goldstandard
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goldstandard [2014/11/29 14:38] – Robert-Christian Knorr | goldstandard [2024/03/28 12:42] (aktuell) – [Es werden vier verschiedene Formen der Goldstandards unterschieden] Robert-Christian Knorr | ||
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Mit dem Goldstandard legt jedes beteiligte [[Land]] den [[Wert]] seiner Währung zum [[Gold]] fest. Innerhalb des klassischen Goldstandards des 19. Jahrhunderts betrug der [[Preis]] einer Unze Gold in New York um 1914 zum Beispiel 20 Dollar und in Großbritannien 5 Pfund. Dadurch ergab sich ein fester Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und dem Pfund von 4 Dollar für ein Pfund. | Mit dem Goldstandard legt jedes beteiligte [[Land]] den [[Wert]] seiner Währung zum [[Gold]] fest. Innerhalb des klassischen Goldstandards des 19. Jahrhunderts betrug der [[Preis]] einer Unze Gold in New York um 1914 zum Beispiel 20 Dollar und in Großbritannien 5 Pfund. Dadurch ergab sich ein fester Wechselkurs zwischen dem US-Dollar und dem Pfund von 4 Dollar für ein Pfund. | ||
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+ | - Die [[Idee]], daß Gold zu unserem Standard gewählt worden ist, weil es nach seinem Wert stabil sei, ist ein [[Mythos]]. (Irvin Fisher) | ||
===== Ein Goldstandard bedeutet ===== | ===== Ein Goldstandard bedeutet ===== | ||
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Daß Frankreich keinen vollständigen Goldstandard übernahm wie England lag sicherlich an den innenpolitischen und sozialen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu England bildete sich in Frankreich keine Koalition der Landbesitzer, | Daß Frankreich keinen vollständigen Goldstandard übernahm wie England lag sicherlich an den innenpolitischen und sozialen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu England bildete sich in Frankreich keine Koalition der Landbesitzer, | ||
[[Deutschland]] übernahm den Goldstandard offiziell 1873. Wie im Fall von Frankreich war Deutschlands Befürwortung des Goldstandards sehr viel geringer ausgeprägt als die in England. Anfang der 1870er war eine Währungsreform in Deutschland dringend [[notwendig]]. Deutschland brauchte eine neue gemeinsame Währung. Da sich die Handelsverflechtungen von Osteuropa nach England verschoben hatten, war der Silberstandard, | [[Deutschland]] übernahm den Goldstandard offiziell 1873. Wie im Fall von Frankreich war Deutschlands Befürwortung des Goldstandards sehr viel geringer ausgeprägt als die in England. Anfang der 1870er war eine Währungsreform in Deutschland dringend [[notwendig]]. Deutschland brauchte eine neue gemeinsame Währung. Da sich die Handelsverflechtungen von Osteuropa nach England verschoben hatten, war der Silberstandard, | ||
- | Die Abweichungen von einem vollkommenen Goldstandard lassen sich in Deutschland wie in Frankreich anhand der sozialen und politischen Struktur erklären. Ausschlaggebend für die Fokussierung der Geldpolitik auf binnenwirtschaftliche Ziele und die [[Manipulation]] der Goldflüsse waren die Junker. Die Junker waren wie die britische Aristokratie [[politisch]] sehr einflußreich. Ihre geldpolitischen Ziele stimmten als selbständige Landwirte jedoch eher mit denen der kleinen Landbesitzer Frankreichs und der Bauern Englands überein: sie hatten also ein [[Interesse]] an steigenden Preisen.\\ | + | Die Abweichungen von einem vollkommenen Goldstandard lassen sich in Deutschland wie in Frankreich anhand der sozialen und politischen Struktur erklären. Ausschlaggebend für die Fokussierung der Geldpolitik auf binnenwirtschaftliche Ziele und die [[Manipulation]] der Goldflüsse waren die [[Junker]]. Die Junker waren wie die britische Aristokratie [[politisch]] sehr einflußreich. Ihre geldpolitischen Ziele stimmten als selbständige Landwirte jedoch eher mit denen der kleinen Landbesitzer Frankreichs und der Bauern Englands überein: sie hatten also ein [[Interesse]] an steigenden Preisen.\\ |
Auch die Banken standen nicht in dem gleichen Maße hinter einem vollkommenen Goldstandard wie die Banken in England. Anders als in England waren die deutschen wie die französischen Banken binnenwirtschaftlich orientiert. Die deutschen Banken finanzierten vielmehr die Entwicklung der nationalen Industrie. Die Unterstützung der jungen, sich entwickelnden [[Industrie]] („infant industry“) spielte eine zentrale Rolle in der gesamten [[Wirtschaftspolitik]] der beiden Länder. Folglich waren die Interessen der Banken eng mit den Interessen der sich entwickelnden Industrie verbunden. Da diese weniger im internationalen [[Geschäft]] involviert waren - sie mußten erst wettbewerbsfähig werden und wurden oftmals durch hohe Zölle geschützt - war für sie das [[Vertrauen]] der internationalen Investoren und eine stabile Währung weniger wichtig.