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goldstandard

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goldstandard [2019/07/28 16:11] – Externe Bearbeitung 127.0.0.1goldstandard [2024/03/28 12:42] (aktuell) – [Es werden vier verschiedene Formen der Goldstandards unterschieden] Robert-Christian Knorr
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 Daß Frankreich keinen vollständigen Goldstandard übernahm wie England lag sicherlich an den innenpolitischen und sozialen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu England bildete sich in Frankreich keine Koalition der Landbesitzer, der Finanzklasse und der Gläubiger. Zum einen gab es in Frankreich kein Äquivalent zu der Klasse der Landbesitzer Englands. Während in England große Landbesitze in den Händen der Aristokratie lagen, war der Besitz von Land in Frankreich relativ weit verbreitet. Es gab eine Vielzahl von Bauern, die kleine Pazellen Land bewirtschafteten. Demzufolge gab es nicht wie in England die [[Aristokratie]], die sich für stabile oder sinkende Preise einsetzten, um die Erträge aus den Verpachtungen stabil zu halten, beziehungsweise die Kaufkraft ihres Einkommens zu erhöhen. In Frankreich setzte sich dahingegen eine Vielzahl von Kleinbauern für einen Silberstandard und eine inflationäre Geldpolitik ein. Sie forderten, daß Frankreich von den deflationären Implikationen des Goldstandards isoliert werden solle. Auch die französische [[Industrie]] befürwortete den Goldstandard weniger stark als die in England, da die [[Industrialisierung]] in Frankreich sehr viel weniger fortgeschritten war. Die Produktion und der Export von Massenprodukten war in Frankreich noch nicht verbreitet. Da Exporte von Massenprodukten weniger wichtig waren, gab es folglich auch keine Lobby, die sich für stabile Wechselkurse einsetzte. Auch der französische Finanzsektor stand weniger stark hinter dem Goldstandard als der britische. Ein Grund hierfür war, wie im Bereich Handel, die fehlende internationale Ausrichtung.\\ Daß Frankreich keinen vollständigen Goldstandard übernahm wie England lag sicherlich an den innenpolitischen und sozialen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu England bildete sich in Frankreich keine Koalition der Landbesitzer, der Finanzklasse und der Gläubiger. Zum einen gab es in Frankreich kein Äquivalent zu der Klasse der Landbesitzer Englands. Während in England große Landbesitze in den Händen der Aristokratie lagen, war der Besitz von Land in Frankreich relativ weit verbreitet. Es gab eine Vielzahl von Bauern, die kleine Pazellen Land bewirtschafteten. Demzufolge gab es nicht wie in England die [[Aristokratie]], die sich für stabile oder sinkende Preise einsetzten, um die Erträge aus den Verpachtungen stabil zu halten, beziehungsweise die Kaufkraft ihres Einkommens zu erhöhen. In Frankreich setzte sich dahingegen eine Vielzahl von Kleinbauern für einen Silberstandard und eine inflationäre Geldpolitik ein. Sie forderten, daß Frankreich von den deflationären Implikationen des Goldstandards isoliert werden solle. Auch die französische [[Industrie]] befürwortete den Goldstandard weniger stark als die in England, da die [[Industrialisierung]] in Frankreich sehr viel weniger fortgeschritten war. Die Produktion und der Export von Massenprodukten war in Frankreich noch nicht verbreitet. Da Exporte von Massenprodukten weniger wichtig waren, gab es folglich auch keine Lobby, die sich für stabile Wechselkurse einsetzte. Auch der französische Finanzsektor stand weniger stark hinter dem Goldstandard als der britische. Ein Grund hierfür war, wie im Bereich Handel, die fehlende internationale Ausrichtung.\\
 [[Deutschland]] übernahm den Goldstandard offiziell 1873. Wie im Fall von Frankreich war Deutschlands Befürwortung des Goldstandards sehr viel geringer ausgeprägt als die in England. Anfang der 1870er war eine Währungsreform in Deutschland dringend [[notwendig]]. Deutschland brauchte eine neue gemeinsame Währung. Da sich die Handelsverflechtungen von Osteuropa nach England verschoben hatten, war der Silberstandard, der in den Ländern Osteuropas dominiert hatte, aus deutscher Sicht nicht mehr vorteilhaft. Auch hatten viele Länder Osteuropas ihren Silberstandard bereits gegen unkonvertierbares Papiergeld eingetauscht. Dies erübrigte den Silberstandard für Deutschland. Des