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eschatologie

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eschatologie [2019/07/28 16:10] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1eschatologie [2024/03/23 10:09] (aktuell) – [Essay Eschatologie] Robert-Christian Knorr
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 ===== Essay Eschatologie ===== ===== Essay Eschatologie =====
 Jedes [[Zeitalter]] hat es prägende [[Begriff#Begriffe]], die sich durch alle Beziehungen der Menschen ziehen und diese bestimmen. Im Mittelalter [[sprechen]] vor allem drei Begriffe die deutliche [[Sprache]] dessen, was sich da selbst in ihnen erkennen will: [[Chiliasmus]], Eschatologie und Apokalypse. \\ Jedes [[Zeitalter]] hat es prägende [[Begriff#Begriffe]], die sich durch alle Beziehungen der Menschen ziehen und diese bestimmen. Im Mittelalter [[sprechen]] vor allem drei Begriffe die deutliche [[Sprache]] dessen, was sich da selbst in ihnen erkennen will: [[Chiliasmus]], Eschatologie und Apokalypse. \\
-Der Chiliasmus oder Millenarismus steht als [[Synonym]] für die Erwartungshaltung der Menschen eines tausendjährigen Friedensreiches am Ende der Zeiten. Im Frühmittelalter wurde der Chiliasmus als Zeit des Friedens und der Ruhe des Gerechten nach dem Tode aufgefaßt, die parallel zu den Weltaltern verläuft bis zu dem Zeitpunkt, da das Fleisch aufersteht und das Ende aller Zeiten eingeleitet wird. \\+Der Chiliasmus oder Millenarismus steht als [[Synonymie#Synonym]] für die Erwartungshaltung der Menschen eines tausendjährigen Friedensreiches am Ende der Zeiten. Im Frühmittelalter wurde der Chiliasmus als Zeit des Friedens und der Ruhe des Gerechten nach dem Tode aufgefaßt, die parallel zu den Weltaltern verläuft bis zu dem Zeitpunkt, da das Fleisch aufersteht und das Ende aller Zeiten eingeleitet wird. \\
 Wann? So genau äußert sich [[Beda]] Venerabilis 672 bis 735 in seinem „de temporum ratione“ nicht. Fassen können wir den Chiliasmus als [[Ausdruck]] eines Wollens, in dem das Friedensreich ein Vorbote kommender [[Glückseligkeit]] ist. Die Menschen brauchten einen Halt in der harten und zumeist als Bedrohung empfundenen [[Wirklichkeit]], den das [[Christentum]] ihnen in der Form späterer Glückseligkeit verhieß. Die täglichen [[Buße#Bußen]], denen man ausgesetzt war, können als Ausdruck ausgesuchter weltlicher Herrschaft gelten, aber auch als „Augustinische“ Maßregelung - siehe [[Augustin]] -; das psychologische Äquivalent ist der von der [[Gegenwart]] sich entfernende Blick in die [[Zukunft]], wo der Mensch, von der [[Materie]] befreit, völlig in die [[Gemeinschaft]] der göttlichen [[Liebe]] aufgenommen ist. Die Welt vergeht, aber es bleibt das neue [[Reich]] der Liebe.  Wann? So genau äußert sich [[Beda]] Venerabilis 672 bis 735 in seinem „de temporum ratione“ nicht. Fassen können wir den Chiliasmus als [[Ausdruck]] eines Wollens, in dem das Friedensreich ein Vorbote kommender [[Glückseligkeit]] ist. Die Menschen brauchten einen Halt in der harten und zumeist als Bedrohung empfundenen [[Wirklichkeit]], den das [[Christentum]] ihnen in der Form späterer Glückseligkeit verhieß. Die täglichen [[Buße#Bußen]], denen man ausgesetzt war, können als Ausdruck ausgesuchter weltlicher Herrschaft gelten, aber auch als „Augustinische“ Maßregelung - siehe [[Augustin]] -; das psychologische Äquivalent ist der von der [[Gegenwart]] sich entfernende Blick in die [[Zukunft]], wo der Mensch, von der [[Materie]] befreit, völlig in die [[Gemeinschaft]] der göttlichen [[Liebe]] aufgenommen ist. Die Welt vergeht, aber es bleibt das neue [[Reich]] der Liebe. 