\\ | Auch die Banken standen nicht in dem gleichen Maße hinter einem vollkommenen Goldstandard wie die Banken in England. Anders als in England waren die deutschen wie die französischen Banken binnenwirtschaftlich orientiert. Die deutschen Banken finanzierten vielmehr die Entwicklung der nationalen Industrie. Die Unterstützung der jungen, sich entwickelnden [[Industrie]] („infant industry“) spielte eine zentrale Rolle in der gesamten [[Wirtschaftspolitik]] der beiden Länder. Folglich waren die Interessen der Banken eng mit den Interessen der sich entwickelnden Industrie verbunden. Da diese weniger im internationalen [[Geschäft]] involviert waren - sie mußten erst wettbewerbsfähig werden und wurden oftmals durch hohe Zölle geschützt - war für sie das [[Vertrauen]] der internationalen Investoren und eine stabile Währung weniger wichtig.\\ | ||
Nach Deutschland übernahmen Norwegen, Schweden und Dänemark den Goldstandard. Die Länder der Lateinischen Münzkonvention (Frankreich, | Nach Deutschland übernahmen Norwegen, Schweden und Dänemark den Goldstandard. Die Länder der Lateinischen Münzkonvention (Frankreich, | ||
Die führende Rolle Englands in der Weltwirtschaft führte nicht nur zu einer internationalen Verbreitung des Goldstandards. Auch wurde deswegen in den internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen der Sterling zur Leitwährung des Systems. Da er durch seine Stabilität als „so gut“ wie Gold angesehen wurde, lief der internationale Zahlungsverkehr hauptsächlich in Pfund Sterling ab. Sterling war das weitverbreitetste Finanzierungsinstrument. Auch zum Begleichen oder in Rechnungstellen des internationalen Handels wurde hauptsächlich das Pfund Sterling genutzt. Das Pfund Sterling wurde weiter um 1900 die wichtigste Reservewährung. Vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurden ca. 40% aller Devisenreserven in Pfund Sterling gehalten. Währungsreserven in französischen Franc und Deutschen Mark machten zusammen weitere 40% aus. Weitere Reservewährungen (zusammen 20%) waren belgische Francs, Schweizer Franken, holländische Gulden und US-amerikanische Dollars. Die Zahlungen in Gold spielten eine eher untergeordnete Rolle. Nur für intrastaatliches Begleichen von großen [[Schuld]]en oder bei Bereitstellung von Liquidität in Krisenzeiten spielte Gold weiterhin die dominierende [[Rolle]]. | Die führende Rolle Englands in der Weltwirtschaft führte nicht nur zu einer internationalen Verbreitung des Goldstandards. Auch wurde deswegen in den internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen der Sterling zur Leitwährung des Systems. Da er durch seine Stabilität als „so gut“ wie Gold angesehen wurde, lief der internationale Zahlungsverkehr hauptsächlich in Pfund Sterling ab. Sterling war das weitverbreitetste Finanzierungsinstrument. Auch zum Begleichen oder in Rechnungstellen des internationalen Handels wurde hauptsächlich das Pfund Sterling genutzt. Das Pfund Sterling wurde weiter um 1900 die wichtigste Reservewährung. Vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurden ca. 40% aller Devisenreserven in Pfund Sterling gehalten. Währungsreserven in französischen Franc und Deutschen Mark machten zusammen weitere 40% aus. Weitere Reservewährungen (zusammen 20%) waren belgische Francs, Schweizer Franken, holländische Gulden und US-amerikanische Dollars. Die Zahlungen in Gold spielten eine eher untergeordnete Rolle. Nur für intrastaatliches Begleichen von großen [[Schuld]]en oder bei Bereitstellung von Liquidität in Krisenzeiten spielte Gold weiterhin die dominierende [[Rolle]]. | ||
- | Ob der Goldstandard weiter bestanden hätte, wenn es durch den Ersten Weltkrieg nicht zu dessen Aufhebung gekommen wäre, bleibt fraglich. Eichengreen zufolge wäre der Goldstandard auch ohne den ersten Weltkrieg zusammengebrochen. \\ | + | Ob der Goldstandard weiter bestanden hätte, wenn es durch den Ersten Weltkrieg nicht zu dessen |
Die Instabilität des Systems wäre weiter auch ohne Weltkrieg durch die neue Rolle der USA in der Weltwirtschaft erhöht worden. Um die Jahrhundertwende waren die [[USA]] bereits die stärkste [[Macht]] in der Weltwirtschaft. Ihr bedeutender landwirtschaftlicher Sektor bewirkte, daß die Nachfrage nach Liquidität und folglich das Zinsniveau jahreszeitenbedingt reagierten, also im [[Frühling# | Die Instabilität des Systems wäre weiter auch ohne Weltkrieg durch die neue Rolle der USA in der Weltwirtschaft erhöht worden. Um die Jahrhundertwende waren die [[USA]] bereits die stärkste [[Macht]] in der Weltwirtschaft. Ihr bedeutender landwirtschaftlicher Sektor bewirkte, daß die Nachfrage nach Liquidität und folglich das Zinsniveau jahreszeitenbedingt reagierten, also im [[Frühling# | ||
Auch die sich wandelnden innenpolitischen Rahmenbedingungen, | Auch die sich wandelnden innenpolitischen Rahmenbedingungen, |
goldstandard.1417268296.txt.gz · Zuletzt geändert: 2019/07/28 13:36 (Externe Bearbeitung)