Inhaltsverzeichnis
HOFFMANN
Adolph Hoffmann
um 1918
sozialdemokratischer preußischer Kulturminister 1918
- radikale Kulturpolitik, die die regionalen Besonderheiten besonders hinsichtlich religiöser Art mißachtete und auf Gleichschaltung setzte
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
um 1620
Dichter
- wurde für seine opulenten Dichtungen berühmt
- manche nannten es Schwulst
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
1776-1821
DICHTER
- entwirft den titanischen Bohemien als Ja zur Freude und Nein zum PHILISTERTUM
- besitzt eine NEUGIER am Grenzverlust des Spießers, doch bleibt die SUCHE nach GOTT ziemlich hoffnungslos und bloß rezeptionsästhetisch, psychologisierend → Hoffmann besaß ein erkenntnistheoretisches INTERESSE an der Nachtseite des Menschen, der er mit Artistik im modernen Sinne begegnen wollte: er schlug mit seiner LITERATUR eine Kerbe in das damalige Überzeugungsgefüge des Menschen
- eine starke antiklassische TENDENZ durch den Gebrauch verschiedener Gattungen in einem WERK: Gattungsunreinheit beziehungsweise Verwendung verschiedener Sujets
- mied die großbürgerlichen Teegesellschaften, z.B. die der VARNHAGEN, und zog die GESELLSCHAFT in Kneipen vor → sein einstiger Freund HITZIG aus Warschauer Zeiten zieh Hoffmann deswegen des ANTISEMITISMUS
- bildete seinen eigenen Kosmos in einer Kneipe am Gendarmenmarkt aus
- starke KRITIK von Varnhagen, „wie scheußlich“ und BÖRNE, „Humoralpathologie“
- auch von den Ästhetikern des 19.Jahrhunderts, VISCHER und HEGEL, wird Hoffmann abgelehnt, weil die Verschränkung mit der Lebendigkeit des Daseins sich nicht in FREIHEIT löst, sondern spielerisch bleibt → das Dasein verschwiemelt im Dunklen
- MORAL wird von Hoffmann als Kritik an bestehenden Rechtsverhältnissen angesprochen;
- der innere Zwiespalt, die Einsicht in sein WESEN, die SEHNSUCHT, sich über ihn zu erheben, die KRAFT, es zu tun, daraus ging sein HUMOR hervor, der seinen Werken die Weihe gibt (HUCH)
Hoffmann als Beamter
- war der IMMEDIATKOMMISSION zugeteilt, welche zur Untersuchung der demagogischen Umtriebe nach 1814 eingesetzt worden war
- stellte sich mutig gegen die restaurative Politik, den Zeitgeist, indem er von einem Gewebe heilloser Willkür, frecher Nichtachtung aller Gesetze und persönlicher Animosität sprach, die die Restaurativen antreibe
- erstellte ein Gutachten über Turnvater Jahn, in dem er bemüht war, JAHN zu entlasten und statt dessen den Denunzianten als unzuverlässigen und unmoralischen Menschen hinzustellen
- verdiente als Kammergerichtsrat 1600 Taler p.a., etwa 52000 €
Lehre
- die Identitätsphilosophie von FICHTE, wie sie ROMANTIKER geflissentlich vertraten, wird durch den Einfluß Schuberts zurückgenommen → dualistischer Widerruf
- der historische OPTIMISMUS eines Hegel wird psychologisch reduziert → Hoffmann hat keine HOFFNUNG auf eins in allem
- die romantische Philosophie ist nicht WAHR, aber ästhetisch → ihr „NUTZEN“ liegt in der Nutzung, ABER: das Goldene Zeitalter wurde durch Reflexion zerstört und wird überwunden; die PHANTASIE baut UNS eine Himmelsleiter, die vom BODEN ausgeht, CALLOT
- das THEMA des Dichtens ist SEHNSUCHT → das überträgt sich auch auf die Musik: konkrete Gegebenheiten, ja auch nur bestimmte Empfindungen darzustellen, ist nicht Aufgabe der MUSIK
- der Mensch ist ein gedoppeltes WESEN und daher chronisch in einem Spannungsfeld der Prinzipien → möglicher ZUSAMMENHANG der Seiten durch:
- Ahnungen
- Vorgefühle
- Sehnsucht
- Wiedererinnerung
- Subjektivierung ist ein Risiko des Selbstverlustes
- das Bloße sind keine bloßen intellektuellen Ergüsse, sondern auch gefühlsduselige, denn KUNST kommt aus dem Bauch
- ihm gelten Offenheit, Gemütstiefe, AUFMERKSAMKEIT, Besonnenheit und FLEIß etwas
- der Mensch ist mit seinen Ahnen verbunden → Gespenster sind nicht tot, denn wir denken über sie an unsere Ahnen oder Menschen, die wir besonders lieben/fürchten