 Der Liebesbegriff wäre eine gesonderte [[Untersuchung]] wert, ist er doch Ausdruck der Verneinung des Bösen, die im Kern das Grundproblem jedweder [[Religion]] ist: Wie erkläre ich das [[Böse]] in der Welt und somit das Antonym, die Liebe? Ist es ein und derselbe [[Gott]], der die Liebe und das Böse schuf? Ist Gott selbst das Gute und Böse zugleich? \\ Der Liebesbegriff wäre eine gesonderte [[Untersuchung]] wert, ist er doch Ausdruck der Verneinung des Bösen, die im Kern das Grundproblem jedweder [[Religion]] ist: Wie erkläre ich das [[Böse]] in der Welt und somit das Antonym, die Liebe? Ist es ein und derselbe [[Gott]], der die Liebe und das Böse schuf? Ist Gott selbst das Gute und Böse zugleich? \\
-Die unmittelbare Erwartung fand jedoch auch ihre [[Kritiker]], so [[Origines]]' 180 bis 255 im dritten Jahrhundert bereits. Er beschreibt das Reich der Liebe nicht als ein in [[Raum]] und [[Zeit]] zu erwartendes, sondern als in den Seelen der Gläubigen stattfindendes [[Ereignis]]. Diese Auffassung hatte sich im 5. Jahrhundert bereits so gründlich durchgesetzt, daß vom [[Konzil]] in Ephesos 431 die Milleniumsvorstellungen zum Aberglauben gestempelt wurden. \\ +Die unmittelbare Erwartung fand jedoch auch ihre [[Kritiker]], so Origines' 180 bis 255 im dritten Jahrhundert bereits. Er beschreibt das Reich der Liebe nicht als ein in [[Raum]] und [[Zeit]] zu erwartendes, sondern als in den Seelen der Gläubigen stattfindendes [[Ereignis]]. Diese Auffassung hatte sich im 5. Jahrhundert bereits so gründlich durchgesetzt, daß vom [[Konzil]] in Ephesos 431 die Milleniumsvorstellungen zum Aberglauben gestempelt wurden. \\ 
-Bedas Chiliasmus aus dem 7. Jahrhundert fand die christlich nichtbekehrten Ohren der nord[[germanische]]n Völker vor. Dort herrschte keineswegs das Bewußtsein des [[einzelne]]n, sondern ein Gemeinschaftsdenken vor, welches nur Zukunftserwartungen für die [[Masse]] und keineswegs für den einzelnen verstehen konnte. \\+Bedas Chiliasmus aus dem 7. Jahrhundert fand die christlich nichtbekehrten Ohren der nordgermanischen Völker vor. Dort herrschte keineswegs das Bewußtsein des [[einzelne]]n, sondern ein Gemeinschaftsdenken vor, welches nur Zukunftserwartungen für die [[Masse]] und keineswegs für den einzelnen verstehen konnte. \\
 Den letzten prägenden Einfluß auf die Bildung des Chiliasmusbegriffes im Mittelalter möchte ich [[Joachim#Joachim von Fiore]] 1132 bis 1202 zuschreiben. Joachim beschreibt das Friedensreich als dritte [[Epoche]], als Zeitalter des Heiligen Geistes. Dem gehen das Zeitalter des Vaters, [[Testament#Altes Testament]], und des Sohnes, [[Testament#Neues Testament]], voraus. Dieses Zeitalter ist der Zeitraum zwischen zwei apokalyptischen Schlachten und kann als [[Interregnum]] aufgefaßt werden. Es ist ein Zeitalter, in dem eine Neuordnung der [[Kirche]] in einem monastischen [[Sinn#Sinne]] stattfindet. Der mönchische Geist wird die ganze [[Gesellschaft]] durchziehen und tiefsten [[Frieden]] bringen.  \\ Den letzten prägenden Einfluß auf die Bildung des Chiliasmusbegriffes im Mittelalter möchte ich [[Joachim#Joachim von Fiore]] 1132 bis 1202 zuschreiben. Joachim beschreibt das Friedensreich als dritte [[Epoche]], als Zeitalter des Heiligen Geistes. Dem gehen das Zeitalter des Vaters, [[Testament#Altes Testament]], und des Sohnes, [[Testament#Neues Testament]], voraus. Dieses Zeitalter ist der Zeitraum zwischen zwei apokalyptischen Schlachten und kann als [[Interregnum]] aufgefaßt werden. Es ist ein Zeitalter, in dem eine Neuordnung der [[Kirche]] in einem monastischen [[Sinn#Sinne]] stattfindet. Der mönchische Geist wird die ganze [[Gesellschaft]] durchziehen und tiefsten [[Frieden]] bringen.  \\
