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expressionismus

EXPRESSIONISMUS

→ es folge das neue REICH der Harmonie - neue Bergpredigt von Paul Zech

- bestand in dem programmatischen GEBOT, GENIE zu haben, doch blieb das programmatische Genie aus (BAHR)
- die Unnatur einer künstlerischen Spiegelfechterei und eines zugegebenen Betruges, der Schwindel aufsehenlüsterner Literaten oder sonstiger Kunstscharlatane, dem gewisse Erlebnischaraktere einer biologischen Anpassungsstufe zugrunde lagen, weshalb etliche Expressionisten ein PATHOS zur Schau trugen, das für sie nicht unehrlich gewesen zu sein braucht
- Mit einem natürlichen RECHT konnte sich der Expressionismus als die künstlerische Auslegung der Entwicklungsgeschichte geben, die innerhalb jedes Volkes besteht und immer bestanden hat: als die Kunstform einer rückständigen Kindlichkeit nach der Geschlechtsreife (postpubescente Infantilität).
- reiner Schwindel aufsehenlüsterner Literaten oder sonstiger Kunstscharlatane (KOLBENHEYER)
- Hinauspressung von vielleicht konstruktiven Visionen (MUSIL)
- überwindet die Farbenkleckserei des Impressionismus, schafft aber nur die Absolutierung der leeren Form (STEDING)
- Man nennt dieses Stück (Die Wandlung von 1917) expressionistisch. Szenen der Wirklichkeit und Traumszenen wechseln miteinander ab. Heute lächeln viele über den Expressionismus, damals war er eine notwendige künstlerische Form. Er wandte sich gegen jene Kunstrichtung, der es genügte, Eindrücke nebeneinander zu reihen, ohne die Frage nach dem Wesen, nach der VERANTWORTUNG, nach der Idee zu stellen. Der Expressionist wollte mehr als die Bilder photographieren; aus der ERKENNTNIS, daß die Umwelt gleichsam in den KÜNSTLER hineinsinkt, in seinen seelischen Spiegel facettiert wird, wollte er diese Umwelt vom WESEN her neu GESTALTEN. Die REALITÄT sollte vom Strahl der Idee erfaßt werden. (TOLLER)

Begriff

- von lat. expressio = AUSDRUCK; Sammelbezeichnung für die gegen den seinerzeit vorherrschenden NATURALISMUS und IMPRESSIONISMUS gewandten Stiltendenzen, was sich zuerst in der Malerei durch Überzeichnung der WIRKLICHKEIT ausdrückte, expressionierte. Das Aufbegehren gegen die Mächtigen entsteht zuerst bei den Benachteiligten, hier denen, die nicht zum Establishment gehören, also die jungen und armen, aber gut ausgebildeten, künstlerisch Aktiven.
- Was VOR dem Ersten WELTKRIEG nur geahnt wurde, daß nämlich die WELT aus den Fugen ist, wurde durch die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg Gewißheit: Unordnung, Irrsinn und Seelenlosigkeit, Pragmatismus (Zweckdenken). Der MENSCH ist Teil des Weltgetriebes und wird davon zermahlen. Es folgt die in der deutschen LITERATURGESCHICHTE so oft vollzogene Rückkehr ins innere Erleben, die durch drastisch-eigentümliche SPRACHE beschrieben wird.

Formen und Techniken

- Statt klassischer Formenmuster wird der Reihungsstil in der LYRIK bevorzugt: Gleichzeitigkeit (Simultaneität) von Geschehnissen, die eigentlich nicht zusammenpassen, aber in der VORSTELLUNG des Künstlers zusammengehören. Die Bildersprache geht auf das Verschiedene ein, das Häßliche gewinnt an BEDEUTUNG, obgleich das bereits schon vor dem Naturalismus thematisiert wurde. Die Autoren wollen schockieren, provozieren und GRAUEN erwecken.
- Andererseits aber gehört zu diesem Schockieren auch die Verwendung parodistischer MITTEL, Eklektizismus: man vermengt, was nicht zusammengehört: eine BLUME auf dem Schlachtfeld, die selber blutet und von einem MÄDCHEN mit durchbohrter Brust geküßt wird. PATHOS wird karikiert, EKSTASE steht neben ANGST.
- Montage, SYNÄSTHESIE (das Klavier klingt blau), Wirklichkeitsverzerrung, Antithetik, Groteskes.

These

Wohl jeder KÜNSTLER hat eine expressionistische Phase, aber die meisten überwinden sie und definieren sich über FORM oder WELTANSCHAUUNG. Der Expressionist bleibt bei der Darstellung und Verzerrung der ihn berührenden Wirklichkeit. KAFKA suchte die präzise Darstellung des Absonderlichen und die Gefahren, die daraus folgen, daher ist er kein Expressionist. BRECHT hatte in seiner Frühzeit (Baal) eine expressionistische Phase, gewann aber durch das Studium des Marxismus seine Weltanschauung, die ihn aus dem Kreis der Expressionisten heraushebt.

Textbeispiele

BENN: Krebsbaracke (Auszug)

Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust.
Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
  Hier diese blutet wie aus dreißig Leibern.
Kein Mensch hat soviel Blut.
Hier dieser schnitt man
erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schoß.

Versöhnung (Else Lasker-Schüler)
Es wird ein großer Stern in meinen Schoß fallen…
Wir wollen wachen die Nacht,
In den Sprachen beten,
Die wie Harfen eingeschnitten sind.
  Wir wollen uns versöhnen die Nacht -
So viel GOTT strömt über.
Kinder sind unsere Herzen,
Die möchten ruhen müdesüß.
Und unsere Lippen wollen sich KÜSSEN,
Was zagst du?
Grenzt nicht mein HERZ an deins -
Immer färbt dein Blut meine Wangen rot.
Wir wollen uns versöhnen die NACHT,
Wenn wir uns herzen, sterben wir nicht.
Es wird ein großer STERN in meinen Schoß fallen.

Expressionismus nach 1945

August Stramm
Herwarth Walden
Martin Walser

expressionismus.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/03 14:14 von Robert-Christian Knorr