Hoffmanns Verhältnis zu den Paradigmen des Romans
- Bildungsroman
- Brambilla reibt sich an der ästhetischen Konzeption der KLASSIK, v.a. am Wilhelm Meister, denn nach GOETHE wächst der Mensch bloß unter ZWANG
- in den Elixieren des Teufels verläßt ein Mönch sein KLOSTER; er hat an der Antonius-Versuchung genippt, was seine LIBIDO freisetzte und nur durch den Tod zu sühnen, zu einem Ende zu bringen ist → keine Entwicklung, keine BILDUNG: der Mönch bleibt zerrissen und findet erst im Tod sein Ende
- Kater Murr (Philisterleben) und die Kresleriana (Künstlerleben) bauen einen GEGENSATZ auf
- die von SCOTT geschaffene Gattung kannte Hoffmann, will das aber nicht schreiben
- Sozialroman
- wird gegenüber anderen Ländern in DEUTSCHLAND erst verspätet MODE, aber Hoffmann gibt BALZAC entscheidende Anregungen
Der goldene Topf
- Spielen auf verschiedenen Ebenen
- Zwiespalt der Zukunftsfindung: Menschen als pars pro toto, aber scharfe WAHRNEHMUNG der bürgerlichen FRAU → Worauf sind bürgerliche MÄDCHEN aus? – EHE als Versorgungsinstitution, was die Frauen an der Seite reicher Männer unzufrieden werden läßt, also werden sie untreu;
- hochphantastisch (Todorov)
Klein Zaches, genannt Zinnober
- Klein Zaches ist das mißgestaltete Kind eines armen Bauernweibes, dem die FEE aus MITLEID die Gabe verlieh, alle Bewunderung, die ANDERE verdienen, auf sich zu lenken
- er geht dennoch elendig zugrunde, denn die KRAFT geht nicht aus seinem SELBST hervor - seine äußere Häßlichkeit entspricht eben seiner inneren -, doch (typisch für Hoffmanns Humor) NACH seinem Tode wirkt der Liebeszauber der Fee weiter und Klein Zaches erscheint allen als das, was er nie war: als ein vollendeter MENSCH, so waltet die erbarmende göttliche LIEBE (HUCH)
Majorat
- dem Leser wird hier Halt gegeben, d.i. eine moralische HANDLUNG
- dem Helden wird ein Rat erteilt, der anwendbar ist: eine Adlige überprüft das Erbfolgerecht → Hoffmann kann MORALITÄT nur bei Rechtsfragen thematisieren!
Meister Floh
- satirische Abrechnung mit der Demagogenverfolgung nach 1814
- Hoffmann griff den Rechtsbruch seines Köngs an, der den Oberverfolger Kamptz vor einer Zivilklage wegen Verleumdung durch Jahn schützte, indem er die Klage durch Machtspruch abwies und Hoffmann letztlich damit drohte, ihn nach Insterburg zu versetzen und das Schreiben zu verbieten
Der Sandmann
- radikales Werk, weil der philosophische Alltag kritisiert wird
- irritierendes Werk, weil der bürgerliche Alltag in seiner Doppelbödigkeit dargestellt wird
- bestimmte MACHT eines Kindheitstraumas erzählt → jedes (nicht nur deutsche) Kind kennt den SANDMANN
- TRAUM kann nicht entronnen werden → doch: durch den Turmsprung in den TOD
Auseinandersetzung mit der AUFKLÄRUNG, die, durch aufklärerische Ratschläge gegeben, nicht an den HELDen gelangt, denn diese Ratschläge sind für den Helden nicht anwendbar
- die Hauptfigur sieht sich bedroht → die Optik spielt eine entscheidende ROLLE: das Augenmotiv ist strukturgebend, der Blick durchs Perspektiv, das GLAS Copulas, verdreht Automat, Olympia, und GELIEBTE, Clara, d.i. in Beziehungsdurcheinander
Kritik Walter Scotts
- die Aufnahme erfolgte negativ: GRUND war die Gestaltung der unheimlichen Elemente
- Walter Scott bindet in seinem Essay On the Supernatural in Fictitious Composition aus dem Jahr 1827 die Darstellung des Übernatürlichen an die Grenzen des Geschmacks und stellt den Sandmann als Beispiel einer Erzählung vor, welche diese Grenzen überschreitet. Das Groteske und Phantastische in Hoffmanns Erzählung könne nicht akzeptiert werden, weil es das SCHRECKLICHE, das im GEGENSATZ zum Schönen nur Überraschung, aber nicht Vergnügen und LUST bereiten könne, zur ästhetischen Grundlage der Erzählung mache. Hoffmanns Ideen seien keine Visionen eines Dichters, vielmehr seien die unheimlichen Momente im Sandmann mit den Fieberträumen eines psychisch Kranken oder den Halluzinationen nach übermäßigem Opiumkonsum zu vergleichen.