 Das ist der Vorgriff auf utopische Sozialordnungen, wie sie erst viele Jahre später Teile Europas ins [[Chaos]] stürzen. Diese von Joachim beschriebene Vergeistigung des Menschen ist jedoch nur von kurzer Dauer. Joachim nimmt sich so selbst zurück und läßt seine sozialen Träume an der Realität zerbrechen. Warum sollte ein mönchisches Reich des Geistes nur von kurzer [[Dauer]] sein? Er beantwortet diese Frage nicht, man kann die Antwort in der Unreife des Menschengeschlechts vermuten, die keine dauernde Friedensordnung zulassen wird. Deshalb auch bezeichnet Joachim den Chiliasmus als Interregnum, als Zwischenzeit: Alles Menschliche ist zeitlich begrenzt! \\ Das ist der Vorgriff auf utopische Sozialordnungen, wie sie erst viele Jahre später Teile Europas ins [[Chaos]] stürzen. Diese von Joachim beschriebene Vergeistigung des Menschen ist jedoch nur von kurzer Dauer. Joachim nimmt sich so selbst zurück und läßt seine sozialen Träume an der Realität zerbrechen. Warum sollte ein mönchisches Reich des Geistes nur von kurzer [[Dauer]] sein? Er beantwortet diese Frage nicht, man kann die Antwort in der Unreife des Menschengeschlechts vermuten, die keine dauernde Friedensordnung zulassen wird. Deshalb auch bezeichnet Joachim den Chiliasmus als Interregnum, als Zwischenzeit: Alles Menschliche ist zeitlich begrenzt! \\
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 Eschatologisches Denken hat sich immer [[politisch]] ausgewirkt, zuweilen tritt es sogar als Motor auf. Im Mittelalter jedoch lehnten es die [[Kirchenväter]] ab, einen konkreten Bezug zwischen den symbolischen Weissagungen der Schrift und dem konkreten Verlauf der [[Geschichte]] herzustellen. Es hätte wohl die eigene Machtposition schwächen können. \\ Eschatologisches Denken hat sich immer [[politisch]] ausgewirkt, zuweilen tritt es sogar als Motor auf. Im Mittelalter jedoch lehnten es die [[Kirchenväter]] ab, einen konkreten Bezug zwischen den symbolischen Weissagungen der Schrift und dem konkreten Verlauf der [[Geschichte]] herzustellen. Es hätte wohl die eigene Machtposition schwächen können. \\
 So gesehen versuchten sich theologische Außenseiter an einer Konkretation allgemeiner Überzeugungen. Sie alle aber brauchten einen Fundus, aus dem sie die allgemeinen Erwartungen einer kommenden Endzeit theoretisch erfüllen konnten. Sie benötigten anerkannte und von der allmächtigen Kiche nicht anzweifelbare Formen für ihre Exkurse in die Spekulation des Künftigen: es sind dies vor allem sibyllinische und Offenbarungstexte. Die sie durchziehende Grundidee sind die sich ablösenden Weltreiche. Allen eigentümlich war die Erwartung der messianischen Gestalt eines römischen Endkaisers, der die Feinde der Christenheit besiegt und