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femegericht

FEMEGERICHT

von veme, d.i. die STRAFE
- ursprünglich in Westfalen von Karl dem Großen eingerichtete Grafengerichte, um seine Vorstellungen vom Recht bei den eroberten Sachsen durchzusetzen; allmählich Verschmelzung von sächsischen und fränkischen Rechtsvorstellungen: in Westfalen stärker fränkisch, je weiter nach Osten, desto ursprünglicher sächsisch/fälisch
- nach 1180 fiel Westfalen an den Kölner Erzbischof, der seine Hochrichter nicht mit Blutgericht beauftragen durfte, kanonische Vorschriften, so daß die westfälischen Grafen nach wie vor des königlichen Blutbanns bedurften, den sie auch bekamen, was wiederum dazu führte, daß sich die westfälischen Grafen als königliche RICHTER verstanden mit Vollstreckungsgewalt im REICH, was wiederum dazu führte, daß sich nichtwestfälische Landesherrn in ihrer MACHT eingeschränkt fühlten und das wiederum führte dazu, daß sich die westfälischen Grafen geheim organisierten und einen Femebund begründeten, der seine Mitglieder zwang, auf der heimischen roten ERDE Westfalens einen Treueid abzulegen
- nahm überhand und wurde durch Exemtionsbefehle des Königs gegenüber hilfesuchenden Städten im 15. Jahrhunderts ausgehöhlt
- mit der Herrschaft Karls V. endet die eigentliche HERRSCHAFT der Femegerichte im Reich, denn Karl V. beließ zwar die Feme in ihrer Wirkung, beauftragte aber die Fürsten, Ordnung zu schaffen, also die Durchführung zu beaufsichtigen, was diese dadurch taten, daß sie als Femegrafen ihnen liebsame Adlige einsetzten und somit die Freiheit der Adligen und Freien maßgeblich einschränkten, was die Freien durch den Einsatz von Bauerngerichten beantworteten, die lange nicht die innere ZUCHT und Ordnung besaßen wie die Femegerichte bis etwa 1500, eher Sturheit heischten, dennoch bis etwa 1830 fortdauerten → Immermann: Münchhausen (ein literarisches Denkmal für die Femegerichte)

Aufbau und Wirkungsweise

- die Gerichte fanden bei Tageslicht unter freiem Himmel statt
- Zugang erhielten Eingeweihte/Berufene, allen anderen war der Zutritt bei TODESSTRAFE verwehrt
- jeder der sieben Freischöffen mußte vor dem Gericht - ein Freigraf und sieben Freischöffen, wobei auch Bauern diesen Platz einnehmen konnten! - ihm bekannt gewordene Rechtsverletzungen aus dem Reich anzeigen/rügen, die dann gefemt werden sollten
- vor der Heischung, also der eigentlichen Vorladung vors Femegericht, hatte ein Beschuldigter 45 Tage Zeit, sich mit seinem Kläger gütlich zu einigen
- die Strafe sollte am Ort der Ergreifung des Gefemten vollstreckt werden → das bedeutet: Einkerkerungen gab es nicht, auch keine Verschleppungen zu einem Hinrichtungsort, es sei denn, das Femegericht hatte selbiges verlangt, was aber selten geschah

Stufen beim Femegericht

  1. femfrohnde, d.s. Schüler
  2. skillinge oder billunge, d.s. die Schöppen oder Schöffen und
  3. stuhler oder Stuhlherren, d.s. die Femegrafen

- wer als Schöffe aufgenommen werden wollte, mußte 1 Mark oder ½ Pfund nach kölnischer Rechnung, d.s. 117 g Gold (etwa 6600 €), zahlen, wovon der Femegraf 30 Gulden (etwa 106 g Gold, d.s. 6000 €) erhielt, die anderen je drei Schillinge, d.s. 60 g Silber, etwa 40 €

Erkennungszeichen

- besteht aus vier/fünf Worten: Stock, Stein, Gras, GREIN, auch als Runen S.S.G.G. oder eben aus fünf Worten: Stock, Stein, Strick, Gras, Grein
- das heimliche Nothwort/Parole: Reinar dor Feweri (Reinigung durch Schmerzen!)
- trafen sich zwei Femegenossen, Schöppen, so gaben sie einander die Rechte und legten die Linke auf die Schulter; es soll auch einen verbalen Gruß gegeben haben: „Ich grüße dich, Löwenmann (Gehilfe des Scharfrichters)! Was hast du heute vor?“ - Der Gegrüßte antwortete: „Alles Glück komme dorthin, wo der freie Schöppe wirkt.“
- in einer Schenke legte ein Schöppe sein Messer mit der Spitze zum Tischrand

Femesatzung von 1430

- beschlossen bei einer Versammlung unter dem Churfürsten von Köln, einem Erzbischof, in Soest oder Arnsberg - ist nicht ganz unumstritten

Femeschwur

- nach mündlicher Prüfung eines nach Aufnahme Heischenden, der kein Bastard, kein Jude und nicht zu den Eigenleuten/Leibeigenen gehören durfte, außerdem männlich, volljährig, frei und wirtschaftlich selbständig sein mußte, legte der Aufnahme Heischende zwei Finger auf das Femeschwert und schwor folgenden Eid:

Urteil und Vollstreckung

- das Urteil wurde einstimmig getroffen und vor Ort vollstreckt, meist durch die Schöppen selber
- gelang dem Verurteilten die Flucht, so wurde ein Femebrief ausgestellt und siebenfach verschlossen, meist zwei der Schöppen mit der Verfolgung beauftragt, die diese sofort aufnahmen und den Verurteilten dann, bei Ergreifung, selber richteten
- in seltenen Fällen wurde „Gnade vor Recht“ ausgesprochen, wenn der Verurteilte reuig war und SÜHNE leisten wollte → man legte ihm einen Weidenstrang um den Hals, hieß ihn barhäuptig und barhändig vor dem Femegericht erscheinen, den Kniefall machen und dann mußte er seine SCHULD abarbeiten: Königspfennig, Sühnegroschen

femegericht.txt · Zuletzt geändert: 2023/08/15 16:24 von Robert-Christian Knorr