Rezeption
- Diejenigen seiner komischen Vorstellungen, die am stärksten übernatürlich, am flüchtigsten sind und die oft den Visionen der TRUNKENHEIT ähneln, haben einen sehr sichtbaren geistigen Gehalt: Man könnte glauben, man hätte es mit einem Physiologen oder mit einem der tiefsinnigsten Irrenärzte zu tun, dem es gefiele, diese tiefe WISSENSCHAFT in poetische Formen zu kleiden, wie ein gelehrter, der in Fabeln und Gleichnissen spräche.
- zur SYNÄSTHESIE: Ich öffne die Kreisleriana des göttlichen Hoffmann, und ich lese dort eine sonderbare Empfehlung. Um eine komische Oper zu komponieren, soll sich der gewissenhafte MUSIKER des Champagners bedienen. Dort wird er die schäumende und leichte Fröhlichkeit finden, die die Gattung verlangt. Religiöse MUSIK verlangt Rheinwein oder Jurançon… Hoffmann hatte ein seltsames psychologisches Barometer erfunden, das ihm die verschiedenen Temperaturen und atmosphärischen PHÄNOMENe seiner SEELE anzeigen sollte… Ich glaube, daß zwischen diesem psychischen Barometer und der Erklärung der musikalischen Qualitäten des Weines eine eindeutige Brüderlichkeit besteht. (BAUDELAIRE)
- sein einziger Kunstgriff besteht darin, daß sich vermöge einer Doppelgängerei alles in alles verwandeln kann
- er gehört nicht zu den unerschütterlichen Wurzelsenkern unserer Dichtung, sondern zur Literatenliteratur (Engel)
- Was leistet er? Er liefert Modelle. Wovon? Von Menschheits- und Menschenerfahrung. (FÜHMANN)
- auch er war ein krankhaftes WESEN, dem das Maß fehlt, der sich quält und in Fieberphantasien MORALISCH fehlurteilt (GERVINUS)
- war als Dichter viel bedeutender als NOVALIS, denn letzterer mit seinen idealischen Gebilden, schwebt immer in der blauen Luft, während Hoffmann, mit allen seinen bizarren Fratzen, sich doch immer an der irdischen REALITÄT festklammert
- seine POESIE war KRANKHEIT; die Purpurglut in Hoffmanns „Phantasiestücken“ ist nicht die Flamme des GENIEs, sondern des Fiebers (HEINE)
- Hoffmanns erkenntnistheoretisches Manko: kein Weg, kein Schaffen, keine Komposition führen zu einem ZIEL hin (Hegel)
- So eigenartig und reizvoll Hoffmanns Erzählungen auch sind, geriet er doch fast immer in die Gespenstergeschichte und verdarb dadurch ihren künstlerischen WERT. Er verstieß gegen das GESETZ, daß die Welt des Unbewußten steigt in dem Maße als die des Bewußtseins versinkt; nur diejenigen GESPENSTER haben poetische KRAFT, die aus der tiefsten NACHT des Unbewußten aufsteigen. (Huch)
- die WIRKLICHKEIT wird im MÄRCHEN aufgehoben, sie sind eins (Miller)
- ein Panorama übernatürlicher Literatur → seit dem MITTELALTER gibt es in der europäischen Literatur Versuche, dem Übernatürlichen seinen festen Platz zuzuweisen
- bestimmt ästhetische Normen, in denen er etwas gelten läßt
- exemplifiziert Wertungen
- die INSPIRATION Hoffmanns entspringt dem Opium, so daß wir seine Ergüsse in das Reich der Krankheiten bringen mögen (Scott)
Leopold Alois Hoffmann
um 1790
HERAUSGEBER
- gab 1792/3 die Wiener Zeitschrift heraus, ein Organ gegen die FRANZÖSISCHE REVOLUTION und die damit verbundenen innenpolitischen Probleme im REICH
- war einst Freimaurer, wandte sich aber nach dem Freimaurerpatent Josephs II. entschieden gegen freimaurerische Umtriebe
- entkleidete die Verschwörungstheoreme weitgehend der christlichen Vorzeichen und transformierte diverse Darstellungen zum rein politischen Kampfinstrument
- unterschied in die gefährliche rote und die ungefährliche blaue LOGE: die rote Loge würde sämtliche Könige vertilgen und eine absolute GLEICHHEIT auch beim Besitzstande herbeiführen wollen
- setzte den Illuminatismus mit dem Jakobinismus gleich → große Auswirkung auf die revolutionsfeindliche Publizistik (Goechhausen, Koester, Grolmann, Reichhard), die vom Landgrafen von Hessen-Kassel und vom Markgrafen Karl Friedrich von Baden finanziell unterstützt wurde