nach diesem Sieg seine [[Krone]] Gott überreicht. \\ So gesehen versuchten sich theologische Außenseiter an einer Konkretation allgemeiner Überzeugungen. Sie alle aber brauchten einen Fundus, aus dem sie die allgemeinen Erwartungen einer kommenden Endzeit theoretisch erfüllen konnten. Sie benötigten anerkannte und von der allmächtigen Kiche nicht anzweifelbare Formen für ihre Exkurse in die Spekulation des Künftigen: es sind dies vor allem sibyllinische und Offenbarungstexte. Die sie durchziehende Grundidee sind die sich ablösenden Weltreiche. Allen eigentümlich war die Erwartung der messianischen Gestalt eines römischen Endkaisers, der die Feinde der Christenheit besiegt und nach diesem Sieg seine [[Krone]] Gott überreicht. \\
-Die Ausstrahlung der [[Sibylle]]n, die sich um ihren Namen rankt, ist von dunkler [[Bedeutung]]; man könnte sie ein Rudiment matriarchalischer Frühzeit nennen. Die Sibyllen sind weissagende Frauen, die mitunter sehr schön waren, was einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer [[Wirkung]] ausmachte. [[Heraklit]] beschreibt sie mystisch: Sibylla, indem sie mit rasendem Mund unerheiterte und ungezierte Worte redet, reicht auf 1000 Jahre weit durch die [[Kraft]] Gottes. Kurfess, A.; Sibyllinische Texte; S.30.\\+Die Ausstrahlung der Sibyllen, die sich um ihren Namen rankt, ist von dunkler [[Bedeutung]]; man könnte sie ein Rudiment matriarchalischer Frühzeit nennen. Die Sibyllen sind weissagende Frauen, die mitunter sehr schön waren, was einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer [[Wirkung]] ausmachte. [[Heraklit]] beschreibt sie mystisch: Sibylla, indem sie mit rasendem Mund unerheiterte und ungezierte Worte redet, reicht auf 1000 Jahre weit durch die [[Kraft]] Gottes. Kurfess, A.; Sibyllinische Texte; S.30.\\
    
-Um einen Eindruck zu bekommen, mit welcher Spürachkraft hier auf die erwartungsfrohen Menschen eingeworkt wurde, hier ein Ausschnitt aus dem III. Buch der Sibyllen, in welchem eine Sibylle das Ende der Welt ankündigt: \\+Um einen Eindruck zu bekommen, mit welcher Sprachkraft hier auf die erwartungsfrohen Menschen eingewirkt wurde, hier ein Ausschnitt aus dem III. Buch der Sibyllen, in welchem eine [[Sibylle]] das Ende der Welt ankündigt: \\
  
-Wenn man dereinst an dem sternhellen [[Himmel]] der Nachtzeit Schwerter gen Abend erblickt und auch gegen Morgen, und alsbald eine [[Wolke]] von Staub vom Himmel zur Erde herabsinkt und aller Glanz der [[Sonne]] vom Himmel verschwindet im Laufe, während die Strahlen des Mondes sich zeigen, herab auf die Erde sich plötzlich ein Blutregen gießt und die Steine zu reden beginnen; in den Wolken ihr schauet den Kampf von Fußvolk und Reitern wie eine Hetzjagd auf Wild, vergleichbar Nebelgebilden! Das ist das Ende des Krieges, das Gott auf den Himmelsthrone bringt. \\+Wenn man dereinst an dem sternhellen [[Himmel]] der Nachtzeit Schwerter gen Abend erblickt und auch gegen Morgen, und alsbald eine [[Wolke]] von Staub vom Himmel zur Erde herabsinkt und aller [[Glanz]] der [[Sonne]] vom Himmel verschwindet im Laufe, während die Strahlen des Mondes sich zeigen, herab auf die Erde sich plötzlich ein Blutregen gießt und die Steine zu reden beginnen; in den Wolken ihr schauet den Kampf von Fußvolk und Reitern wie eine Hetzjagd auf Wild, vergleichbar Nebelgebilden! Das ist das Ende des Krieges, das Gott auf den Himmelsthrone bringt. \\
  