weiteren wurden die meisten wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit außereuropäischen Ländern über London finanziert. Folglich nahm Deutschland einen Goldstandard an, der offiziell einem vollen Goldstandard entsprach. Deutschland verkaufte seine Silberbestände und kaufte Gold auf den internationalen Märkten an. 1872 wurde der Silbertaler durch die Deutsche Mark ersetzt. In der Umsetzung entsprach der deutsche Goldstandard jedoch auch nicht dem vollen Goldstandard Englands und wurde oftmals manipuliert. Folglich benutzte die Reichsbank eine Reihe von Instrumenten, um die Goldflüsse zu beeinflussen: Wenn sie den Goldimport fördern wollte, vergab sie Prämien oder zinsfreie Kredite an Goldimporteure. Sie manipulierte also die sogenannten Goldimport- und exportpunkte. Indem sie zeitweise Banknoten in Gold nur in ihrer Zentrale in Berlin umtauschte und nicht in den Filialen an den Grenzen, wurden die Exportkosten von Gold erheblich erhöht und Goldexporte wurden weniger attraktiv. Letztlich ließ die Reichsbank die Finanzakteure auf subtile Weise wissen, daß sie dem Goldexport sehr negativ gegenüber stand, um den Goldabfluß einzudämmen und die Goldreserven zu sichern. Da die Banker Konflikte mit der Reichsbank vermeiden wollten, folgten sie oftmals den Wünschen der Reichsbank. Aufgrund dieser Politikmaßnahmen konnten auch die Reichsbank und der deutsche Finanzmarkt wie die Bank von Frankreich und der französische Finanzmarkt international nicht den gleichen Status erreichen wie London.\\ [[Deutschland]] übernahm den Goldstandard offiziell 1873. Wie im Fall von Frankreich war Deutschlands Befürwortung des Goldstandards sehr viel geringer ausgeprägt als die in England. Anfang der 1870er war eine Währungsreform in Deutschland dringend [[notwendig]]. Deutschland brauchte eine neue gemeinsame Währung. Da sich die Handelsverflechtungen von Osteuropa nach England verschoben hatten, war der Silberstandard, der in den Ländern Osteuropas dominiert hatte, aus deutscher Sicht nicht mehr vorteilhaft. Auch hatten viele Länder Osteuropas ihren Silberstandard bereits gegen unkonvertierbares Papiergeld eingetauscht. Dies erübrigte den Silberstandard für Deutschland. Des weiteren wurden die meisten wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit außereuropäischen Ländern über London finanziert. Folglich nahm Deutschland einen Goldstandard an, der offiziell einem vollen Goldstandard entsprach. Deutschland verkaufte seine Silberbestände und kaufte Gold auf den internationalen Märkten an. 1872 wurde der Silbertaler durch die Deutsche Mark ersetzt. In der Umsetzung entsprach der deutsche Goldstandard jedoch auch nicht dem vollen Goldstandard Englands und wurde oftmals manipuliert. Folglich benutzte die Reichsbank eine Reihe von Instrumenten, um die Goldflüsse zu beeinflussen: Wenn sie den Goldimport fördern wollte, vergab sie Prämien oder zinsfreie Kredite an Goldimporteure. Sie manipulierte also die sogenannten Goldimport- und exportpunkte. Indem sie zeitweise Banknoten in Gold nur in ihrer Zentrale in Berlin umtauschte und nicht in den Filialen an den Grenzen, wurden die Exportkosten von Gold erheblich erhöht und Goldexporte wurden weniger attraktiv. Letztlich ließ die Reichsbank die Finanzakteure auf subtile Weise wissen, daß sie dem Goldexport sehr negativ gegenüber stand, um den Goldabfluß einzudämmen und die Goldreserven zu sichern. Da die Banker Konflikte mit der Reichsbank vermeiden wollten, folgten sie oftmals den Wünschen der Reichsbank. Aufgrund dieser Politikmaßnahmen konnten auch die Reichsbank und der deutsche Finanzmarkt wie die Bank von Frankreich und der französische Finanzmarkt international nicht den gleichen Status erreichen wie London.\\
-Die Abweichungen von einem vollkommenen Goldstandard lassen sich in Deutschland wie in Frankreich anhand der sozialen und politischen Struktur erklären. Ausschlaggebend für die Fokussierung der Geldpolitik auf binnenwirtschaftliche Ziele und die [[Manipulation]] der Goldflüsse waren die Junker. Die Junker waren wie die britische Aristokratie [[politisch]] sehr einflußreich. Ihre geldpolitischen Ziele stimmten als selbständige Landwirte jedoch eher mit denen der kleinen Landbesitzer Frankreichs und der Bauern Englands überein: sie hatten also ein [[Interesse]] an steigenden Preisen.\\+Die Abweichungen von einem vollkommenen Goldstandard lassen sich in Deutschland wie in Frankreich anhand der sozialen und politischen Struktur erklären. Ausschlaggebend für die Fokussierung der Geldpolitik auf binnenwirtschaftliche Ziele und die [[Manipulation]] der Goldflüsse waren die [[Junker]]. Die Junker waren wie die britische Aristokratie [[politisch]] sehr einflußreich. Ihre geldpolitischen Ziele stimmten als selbständige Landwirte jedoch eher mit denen der kleinen Landbesitzer Frankreichs und der Bauern Englands überein: sie hatten also ein [[Interesse]] an steigenden Preisen.\\
