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faulkner

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faulkner [2014/11/17 20:39] Robert-Christian Knorrfaulkner [2022/07/06 09:47] (aktuell) Robert-Christian Knorr
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 ==== Faulkners poetisierter Christus ==== ==== Faulkners poetisierter Christus ====
-Der Leser wird gut daran tun, Faulkners [[Legende]] nicht als biblischen Schlüsselroman zu lesen, denn der Autor versucht keine Mystifikation von Wirklichkeit. Man muß 420 Seiten lesen, um zu begreifen, daß Faulkner keine verschlüsselte messianische Botschaft an seinen Leser herantragen wollte. Das [[Moment]] im Erzählfaden, in dem der alte General seinen verräterischen Sohn in einer richten wollenden [[Szene]] zur [[Rede]] stellt, öffnet dem ausharrenden Leser die Augen in dem [[Sinn]]e, als daß er sich sagt: ‚Hat nicht Pontius Pilatus mit dem Menschensohn in der Art gesprochen?’ \\+Der Leser wird gut daran tun, Faulkners [[Legende]] nicht als biblischen Schlüsselroman zu lesen, denn der Autor versucht keine Mystifikation von Wirklichkeit. Man muß 420 Seiten lesen, um zu begreifen, daß Faulkner keine verschlüsselte messianische Botschaft an seinen Leser herantragen wollte. Das [[Moment]] im Erzählfaden, in dem der alte General seinen verräterischen Sohn in einer richten wollenden [[Szene]] zur [[Rede]] stellt, öffnet dem ausharrenden Leser die Augen in dem Sinne, als daß er sich sagt: ‚Hat nicht Pontius Pilatus mit dem Menschensohn in der Art gesprochen?’ \\
  
 Aber der Reihe nach: Faulkners Verknüpfung loser Erzählfäden kann den Leser schon verwirren; wer bis zur Seite 420 lesen muß, um Zusammenhänge zu begreifen, hat entweder keine Ahnung von [[Literatur]] oder aber er hat sich das falsche [[Buch]] gegriffen. Das Verwirren dürfte allerdings auch Gestaltungsmittel gewesen sein; schließlich packt Faulkner [[ewig]]-menschliche Probleme an und die sind eben problematisch. Lösungen zieht der Mann von heute nicht mehr aus der Tasche. Es ist alles ganz anders. Also kompliziert. Faulkner zeigt diese Probleme und ergreift [[Partei]]. Das gefiel. \\ Aber der Reihe nach: Faulkners Verknüpfung loser Erzählfäden kann den Leser schon verwirren; wer bis zur Seite 420 lesen muß, um Zusammenhänge zu begreifen, hat entweder keine Ahnung von [[Literatur]] oder aber er hat sich das falsche [[Buch]] gegriffen. Das Verwirren dürfte allerdings auch Gestaltungsmittel gewesen sein; schließlich packt Faulkner [[ewig]]-menschliche Probleme an und die sind eben problematisch. Lösungen zieht der Mann von heute nicht mehr aus der Tasche. Es ist alles ganz anders. Also kompliziert. Faulkner zeigt diese Probleme und ergreift [[Partei]]. Das gefiel. \\
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 Es sei an dieser Stelle darauf verzichtet, die Figuren näher zu beleuchten, denn es sind Positionen, die miteinander streiten, nicht Personen. Es kommt mir auf die Botschaft des Werkes an, und diese wird aufzuzeigen sein. \\ Es sei an dieser Stelle darauf verzichtet, die Figuren näher zu beleuchten, denn es sind Positionen, die miteinander streiten, nicht Personen. Es kommt mir auf die Botschaft des Werkes an, und diese wird aufzuzeigen sein. \\
-Mut, um [[Mitleid]] zu haben. Eine uralte christliche [[Motiv#Motivation]] führt Faulkner an. Mitleid in Kriegszeiten, das klingt wie Hohn, denn geht es nicht um das nackte Überleben? Faulkner hält diesem allzumenschlichen [[Gedanke#Gedanken]], ähnlich wie die alten [[Griechen]], ein wuchtiges Trotzdem entgegen und hängt seine Überzeugung an den ideellen [[Begriff]] des [[Stolz#Stolzes]]. Dieser [[Sprung]] aus der Real-­ in die Idealwelt ist nicht greifbar, nur erfühlbar, und hier sei mit Faulkner mitgegangen. Um von der [[Welt]] nicht überrannt zu werden, braucht man den Stolz des eigenen Egos, um die Welt nicht zu überrennen das Mitleidenkönnen des Alteregos, das Altruistische, welches mitunter sehr viel mehr Mut benötigt als das [[Nietzsche]]anische Durchsetzen des [[Wille]]ns. \\+Mut, um [[Mitleid]] zu haben. Eine uralte christliche [[Motiv#Motivation]] führt Faulkner an. Mitleid in Kriegszeiten, das klingt wie Hohn, denn geht es nicht um das nackte [[Überleben]]? Faulkner hält diesem allzumenschlichen [[Gedanke#Gedanken]], ähnlich wie die alten [[Griechen]], ein wuchtiges Trotzdem entgegen und hängt seine Überzeugung an den ideellen [[Begriff]] des [[Stolz#Stolzes]]. Dieser [[Sprung]] aus der Real-­ in die Idealwelt ist nicht greifbar, nur erfühlbar, und hier sei mit Faulkner mitgegangen. Um von der [[Welt]] nicht überrannt zu werden, braucht man den Stolz des eigenen Egos, um die Welt nicht zu überrennen das Mitleidenkönnen des Alteregos, das Altruistische, welches mitunter sehr viel mehr Mut benötigt als das [[Nietzsche]]anische Durchsetzen des Willens. \\
 Zehn Seiten später, am Ende des [[Gespräch]]s zwischen Adjutant und General kommt Faulkner zum Kern seines [[Roman]]s. Es geht um [[Krieg]]. Faulkner begreift den Krieg als [[Ausdruck]] des wühlenden, gärenden Bestandteils der [[Masse]] [[Menschheit]], die angestachelt durch das Rauschmittel Vaterland aufeinander losgeht. \\ Zehn Seiten später, am Ende des [[Gespräch]]s zwischen Adjutant und General kommt Faulkner zum Kern seines [[Roman]]s. Es geht um [[Krieg]]. Faulkner begreift den Krieg als [[Ausdruck]] des wühlenden, gärenden Bestandteils der [[Masse]] [[Menschheit]], die angestachelt durch das Rauschmittel Vaterland aufeinander losgeht. \\
  