-Der große Neuerer aber war auch bei der Eschatologie Joachim von Fiore. Er begründete die erste Systematik und versuchte die Zeitalter, die lose als unklare Abfolge in den Köpfen der Menschen herumschwirrten, ständig jedoch gewärtig waren, in eine Dreiheit, [[Trinität]]einzuteilen. Er nannte die drei Zeitalter +Der große Neuerer aber war auch bei der Eschatologie Joachim von Fiore. Er begründete die erste Systematik und versuchte die Zeitalter, die lose als unklare Abfolge in den Köpfen der Menschen herumschwirrten, ständig jedoch gewärtig waren, in eine [[Dreiheit]] einzuteilen. Er nannte die drei Zeitalter 
   - das des Vaters,   - das des Vaters,
   - das des Sohnes und   - das des Sohnes und
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 Die Offenbarungen übten einen mächtigen Einfluß auf das politische Geschehen aus. Der Mensch des Mittelalters empfindet nicht ganzzeitlich sondern augenblicklich; er rechnet also stündlich mit der Erfüllung der Offenbarung. So finden wir wohl keinen Chronisten, der seinem [[Herrscher]] nicht in Verbindung mit David, //rex iustus//, huldigt.\\  Die Offenbarungen übten einen mächtigen Einfluß auf das politische Geschehen aus. Der Mensch des Mittelalters empfindet nicht ganzzeitlich sondern augenblicklich; er rechnet also stündlich mit der Erfüllung der Offenbarung. So finden wir wohl keinen Chronisten, der seinem [[Herrscher]] nicht in Verbindung mit David, //rex iustus//, huldigt.\\ 
 Wir haben es hier mit feiner [[Psychologie]] zu tun. Wer sich David nennt, kann wohl kaum aus Amt und Würden gejagt werden. Hier spielt auch der Begriff der Huld eine Rolle, denn der Herrscher mußte sich diesen Namen auch verdienen. Trat dann die unvermeidliche [[Enttäuschung]] ein, so hielt man die glorreiche Erfüllung für lediglich bis zum nächsten Herrscher verschoben. Die Menschen degradierten ihren „rex iustus“ zum Vorläufer und der Ruf: 'Der König ist tot. Es lebe der König!' erhält so einen spröden Sinn. Der neue König verspricht größere Nähe zur Verheißung. \\ Wir haben es hier mit feiner [[Psychologie]] zu tun. Wer sich David nennt, kann wohl kaum aus Amt und Würden gejagt werden. Hier spielt auch der Begriff der Huld eine Rolle, denn der Herrscher mußte sich diesen Namen auch verdienen. Trat dann die unvermeidliche [[Enttäuschung]] ein, so hielt man die glorreiche Erfüllung für lediglich bis zum nächsten Herrscher verschoben. Die Menschen degradierten ihren „rex iustus“ zum Vorläufer und der Ruf: 'Der König ist tot. Es lebe der König!' erhält so einen spröden Sinn. Der neue König verspricht größere Nähe zur Verheißung. \\