 Auch die Banken standen nicht in dem gleichen Maße hinter einem vollkommenen Goldstandard wie die Banken in England. Anders als in England waren die deutschen wie die französischen Banken binnenwirtschaftlich orientiert. Die deutschen Banken finanzierten vielmehr die Entwicklung der nationalen Industrie. Die Unterstützung der jungen, sich entwickelnden [[Industrie]] („infant industry“) spielte eine zentrale Rolle in der gesamten [[Wirtschaftspolitik]] der beiden Länder. Folglich waren die Interessen der Banken eng mit den Interessen der sich entwickelnden Industrie verbunden. Da diese weniger im internationalen [[Geschäft]] involviert waren - sie mußten erst wettbewerbsfähig werden und wurden oftmals durch hohe Zölle geschützt - war für sie das [[Vertrauen]] der internationalen Investoren und eine stabile Währung weniger wichtig.\\ Auch die Banken standen nicht in dem gleichen Maße hinter einem vollkommenen Goldstandard wie die Banken in England. Anders als in England waren die deutschen wie die französischen Banken binnenwirtschaftlich orientiert. Die deutschen Banken finanzierten vielmehr die Entwicklung der nationalen Industrie. Die Unterstützung der jungen, sich entwickelnden [[Industrie]] („infant industry“) spielte eine zentrale Rolle in der gesamten [[Wirtschaftspolitik]] der beiden Länder. Folglich waren die Interessen der Banken eng mit den Interessen der sich entwickelnden Industrie verbunden. Da diese weniger im internationalen [[Geschäft]] involviert waren - sie mußten erst wettbewerbsfähig werden und wurden oftmals durch hohe Zölle geschützt - war für sie das [[Vertrauen]] der internationalen Investoren und eine stabile Währung weniger wichtig.\\
 Nach Deutschland übernahmen Norwegen, Schweden und Dänemark den Goldstandard. Die Länder der Lateinischen Münzkonvention (Frankreich, Schweiz, Belgien) folgten Ende der 1870er. 1878 hatten demnach England, Deutschland, Belgien, [[Holland]], Frankreich, die Schweiz und die Skandinavischen Länder den Goldstandard. 1892 schloß sich Österreich an, Rußland folgte 1897, [[Japan]] 1879. In den USA gab es seit 1879 einen de facto Goldstandard. Nach 1900 folgten noch Länder wie Siam, Ceylon, Argentinien, Mexiko, Peru und Uruguay. Zu dieser Entwicklung trug insbesondere bei, daß England die führende Finanz- und [[Handel]]smacht war und einen vollkommenen Goldstandard hatte. Folglich wurde das britische Währungssystem für die mit England handelnden Länder immer wichtiger. So erleichtert ein gemeinsames Währungssystem die finanziellen Transaktionen und den internationalen Handel: Je mehr Länder den Goldstandard übernahmen, umso mehr lohnte es sich für andere Länder ihrem Beispiel zu folgen.\\ Nach Deutschland übernahmen Norwegen, Schweden und Dänemark den Goldstandard. Die Länder der Lateinischen Münzkonvention (Frankreich, Schweiz, Belgien) folgten Ende der 1870er. 1878 hatten demnach England, Deutschland, Belgien, [[Holland]], Frankreich, die Schweiz und die Skandinavischen Länder den Goldstandard. 1892 schloß sich Österreich an, Rußland folgte 1897, [[Japan]] 1879. In den USA gab es seit 1879 einen de facto Goldstandard. Nach 1900 folgten noch Länder wie Siam, Ceylon, Argentinien, Mexiko, Peru und Uruguay. Zu dieser Entwicklung trug insbesondere bei, daß England die führende Finanz- und [[Handel]]smacht war und einen vollkommenen Goldstandard hatte. Folglich wurde das britische Währungssystem für die mit England handelnden Länder immer wichtiger. So erleichtert ein gemeinsames Währungssystem die finanziellen Transaktionen und den internationalen Handel: Je mehr Länder den Goldstandard übernahmen, umso mehr lohnte es sich für andere Länder ihrem Beispiel zu folgen.\\
goldstandard.txt · Zuletzt geändert: 2024/03/28 12:42 von Robert-Christian Knorr