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 Mich erschreckte diese Zurücknahme, denn ich hatte das [[Gefühl]], daß Faulkner sich von der Deutlichkeit seines Glaubensbekenntnisses, das [[Hoffnung]] und [[Erwartung]] gleichzeitig einschließt, derartig überrascht war, daß er nur über eine Relativierung eine von ihm als Anmaßung angesehene Behauptung in die rechte Position rücken konnte; was immer er auch darunter versteht. Großartig dagegen sind solche Sätze: Er hat vor so langer [[Zeit]] aufgegeben, daß es ihm jetzt sogar unmöglich ist, sich zu erinnern, daß er dabei nicht einmal etwas verloren hat. \\ Mich erschreckte diese Zurücknahme, denn ich hatte das [[Gefühl]], daß Faulkner sich von der Deutlichkeit seines Glaubensbekenntnisses, das [[Hoffnung]] und [[Erwartung]] gleichzeitig einschließt, derartig überrascht war, daß er nur über eine Relativierung eine von ihm als Anmaßung angesehene Behauptung in die rechte Position rücken konnte; was immer er auch darunter versteht. Großartig dagegen sind solche Sätze: Er hat vor so langer [[Zeit]] aufgegeben, daß es ihm jetzt sogar unmöglich ist, sich zu erinnern, daß er dabei nicht einmal etwas verloren hat. \\
-Wenn Faulkner [[Alter]] und [[Enttäuschung]] zeichnen wollte, ist ihm das gelungen. Gelungen sind auch die Teile im Werk, die das [[Verhalten]] einer bestimmten Geisteshaltung, das der Borniertheit, satirisch aufs Korn nehmen: \\+Wenn Faulkner [[Alter]] und [[Enttäuschung]] zeichnen wollte, ist ihm das gelungen. Gelungen sind auch die Teile im Werk, die das [[Verhalten]] einer bestimmten [[Geisteshaltung]], das der Borniertheit, satirisch aufs Korn nehmen: \\
  