-Der [[Gedanke]] des Antichristen ließ sich politisch glänzend ausschlachten. Der politische [[Gegner]] wurde regelmäßig als Antichrist, als jenes verführerische und grausame Wesen der Apokalypse bezeichnet. So verschaffte sich mancher Papst Reputation, indem er einfach den politischen Gegner feierlichst zum Antichristen proklamierte. Aus dieser Proklamation erwuchsen politische Spannungen, die sehr [[rational]] zu erklären sind und das ausmachen, was wir heute [[Geschichtsschreibung]] nennen. Viele dieser Spannungen übertrugen sich auf die [[Juden]], doch möchte ich heute nichts über die tieferen Ursachen des Judenhasses sagen. Es gab aber auch Bewegungen, die die [[Priester]] verfolgten. Dem Morden an den Priestern unter Eudes und [[Tanchelm]] um 1100 lag die [[Überzeugung]] zugrunde, daß die [[Opfer]] Werkzeuge des Satans seien und als Vorbedingung für den Ausbruch des tausendjährigen Friedensreiches ausgerottet werden müßten. Es gab einen [[Mythos]], der den Antichristen als den [[Bastard]] eines Bischofs und einer Nonne beschrieb und von gewissenlosen Abenteurern immer wieder zu Vernichtungsfeldzügen gegen die Priesterschaft ausgenutzt wurde. Diese Abenteurer rekrutierten ihre Anhänger aus dem [[Plebs]]. Es ist eine einfache Rechnung: Man stelle sich einen hundearmen Menschen im Mittelalter vor; allen Naturkatastrophen ausgesetzt, vom Herrn gepeinigt, von der Kirche benutzt... sehnt sich der nicht nach Erlösung, sehnt sich der nicht nach einer annehmbaren dauerhaften sozialen Bindung, und ist der nicht bereit, sein Elend einem [[Sündenbock]] zuzuschreiben? Das ist der Boden für [[Mythen]] und Abenteurer. \\ +Der [[Gedanke]] des Antichristen ließ sich politisch glänzend ausschlachten. Der politische [[Gegner]] wurde regelmäßig als Antichrist, als jenes verführerische und grausame Wesen der Apokalypse bezeichnet. So verschaffte sich mancher Papst Reputation, indem er einfach den politischen Gegner feierlichst zum Antichristen proklamierte. Aus dieser Proklamation erwuchsen politische Spannungen, die sehr [[rational]] zu erklären sind und das ausmachen, was wir heute [[Geschichtsschreibung]] nennen. Viele dieser Spannungen übertrugen sich auf die [[Juden]], doch möchte ich heute nichts über die tieferen Ursachen des Judenhasses sagen. Es gab aber auch Bewegungen, die die [[Priester]] verfolgten. Dem Morden an den Priestern unter Eudes und [[Tanchelm]] um 1100 lag die [[Überzeugung]] zugrunde, daß die [[Opfer]] Werkzeuge des Satans seien und als Vorbedingung für den Ausbruch des tausendjährigen Friedensreiches ausgerottet werden müßten. Es gab einen [[Mythos]], der den Antichristen als den [[Bastard]] eines Bischofs und einer [[Nonne]] beschrieb und von gewissenlosen Abenteurern immer wieder zu Vernichtungsfeldzügen gegen die Priesterschaft ausgenutzt wurde. Diese Abenteurer rekrutierten ihre Anhänger aus dem [[Plebs]]. Es ist eine einfache Rechnung: Man stelle sich einen hundearmen Menschen im Mittelalter vor; allen Naturkatastrophen ausgesetzt, vom Herrn gepeinigt, von der Kirche benutzt... sehnt sich der nicht nach Erlösung, sehnt sich der nicht nach einer annehmbaren dauerhaften sozialen Bindung, und ist der nicht bereit, sein Elend einem [[Sündenbock]] zuzuschreiben? Das ist der Boden für [[Mythen]] und Abenteurer. \\ 
