehalten innerhalb des Textes dialogisch zwischen mehreren Personen geschah, die eine bestimmte Thematik „ausdiskutieren“ und daß nun weniger der Bezug zum chaotisch Mythischen, sondern vielmehr der Bezug zur reflexiven Überlegung, die gedankliche Schlußziehung aus dem //logos// heraus, zum maßgeblichen Formationsmodus des auszusprechenden Gedankens avancierte. +So war es in archaischen [[Zeit]]en üblich, grundlegende soziale Normen nicht als solche „beim Namen zu nennen“, sondern sie im Kontext von [[Mythen]] zu plazieren, in denen der Diskurs des Übernatürlichen Leitlinien für das tägliche Leben setzt. Die Mythen der „alten“ Völker, das [[Gilgamesch]]-Epos der [[Sumer#Sumerer]], das Ramajana der [[Inder]], die Traumzeit der Aborigines, sie alle sind solche Modi der Gedankenbildung, sie alle bewegen sich innerhalb einer Autorenidentität, die den Gedanken in [[Form]] eines metaphorischen Ausdrucks bindet, welcher zugleich an seiner [[Relation]] zum Mythischen festhält und eine entsprechend auf das Übernatürliche bezogene Sinnhaftigkeit der Handlungen hervorbringt. Dagegen kann die Autoren[[identität]], die die Äußerungen in Texten der griechischen [[Antike]] betrifft, wohl darin gesehen werden, daß zum einen aus welchen Gründen auch immer (vielleicht politische) die Produktion von Sinngehalten innerhalb des Textes dialogisch zwischen mehreren Personen geschah, die eine bestimmte Thematik „ausdiskutieren“ und daß nun weniger der Bezug zum chaotisch Mythischen, sondern vielmehr der Bezug zur reflexiven Überlegung, die gedankliche Schlußziehung aus dem //[[logos]]// heraus, zum maßgeblichen Formationsmodus des auszusprechenden Gedankens avancierte. 
  
 Auf eines sei an dieser Stelle hingewiesen: Foucaults erklärt, daß eine Vielzahl von Diskursen beziehungsweise dessen, was als solcher erscheint, ganz und gar ohne Autor auskommen, beispielsweise Verträge und technische Anweisungen, die trotz diesem offensichtlichen Fehlen [[Sinn]] und Wirksamkeit bestreiten.\\  Auf eines sei an dieser Stelle hingewiesen: Foucaults erklärt, daß eine Vielzahl von Diskursen beziehungsweise dessen, was als solcher erscheint, ganz und gar ohne Autor auskommen, beispielsweise Verträge und technische Anweisungen, die trotz diesem offensichtlichen Fehlen [[Sinn]] und Wirksamkeit bestreiten.\\ 
-Ich habe jedoch ausgehend von meinen von Foucault inspirierten Überlegungen dargelegt, daß ich das Prinzip des Autors eher als einen grundlegenden Modus der Formation von Gedanken verstehe, der, bildhaft gesprochen, die Verteilung der diskursiven Elemente innerhalb des Diskurses wie das elektromagnetische [[Feld]] einer Kupferspule organisiert. Die Autorenfunktion übt hierbei konkreten Einfluß auf das Erscheinungsbild eines geäußerten Gedankens aus und betrifft (vielleicht sogar vor allem) gerade standardisierte Sprechakte wie beispielsweise Verträge und technische Anweisungen, deren Sinnhaftigkeit m.E. vornehmlich von der Bezugnahme auf einen solchen Autor im Sinne Foucaults abhängt, denn ein [[Vertrag]], der sich nicht als solcher darstellt, weil ganz einfach das in ihm geäußerte Programm von [[Ideen]] dem aktuellen Formationsmodus juristischer Inhalte widerspricht, wird keine Teilhabe an der Zirkulation des jurisprudenten Diskurses erlangen. Genauso wie eine technische Bedienungsanleitung für einen TS808-Drum-Computer nur als eine solche ihre Sinnhaftigkeit zu vermitteln im Stande ist, solange die in ihr geäußerten Sprechakte die in diesem Falle eher funktionalen Umstände des [[Objekt]]es nüchtern beschreiben, als sie manieristisch bildhaft in poetischer [[Sprache]] zu umschreiben. Ein solches Unterfangen würde den Sinngehalt dieser Äußerung wohl eher in den Diskurs der [[Satire]] verrücken (falls es einen solchen gibt), was insofern den Mißerfolg der Aussage innerhalb des von ihr vermittelten diskursiven Horizonts eines technischen Programms unterstreichen würde. \\+Ich habe jedoch ausgehend von meinen von Foucault inspirierten Überlegungen dargelegt, daß ich das Prinzip des Autors eher als einen grundlegenden Modus der Formation von Gedanken verstehe, der, bildhaft gesprochen, die Verteilung der diskursiven Elemente innerhalb des Diskurses wie das elektromagnetische [[Feld]] einer Kupferspule organisiert. Die Autorenfunktion übt hierbei konkreten Einfluß auf das Erscheinungsbild eines geäußerten Gedankens aus und betrifft (vielleicht sogar vor allem) gerade standardisierte Sprechakte wie beispielsweise Verträge und technische Anweisungen, deren Sinnhaftigkeit m.E. vornehmlich von der Bezugnahme auf einen solchen Autor im Sinne Foucaults abhängt, denn ein [[Vertrag]], der sich nicht als solcher darstellt, weil ganz einfach das in ihm geäußerte Programm von [[Ideen]] dem aktuellen Formationsmodus juristischer Inhalte widerspricht, wird keine Teilhabe an der Zirkulation des jurisprudenten Diskurses erlangen. Genauso wie eine technische Bedienungsanleitung für einen TS808-Drum-Computer nur als eine solche ihre Sinnhaftigkeit zu vermitteln im Stande ist, solange die in ihr geäußerten Sprechakte die in diesem Falle eher funktionalen Umstände des [[Objekt]]es nüchtern beschreiben, als sie manieristisch bildhaft in poetischer [[Sprache]] zu umschreiben. Ein solches Unterfangen würde den Sinngehalt dieser Äußerung wohl eher in den Diskurs der [[Satire]] verrücken (falls es einen solchen gibt), was insofern den [[Mißerfolg]] der Aussage innerhalb des von ihr vermittelten diskursiven Horizonts eines technischen Programms unterstreichen würde. \\
 Es läßt sich also durchaus darüber streiten, ob die offensichtliche Inexistenz eines Autors wirklich einer solchen entspricht oder ob man nicht den Foucaultschen Begriff des Autors viel weiter gefaßt [[sehen]] sollte, nämlich als ein Ordnungsprinzip, welches die Gedankenproduktion selber zu reglementieren imstande ist, um eine systematische Struktur bezüglich des Auftauchens von diskursiven Elementen zu etablieren. Es läßt sich also durchaus darüber streiten, ob die offensichtliche Inexistenz eines Autors wirklich einer solchen entspricht oder ob man nicht den Foucaultschen Begriff des Autors viel weiter gefaßt [[sehen]] sollte, nämlich als ein Ordnungsprinzip, welches die Gedankenproduktion selber zu reglementieren imstande ist, um eine systematische Struktur bezüglich des Auftauchens von diskursiven Elementen zu etablieren.
  
diskurs.1425213058.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:22 (Externe Bearbeitung)