-//„Nicht daß wir die Franzosen nötig hätten. Wir hätten uns einfach auf die Kanalhäfen zurückziehen und dem Boche [[Paris]] überlassen können. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die Börse wäre ein bißchen nervös geworden, aber auch das nicht zum ersten Mal. Aber das ist jetzt alles vorbei. Wir haben nicht nur den Boche an der [[Nase]] herumgeführt, die Franzosen haben sich auch wieder gefangen. Nennen sie es Ferien, denn wie alle Ferien wird es bald vorbei sein. Einige von Ihnen, denke ich, werden darüber nicht traurig sein, denn die Franzosen haben ihren Denkzettel weg, und so wird beim nächsten Mal der lange [[Urlaub]] fällig werden, denn dann wird die Feuereinstellung auf der anderen Seite des Rheins erfolgen. Auf gutes [[Gelingen]] also. Danke, meine Herren.“// \\+//„Nicht daß wir die Franzosen nötig hätten. Wir hätten uns einfach auf die Kanalhäfen zurückziehen und dem Boche [[Paris]] überlassen können. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Die [[Börse]] wäre ein bißchen nervös geworden, aber auch das nicht zum ersten Mal. Aber das ist jetzt alles vorbei. Wir haben nicht nur den Boche an der [[Nase]] herumgeführt, die Franzosen haben sich auch wieder gefangen. Nennen sie es Ferien, denn wie alle Ferien wird es bald vorbei sein. Einige von Ihnen, denke ich, werden darüber nicht traurig sein, denn die Franzosen haben ihren Denkzettel weg, und so wird beim nächsten Mal der lange [[Urlaub]] fällig werden, denn dann wird die Feuereinstellung auf der anderen Seite des Rheins erfolgen. Auf gutes [[Gelingen]] also. Danke, meine Herren.“// \\
  
  Die aus diesen Worten sprechende Kenntnis dessen, was denn borniert zu nennen ist, treibt Faulkner bei der einseitigen Betrachtung des Kriegsgegners, der angemahnten Boches, dann jedoch ins Unermeßliche: \\  Die aus diesen Worten sprechende Kenntnis dessen, was denn borniert zu nennen ist, treibt Faulkner bei der einseitigen Betrachtung des Kriegsgegners, der angemahnten Boches, dann jedoch ins Unermeßliche: \\
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 //„Warum mußte er den Piloten erschießen? //„Warum mußte er den Piloten erschießen?
 „Weil er Deutscher ist.“// \\ „Weil er Deutscher ist.“// \\
- Treten auf Seiten der Entente dem Leser noch Menschen entgegen, die weder [[gut]] noch [[schlecht]] sind, werden die [[Deutsche]]n lediglich im negativen [[Zusammenhang]] erwähnt. Er stellt an den Boches die [[Tugend]] des Soldatischen als etwas Unumständliches fest, welche jene von der kultivierten Welt ausschließe. \\+ Treten auf Seiten der [[Entente]] dem Leser noch Menschen entgegen, die weder [[gut]] noch [[schlecht]] sind, werden die [[Deutsche]]n lediglich im negativen [[Zusammenhang]] erwähnt. Er stellt an den Boches die [[Tugend]] des Soldatischen als etwas Unumständliches fest, welche jene von der kultivierten Welt ausschließe. \\
 Ist das Faulkners Bild vom Deutschen oder nun seinerseits südstaatlerische Borniertheit oder vielleicht die Mentalität des Siegers, der an dem besiegten kein gutes Haar lassen kann, um sich selbst zu erhöhen, vielleicht gar sein [[Tun]] zu rechtfertigen? \\ Ist das Faulkners Bild vom Deutschen oder nun seinerseits südstaatlerische Borniertheit oder vielleicht die Mentalität des Siegers, der an dem besiegten kein gutes Haar lassen kann, um sich selbst zu erhöhen, vielleicht gar sein [[Tun]] zu rechtfertigen? \\
-Einen Fensterplatz im Werk nimmt die [[Anekdote]] um das Pferd Mistairy ein: \\+Einen Fensterplatz im Werk nimmt die [[Anekdote]] um das [[Pferd]] Mistairy ein: \\
  
 //„Das Pferd“, sagte der alte [[Neger]]. „Von dem sie behaupten, wir hätten es gestohlen. Nur daß wir das gar nicht gekonnt hätten. Auch wenn wir gewollt hätten. Weil es nie einem gehörte, dem man es hätte wegnehmen können. Es war das Pferd der Welt. Der Champion. Es gehörte nicht den Dingen, die Dinge gehörten ihm.“  //„Das Pferd“, sagte der alte [[Neger]]. „Von dem sie behaupten, wir hätten es gestohlen. Nur daß wir das gar nicht gekonnt hätten. Auch wenn wir gewollt hätten. Weil es nie einem gehörte, dem man es hätte wegnehmen können. Es war das Pferd der Welt. Der Champion. Es gehörte nicht den Dingen, die Dinge gehörten ihm.“ 
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 „Er hat Raum für beides. Es ist beides dasselbe für Ihn. Er kann sich über beides grämen.“// \\ „Er hat Raum für beides. Es ist beides dasselbe für Ihn. Er kann sich über beides grämen.“// \\
  