-Als heute berühmtester eschastologische [[Fürst]] gilt der Staufer Friedrich II.. Er steht für die weltliche Komponente des eschatologischen Denkens im Mittelalter. Ausgangspunkt für seine diesbezügliche Bedeutung ist wiederrum die [[Theorie]] Joachims von Fiore. Diesen Abt von Fiore bewegte nach vielen Jahren mönchischen Studiums zwischen 1190 und 1195 die [[Inspiration]], die [[Schrift]] müsse einen einzigartigen prophetischen Gehalt besitzen. Er interpretiert die Geschichte als Aufstieg durch die drei Zeitalter, d.i. der Fortschrittsgedanke, und kam über die einfache Rechnung 42*30=1260 zu der [[Erkenntnis]], daß 1260 das Ende der Welt sein müsse. - 42 für die Anzahl der Generationen von Abraham bis Jesus; 30 für die Höhe des Durchschnittsalters der damaligen Menschen - \\+Als heute berühmtester eschatologischer [[Fürst]] gilt der Staufer Friedrich II.. Er steht für die weltliche Komponente des eschatologischen Denkens im Mittelalter. Ausgangspunkt für seine diesbezügliche Bedeutung ist wiederum die [[Theorie]] Joachims von Fiore. Diesen Abt von Fiore bewegte nach vielen Jahren mönchischen Studiums zwischen 1190 und 1195 die [[Inspiration]], die [[Schrift]] müsse einen einzigartigen prophetischen Gehalt besitzen. Er interpretiert die Geschichte als Aufstieg durch die drei Zeitalter, d.i. der Fortschrittsgedanke, und kam über die einfache Rechnung 42*30=1260 zu der [[Erkenntnis]], daß 1260 das Ende der Welt sein müsse. - 42 für die Anzahl der Generationen von Abraham bis Jesus; 30 für die Höhe des Durchschnittsalters der damaligen Menschen - \\
 [[Kaiser]] [[Friedrich#Friedrich II.]] hat es dieser [[Prophetie]] zum großen Teil zu danken, daß ihn die Volksphantasie in der [[Rolle]] des Endzeitzüchtigers der Kirche sah. Überdies unternahm er 1229 tatsächlich einen [[Kreuzzug]], bei dem es gelang, Jerusalem zurückzuerobern und sich zu dessen König krönen zu lassen. \\ [[Kaiser]] [[Friedrich#Friedrich II.]] hat es dieser [[Prophetie]] zum großen Teil zu danken, daß ihn die Volksphantasie in der [[Rolle]] des Endzeitzüchtigers der Kirche sah. Überdies unternahm er 1229 tatsächlich einen [[Kreuzzug]], bei dem es gelang, Jerusalem zurückzuerobern und sich zu dessen König krönen zu lassen. \\
 Vor allem aber sah er sich in die härtesten Kämpfe mit dem [[Papsttum]] verwickelt. Friedrich drohte, den [[Papst]] zu enteignen, weil, so seine Begründung, der unermeßliche [[Reichtum]] der Kirche die [[Quelle]] der Verderbtheit sei. Die Kirche reagierte mit Exkommunikation. Die Volksmassen sahen in diesen Vorgängen die Vorboten der Apokalypse und Joachims Prophetien erlebten eine Blütezeit. Ein um 1240 verfaßter joachimitischer [[Kommentar]] zu Jeremia stempelte ihn in der Tat zu einem solchen Verfolger der Kirche, daß - wie der Kommentar prophezeite - 1260 nichts mehr von ihr übrig sein werde.  Vor allem aber sah er sich in die härtesten Kämpfe mit dem [[Papsttum]] verwickelt. Friedrich drohte, den [[Papst]] zu enteignen, weil, so seine Begründung, der unermeßliche [[Reichtum]] der Kirche die [[Quelle]] der Verderbtheit sei. Die Kirche reagierte mit Exkommunikation. Die Volksmassen sahen in diesen Vorgängen die Vorboten der Apokalypse und Joachims Prophetien erlebten eine Blütezeit. Ein um 1240 verfaßter joachimitischer [[Kommentar]] zu Jeremia stempelte ihn in der Tat zu einem solchen Verfolger der Kirche, daß - wie der Kommentar prophezeite - 1260 nichts mehr von ihr übrig sein werde. 
  
  
eschatologie.1564323012.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 16:10 von 127.0.0.1