-In einem philosophischen [[Verhältnis]] stehend, heißt der Krieg schon im Altertum nichts anderes als [[Reinigung]] und Prüfung. Der zu Prüfende muß sich als würdig erweisen, dieser besten aller Welten beiwohnen zu dürfen, darüber lacht Gott. Er weint über den Weg, der jedoch [[notwendig]] erscheint wegen der Natur des Menschen. Es ist dies der alte [[Streit]] um die [[Ursache und Wirkung]] allen Geschehens, um Begriffe wie Theodizee und Lauterkeit. Faulkner löst sie nicht in einem neuen Werteimperativ auf, er stellt Meinung gegen [[Meinung]], aber er ergötzt sich nicht an den Faxen, die seine Figuren mit diesen ihnen in den Mund gelegten Meinungen nun vollziehen. Diese unterlassene Botschaftsverbreiterung macht seine Legende letztlich zu keinem Schlüsselroman, biblisch oder nicht, sondern zu einer Parabel. Eine [[Parabel]] unterscheidet von einem Schlüsselroman nicht nur die [[Länge]], die Breite des Dargereichten, sondern auch die [[Intensität]] der Botschaft. In einer Parabel muß alles auf den Punkt formuliert werden, ein Schlüsselroman hat starke subjektive Bezüge. Daß sich Faulkner nicht ganz sicher war, welches literarische [[Sujet]] er nun füllen wollte, zeigen lange Schachtelsätze, die sich allesamt um die Konstituierung eines Menschenbildes ranken: \\+In einem philosophischen [[Verhältnis]] stehend, heißt der Krieg schon im Altertum nichts anderes als [[Reinigung]] und [[Prüfung]]. Der zu Prüfende muß sich als würdig erweisen, dieser besten aller Welten beiwohnen zu dürfen, darüber lacht Gott. Er weint über den Weg, der jedoch [[notwendig]] erscheint wegen der Natur des Menschen. Es ist dies der alte [[Streit]] um die [[Ursache und Wirkung]] allen Geschehens, um Begriffe wie Theodizee und Lauterkeit. Faulkner löst sie nicht in einem neuen Werteimperativ auf, er stellt Meinung gegen [[Meinung]], aber er ergötzt sich nicht an den Faxen, die seine Figuren mit diesen ihnen in den Mund gelegten Meinungen nun vollziehen. Diese unterlassene Botschaftsverbreiterung macht seine Legende letztlich zu keinem Schlüsselroman, biblisch oder nicht, sondern zu einer Parabel. Eine [[Parabel]] unterscheidet von einem Schlüsselroman nicht nur die [[Länge]], die Breite des Dargereichten, sondern auch die [[Intensität]] der Botschaft. In einer Parabel muß alles auf den Punkt formuliert werden, ein Schlüsselroman hat starke subjektive Bezüge. Daß sich Faulkner nicht ganz sicher war, welches literarische [[Sujet]] er nun füllen wollte, zeigen lange Schachtelsätze, die sich allesamt um die Konstituierung eines Menschenbildes ranken: \\
  
 //„Machtgier überdauert, nicht einmal deswegen,  weil sie ist, sondern weil der Mensch Mensch ist, ausdauernd und unsterblich. Er überdauert nicht, weil er unsterblich ist, sondern ist unsterblich, weil er ausdauert: und so die Machtgier, in welcher der  unsterbliche Mensch niemals versagt, denn in ihr, von ihr bekommt und erhält er seine [[Unsterblichkeit]]. Sie ist das mitempfindende, umfassende Allwesen, das nur zu ihm sagt: ‚Glaubt an Mich: und zweifelt ihr sieben Mal siebzig Mal, ihr braucht nur wieder zu glauben.“// \\ //„Machtgier überdauert, nicht einmal deswegen,  weil sie ist, sondern weil der Mensch Mensch ist, ausdauernd und unsterblich. Er überdauert nicht, weil er unsterblich ist, sondern ist unsterblich, weil er ausdauert: und so die Machtgier, in welcher der  unsterbliche Mensch niemals versagt, denn in ihr, von ihr bekommt und erhält er seine [[Unsterblichkeit]]. Sie ist das mitempfindende, umfassende Allwesen, das nur zu ihm sagt: ‚Glaubt an Mich: und zweifelt ihr sieben Mal siebzig Mal, ihr braucht nur wieder zu glauben.“// \\
faulkner.1416253182.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:29 (Externe Bearbeitung)